Review: Genetikk – D.N.A. (Premium-Edition)



  • 01. Intro
    02. Spezies
    03. Yes Sir
    04. Packets in den Boots
    feat. RZA
    05. D.N.A
    06. Triumph
    07. Champions
    08. A la Muerte
    feat. Kollegah
    09. Gift
    10. Plastik
    11. Represent
    12. Liebs oder lass es
    feat. Sido
    13. Alles möglich
    14. Du bist weg
    15. Strawberry Fields
    16. Über alles
    17. Kappa Alpha Rho
    18. Outro
    feat. MoTrip


    Bonus-Tracks:
    19. Kill Karuzo
    20. Wahyo
    21. Ich bin Ghetto
    22. Out Out Out


    Mochte man über die Jungs von Genetikk Genaueres erfahren, so fiel das in den letzten Wochen nicht ganz leicht. Denn in ihren Interviews kommen die überaus wortkargen Saarländer Karuzo und Kompagnon Sikk oft nicht über einsilbige Antworten hinaus, sie tragen dabei skurrile Masken – wahlweise auch Schminke – und setzen bei ihren Antworten trotz einiger Bedenkzeit meist mit einem "Weiß nicht" an oder greifen sofort zum klassischen "Ja". Nach etwa 15 Minuten beantwortet Moderator Falk im Interview seine Frage selbst und bringt es auf den Punkt: "Ihr macht euch da keine Gedanken drüber, deswegen sind Interviews immer so quälend." Schließlich gibt Karuzo den Zuschauern den heißen Tipp, wie etwas über seinen Produzenten Sikk und ihn zu erfahren sei: "Wenn ihr was über uns erfahren wollt, hört euch unser Album an." "D.N.A.", "Da Neckbreaker Aliens", das Selfmade-Release Nummer zwei der Saarländer, steht seit wenigen Tagen in den Läden – beherzigen wir doch schlichtweg den Tipp von Frontmann Karuzo und hören in das von Vielen mit Spannung erwartete Album rein.


    Dass die Saarländer ihre persönlichen Wehwehchen nicht mit uns teilen, liegt nicht nur daran, dass sie ihre Anonymität wahren möchten, sondern auch, dass sie ein gewolltes, kalkuliertes Mysterium um sich herum entstehen lassen und aufrecht erhalten. Aufgrund der Masken ist es fast unmöglich, die zwei – ob bewusst oder nicht – nach oberflächlichen Merkmalen in die sperrangelweit geöffneten Schubladen einzuordnen. Der gemeine Hörer ist gezwungen, zu abstrahieren und fast ausschließlich über die Musik zu urteilen. Karuzo lastet kein Gangster-, Studenten-, Battlerap- oder Backpacker-Image an, weil er keines davon verkörpert und mit einer affenähnlichen Maske auf Sikks Beats rappt, die sich ebenso jeder Einordnung erwehren.


    "Check das, ich war wie stigmatisiert, dann kam Sikk, hat's kapiert/
    Gab mir Kicks, gab mir Snare, gab mir Stift und Papier/
    Und was dann passiert? Längst schon Geschichte/
    Genetikk, die Ersten und Letzten, ihr Bitches/
    "
    (Karuzo auf "Champions")


    Wohin das Kunstprojekt noch treibt, wüssten die beiden nicht, andernfalls würde das Projekt aber auch nicht treiben können. "Spezies" deutet an, wohin es gehen kann: Die außerirdischen "Neckbreaker" sind das Produkt eines "kosmischen Plans" und dazu berufen, das Rapspielchen zu dominieren; dafür werden sie mit einer Rückkehr zu ihrem Heimatplaneten entlohnt. Daraufhin arbeiten sie schon mal, denn RZA, Sido, Kollegah und MoTrip einzuladen und diese ausnahmslos hoch angesehenen Künstler neben ihnen schlecht aussehen zu lassen, ist bereits ein dickes Ausrufezeichen. Nicht gleich überflüssig, aber zumindest entbehrlich fällt der Part von Ex-Aggroberliner Sido ab, der hier noch am besten vom Fleck kommt. RZA müht sich ein paar müde Lines ab und hängt ihnen das obligatorisch abschließende "USA and Germany" an ("Packets in den Boots"). Das transatlantische High-Five mag zu Zeiten von Flavors "Rhymes Galore" als ein viel umjubeltes Kompliment für Deutschrap gesehen worden sein. Die Mischung aus Sikks einschlagenden Bässen und Karuzos Style sind im Verbund jedoch eine derart starke Kombo, dass jeder Gastpart so wirkt, als hätte man den Zucker süßer haben wollen, oder – zumindest im Nachhinein – so, als wären die namhaften Gäste ausschließlich als Plakate für den Vorverkauf gedacht gewesen. Für eine Erkenntnis ist ein Gast-Part dennoch gut: Langsames, dreckiges Instrumental und hallende Drums sind keine gute Vorlage für bosshaftes Geprahle. Wahrlich überirdisch eilt Karuzo seinem Labelkollegen Kollegah auf "A la Muerte" davon. Wo MoTrips Perfektionismus geblieben ist, fragt man sich, hört man ihn die Hook im "Outro" singen. Ecken und Kanten schön und gut, aber dass der Aachener hier schief und schepp die bedeutungschwangere Hook trällert, ist mir dann doch zu imperfekt. Die externen Aussetzer geben trotz der Enttäuschung keinen Anlass, mit dem Kopfnicken aufzuhören. Denn dank der 22 Anspielstationen der Premium-Edition ist noch reichlich Spielzeit für genügend wahnsinnige instrumentale und stimmliche Geniestreiche, die nur zu zweit am besten funktionieren. Auf "Yes Sir" macht Sikk mit einem äußerst epischen Instrumental klar, warum er heißt, wie er heißt. Ein nicht eindeutig identifizierbares, gelooptes Summen, das sich ein bisschen so anhört, als würde man in einen Ventilator pusten. Dazu eine schüchterne Snare, die wie gewohnt präzisen Drums und wir haben den vertonten Wahnsinn im Gehörgang. "Yes, Sir"!


    "Meine Parts kommen Sumo wie 'n Fettsack/
    Mit jeder Menge Extras – weil jedes Wort perfekt passt/
    Da Neckbreaker – lyrischer Genickbruch für die Drecksmajor/
    Ich bau' Joints mit sechs Papers und paff' mein Haze selber/
    "
    (Karuzo auf "Represent")


    Eingestreute Anglizismen, gepaart mit den selbstgefälligen Selbstbeweihräucherungen und kaugummilanggezogenen Silben bringen die Fachpresse stets zum Flipstar-Vergleich, Lakmanns Gefährte setzte außerdem genau wie Karuzo gerne die grüne Brille auf. Dass Flipstar mittlerweile Chirurg ist und Karuzo Jura-Student, schwächt trotz des landläufigen Studenten-Klischees die oft angehimmelte Authentizität minimal ab. Bei der Häufigkeit der Erwähnungen bleibt der Restzweifel: Kifft Karuzo in Wirklichkeit vielleicht gar nicht? Skandal! Wie unwichtig derlei Fragen sind, zeigte das Selfmade-Signing bereits auf "König der Lügner" und mit "Represent" ist jetzt auch klar: Sikks schmetternde Untermalungen haben eine Qualität erreicht, die Karuzo nur schwer schlecht aussehen lassen können, egal, zum wie vielten Mal er das Haze in die Lunge zieht. Dabei sieht der Produzent Plattenläden im Normalfall nie von innen, sondern erspäht seine Samples auf YouTube. Das klingt fast so, als hätte Karuzo eine Gehhilfe seines Gefährten nötig. Weit gefehlt, denn der bearbeitet die roughen Instrumentals seines Partners spielend leicht, setzt Wörter an die Stellen, die ihm passen und lässt das so klingen, als hätte man es nicht anders schreiben dürfen. Seine Stimme klingt einerseits nach rauer Straßenattitüde ("Ich bin Ghetto") und gleichzeitig nach Rucksackträger ("Represent", "Liebs oder lass es"), nur um kurz darauf mit ihr gefühlvoll so hoch zu gehen, dass man in Verbindung mit den Beats und in Erwartung der Line, die die alte ablöst, instinktiv den Kopf zum dafür einladenden Rhythmus bewegt.


    Überirdisch ist an "D.N.A." vor allem, dass auch die Themen von der Stange so behandelt werden, als wäre es das erste Mal. Völlig überraschend bricht Karuzo auf "Alles möglich" und "Du bist weg" tatsächlich mit seinen eigenen Prinzipien und wird privat. Er glaubt, uns das zu geben, was wir schon immer wollten: Klatsch-Geschichten aus seinem Leben. Dabei enthüllt er tragisch-mitreißende Tragödien: ein Todesfall in seiner Familie, Suizidversuche seines Vaters und die Unfähigkeit seiner Mutter, ihre Liebe zu zeigen. Diese Öffnung hatte ich nicht erwartet – und auch nicht gefordert. Der Track und das Niederschreiben seines persönlichen Schicksals dienen wohl vor allem therapeutischen Zwecken. Dass hierbei eine so empathische, einnehmende Nummer herauskommt, ist natürlich umso schöner.


    "Wie ich wurde, was ich war, geht dich zwar eigentlich 'n Scheiß an/
    Aber irgendwie fließen die Worte aus mir raus/
    [...]
    Ich hab' gesagt, dass ihr die Story niemals kriegt/
    Und doch liegt sie hier vor mir auf dem Tisch/
    "
    (Karuzo auf "Alles möglich")


    Fazit:
    Es ist nicht weniger als das beste Album, das ich bis jetzt in diesem Jahr gehört habe. Warum? Dass "D.N.A." genau die Musik ist, die Genetikk immer machen wollten, hört und fühlt man. Karuzo ist mit allem ausgestattet, was einen Rapper besonders klingen lässt. Egal, ob deep, rough, real, Ghetto – er kann alles und ist zusätzlich mit den Feinheiten bespickt, dem Sound das Besondere zu verleihen. Er wechselt stetig das Tempo so, wie es ihm beliebt. Stotternde Staccatoflows oder langgezogene Silben – Karuzo lässt Sikks Bretter von Beats eine Weiterverarbeitung erfahren, die seine eingeladenen Gäste alt aussehen lässt. Leider sind es ebendiese Gäste, die dem stimmigen Gesamtbild einen kleinen Dämpfer versetzen. Bleibt den Genetikk-Jungs zu raten, sich weiterhin keinen Kopf über die Musik zu machen, wenn dabei ein Werk entsteht, das eine derartige Ausnahmestellung für sich beansprucht. P.S.: "Tschiko, tschiko, wayhooo"!



    (Die Robbe)

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  • Zitat

    Original von JoeKing
    Gutes Album, hätte aber 1-2 Mics weniger gegeben.


    Du hättest dem Album also 3,5 Mics gegeben? Ok.

  • Juice Review war in dem Punkt fast noch treffender, Album ist einfach zu lang. Wären es nur 12-14 Songs wäre es ein Longtime Klassiker schlecht hin. So ein grandioses Album.

  • Zitat

    Original von Ferkix
    Juice Review war in dem Punkt fast noch treffender, Album ist einfach zu lang. Wären es nur 12-14 Songs wäre es ein Longtime Klassiker schlecht hin. So ein grandioses Album.



    Find ich auch.


    Es ist einfach zu viel.
    Paar Songs dadurch überflüssig.

  • Ich finde keins der Tracks überflüssig. Außer der mit Loud Pipes Beat... ich kann den Beat nicht mehr hören, und ist eigentlich auch net so gut der Song. Sonst einfach nur dope.

  • Zitat

    Original von Piccadilly
    Krasses Album. Mit ,,bestem Album" wär ich nicht so voreilig, auf ,,Triebwerke" darf man wohl gespannt sein.


    Hoch2 wird auch verdammt krass. Wird aber wohl kaum an DNA rankommen :thumbup:

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