01. Das Leben ist Saadcore
02. Kantsteinsurfer
03. Du bellst aber beißt nicht
04. Saad B C
05. Ich will euch brennen sehen
06. Jamila (Das Finale)
07. Worte sind nur Luft feat. Kontra K
08. Yayo Pt. II
09. Menschen quälen feat. Blokkmonsta
10. Womit hab ich das verdient Pt. II
11. Was ich so mache - Skit
12. Kreditkartenfresse
13. Manchmal Pt. II
14. Wenn du ihnen glaubst
15. Nachtgespräch
Nach dem Ende seiner Schaffenspause im Jahre 2013 war Baba Saad nicht gerade faul. Er veröffentlichte eine neue Platte, nahm die Rapper EstA und Punch Arogunz unter Vertrag, releaste mit ihnen einen Labelsampler, unterstützte sie bei ihren Soloalben und hatte auch beim Debüt von 4tune seine Finger im Spiel. Dabei scheint ihm gerade die Labelarbeit besonders zuzusagen, denn aus dem aktiven Rapgeschäft möchte sich der Künstler vorerst zurückziehen. Zumindest kündigte Saad sein neues Album namens "Das Leben ist Saadcore" als sein letztes Solowerk an, wobei die einen in der Symbiose seiner ersten Albentitel "Das Leben ist Saad" und "Saadcore" ein Zeichen dafür sehen, dass er das Beste seiner Anfänge kombinieren will, während böse Zungen behaupten, dass ihm schlicht und ergreifend die Ideen ausgegangen seien. Doch egal, ob man sich nun darüber freut, dass es ein neues Saad-Album gibt, oder darüber, dass es das letzte sein wird: Ein wirkliches Urteil kann sich nur bilden, wer reingehört hat.
"Denn wenn ich dich mit einem Knüppel zerfick'/
Machst du scheiß Krüppel nie mehr ein' Behindertenwitz/
Nutte, mein Gangsterrap ist Beton und nicht Marmor/
Zieh' Kokain, denn das Leben ist Saadcore/"
(Baba Saad auf "Das Leben ist Saadcore")
Und Saad scheint wirklich davon auszugehen, dass sowohl seine Fans als auch Saad-Gegner der Platte lauschen, denn ein Halunke, wie er ist, erlaubt er sich direkt zu Beginn einen kleinen "Scherz". Poppiger Synthiesound und Autotune lassen den Titeltrack zunächst wie einen schmalzigen Sommersong wirken, bevor Baba Saad die Nummer unterbricht und meint: "Da haste falsch gedacht, du Hurensohn." Tatsächlich habe ich da falsch gedacht. Doch spricht es nicht eher gegen ihn und seine Musik, wenn man ihm diesen Popkram zunächst wirklich abkauft? Zumindest stellt Saad umgehend klar, dass sich das weitere Album eher nach dem Gegenteil anhören wird und ersetzt die lockerleichten Klänge durch harten Straßensound, Drogengeschäfte, Hass und Gewalt. Auf "Kantsteinsurfer" wird dies direkt fortgesetzt, der Bass wird lauter und härter, das Gesangssample im Hintergrund von der schnellen Snare zerschnitten, während sich weibliche Verwandte auf "Du bellst aber beißt nicht" der selbsternannten "Wehrmacht im Bett" ergeben. Gerade hat man sich also daran gewöhnt, dass der asoziale Grundton des gesamten Albums damit festgelegt wurde, da wird aus dem Baba plötzlich das besorgte Vorbild, das klar macht, dass der Schulabschluss auch für einen Gangster wichtig sei. Auf einem fröhlichen Beat erklärt er etwa, dass man Geografie bräuchte, um zu wissen, in welcher Hood man stecke, bevor das Messer aus dem Werkunterricht benutzt wird, um die Lehrerin abzustechen, die es wagt, in "Sexkunde" dem Schüler Saad "hässliche Titten" zu zeigen. Auch hier ist dem Hörer klar, dass das Ganze lustig sein soll, nur kommen die Witze so plump und flach, dass es beim Versuch bleibt. Bevor man sich aber Gedanken darüber machen kann, wie die scherzhafte Umsetzung hätte besser funktionieren können, springt die Stimmung wieder um und Saad lässt seiner Wut freien Lauf, damit die "Jamila"-Trilogie ein Ende findet. Der Beat, wie ein Großteil des Albums von den Offenburgern Loopkingz produziert, ist eine gelungene Kombination aus harten Drums und orientalischem Sound und dient Saad zur Untermauerung seines Zorns gegenüber besagter Dame, den man am Ende der Geschichte fast nachvollziehen könnte, wären da nicht die letzten Zeilen: "Guck mich an, während ich dich schlachte wie ein Lamm/ Nutte, wenigstens wurdest du geschlachtet von 'nem Mann".
"Du Ghetto-Tourist, ein Kriminalitätsfan/
Alles was du bist, leider realitätsfern/
Digger, deine YouTube-Videos machen dich nicht echter/
Plastikwaffen, Monatslohn, Fotos, keine Gangster/"
(Kontra K auf "Worte sind nur Luft")
Rappen kann Saad zweifelsfrei, Timing und Flow sind fehlerlos, wenn auch teilweise etwas monoton. Letzteres wird besonders auffällig, wenn die melodiöse Stimme von Featuregast Kontra K ihm zu den orientalischen Klängen von "Worte sind nur Luft" die Show stiehlt. Da macht der Libanese neben Blokkmonsta schon eine deutlich bessere Figur, auch, weil es kaum möglich ist, ihre Stile wirklich miteinander zu vergleichen. Zumindest konzentriert man sich gemeinsam auf ein Thema und will "Menschen quälen". Da wirkt es schon absurd, wenn zwischen diesem, mit grundloser Gewalt vollgepackten Track und einem aggressiven Titel über Saads Lieblingsfoltermethode, die "Kreditkartenfresse", das Sequel zu "Womit hab ich das verdient" wartet. Denn hier geht es urplötzlich sanft und ruhig zu, eine möglichst tragische Atmosphäre soll aufgebaut werden, damit Saad grundlose Gewalt und Folter anprangern kann. Schade ist zudem, dass gerade er, mit persönlichem Bezug zum Krieg im Libanon, einen 08/15-Text rappt, der auf fast jede Krise in jedem Land zutreffen könnte und hauptsächlich aus leeren oder allgemeinen Phrasen besteht. Obwohl ihm die Thematik sicherlich sehr wichtig ist, er genau weiß, wie sich die Leute fühlen, und er Angst und Not teilweise nachvollziehen kann, wirkt der Track selbst sehr substanzlos. Untermalt wird das Ganze von einem Beat, den man so oder so ähnlich auf fast jedem obligatorischen, tiefgründigen Track schon gehört hat. "Manchmal Pt. II" ist da schon ein ganz anderes Kaliber. Der Synthiesound schrammt böse über die Drums und auch Saads Flow klingt bissiger als sonst. Auch wenn das Storytelling hier, genau wie bei "Yayo Pt. II", eher auf eine "Erst Drogen verkaufen, dann vor der Polizei flüchten"-Geschichte beschränkt ist, ist es durchaus unterhaltsam.
Wie bereits gewohnt, bremst das Klangbild immer dann, wenn es am lautesten und schnellsten auf dem Album zugeht, urplötzlich ab und wird butterweich. Den Abschluss des Albums bildet ein "Nachtgespräch" mit seinen Fans, bei dem er sich dankbar für all die Unterstützung und den Support von Freunden und Familie zeigt und nochmal betont, dass die meisten anderen Rapper solche Hurensöhne sind, "weil ihre Mütter kleine Huren sind, die Hurensöhne". Da kann man sagen, was man will, die Aussage ist in sich stringent. So endet dann "Das Leben ist Saadcore" auch und obwohl das Danke an seine Fans durchaus ein feiner Zug von Baba Saad ist, bleibt der große Knall zum Abschluss irgendwie aus.
Fazit:
Keine Frage, rappen kann Baba Saad. Konstanter Flow, hier und da etwas zu monoton, aber wenn er sich dann mal auf einem richtigen Brett von einem Beat austobt, dann steckt da ordentlich Zunder hinter. Problematisch wird es, sobald er krampfhaft versucht, witzig zu sein und das Ganze im flachen Prollhumor verendet oder er die Situation im Libanon, ein Thema, welches ihm sicherlich am Herzen liegt, relativ oberflächlich und viel zu allgemein behandelt. Zu oft erhält der Hörgenuss dadurch einen Dämpfer und die abrupten Stimmungsschwankungen im Soundbild und den Thematiken tun ihr Übriges, um das gesamte Album inkonstant wirken zu lassen und die Aussagen hinter einzelnen Titeln zu schmälern. Sollte es sich tatsächlich um das große Finale seiner aktiven Karriere handeln, so bleibt zu hoffen, dass Baba Saad seine Halunken als Chef besser berät, als er das bei sich selbst tat.
Wobo Solagl (Daniel Fersch)
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