01. Intro
02. Bad Boy
03. Rotweinglas
04. Waschechter Künstler feat. Dani Damino
05. Westcoast W
06. Die Bucht
07. Weisse Flagge feat. Weekend
08. Peng! feat. Maeckes
09. Örtschendeis
10. Einen Moment mal!! feat. DJ Pilot
11. Faust
12. Mazel Tov
13. Norman Bates feat. Cap Kendricks
14. Vist mit V
15. Gedicht
16. Häagen Dasz
17. Gangsta
18. Outro (04.09.13)
Dass Edgar Wasser ein Album veröffentlicht, ist zunächst nicht ungewöhnlich. Die Länge der Releaseliste des Münchners ist ganz beachtlich, doch wo bisher Free Releases an der Tagesordnung waren, will der Münchner mit der "Tourette-Syndrom EP" dieses Mal sein erstes kommerzielles Album an den Mann bringen. Es warten mit 18 Tracks fast eine ganze Stunde Spielzeit auf die Hörerschaft.
Wer Edgar Wasser bereits von einem der vielen Gratisreleases kennt, dessen Erwartungshaltung geht in Richtung Boom bap-Beats mit originellen, tiefsinnigen Texten, provokant und mit viel Humor gewürzt. Wer sich auf der "Tourette-Syndrom EP" eine 180 Grad-Wende erhofft hat, der wird bereits vom "Intro" enttäuscht. Eingefleischte Edgar Wasser-Fans hingegen befinden sich im siebten Himmel, denn im Anschluss legt The Illest mit "Bad Boy" einen Track vor, der alle Erwartungen übertrifft. Ein grandioser samplebasierter Beat aus eigener Produktion dient als Basis für den Track, der die immer wieder grassierenden Diskussionen um Female-MCs und Frauen im HipHop generell aufgreift. Edgar Wasser rappt hier mit seinem gewohnt souveränen Flow einen vor Sarkasmus und Witz strotzenden Text von der Sorte ein, die einst die Jungs von K.I.Z. bekannt gemacht hat. Eine große Portion schwarzer Humor rundet "Bad Boy" ab und sorgt schon auf der zweiten Anspielstation der Trackliste für einen ersten Höhepunkt.
"Ist ja nicht so, dass ich alle von euch scheiße find'/
Schwesta Ewa sieht geil aus, die würd' ich nie beleidigen/
Visa Vie ist richtig nice, die hat es begriffen, weil/
Die macht jetzt Video-Interviews statt Mucke, was zum Wichsen reicht/"
(Edgar Wasser auf "Bad Boy")
Es geht stark weiter. Denn Edgar Wasser hat wie gewohnt keinerlei Berührungsängste, auch große Themen anzusprechen. So richtet sich "Rotweinglas" unter anderem gegen Chauvinismus. Edgar stellt die Frage, ob Drogenkonsum als "waschechter Künstler" zur Steigerung der Kreativität tatsächlich notwendig ist. Er bedient sich dabei einer kraftvollen und bildhaften bis metaphorischen Sprache und zimmert diese mit seinem ganz eigenen Flow zum typischen "Edgar Wasser-Sound" zusammen. Auf "Die Bucht" werden weiterhin der Walfang und Massentierhaltung kritisiert. "Faust" reflektiert den Gebrauch des Wortes "behindert" als Beleidigung oder Bezeichnung für negative Sachverhalte. Mit "Weisse Flagge" nimmt sich der Münchner das Verbraucherverhalten in der westlichen Welt vor. Was bei anderen Künstlern unter Umständen zur peinlichen Ballade mit großen Worten und erhobenem Zeigefinger verkommt, fügt sich bei Edgar Wasser perfekt in das Soundbild ein und weicht auch textlich nicht vom gewohnten Standard ab. So wird hier nicht an Selbstkritik gespart und mit Weekend außerdem ein kongenialer Featuregast präsentiert. Der Hörer wird selbst zum Denken angeregt, was letztendlich am besten für die hohe Qualität eines solchen Tracks steht.
"Das hier wird ganz bestimmt keine Moralpredigt über Nachhaltigkeit/
Ohne Scheiß, wie lächerlich wär das denn? Ich mein', jede CD, die ich verkaufe, ist in Plastik verschweißt/
Und lass uns gar nicht anfang', über die Dritte Welt zu reden/
Was meinst du, wo die Edgar Wasser-T-Shirts hergestellt sind/"
(Edgar Wasser auf "Weisse Flagge")
Neben großen Themen, die die Welt bewegen, dürfen aber auch die typischen Edgar Wasser-Representertracks nicht fehlen. Auch diese haben trotz Edgars Ausbruch in den kommerziellen Rap kein bisschen an Originalität, Innovation und Humor verloren. Beattechnisch geht The Illest dabei allerdings neue Wege. So berappt Edgar auf "Westcoast W" passend zum Titel einen Westcoast-Beat. Auf "Örtschendeis" und "Mazel Tov" hingegen stellt der Künstler auf für ihn unüblichen Trap-Beats klar, wer der Chef ist.
"Ich weise dich zurecht wie Rekruten im Bootcamp/
Du bist ein alter, dreckiger Bastard – Wu-Tang/
Keine Konkurrenz in meinem Radius/
Ich tret' auf deinen Kopf ein, bis er bricht – Mazel Tov/"
(Edgar Wasser auf "Mazel Tov")
Die ausgewählten Beats für die "Tourette-Syndrom EP" stammen größtenteils aus den Produktionen von Cap Kendricks, Peet und Paulinger. Trotz der Exkurse in andere Genres ist dabei ein homogener Mix entstanden, der durch die konstant starken Raps von Edgar und seinen Featuregästen wie Weekend und Maeckes perfekt ergänzt wird. Was den Hörfluss allerdings massiv stört, sind die vor oder hinter fast alle Tracks geschnittenen Samples aus Filmen oder Interviews mit Rapkollegen, die mehr oder weniger auf den anschließenden Track Bezug nehmen. Was anfangs noch recht unterhaltsam ist und die Spannung erhöht, verliert nach mehrmaligem Durchhören des Albums jedoch stark an Reiz. Die Folge ist, dass man entweder "skippen", "spulen" oder im Schnitt 30 Sekunden Intro beziehungsweise Outro des Tracks über sich ergehen lassen muss.
Fazit:
Zum ersten Mal verlangt Edgar Wasser Geld für ein Album. Die "Tourette-Syndrom EP" ist dabei jeden Cent wert. Beats und Rap ergänzen sich in selten erlebter Weise zu einem Gesamtbild, das keinen Ausrutscher aufzuweisen hat und alles bestätigt oder übertrifft, was Edgar Wasser-Fans in einer Vielzahl von Gratis-EPs lieben gelernt haben. Wer kein Freund von Boom bap-Beats ist, lässt sich von einem überdurchschnittlichen Rapper Texte mit jeder Menge Humor, Provokation, Tiefgang und Sarkasmus präsentieren – nachdem das "Intro" geskippt wurde.
(Claude Gable)
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