Beiträge von WoboSolagl



    01. Intro
    02. Kingz
    03. Panzafaust Flow
    04. Ghettopräsident 3
    feat. Kurdo & Massiv
    05. Flatrate Stress
    06. Dennis
    feat. Sarah Ann
    07. 110
    08. Bis die Kasse stimmt
    feat. Celo & Abdi
    09. Testosteron
    10. Aboo
    feat. Eko Fresh
    11. Julia
    12. Nein
    13. Uppercut
    feat. Akez
    14. Mördersound feat. Jasko
    15. Pump die Hantelbank 2
    16. Rin Rin Rin
    17. GTA
    18. Yolo
    19. Killakollabo
    feat. V.A.


    Wenn Du (so wie ich) aus Nürnberg kommst und gefragt wirst, ob aus Deiner Stadt irgendwelche Rapper stammen, die man auch im Rest der Republik kennt, gibt es eigentlich nur eine Antwort. Denn auch wenn sich hier durchaus ein paar Deutschrap-Vertreter finden lassen, so sind es – egal, ob man sie mag oder nicht – doch die Brüder Rokko81 und Atillah78 aka Automatikk, mit deren Namen die meisten HipHop-Fans dann auch außerhalb der Nürnberger Stadtgrenzen etwas anfangen können. Ob man den Namen des Duos nun lieber möglichst leise nuschelt oder mit stolzgeschwellter Brust herausposaunt, liegt am Musikgeschmack des Einzelnen, kann wohl aber auch ganz einfach mit einem Blick in das neueste Werk der beiden Rapper, "Jenseits von Eden 2", beantwortet werden.


    "Spieglein, Spieglein an der Wand/
    Wer hat den geilsten Sixpack und die Pump in der Hand/
    Wer zieht sein Shirt aus und die Girls fall'n in Ohnmacht/
    Und alle Hater sagen: 'Oh man'/
    "
    (Atillah78 auf "Kingz")


    Kaum verklingt das "Intro", das klarstellen soll, dass Atillah und Rokko keine Schwätzer, sondern Macher sind, ernennen sich die Brüder auch schon direkt zu den absoluten "Kingz". Bereits hier kann der Hörer relativ klar ausmachen, wie ihm das Gesamtwerk des Duos gefallen wird, da ein Großteil der Tracks auf "Jenseits von Eden 2" aus finsteren Representertiteln mit reichlich harter Straßenattitüde besteht. Düstere Beats mit dumpfem Bass und donnernden Drums dominieren die Atmosphäre des Albums, auf dem hauptsächlich geprahlt, geprotzt, geschossen und gepumpt wird. Wer an recht plumpen Zeilen wie "Ich trinke Cola durch die Nase, Schlampen werden nass und feucht" nur schwer Gefallen findet, wird sich auf eine Vielzahl von lyrischen Durststrecken gefasst machen müssen. Die Beats, mal mit surrenden Synthies versetzt, mal mit Pauken und Trompeten zum epochalen Sound gepusht, werden von Automatikk nämlich mit Vorliebe für kompromisslosen Straßenrap genutzt. Egal, ob sie mit Jasko gemeinsam "Mördersound" produzieren, vollgestopft mit "Testosteron" vor der "110" fliehen oder ihren "Panzafaust Flow" zum Besten geben, bleibt inhaltlich doch ein starkes Gefühl der Redundanz. Allzu oft gibt man sich dabei mit einem sehr simplen, stumpfen Textniveau zufrieden. Stellvertretend für den Gesamteindruck soll hier eine Zeile von Atillah78 auf "Flatrate Stress" stehen: "Euer Rap ist nicht mal Scheiße wert, als ob ihr Scheiße wärt". Punchlines und Vergleiche wirken oftmals schon recht ausgelutscht und altbacken, so als hinkten die Brüder ihrer Zeit gerade ein wenig hinterher. Vielleicht wird auch aus diesem Grund noch gegen "Yolo" gewettert, während der Rest der Szene die Anti-Hipster-Yolo-Swag-Texte mittlerweile schon ad acta gelegt hat. Dass ein paar Leute ihr Fett wegkriegen müssen, ist klar, doch stellt sich die Frage, ob es sich dabei um tatsächliche, gerechtfertigte Antipathien handelt. Denn wenn unter anderem Cro, Sierra Kidd, Lance Butters, MC Fitti, Jan Delay, Money Boy sowie Joko & Klaas gedisst werden, riecht dies teilweise doch stark nach sinnlosem Namedropping.


    "Hallo Rokko, hallo Atillah, ich hoffe, es geht euch beiden gut/
    Ihr seid die Besten, für mich gibt es keine and're Crew/
    Ich schreibe euch und meine Backen, sie erröten, denn/
    Es ist mir peinlich, doch ich bin euer größter Fan/
    "
    (Rokko81 auf "Dennis")


    Warum sich statt all dem Hass nicht lieber mal der Fanliebe widmen? Die Briefe von "Dennis" sind immerhin voll des Lobes für Automatikk. Leider antworten diese nicht gleich, weswegen der enttäuschte Fan verzweifelt und vom Zorn zerfressen einen Autounfall baut. Mag dem ein oder anderen vielleicht bekannt vorkommen, ist aber durchaus so beabsichtigt, da Rokko und Atillah hierfür Eminems Hit "Stan" ins Deutsche übersetzten. Ob man es jetzt Kopie oder Hommage nennen will, ist zweitrangig, denn zumindest bringt der Titel erste Abwechslung in das Album. Gut, auch die Liebesgeschichte von "Julia" mag nicht sonderlich innovativ sein, doch muss man den Jungs von Automatikk in jedem Fall zu Gute halten, dass der Wille zum nachdenklichen Storytelling da ist. So wie man ihnen auch nicht absprechen kann, dass sie sich mit Eko Fresh gemeinsam nicht dem doch recht komplexen Themenblock der "Türken in Deutschland" gewidmet hätten. Mit Ekos Part hat das Album so ein besonderes Highlight erhalten, das auch im Vergleich zu den Featureparts von Kurdo und Massiv auf "Ghettopräsident 3" und Celo & Abdi auf "Bis die Kasse stimmt" noch hervorsticht. Ob Automatikk nur mit Gastbeiträgen glänzen können? "Nein". Zwischen all den wütenden Tracks der Nürnberger wirkt "Nein" mit durchaus berechtigter Kritik an Gesellschaft, Jugend und dem fragwürdigen Verhalten vieler Internetuser geradezu überraschend besonnen, bevor zum Ende des Albums hin noch mal Vollgas gegeben wird. Die Hook von "Rin Rin Rin" mag zwar nicht sonderlich gelungen wirken ("In deiner Mutter war'n wir drin, drin, drin/ Rokko, gib' mir mal die Chainsaw – Rin Rin Rin"), doch feuern die Brüder dafür gnadenlos mit beeindruckend guten Doubletimepassagen um sich. Wem das noch nicht reicht, für den gibt es zum Abschluss von "Jenseits von Eden 2" noch die "Killakollabo", die nebst Automatikk sage und schreibe 39 weitere, mal mehr, mal minder bekannte Rapper auf einem Track vereint und dem Album einen interessanten, wenn auch sehr gedehnten Endpunkt verleiht.


    Fazit:
    Wer sich eher dem Rap mit Tiefgang und Aussage verschrieben hat, der sollte auf die Frage nach Acts aus Nürnberg lieber auf ein paar kleinere Namen zurückgreifen, während die Fans von hartem Sound mit derben Texten durchaus mit den beiden "Brüdern aus der Südstadt" prahlen dürfen. Die Ghettoattitüde zelebrieren sie immerhin bestens und auf mindestens einem Track beweisen sie zudem ihr gewaltiges Doubletime-Talent. Wäre der ein oder andere Straßenrap-Titel gegen eine weitere, solch technikfixierte Nummer ersetzt, eine Handvoll der besonders plumpen Zeilen gestrichen und den nachdenklicheren Tracks etwas mehr Aufmerksamkeit beigemessen worden, würden Automatikk und "Jenseits von Eden 2" sicherlich für den Großteil Nürnbergs als Aushängeschild in Sachen Deutschrap herhalten können.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    [azlink]Automatikk – Jenseits von Eden 2[/azlink]

    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Maskoe – One Man Show


    Es mag heutzutage gang und gäbe sein, dass deutsche HipHop-Künstler zu Gast bei TV Total sind – SK Entertainment-Rapper Maskoe kann von sich selbst sagen, dass er einer der allerersten war. Zwar hatte er es im Jahr 2002 eher unfreiwillig in die Sendung von Stefan Raab geschafft, als sich der Entertainer über ein Interview von Maskoe amüsierte, doch letztlich ist immerhin auch schlechte PR gute PR. Mittlerweile ist aus dem leicht aufgedrehten, sprachlich etwas ungeschickten jungen Mann aus Hamburg-Süd ein gestandener Künstler geworden, der nicht einmal mehr auf der Couch von TV Total Platz nehmen müsste, da er seine ganz eigene "One Man Show" hat. Diese beginnt mit knallhartem Sound: Bass und Drums lassen die Boxen erbeben, wenn Maskoe bitterböse Representerzeilen zum Besten gibt. Wer daraufhin jedoch ausschließlich wutentbrannten Straßenrap erwartet, muss sich auf eine Berg- und Talfahrt gefasst machen. Schon der darauffolgende Titeltrack geht nicht nur soundtechnisch in eine komplett andere, deutlich ruhigere Richtung, auch textlich widmet man sich nun eher der nachdenklichen Selbstreflexion, bevor danach wieder aus der Sicht des aufgebrachten "Kanacken aus Deutschland" erzählt wird. Während "Du Hoe" zusammen mit Shako eine überzogen aggressive Abrechnung mit der Ex-Freundin darstellt, wird direkt danach gemeinsam mit Manuellsen die "Ghetto Queen" in den süßesten Tönen besungen. Ob diese extremen Kontraste bewusst gesetzt sind und ob Maskoe absichtlich ein fast schon paradoxes Bild von sich selbst zeichnet, bleibt auch bis zum Ende des Albums unklar. Zumindest lassen sich mit den Features von Eko Fresh und Nneka noch ein paar Highlights auf dem Album finden, die es durchaus hörenswert machen. Denn dass er rappen kann, beweist der Südhamburger immer wieder und auch die Beats von Produzenten wie Farhot, KD-Supier, m3 und Phrequincy One zeigen, dass viel harte Arbeit darin steckt. Doch die inhaltliche Inkonstanz der Figur, die Maskoe teilweise zu mimen scheint, lassen befürchten, dass die "One Man Show" allzu schnell wieder abgesetzt werden könnte.





    Versunkene Fabrik – Echolot


    Es heißt, dass bisher gerade einmal 10 Prozent des Meeres erforscht sind und so ist es kein Wunder, wenn immer wieder neue und aufregende Entdeckungen unter der Wasseroberfläche dieses Planeten gemacht werden. Anfang 2014 beispielsweise tauchte wie aus dem Nichts eine Versunkene Fabrik auf, die nun von jedem Interessierten mit dem eigens hierfür entwickelten "Echolot" untersucht werden kann. Der "Echolot"-Sampler des noch jungen Labels Versunkene Fabrik mag zwar nicht dem Geschmack des durchschnittlichen Unterwasserforschers entsprechen, ist jedem HipHop-Fan aber dringlichst zu empfehlen. Entdecken lassen sich dabei sechs außergewöhnliche Künstler, die nicht nur in der Labelformation, sondern auch jeder für sich vor Kreativität und Talent nur so strotzen. Mit dem "Echolot" machen wir nicht nur Alex Hope aus, der als "verlorener Sohn" berauscht zwischen ironischer Selbstreflexion und melancholischer Lebensbeichte wankt, sondern erspähen auch Koolhy, der mit kratzender Stimme vom "99er" Sommer schwärmt und End, der Falcos Hit "Egoist" auf seine ganz eigene, sehr amüsante Art interpretiert. Devize, der mit seinem äußerst innovativen Sound die Meinung "Einfach kann jeder" vertritt, Snare, der den "Zeiger nach links" dreht und somit noch einmal sein bisheriges Dasein durchlebt und Antifuchs, die sich nicht nur den weiblichen MCs dieses Landes in den Weg stellt, sondern die gesamte Szene mit gezückten Mittelfingern und einem rotzfrechen "Adios" verabschiedet, komplettieren das Team. Neben Solotiteln eines jeden der sechs MCs beinhaltet der Sampler zudem elf weitere Tracks, auf dem sich die Versunkene Fabrik-Künstler in verschiedensten Konstellationen gegenseitig featuren. Bei so vielen, so unterschiedlichen Rappern ist klar, dass der Hörer nicht jedem Style gleich viel abgewinnen kann, doch der Streifzug durch den "Echolot"-Sampler lohnt sich allemal, da der Grund dieses neu entdeckten Label-Ozeans für jedermann reichlich Schätze bereithält.





    BRKN – Yeah Bitch Yeah


    Man nehme den eigenen Namen, streiche alle Vokale und fertig ist der Künstlername. So einfach hat BRKN es sich gemacht, als er aus seinem Vornamen "Berkan" sein Pseudonym bastelte. Genauso einfach hält der Kreuzberger es dann auch mit seiner EP "Yeah Bitch Yeah", die ganz ohne schwermütigen oder zur Perfektion ausproduzierten Sound auskommt, sondern stets sehr einfach und leicht anmutet. Schon der synthielastige Einstieg durchs "Introlude" zeugt davon, dass BRKN Wert auf melodische, poppige Klänge legt, die ebenso wie seine Gesangstexte vor allem ins Ohr gehen sollen. Dass dabei jetzt keine lyrischen Meisterleistungen vollbracht werden, ist verkraftbar und ohnehin nicht das Ziel des Sängers; stattdessen soll dem Hörer spontaner, simpler Hörgenuss verschafft werden. Musikalisch untermalt werden die oftmals humorvollen, recht selbstironischen Texte BRKNs durch eine bunte Mischung aus jazzigen Klanggebilden, instrumentalen Einstreuungen, Synthie-Sounds und ein paar Samples. Das Ganze klingt zwar hier und da noch etwas unkoordiniert, aber die freie, lockere Art des Künstlers nur umso deutlicher unterstreicht. So wird aus der anfänglichen Zubereitung einer "Yum Yum"-Instant-Nudelsuppe plötzlich eine farbenfrohe Kokain-Ode, bei der sich leicht verzerrte E-Gitarren durch wabernde Synthiewolken schummeln, bevor es als "Warm Up" eine Erholungspause gibt, die so unauffällig am Hörer vorbeizieht, dass ihre entspannte, zurückhaltende Art so schnell wieder verklungen ist wie sie einsetzte. "Yeah Bitch Yeah" verzichtet auf Perfektion und Struktur, auch wenn BRKN immer wieder verdeutlicht, dass er mehr kann als die "Musik für Nebenbei", wenn etwa beim Streben nach "Glück" ein prunkvoller Beatteppich ausgebreitet wird, auf dem der Künstler nicht nur sein volles Gesangstalent unter Beweis stellt, sondern sich sogar zu einer kleinen Rapeinlage hinreißen lässt. Dass dies alles noch in den Kinderschuhen steckt, steht außer Frage, doch dank seiner lockeren Art dürfte die noch vorhandenen Mängel für BRKN genauso schnell ausradiert sein wie die Vokale seines Namens.





    Cengiz – Türkisch für Fortgeschrittene


    "Ihr wolltet immer schon mal jemand', der nicht redet, wie er aussieht? Hier bin ich: der Türke, der Deutsch kann!" – so beginnt die erste Stunde "Türkisch für Fortgeschrittene" mit Kursleiter Cengiz. Wer sich in irgendeiner Weise von Aussagen dieser Art auf den Schlips getreten fühlt, dem sei direkt gesagt: Cengiz darf das. Denn der Rapper aus Bergisch Gladbach bei Köln ist nicht nur von der ersten Sekunde an sympathisch, er hat zudem auch eine mehr als schreckliche Kindheit hinter sich. Kaum war die Nabelschnur ab, zwang ihn sein Vater zum Abitur, obwohl Cengiz doch viel lieber Empfangsmodel bei Hollister wäre. Das nötige Charisma dafür hätte er in jedem Fall, die Energie in seiner Stimme zieht den Hörer problemlos in die vom Gelsenkirchener zRy produzierten Beats hinein, während Cengiz sich seine Lebensweisheiten von der Seele rappt. Humor und Selbstironie stehen hierbei an der Tagesordnung, egal, ob auf "Tut mir Leid Heute nicht" der Türsteher gemimt wird, der kein Problem damit hat, deine Eltern anzurufen, wenn du dich im Club nicht benimmst, oder sich äußerst zynisch über die virale "Mediakraft"-Internetwelt echauffiert wird. Dabei treiben reichlich Bass und Synthiesound die Instrumentals an, während der Rapper Talent und Können unter Beweis stellt. Warum bei so viel Liebe zur Musik der Erfolg bisher ausblieb, ist auch klar: Der antrainierte Bauch, den nur jede Menge Döner und Ayran so formen konnten, passt einfach nicht auf das JUICE-Cover. Schlimm ist das Ganze selbstverständlich nicht, denn der Sprachkurs läuft gut, die Schüler dürfen sich während "Türkisch für Fortgeschrittene" auf reichlich Spaß und Hörgenuss gefasst machen. Sobald sich das alles herumgesprochen hat, wird der Lehrraum bis oben hin mit Fans voll sein und der Rapper kann schon mal den Kurs für Experten planen. Wünschen tut man es dem "Türken, der Deutsch kann" in jedem Fall.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    01. zweiterversuch
    02. fahrstil
    feat. Mirko Machine
    03. vomglückgezeichnet
    04. schwindelerregendenähe
    feat. Loki
    05. glaubdirnicht
    06. zwischenspiel
    07. rosenkohl
    08. ausblenden
    09. käsewiegold
    10. dominosteine
    feat. Loki
    11. nichtraus feat. Hiob
    12. l.o.v.e.
    13. wersiehtdasschon
    14. dankundgruß


    Auch wenn es mittlerweile eine ganze Reihe von Künstlern geben mag, die als Ausnahme die Regeln bestätigen: Wer aktives Mitglied der deutschen Rapszene sein möchte, sollte zumindest die deutsche Sprache beherrschen. Im besten Fall ist er eloquent. In diesem Fall ist er's sogar – eloQuent. Der aus Wiesbaden stammende Sichtexot wagt sich zum zweiten Mal ans Zeichenbrett, um gemeinsam mit dem Produzenten I.L.L. Will ein wenig zu skizzieren. Zuletzt nahm man dafür einen blauen Stift zur Hand, diesmal gibt es "Skizzen in Grau". Wie sich diese neuen Kritzeleien anhören und ob eloQuent seinem Namen ein weiteres Mal gerecht werden kann, wird sich zeigen.


    "Sich geh'n zu lassen ist wie einfach vor sich hinzuleben/
    Meine Intention ist, diesem Chaos einen Sinn zu geben/
    Dieses Rapding durchzuziehen ist meine Art, nach Glück zu streben/
    Laber mich nicht voll, du hast da überhaupt nicht mitzureden/
    "
    (eloQuent auf "fahrstil")


    So startet mit "Skizzen in Grau" also ihr "zweiterversuch", während welchem eloQuent und I.L.L. Will dem "fahrstil" aus "Skizzen in Blau" treu bleiben. Smoothe, samplelastige Beats gepaart mit gradlinigem Battlerap und ehrlicher Selbstreflexion – ein Sound, der wie frisch aus den '90ern klingt, sanfte Pianotöne mit kräftigem Boombap vereint und, im Falle von "fahrstil", zusätzlich von Mirko Machine mit Cuts verschönert dienen eloQuent als Leinwand für seine Texte. Mit nur wenigen, recht nüchternen Worten thematisiert er unter anderem die Liebe zu seinem Viertel und der Musik, die Beweggründe dafür, überhaupt Musik zu machen, und die Abneigung gegen jeden, der ihm versucht, dort reinzuquatschen. Dank des sehr entspannten, klaren Flows kann eloQuent seine Texte mit Inhalten vollstopfen, ohne sich Sorgen darüber machen zu müssen, dass dem Hörer eine der vielen Aussagen entgehen könnte. Dies gelingt ihm vor allem auch durch seine Fähigkeit, komplexe Aspekte sehr komprimiert darzustellen und ihre Ausarbeitung der Fantasie zu überlassen. Die Zeilen "Wie nimmt man Abschied von jemandem, der nie da war/ ich hatte zwar einen Erzeuger, aber keinen Vater" reichen eloQuent auf dem Track "fahrstil", um die durchwachsene Beziehung zu seinem Vater zu erklären, während er die Ungerechtigkeit des Daseins ganz einfach mit "Das Leben ist ein Hurensohn/ denn wenn du Cordon Bleu essen willst, serviert es dir Blumenkohl" beschreibt. Denn so absurd die Gleichnisse auf "rosenkohl" zunächst auch erscheinen, so humorvoll und treffend sind sie letztlich. I.L.L. Wills vielschichtiger, von dumpfen Drums durchzogener Beat hält sich währenddessen unauffällig im Hintergrund, damit eloQuents kräftige Stimme den Track mühelos dominieren und der Rapper seinen energiegeladenen Flow zum Besten geben kann.


    "Denn jeder Part kickt deine beschissenen Lines weg/
    Du könntest dich verstecken, doch zu flüchten hätt' kein' Zweck/
    Weil jede Strophe dich zerdrückt, wenn ich einsetz'/
    Das Mikro niederlegen wär' vernünftig, du Scheißdepp/
    "
    (eloQuent auf "glaubdirnicht")


    Dass eloQuent aber nicht nur den Beat, sondern auch problemlos die Cypher oder seinen Battlegegner bezwingen kann, beweist er auf Tracks wie "glaubdirnicht". Genauso, wie I.L.L. Will knallharte Drums in die hellen Töne hämmert, feuert eloQuent knallharte Zeilen ins Mic, die seine Rapfähigkeiten so deutlich unterstreichen, dass "glaubdirnicht" mit weniger als einer Minute Laufzeit auskommt und dabei dennoch keine Fragen offen lässt. Wenn überhaupt, fragt sich nur noch der Wiesbadener selbst: "wersiehtdasschon"? Dabei variiert er seinen Flow geschickt auf dem ebenso wahllos wie spontan wirkenden Klangteppich aus Pianoklimperei und eingestreuten Bassnoten. Besonders durch so unwillkürlich anmutende Aspekte erhält das Gesamtwerk seinen namensgebenden, skizzenhaften Charakter, wenngleich einige der "Skizzen in Grau" durchaus vollständige Tracks darstellen. So sind etwa "schwindelerregendenähe" mit SXT-Kollege Loki und "nichtraus" mit einer angenehm melodiösen Hiob-Hook eigenständige, abgerundete Titel, die aus der Platte nicht nur eine Fundgrube von angenehmen, jazzigen Beats und Textideen eloQuents, sondern ein vollwertiges, gelungenes Album machen.


    Fazit:
    Die "ergraute" Fortsetzung von "Skizzen in Blau" steht dem Vorgänger in Nichts nach. Ganz im Gegenteil: "Skizzen in Grau" weiß sowohl in Hinblick auf die Laufzeit wie auch die inhaltliche Vielfalt und den puren Hörgenuss zu überzeugen. Die I.L.L. Will'schen Instrumentals aus jazzigen Samples und knackigen Drums laden zum Nebenbeilauschen ein, während eloQuents authentische und technisch versierte Raps bei genug geschenkter Aufmerksamkeit ein ganzes Füllhorn an Inhalten liefern. Letztlich macht das Album zwei Dinge deutlich: Erstens können ein paar "Skizzen in Grau" gemeinsam ein vollständiges, großartiges Bild ergeben. Zweitens kann es für eine Platte durchaus wichtig sein, dass der Interpret eloquent ist, doch erst, wenn der Rapper eloQuent ist, kann allein das schon Garant für ein gelungenes Gesamtwerk sein.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    [azlink]eloQuent – Skizzen in Grau[/azlink]

    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Kex Kuhl – Bartik EP


    "How to shave your beard like a man?" "You don't!" – mit diesem Zitat beginnt die "Bartik EP" von Kex Kuhl. Wer den dichten Haarwuchs im Gesicht des Rappers sieht, weiß, dass sich der Gründer der Bartik-Gang diesen Ratschlag durchaus zu Herzen nimmt. Anders als sein langer und wild wuchernder Bart zeichnet sich die neue EP jedoch eher durch Kürze und Ruhe aus. Denn mit etwas mehr als 20 Minuten Laufzeit und hauptsächlich entspannten Beats wirkt das neue Werk im Vergleich zum im März erschienenen "Make säks not love" zumindest anfangs geradezu leise. Das Intro kommt mit kräftigen Drums und ein paar sphärischen Synthiesounds aus, auf denen Kex Kuhl Representerzeilen zum Besten gibt. "Blickkontakt" vereint oldschooligen Boom bap mit jazzigen Samples, die der Rapper für nachdenkliche Szenekritik nutzt. Wie gewohnt sind besonders die battlelastigen Tracks dabei mit einer großen Anzahl an Punchlines und Vergleichen angereichert, die nicht nur Kex' technische Versiertheit, sondern auch seinen Humor zur Geltung bringen. Auf "Fast 50 Bars" reihen sich Zeilen wie "Ich schrieb' nur 'n paar Bars wie 'n Kellner auf Arbeitssuche" an nahezu absurde Zeilen à la "Denn wirst du für 'nen Slot gebucht, passiert das Ganze zufällig wie 'n Hobbitfuß". Als Sahnehäubchen oben drauf gibt's mit "Fap Fap Fap" noch die Ode an die Selbstbefriedigung und mit "Deko" sowie "Carter" gleich zwei Tracks, die sich den Lieblingsthemen der Bartik-Gang widmen: Alkohol, Partys – und Alkohol. Der Zusammenschluss mit Rockstah und dessen Fanbase zur "Nerdy Terdy Bartik Gäng" fasst dann noch mal alles zusammen und bringt die EP mit dumpfen Drums und kratzigen Samples zu einem amüsanten Abschluss. How to dislike Kex Kuhl? You don't!





    Marz – Hoes. Flows. Kollabos.


    Schon gegen Ende des letzten Jahres veröffentlichte Marz in Anlehnung an den Westberlin Maskulin-Klassiker "Hoes, Flows, Moneytoes" das kostenlose Mixtape "Hoes. Flows. Tomatoes.". Das Ganze war geprägt von Marz' Liebe zum Sound der '90er Jahre, straightem Boom bap, dem Knacken und Rauschen von Vinylplatten, oldschooligen Samples und den authentischen Texten des Rappers. Während damals jedoch mit Döll nur ein einziger Gast vertreten war, mag die Featureliste des neuen, passend als "Hoes. Flows. Kollabos." betitelten Werks gar kein Ende nehmen. Mit "Black n Proud"-Partner Bonzi Stolle wird darüber philosophiert, ob man nicht "lieber alleine" wäre, mit der Sängerin Vanessa Gentile der Heimatstadt Stuttgart "Danke" gesagt, mit Fatoni bis in den "17. Stock" geflogen und mit Juse Ju Torch auf der "Ü-40 Party" begrüßt. Bei so namenhaften Features will Marz natürlich von Anfang an klar machen: "Ich bezahl' niemand dafür", und gibt die ersten Zeilen auf samplelastigem Golden Era-Sound von Lord Finesse und Cuts von DJ Henster zum Besten. Seine Features zu bezahlen, scheint Marz sowieso nicht nötig zu haben, ist er mit seinen Gästen doch stets auf einer Wellenlänge. Gemeinsam mit Johnny Rakete wird auf "The worst" jede Menge Battle, Representing, Donut- und Drogenkonsum betrieben, während man mit Lakmann und Sickless auf dem knackigen Drumset von "Wer Aaahhh sagt..." die aktuelle Rapszene zerlegt. So sollte sowohl soundtechnisch wie inhaltlich für jeden etwas dabei sein, doch wenn "du frontest...", kriegst du es mit Marz und Edgar Wasser zu tun, was ein wunderschön schwarzhumoriges wie paradoxes Highlight von "Hoes. Flows. Kollabos." darstellt. Selbst jene, die "Hoes. Flows. Tomatoes." bisher nicht gehört haben, sollte die Gästeliste des neuen Werks davon überzeugen, sich das Ganze zumindest einmal zu Gemüte zu führen.





    Nanoo – Sonntagabend


    "Sonntagabend": Zeit zu verdrängen, dass der Montagmorgen zum Greifen nah ist, den Wochenendkater auszukurieren, ein gutes Buch zur Hand zu nehmen oder sich in Ruhe der eigenen Plattensammlung beziehungsweise Musik im Internet zu widmen. Vielleicht stößt man dabei auf Nanoo und dessen neue EP. Auf der thematisiert der aus Aschaffenburg stammende Rapper hauptsächlich sich selbst und alles, was ihn umgibt, was reichlich nachdenkliche wie emotionale, vor allem aber ehrliche Inhalte zu Tage fördert. Der Wasserfall aus Synthieklängen, hinter dem Nanoo seine "MAMA" fragt, warum er sich so anders und isoliert fühlt, und der Track über den fragwürdigen "Traumjob" Rapper wirken im Vergleich zu dem, was im Laufe des "Sonntagabend"s noch geschieht, fast oberflächlich. Denn nachdem Nanoo und Rockstah mit harten Drums und Gitarrenriffs den Untergang der deutschen Rapszene dadurch angekündigt sehen, dass Falk Schacht keine Mütze mehr trägt und die eigenen Fans plötzlich auch Sierra Kidd und eRRdeKa hören, sinkt die Stimmung sowie die Grundatmosphäre der EP gewaltig. "Decke" setzt sich mit einer schwierigen Beziehung auseinander und stellt die wenigen, schönen Momente den vielen negativen Erlebnissen gegenüber und der Blick aus der "Retrospektive" wird zum langatmigen Schweben in leisen Klangsphären. Auch die beiden Bonustitel "American Pie" und "FJORD" behalten die melancholische Atmosphäre bei, während sich Nanoo sehr ehrlich und authentisch mit dem Erwachsenwerden, Beziehungsproblemen und der eigenen Gefühlswelt auseinandersetzt. Dabei schafft er es stets, auf kitschige, weinerliche Texte zu verzichten und baut stattdessen aus seinen Worten und den passenden Beats den entsprechenden Gefühlszustand zu den Inhalten der Tracks auf. Wer sich danach noch immer über so Banales wie den Montagmorgen ärgert, kann sich mit dieser EP immerhin den "Sonntagabend" in die nächste Woche mitnehmen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Disarstar – Tausend in einem


    Neben viel Glück und Talent bedarf es auch jeder Menge Fleiß, wenn ein Rapper sich aus der schier unendlichen Masse an Newcomern und semibekannten Künstlern heraus in den Fokus kämpfen will. Auch Disarstar scheint es seinem Eifer zu verdanken, dass er sich nun endlich in der Szene etabliert hat und mit Videos und Interviews in relevanten Medien vertreten ist, denn bei der neuen EP handelt es sich um sein bereits drittes Release in diesem Jahr. Für den gebürtigen Hamburger ist es nun also an der Zeit, zu beweisen, dass er nicht nur einer unter Tausenden ist, sodass er den Spieß einfach umdreht und mit seinem neuen Werk klar machen will, dass er "Tausend in einem" verkörpert. So wie Disarstar sich von anderen Rappern, scheint sich auch diese Veröffentlichung von seinen bisherigen Platten abgrenzen zu wollen, denn auch wenn der Interpret sich in Hinblick auf Inhalt und Wortwahl treu bleibt, erweist sich "Tausend in einem" als klanglich deutlich ruhiger. Tatsächlich handelt es sich beim Titeltrack, der im Vergleich zu anderen Liedern von Disarstar eher wie ein ruhiger Einstieg wirkt, um den härtesten der EP. Auf einem düsteren Beat flowt der Rapper intelligent wie eloquent Salven von representer- und battlelastigen Zeilen und kann dank kräftiger Stimme sogar eine kleine Gesangseinlage in der Hook wagen, ohne dass das Ganze peinlich oder schief anmutet. Das wesentlich zurückhaltendere Instrumental zu "Facette" leitet den weiteren, geradezu sanften Verlauf des fünf Tracks starken Werks ein, während sich Disarstar mit einem wichtigen Aspekt seiner Persönlichkeit beschäftigt, der ihn stets zu Höchstleistungen antreibt, jedoch weder Schwäche noch Versagen zu tolerieren scheint. Auch die Liebeserklärung an sein "Tor zur Welt", die Stadt Hamburg mit ihren vielen Kontrasten und Widersprüchen, die ineinander verwachsen einen Spiegel der Gesellschaft darstellen wirkt eher melodisch als wütend und hart. Ebenso wie "Alle hören", auf dem Disarstar offen und ehrlich von den Motivationen und Gründen hinter seiner Musik spricht, sodass sich die Frage stellt, ob die EP eher eine Art Ruhe vor dem Sturm oder einen leichten Wandel im Soundbild des Rappers darstellt. Das nächste Release wird es zeigen – und bei Disarstars gewaltigem Output ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieses erscheint.





    Swiss & Die Andern – Schwarz-Rot-Braun


    Ob im Duo mit dem Produzenten Gin, auf Alben wie "Jeder Track ein Hit" und "Es kann nur einer befehlen" oder in seinen vielen Musikvideos – Swiss zeichnete sich, gerade im Zeitraum zwischen 2005 und 2008, schon immer durch eine gewisse "Ich gegen die Anderen"-Attitüde aus. Nachdem es in den letzten Jahren teilweise ein wenig ruhig um ihn schien, kehrt der Hamburger nun jedoch gänzlich zurück und macht aus "Ich gegen die Anderen" einfach "Swiss & Die Andern". Denn in ebenjenen, der Punkband "Die Andern", hat Swiss genau die Partner gefunden, die es ihm ermöglichen, seinen sehr eigenen Stil richtig auszuleben. So wird das Label Missglückte Welt einfach zur Lebensphilosophie und die "Finger zum MW" zum Erkennungsmerkmal der Fans. Dreckige Gitarrenriffs werden mit Scratches kombiniert, ohne verbissen darauf zu achten, dass sich HipHop und Punkrock zu gleichen Teilen heraushören lassen, denn statt einer simplen Verbindung beider Stile kreieren Swiss & Die Andern lieber ihre ganz eigene Richtung. Inhaltlich konzentriert man sich dennoch auf thematische Überschneidungen von Rap und Punk, Swiss spricht einer desillusionierten, wütenden Jugend aus der Seele, die ihren Platz im Leben sucht und sich zwischenzeitlich mit Partydrogen, Sex und Randale abfindet. Mehr als passend kommt dabei die helle Stimme des Rappers zum Tragen, die auf den harten, größtenteils analogen Intrumentals allein schon klanglich eine "Klatsche" für alle Spießer, Nazis und sonstige Feinde der Missglückten Welt darstellt. Da dürfen Mitgröl-Hooks und Singsang dann auch gerne etwas schief sein – der spontane, unbekümmerte Charakter der Tracks verdeutlicht nur umsomehr die Freiheiten, die sich Swiss & Die Andern im Leben wie in der Musik herausnehmen wollen. Den Spaß an der Sache hört man sowieso in jedem der fünf Tracks – egal, ob gemeinsam mit Ferris MC die Wehmut darüber, dass man gerne die alte, rebellische Zeit noch einmal durchleben möchte, durch eine mitreißende Menge Energie überspielt wird oder Swiss mit viel Witz die Klischees, aber auch die kleinen gemeinen Wahrheiten über das "schwarz-rot-braune" Spießbürgertum aneinander aufreibt, bis der verkappte Rassismus dahinter entlarvt wird. Zweifelsohne ist diese EP der Beweis dafür, dass Swiss nun genau den Stil gefunden hat, den er schon immer machen wollte und den er nun endlich auch mit Die Andern und allen anderen teilen kann.





    Drehmoment – Pffh


    Zu Beginn dieses Jahres kündigte Drehmoment mit dem Gratis-Mixtape "Pffh – die Vorhut" und einem filmähnlichen Trailer, in dem er das Erwachen seines Alter Egos, der Handpuppe "Tufac", zelebrierte, sein erstes "richtiges" Album bereits an. Nun präsentiert uns der Saarländer "Pffh" als vollwertiges Release in vollem Umfang. 21 Anspielstationen, vollgepackt mit Wortwitz, intelligenten Texten und Aussagekraft hat der Rapper dafür angesammelt, bis er der Meinung war: "Was raus muss, muss raus"! Auch wenn der Name zunächst vielleicht nach heißer Luft klingen lassen mag, was Drehmo hier als Gesamtprodukt abliefert, kann sich absolut sehen und hören lassen. Mit breitem, gelungen ausproduziertem Soundbild stellt er sich der fragwürdigen Kritik seiner Hater, beschreibt sich als hektisches Arbeitstier, für das Ruhe der größte Stress ist, und erklärt auf fast epochalem Sound, wie die "Mukke" sein Leben prägt und begleitet. Geschickt verbindet Drehmo hierbei Inhalt und Einprägsamkeit – nur selten brennt sich eine Hook nicht ins Ohr, während der Rapper gleichzeitig auf Missstände aufmerksam macht, Szene und Gesellschaft kritisch beäugt oder über sich selbst nachdenkt. Mal bedrohlich ruhig wie auf "Monster in mir", mal mit hektisch abgehacktem Flow wie auf "Alles Super" variiert er seinen Stil und die Atmosphäre immer wieder, um ein facettenreiches Themen- und Soundgebilde zu formen. Ein absolutes Highlight stellt dabei der Aufruf zum "Aufstand" gemeinsam mit Gentleman dar, der mit Reggae-Einfluss und dem Gesang des Featuregastes grandios hervorsticht. Mindestens so gekonnt, wie Drehmoment Gesellschaftskritik und Selbstreflexion behandelt, gelingt es ihm auf Representer- und Battletracks zu überzeugen, wenn er den "Studentengangster" raushängen lässt oder sich seine Gegner per "Boomerang-Effekt" selbst ausknocken. Nebenbei mimt er gemeinsam mit Kontrovers den machohaften Manager fürs "Samenmarketing" oder durchlebt überzogen wehleidig seine "Luxusprobleme", sodass auch Witz und ein wenig Schauspielerei auf "Pffh" nicht zu kurz kommen. Ein sowohl thematisch als auch klangtechnisch variationsreiches Album, bei dem das "Pffh" der Hörer wohl eher Ausdruck des Erstaunens als des Desinteresses sein wird.





    Medizin Mann – Schall & Rauch


    Seit dem Signing bei Deutschlands Horrorcore-Pionier Basstard und seinem Zutun zum Label-Sampler "Zeitzeugen" machte sich Medizin Mann mit seinen Alben "Memento Mori", "RocknRolla" und zusammen mit MC Bogy auf "V.K." in gewissen Kreisen einen Namen. Nun folgt der nächste Solostreich mit dem Titel "Schall & Rauch", was zunächst fast ein wenig nach Tiefstapelei klingt. Zwar mögen Fans des Rappers den Namen natürlich nicht wortwörtlich nehmen, aber auch die nächstliegende Interpretation, es ginge um Musik und rauchbare Opiate, entspricht nur bedingt der Wahrheit. Denn auch wenn diese Themen sicherlich zu Genüge behandelt werden, hat "Schall & Rauch" noch reichlich mehr zu bieten. So baut der Einstiegstrack "Engel weinen" zunächst die gewohnt düstere Atmosphäre auf, zu der die heiser wirkende Stimme des Rappers bedrohlich aus den Boxen kriecht, doch lassen sich durch Tracks wie "Ich flieg davon", insbesondere durch die helle Gesangshook von Featuregast M-Hot, sogar extrem positive Tracks auf dem Album finden. Auf der Suche nach seiner Eisprinzessin wagt sich Medizin Mann mit "So kühl wie Eis" sogar an schleppende Dubstep-Einlagen und liefert mit "Ich mal dich an" gleich die passend kraftvolle, emotionale Ballade dazu. Aber auch die Fans des gewohnt bösen Medizin Manns werden auf "Schall & Rauch" nicht enttäuscht. Dafür sorgen Tracks wie "Schamanismus", der mit einer Mischung aus Synthiesound und Grimme-Einstreuungen zur tödlichen Party samt Bombendrohung einlädt, oder "Affenbande", auf dem er sich gleich zwei Meister ihres Faches mit ins Boot holt. Ein Szenario, irgendwo zwischen "Planet der Affen" und einem Endzeit-Horrorstreifen, wird auf das harte Leben in Berlin projiziert, wenn Basstard und Kaisaschnitt den Gastgeber auf dumpfem, basslastigem Sound mit bitterbösen Texten unterstützen. Sobald man sich dann aber mit Basti von Trailerpark einen Cocktail aus "Pillen, Pulver, Dope, Alk" eingeworfen hat und dadurch "über den Horizont" hinausgeflogen ist, gibt es noch ein paar Anspielstationen, die nicht nur neue Wege darstellen, sondern scheinbar völlig andere Musikrichtungen in den Fokus stellen. Auf schrillen Synthiebeats wird gemeinsam mit einem Kinderchor der klischeehafte "Öko" verspottet und die Frage "Wo sind die Männer?" stellt Medizin Mann so, dass das Ganze fast wie der böse Zwilling der neuen Deutschen Welle klingt – und die Rede ist hier nicht von Fler. Treue Horrorkore-Anhänger werden mit "Schall & Rauch" sicherlich sowieso jede Menge Spaß haben, doch gerade durch die vielen musikalischen Experimente und Variationen könnte so ziemlich jeder an dem ein oder anderen Track Gefallen finden.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Duzoe & Zwiebel – Frank EP


    Als der Film "Donnie Darko" im Jahr 2001 veröffentlicht wurde, betrat mit "Frank", einem mannshohen Wesen im Hasenkostüm, eine Kreatur die Medienlandschaft, die aufgrund ihres abstrusen Aussehens und des dadurch gegebenen hohen Widererkennungswerts sinnbildlich für den gesamten Film stand und bis heute steht. Die Entscheidung von Duzoe und Zwiebel, ebendiese Figur als Maskottchen ihrer EP zu verwenden, scheint nahezu perfekt, sorgen die beiden Rapper doch ebenso wie der Film "Donnie Darko" bei den Fans für große Begeisterung, bei vielen anderen jedoch für Verwirrung und Kopfschütteln. Denn was die zwei Rapper machen, machen sie zweifellos gut, allerdings entspricht es nun mal nicht jedermanns Geschmack. Ob man Gefallen an dem findet, was die Facial Traffic-Mitglieder produzieren, zeigt sich recht schnell, denn im Grunde ist bereits nach dem "Intro" und dem ersten Track der EP "alles gesagt". Auf einem schaurig anmutenden Beat werden bitterböse Wortspiele, pechschwarzer Humor und aggressive Battlezeilen zum Besten gegeben, die technische Umsetzung ist dabei gewohnt gekonnt und einwandfrei. Duzoe und Zwiebel geben meist die unsympathischen, verjunkten Verlierer (die gerade deswegen so sympathisch wirken), während die wunderschön widerliche Attitüde dabei irgendwo zwischen Arroganz und Ignoranz ihr Plätzchen findet – egal, ob die Fans jetzt im Hipster-"Dreieck" springen oder der Sound auf "Weiß nicht" fast schon 257er'eske Züge annimmt. Die Featuregäste bringen zusätzliche Abwechslung in das Werk, fügen sich dabei aber auch problemlos ins Konzept ein, wenn mit Crystal F zusammen einfach auf die Kacke gehauen und "dope Styles" ausgepackt werden, während man mit Mikzn70 Karriereenden und "Sendeschluss" thematisiert. Überraschend in Hinblick auf die restliche EP erweist sich "Alltagslärm" zusammen mit LZA, auf dem sich alle drei Rapper ungewohnt ruhig und nachdenklich zeigen, gerade dadurch aber ein ganz besonderes Highlight der EP geschaffen haben. Alles in allem ist die "Frank EP" von Duzoe und Zwiebel also ein absolutes Muss für FT-Fans, sollte aber durchaus auch den ein oder anderen Hörer überzeugen können, der zuvor wenig mit den Jungs anfangen konnte.





    Azzis mit Herz – Fluch und Segen


    Vom anatomischen Standpunkt her betrachtet, hat natürlich jeder Mensch, unabhängig von seinem Verhalten und der Art, wie er sich gibt, ein Herz. Was Daniel Sahib und Don Bene mit dem Namen ihres Duos Azzis mit Herz sagen wollen, soll jedoch vor allem andeuten, dass selbst der härteste Hund Grips in der Birne und das Herz am rechten Fleck haben kann, obwohl oder gerade weil er rappt. Für HipHop-Fans und die Szene selbst ist dies allerdings keine wirkliche Neuigkeit, sodass sich die Aussage wohl vor allem an die Leute richtet, die mit Deutschrap zuvor nicht unbedingt etwas anfangen konnten – sei es, weil sie einfach keinen Zugang dazu fanden oder gar von Gangsterrap-Klischees abgeschreckt wurden. Die zwei Frankfurter versuchen jedoch auf ihrem neuen Album "Fluch und Segen", sich mit ihrer Musik so deutlich von hartem Straßen- und Battlerap abzugrenzen, dass ihr Werk letztlich fast schon zu weich wirkt. Technisch funktioniert das Ganze einwandfrei: Ein konstanter Flow mit kraftvoller Stimme, angenehmer, wenn auch teilweise fast etwas zu kitschig anmutender Gesang und klare, gut produzierte Beats verleihen "Fluch und Segen" einen hervorragenden Sound, an dem es im Grunde nichts zu meckern gibt. Vom pianodominierten "Intro" über die Kombination von Geigen und Drums auf "In Zeiten wie diesen" bis hin zum kraftvollen, lauten Sound von "Helden des Alltags" bildet sich ein sauberer Klangteppich, der angenehm anmutet, sich jedoch leider nicht traut, auch mal wirklich hart und böse zu werden. Ein Problem, das sich auch auf thematischer Ebene zeigt, da zwar vielfältige Inhalte erkennbar sind, man sich jedoch nicht aus den "braven" Themen herauswagt. Es gibt Gesellschafts- und Szenekritik, Motivations- und Inspirationstexte in Hülle und Fülle, am Ende bleibt aber das Gefühl, dass außer "pädagogisch wertvoll" nicht viel zum Inhalt zu sagen bleibt. Selbst "Deine Straßen", ein Track, auf dem sich die Azzis mit Herz explizit mit dem Leben auf ebenjenen befassen, klingt letztlich durch einen zu sanften Beat und die etwas unpassende Gesangshook viel weicher als nötig. Die zwei Rapper beherrschen ihr Handwerk technisch zweifelsohne, sollten vielleicht aber auch mal etwas wagen und bedenken, dass nicht nur Azzis ein Herz haben können, sondern auch Musik aus dem Herzen mal ein wenig "assi" klingen darf.





    Lea-Won – Lernt mich lieben Vol. 4


    Hand aufs Herz: Habt Ihr Lea-Won schon lieben gelernt? Sollte dies noch nicht der Fall sein, bietet er euch mit dem vierten Teil seiner seit 2006 existenten "Lernt mich lieben"-Reihe nun die Möglichkeit, dies schnellstens zu ändern. Und Ihr werdet Lea-Won definitiv ins Herz schließen, denn was der Münchner mit seiner Sammlung mehr oder minder zusammenhangsloser Tracks abliefert, verdient einfach nur bedingungslose Liebe. Wie schon bei den Vorgängern, entstammen die meisten Beats diversen (Instrumental-)Alben von Producern wie DJ Geraet, JuSoul und Datka und ergeben ein Soundbild, das dem popverwöhnten Fan von auf Hochglanz polierten Plastikbeats ein wenig auf den Magen schlagen wird, während jedem, bei dem es auch mal etwas roher, experimentierfreudiger und kreativer zugehen darf, allein schon die Instrumentals zum vollen Hörgenuss reichen würden. Allerdings bildet dieser Sound "nur" die Unterlage für Lea-Wons Texte, voll von scharf analysierender Szene- und Gesellschaftskritik, intelligentem, konkret formuliertem Rebellentum und intimen, tiefgründigen Selbstreflexionen. Mal vegetiert er gemeinsam mit Antilopen Gang-Member Koljah als "Metropolphantom" in München beziehungsweise Düsseldorf vor sich hin oder beschreibt, wann, wo und wie ihn sein Umfeld "politisiert". Mal tänzelt er gut gelaunt im "Slalom" durchs Leben, dann wiederum hinterfragt er die Ursachen und Auswirkungen in dem Moment, in dem "jemand stirbt". Verpackt ist das Ganze in freiem, spontan wirkendem Flow, der sich weder in irgendwelche Reimstrukturen noch sonstige Schemata pressen lässt, ohne dabei aber erzwungen prätentiös zu wirken. Doch auch, wenn Lea-Wons Rap oftmals zwanglos und locker wirken mag, durchdacht sind die Zeilen allemal. So wird dem Hörer spätestens durch "Ströme", auf dem gemeinsam mit Stanman der Flow selbst zum Thema wird, oder dem Track "Sklave des Reims", auf dem Lea-Won nicht nur die Reime selbst, sondern auch ihre Bedeutung zueinander sowie den Grund ihrer Verwendung hinterfragt, der hochintelligente und kreative Anspruch hinter den Tracks bewusst. Jeder, der sich die 13 Skits und Songs zu Gemüte geführt hat, wird Lea-Won lieben lernen, sollte dies jedoch unter keinen Umständen zugeben, damit er sich gezwungen sieht, uns eine weitere, fünfte Chance geben zu müssen.





    Koree – #UDED


    Die Metapher, welcher zufolge ein noch unbekannter Künstler, ähnlich einem Stück Kohle, unter Druck zum Diamanten wird, erfreut sich gerade im HipHop-Bereich recht großer Beliebtheit, wodurch das Bild selbst mittlerweile relativ ausgelutscht wirkt. Dass der Düsseldorfer Koree dennoch damit spielt, hat einen ganz speziellen Grund. Sein Album "#UDED", was ausgesprochen eben "Unter Druck entstehen Diamanten" bedeutet, wurde von ihm und seinen beiden United Hustlers-Kollegen Kingsize und Alexis Troy innerhalb von nur drei Monaten komplett aus dem Boden gestampft – ein zeitlicher Druck, der aus dem Vorhandenen ein wertvolles Juwel pressen sollte. Die damit erreichte Chartplatzierung (Platz 24) mag sich sicherlich auch durch die Promoaktion von "#UDED" ergeben, bei der Koree durch das YouTube-Format "Releaseday" wöchentlich über die Produktion der Platte berichtete, den allgemeinen Entstehungsprozess eines Albums erklärte und die Zuschauer etwa beim Schreiben der Texte interaktiv teilhaben ließ, denn dem Werk selbst merkt man durchaus an, dass Koree nach ein paar Jahren Pause nicht mehr unbedingt der routinierteste Rapper ist. Obgleich er von Anfang an durchaus "motiviert" wirkt, sind es oftmals eher die Beats, die das Highlight eines Tracks darstellen, während Korees Texte dahinter ein wenig untergehen. So bleibt schon auf der ersten Anspielstation des Albums der kräftige, epochal anmutende Sound im Ohr, während die Aneinanderreihung von motivierenden Phrasen recht schnell wieder vergessen ist. Dabei sind es schon eher die vielen namhaften Featuregäste, deren Rapparts überzeugen können, da Künstler wie Kollegah, RAF Camora, Snaga, Fard und Eko Fresh Koree technisch problemlos in den Schatten stellen. Zumindest auf "1, 2, 3" gemeinsam mit den 257ers fügt sich der Gastgeber bestens in das Konzept und den Sound ein und kann sogar mit relativ schnellem, akkuraten Flow überzeugen. Im Großen und Ganzen ist das "#UDED"-Projekt in Verbindung mit dem "Releaseday"-Format und der gesamten Promotion dahinter durchaus unterhaltsam, der Platte allein hätte es wohl nicht geschadet, wenn man den Druck ein wenig verringert und dafür den Diamanten noch ein wenig geschliffen hätte.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    01. Intro feat. DJ Trackatteasy
    02. Angekommen (Mad Diary-Version) – B-Chris
    03. Kolibri (Mad Diary-Version)
    04. Drahtseilakt (Mad Diary-Version)
    feat. B-Chris
    05. Engel oder Teufel (Mad Diary-Version)
    06. Stereotypen (Mad Diary-Version)
    07. Leitwolfgene (Mad Diary-Version)
    feat. B-Chris
    08. Outro (Mad Diary-Version)


    Crossover aus Rap und Rock gibt es nicht erst seit heute und so versuchten sich bereits entsprechend viele Künstler – mal mehr, mal weniger erfolgreich – an einer Symbiose der beiden Genres. Oftmals ergibt sich bei dem Versuch einer solchen Fusion meist eines von zwei großen Problemen. Einmal wird versucht, in einen schlichten HipHop-Beat etwa ein kratziges Gitarrenriff oder härtere Drums "reinzuschustern", wodurch ein halbgares Mischwesen entsteht, bei dem sich die Intention zwar erkennen lässt, das letztlich aber doch nur ein Raptrack mit entliehenen, genrefremden Elementen bleibt. Im anderen Fall werden Inhalt und Aussage zugunsten eines geeigneten "Mitgröl-Textes" geopfert, sodass das Endergebnis nur noch entfernt bis gar nicht an Rap erinnert und nur platten "Auf die Fresse"-Sound bietet. Auch der in der Nähe von Hannover geborene Rec-Z und sein langjähriger Rapperkollege B-Chris wagen mit ihrem neuesten Werk den Schritt heraus aus den bekannten Gefilden, umgehen die erwähnten Problematiken hierbei aber relativ geschickt. Wie genau sie das machen und was den Hörer der "Verstärkung"-EP erwartet, erschließt sich beim Anhören dieses Projekts.


    "Ich bin auf 'nem guten Weg/
    Etwas Revolutionäres zu schaffen – kein Rap, wie er im Buche steht/
    Das ist Musik, um drüber nachzudenken/
    Das ist anstatt mit Fäusten mit Kräften der Sprache kämpfen/
    "
    (Rec-Z auf "Kolibri")


    Beim Blick auf die Tracklist fällt eines sofort auf: Die EP setzt sich aus bereits veröffentlichten Titeln zusammen, welche für das neue Projekt frische, rockige Gewänder erhielten. Das bedeutet, dass sich der Inhalt selbst bereits auf "gewöhnlichen" Beats beweisen musste, ohne durch harten, lauten Sound über mangelnde Aussage hinwegtäuschen zu können. Entsprechend gehaltvoll klingen dann etwa die Texte von "Angekommen", auf dem sich B-Chris mit Zukunftsängsten und ihrer Verdrängung auseinandersetzt, oder Rec-Zs "Kolibri", auf dem der Rapper von seiner Musik, der Liebe zu ihr und seinen Ambitionen dahinter berichtet. Auf "Drahtseilakt" werden beide Thematiken geschickt verbunden, da sich das Leben zwischen privaten Sorgen und dem Musikmachen als ebensolcher herausstellt. Rec-Z und B-Chris befassen sich mit der Frage, ob Rap einen hohen Stellenwert im Leben einnehmen darf, solange die private Zukunft noch in der Schwebe zu hängen scheint, oder ob es letztlich eine Frage des Erwachsenwerdens ist, die Musik irgendwann an den Nagel zu hängen. Die Aussage steht bei beiden Künstlern stets im Vordergrund und scheint deutlich wichtiger als die Raptechnik zu sein, sodass den Hörer Tracks mit Bedeutung und Tiefgang, jedoch ohne unpassende Doubletime-Einlagen oder zahllose Punchlines erwarten – wenngleich Rec-Z auch technikorientierten Rappern ihre Daseinsberechtigung zuspricht. So befasst er sich mit unterschiedlichsten "Stereotypen" zwar kritisch und weist auf fragwürdige Aspekte in Sachen Image und Schubladendenken hin, gibt jedoch auch zu bedenken, dass selbst der klischeeschwangerste MC auf seine Art und Weise gut sein kann. Hierbei schwingt sicherlich auch der Wunsch mit, als Künstler fair und objektiv behandelt zu werden, was er in der Szene und von Seiten der Hörer nur als bedingt gegeben sieht, wie Rec-Z auf "Engel oder Teufel" beschreibt. Zur Not wird nach dem Motto "Scheiß auf die Szene" weitergemacht und man lässt das Alphatier raushängen, auch wenn selbst bei der neuen Version von "Leitwolfgene" das Knurren noch nicht so beeindruckend rüberkommen mag, wie es das vermutlich tut, wenn vor der Bühne das Wolfsrudel mitknurrt.


    "Scheiß auf die Szene/
    Denn es geht hier nur um Chicks, als wären wir streitende Hähne/
    Okay, ihr habt es vielleicht versucht – ahu!/
    Alle folgen unserem Leitwolfruf/
    "
    (Rec-Z auf "Leitwolfgene")


    Denn genau hier liegt der Ursprung der Idee zur "Verstärkung"-EP. Aus mehreren Live-Performances, bei denen der Beat nicht "aus der Dose", sondern von einer Band ertönte, ergaben sich quasi von selbst neue, rockige Untermalungen für die Rapparts von B-Chris und Rec-Z. Was daraus entstand, wurde mit der dreiköpfigen Rockband Mad Diary aus Hannover dann zurück ins Studio transportiert und neu aufgenommen. Wenngleich der Live-Charakter natürlich nicht ganz auf eine Studio-Aufnahme übertragen werden kann, passt das neue Soundbild in den meisten Fällen dennoch recht gut und überzeugt klanglich. Schon das "Intro", das hauptsächlich von der Kombination aus lauten Gitarrenriffs und Scratches lebt, lässt erahnen, dass gerade Rec-Zs tiefe, oftmals sehr grimmige Stimme durch die rocklastigen Instrumentals noch an Kraft gewinnt.


    E-Gitarre, Bass und Drums der Band klingen genauso sauber und klar wie die Vocals der beiden Rapper, wodurch sie sowohl unabhängig voneinander als auch in Kombination bestens funktionieren. Die "Leitwolfgene" scheppern lauter und klarer aus den Boxen, als sie es bei der ursprünglichen Version taten, und das neue "Stereotypen" spielt hinsichtlich Energie und Kraft in einer völlig anderen Liga als der Vorgänger. Doch auch die ruhigeren Stellen der EP, wie etwa die nachdenklichen Tracks "Kolibri" und "Angekommen", werden von passend sanften, melodiösen Klängen eingehüllt und stehen den Originalen weder klanglich noch von der überzeugenden Vermittlung der jeweiligen Emotionen her in irgendeinem Punkt nach. Näher als auf der "Verstärkung"-EP kann man dem Hörgenuss eines Liveauftritts von Rec-Z nur dann kommen, wenn man ihn tatsächlich auf der Bühne performen sieht.


    Fazit:
    Wo es für gewöhnlich schon schwer ist, innerhalb eines Genres den Geschmack vieler Leute zu treffen, scheint es bei einem solchen Crossover noch schwieriger, sowohl überzeugenden Rock als auch ansprechenden Deutschrap zur selben Zeit zu liefern. Doch auch wenn eine Verschmelzung zweier Genres logischerweise nie ganz Fisch oder Fleisch sein kann, haben Rec-Z, B-Chris und die Band Mad Diary doch ein Projekt geschaffen, bei dem kaum Reibungsflächen entstanden sind, sondern sich beide Musikgenres gegenseitig unterstützen. Ab und an fällt zwar auf, dass das Fehlen der Live-Atmosphäre die ein oder andere Stelle der EP etwas schwächeln lässt, doch im Großen und Ganzen hat es sich für Rec-Z durchaus gelohnt, sich "Verstärkung" zu holen, um ein funktionierendes Crossoverprojekt zu verwirklichen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Das Leben ist Saadcore
    02. Kantsteinsurfer
    03. Du bellst aber beißt nicht
    04. Saad B C
    05. Ich will euch brennen sehen
    06. Jamila (Das Finale)
    07. Worte sind nur Luft
    feat. Kontra K
    08. Yayo Pt. II
    09. Menschen quälen
    feat. Blokkmonsta
    10. Womit hab ich das verdient Pt. II
    11. Was ich so mache - Skit
    12. Kreditkartenfresse
    13. Manchmal Pt. II
    14. Wenn du ihnen glaubst
    15. Nachtgespräch


    Nach dem Ende seiner Schaffenspause im Jahre 2013 war Baba Saad nicht gerade faul. Er veröffentlichte eine neue Platte, nahm die Rapper EstA und Punch Arogunz unter Vertrag, releaste mit ihnen einen Labelsampler, unterstützte sie bei ihren Soloalben und hatte auch beim Debüt von 4tune seine Finger im Spiel. Dabei scheint ihm gerade die Labelarbeit besonders zuzusagen, denn aus dem aktiven Rapgeschäft möchte sich der Künstler vorerst zurückziehen. Zumindest kündigte Saad sein neues Album namens "Das Leben ist Saadcore" als sein letztes Solowerk an, wobei die einen in der Symbiose seiner ersten Albentitel "Das Leben ist Saad" und "Saadcore" ein Zeichen dafür sehen, dass er das Beste seiner Anfänge kombinieren will, während böse Zungen behaupten, dass ihm schlicht und ergreifend die Ideen ausgegangen seien. Doch egal, ob man sich nun darüber freut, dass es ein neues Saad-Album gibt, oder darüber, dass es das letzte sein wird: Ein wirkliches Urteil kann sich nur bilden, wer reingehört hat.


    "Denn wenn ich dich mit einem Knüppel zerfick'/
    Machst du scheiß Krüppel nie mehr ein' Behindertenwitz/
    Nutte, mein Gangsterrap ist Beton und nicht Marmor/
    Zieh' Kokain, denn das Leben ist Saadcore/
    "
    (Baba Saad auf "Das Leben ist Saadcore")


    Und Saad scheint wirklich davon auszugehen, dass sowohl seine Fans als auch Saad-Gegner der Platte lauschen, denn ein Halunke, wie er ist, erlaubt er sich direkt zu Beginn einen kleinen "Scherz". Poppiger Synthiesound und Autotune lassen den Titeltrack zunächst wie einen schmalzigen Sommersong wirken, bevor Baba Saad die Nummer unterbricht und meint: "Da haste falsch gedacht, du Hurensohn." Tatsächlich habe ich da falsch gedacht. Doch spricht es nicht eher gegen ihn und seine Musik, wenn man ihm diesen Popkram zunächst wirklich abkauft? Zumindest stellt Saad umgehend klar, dass sich das weitere Album eher nach dem Gegenteil anhören wird und ersetzt die lockerleichten Klänge durch harten Straßensound, Drogengeschäfte, Hass und Gewalt. Auf "Kantsteinsurfer" wird dies direkt fortgesetzt, der Bass wird lauter und härter, das Gesangssample im Hintergrund von der schnellen Snare zerschnitten, während sich weibliche Verwandte auf "Du bellst aber beißt nicht" der selbsternannten "Wehrmacht im Bett" ergeben. Gerade hat man sich also daran gewöhnt, dass der asoziale Grundton des gesamten Albums damit festgelegt wurde, da wird aus dem Baba plötzlich das besorgte Vorbild, das klar macht, dass der Schulabschluss auch für einen Gangster wichtig sei. Auf einem fröhlichen Beat erklärt er etwa, dass man Geografie bräuchte, um zu wissen, in welcher Hood man stecke, bevor das Messer aus dem Werkunterricht benutzt wird, um die Lehrerin abzustechen, die es wagt, in "Sexkunde" dem Schüler Saad "hässliche Titten" zu zeigen. Auch hier ist dem Hörer klar, dass das Ganze lustig sein soll, nur kommen die Witze so plump und flach, dass es beim Versuch bleibt. Bevor man sich aber Gedanken darüber machen kann, wie die scherzhafte Umsetzung hätte besser funktionieren können, springt die Stimmung wieder um und Saad lässt seiner Wut freien Lauf, damit die "Jamila"-Trilogie ein Ende findet. Der Beat, wie ein Großteil des Albums von den Offenburgern Loopkingz produziert, ist eine gelungene Kombination aus harten Drums und orientalischem Sound und dient Saad zur Untermauerung seines Zorns gegenüber besagter Dame, den man am Ende der Geschichte fast nachvollziehen könnte, wären da nicht die letzten Zeilen: "Guck mich an, während ich dich schlachte wie ein Lamm/ Nutte, wenigstens wurdest du geschlachtet von 'nem Mann".


    "Du Ghetto-Tourist, ein Kriminalitätsfan/
    Alles was du bist, leider realitätsfern/
    Digger, deine YouTube-Videos machen dich nicht echter/
    Plastikwaffen, Monatslohn, Fotos, keine Gangster/
    "
    (Kontra K auf "Worte sind nur Luft")


    Rappen kann Saad zweifelsfrei, Timing und Flow sind fehlerlos, wenn auch teilweise etwas monoton. Letzteres wird besonders auffällig, wenn die melodiöse Stimme von Featuregast Kontra K ihm zu den orientalischen Klängen von "Worte sind nur Luft" die Show stiehlt. Da macht der Libanese neben Blokkmonsta schon eine deutlich bessere Figur, auch, weil es kaum möglich ist, ihre Stile wirklich miteinander zu vergleichen. Zumindest konzentriert man sich gemeinsam auf ein Thema und will "Menschen quälen". Da wirkt es schon absurd, wenn zwischen diesem, mit grundloser Gewalt vollgepackten Track und einem aggressiven Titel über Saads Lieblingsfoltermethode, die "Kreditkartenfresse", das Sequel zu "Womit hab ich das verdient" wartet. Denn hier geht es urplötzlich sanft und ruhig zu, eine möglichst tragische Atmosphäre soll aufgebaut werden, damit Saad grundlose Gewalt und Folter anprangern kann. Schade ist zudem, dass gerade er, mit persönlichem Bezug zum Krieg im Libanon, einen 08/15-Text rappt, der auf fast jede Krise in jedem Land zutreffen könnte und hauptsächlich aus leeren oder allgemeinen Phrasen besteht. Obwohl ihm die Thematik sicherlich sehr wichtig ist, er genau weiß, wie sich die Leute fühlen, und er Angst und Not teilweise nachvollziehen kann, wirkt der Track selbst sehr substanzlos. Untermalt wird das Ganze von einem Beat, den man so oder so ähnlich auf fast jedem obligatorischen, tiefgründigen Track schon gehört hat. "Manchmal Pt. II" ist da schon ein ganz anderes Kaliber. Der Synthiesound schrammt böse über die Drums und auch Saads Flow klingt bissiger als sonst. Auch wenn das Storytelling hier, genau wie bei "Yayo Pt. II", eher auf eine "Erst Drogen verkaufen, dann vor der Polizei flüchten"-Geschichte beschränkt ist, ist es durchaus unterhaltsam.


    Wie bereits gewohnt, bremst das Klangbild immer dann, wenn es am lautesten und schnellsten auf dem Album zugeht, urplötzlich ab und wird butterweich. Den Abschluss des Albums bildet ein "Nachtgespräch" mit seinen Fans, bei dem er sich dankbar für all die Unterstützung und den Support von Freunden und Familie zeigt und nochmal betont, dass die meisten anderen Rapper solche Hurensöhne sind, "weil ihre Mütter kleine Huren sind, die Hurensöhne". Da kann man sagen, was man will, die Aussage ist in sich stringent. So endet dann "Das Leben ist Saadcore" auch und obwohl das Danke an seine Fans durchaus ein feiner Zug von Baba Saad ist, bleibt der große Knall zum Abschluss irgendwie aus.


    Fazit:
    Keine Frage, rappen kann Baba Saad. Konstanter Flow, hier und da etwas zu monoton, aber wenn er sich dann mal auf einem richtigen Brett von einem Beat austobt, dann steckt da ordentlich Zunder hinter. Problematisch wird es, sobald er krampfhaft versucht, witzig zu sein und das Ganze im flachen Prollhumor verendet oder er die Situation im Libanon, ein Thema, welches ihm sicherlich am Herzen liegt, relativ oberflächlich und viel zu allgemein behandelt. Zu oft erhält der Hörgenuss dadurch einen Dämpfer und die abrupten Stimmungsschwankungen im Soundbild und den Thematiken tun ihr Übriges, um das gesamte Album inkonstant wirken zu lassen und die Aussagen hinter einzelnen Titeln zu schmälern. Sollte es sich tatsächlich um das große Finale seiner aktiven Karriere handeln, so bleibt zu hoffen, dass Baba Saad seine Halunken als Chef besser berät, als er das bei sich selbst tat.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Armbrust + Köcher feat. Absztrakkt
    02. Ausgezeichnet
    03. Dämmerung
    feat. R.U.F.F.K.I.D.D.
    04. Horizont senkrecht feat. Imun
    05. Die Konkurrenz schläft nicht feat. Dray Durch
    06. Status Quo feat. Morlockk Dilemma
    07. Errorkidz feat. SINS, Sirviva, Grotesk, Nazz & Phase
    08. Grau in grau
    09. Elemente
    feat. der X-Men Klan
    10. Drunk Man Funk (Outro)


    "Was ham' wa denn hier? Was ist das denn? Das fängt ja gut an ... Yo, das ist die EP von Dings ... hier ... Jinx!" In einer Szene, die vor Großmäuligkeit und Selbstüberschätzung nur so strotzt und selbst Newcomer sich in ihren Liedern gerne als das Nonplusultra darstellen, wirkt der Anfang von Jinx' "Errorkidz EP" geradezu bescheiden. Allerdings scheint der Rapper, der bereits 2000 begann, erste Texte zu schreiben, allgemein nur selten die selben Ziele zu verfolgen wie die meisten seiner Kollegen. Er interessiert sich wenig für kommerziellen Erfolg und Chartplatzierungen, sondern macht Musik – aus Liebe zur Musik. Auch deshalb kann die EP kostenlos gedownloaded werden, als Statement für Kunst und Kultur. Andererseits könnte all das auch nur Fassade, die Bescheidenheit in Wirklichkeit Unsicherheit gegenüber dem eigenen Können und darüber, ob das neue Werk mit dem Debütalbum "Weirdnam" überhaupt mithalten kann, sein. Darum bleibt abzuwarten, was sich hinter dem Prolog der "Errorkidz EP" tatsächlich verbirgt.


    "Ich mach' Rapper-Leder-Bettvorleger-Sets aus meinen Battlegegnern/
    Meine Texte checkt nicht jeder, doch der Flow – ein extra edler/
    Es spitzt sich unaufhaltsam zu, als wär's ein Tetraeder/
    Ihr meint, ihr rappt echt extrem? Na gut, dann reim' ich echt extremer/
    "
    (Jinx auf "Armbrust + Köcher")


    So baut sich der Beat des Intros also zu dem bereits erwähnten Vorwort von Absztrakkt auf, der Hörer lauscht gespannt, was auf diesen scheinbar zurückhaltenden Beginn folgt und wird Zeuge davon, wie Jinx mit "Armbrust + Köcher" bewaffnet seine ersten Zeilen abfeuert. Auf den kräftigen Drums legt der 58muzik-Member wie aus dem Nichts mit energiegeladenen, aggressiven Parts los, die gefühlterweise aus einer einzigen Reimkette bestehen, während sein konstanter Flow durch gekonnten Stimmeinsatz noch bissiger und beeindruckender klingt, als er es ohnehin schon ist. Auch wenn etwas gelöster und nicht so sehr auf strenge Reimschemen fokussiert, steht ihm Absztrakkt mit seinem Part in nichts nach, sodass die beiden gemeinsam eine beeindruckende Einleitung in die EP liefern. Auch neben den anderen Featuregästen, vor denen es nur so wimmelt, macht Jinx stets eine gute Figur – egal, ob es sich um mal mehr, mal weniger bekannte Labelkollegen wie R.U.F.F.K.I.D.D., SINS und Nazz oder große Namen wie Morlockk Dilemma handelt. Die Zusammenarbeit mit Letzterem stellt sogar eines der Highlights der EP dar und kann auf dem vom gebürtigen Cuxhavener DJ s.R. produzierten Beat sowohl mit Dilemma-typischen komplexen Reimketten, Jinx' variationsreichem, schnellen Flow sowie einer mitreißenden, eingängigen Gesangshook glänzen.


    "Du denkst ans letzte Mal, den letzten, fast perfekten Tag/
    Den letzten, festen Schlaf, den fast vergessenen, besten Tag/
    An den geistigen Sommer und dann an sie/
    Und dann bemerkst du, wie sich alles im Innern zusammenzieht/
    "
    (Jinx auf "Grau in grau")


    Denn auch Jinx' Gesangstalent erweist sich als überraschend und vor allem überzeugend gut, sodass selbst ruhigere Nummern wie der leicht zuversichtlich klingende Track "Horizont senkrecht" oder das melodische "Die Konkurrenz schläft nicht" stets die passende, richtige Atmosphäre erhalten. Auf dem selbst produzierten oldschooligen Boom bap-Beat wird der schläfrigen Konkurrenz gezeigt, dass sich Sound und Rap, der irgendwie nostalgisch nach den '90er Jahren klingt, auch großartig mit eingängigem Gesang vereinen lässt, ohne, dass das Ergebnis erzwungen oder in eine Richtung gedrängt klingen muss. Allgemein schafft der Künstler es oftmals, sehr verschiedene Stile auf einer einzelnen Platte unterzubringen. Zwar mag der ein oder andere urplötzliche Stimmungswechsel im Laufe der EP beim Durchhören leicht störend auffallen, doch kann sich jeder Titel letztlich problemlos in das Klangbild einfügen und wirkt trotz unterschiedlicher Atmosphären wie aus einem Guss.
    Das beste Beispiel hierfür ist wohl "Grau in grau", welches sich zwar von den vielen schnelleren, kampfeslustigeren Titeln abhebt, dennoch aber weder störend noch unpassend, sondern ebenfalls nach hundert Prozent Jinx klingt. Während DJ Eule ein kratziges Gitarrenriff über die kräftigen Drums schrammen lässt, erzählt der Rapper mit sehr sprechlastigem Flow von den farbloseren Seiten des Lebens, was raptechnisch nicht ganz flüssig wirkt, die einzelnen Aussagen dafür umso eindringlicher und persönlicher klingen lässt. Selbst klischeehaftere oder phrasenschwangere Zeilen kann der Wahlkölner überzeugend vermitteln, da allein schon durch die Emotionen, die in seiner Stimme mitschwingen, klar wird, dass er das, was er sagt, auch tatsächlich so meint. Deutlich emotionaler und nachdenklicher als auf den eher battlelastigen Tracks der EP gelingt es Jinx auch problemlos, unterschiedlichste Gefühle darzustellen und zu beschreiben, ohne pathetisch zu klingen, was die "Errorkidz EP" sowohl inhaltlich, als auch vom Klang her bedeutend bereichert und großartig abrundet.


    Fazit:
    "Was ham' wa denn hier?" – einen talentierten, vielseitigen Künstler, dem so gut wie alles, vom aggressiven Battle bis zum gefühlsbetonten Rückzug, zu liegen scheint. "Was ist das denn?" – eine EP, die vielseitig und variationsreich, dennoch aber kompakt und stimmig wirkt. "Das fängt ja gut an." – und hält diesen mehr als positiven Eindruck zu jedem Moment problemlos aufrecht. "Yo, das ist die EP von Dings ... hier ... Jinx!" – mit welcher der Künstler ein beeindruckendes Statement geschaffen hat und zeigt, dass die Liebe zur Musik auch ohne kommerzielles Ziel in der Lage ist, ein Werk zu schaffen, das mit den meisten Releases mithalten kann, für die der Hörer Geld bezahlt. So entpuppt sich die Möglichkeit, auf der Bandcamp-Seite von 58muzik eine Spende für das Downloaden der "Errorkidz EP" leisten zu können, weniger als eine Option, sondern viel eher als eine Pflicht, um einen Rapper zu unterstützen, dem es nicht um die Kohle, sondern hauptsächlich um die Kunst geht.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Shawn The Savage Kid – Egoprobleme


    Vor etwas mehr als einem Jahr stellten wir Euch an dieser Stelle die "Kennen wir uns?"-EP, das Debüt des Regensburgers Shawn The Savage Kid, vor. Bereits damals zeichnete sich der Rapper durch eine angenehme Stimmfarbe und die Liebe zum Erzählerischen aus. Die EP selbst wirkte allerdings noch ein wenig so, als wolle Shawn einfach endlich eine erste Solo-Platte veröffentlichen, ohne sich dabei allzu viele Gedanken um die Zusammenstellung der Titel zu machen. Die nun erschienene zweite EP hört sich nicht nur musikalisch gereifter an, sie scheint zudem deutlich durchdachter und mit einem festen Konzept versehen, denn jede der sechs Anspielstationen dreht sich in irgendeiner Weise um "Egoprobleme". So malt sich Shawn beispielsweise in verträumt sanften Klängen einmal das Leben als "Schlagerstar" aus, weil man da angeblich noch so richtig Geld machen kann. An anderer Stelle beklagt er unter harten Drums und kräftiger Bassline, wie sein rüpelhafter Alter Ego STSK ihm Probleme bereitet, indem er Shawns Karriere zu jeder Zeit mit extremen Starallüren und fragwürdigem Benehmen schadet. Zwischendurch klont sich der Rapper dann noch selbst, verleiht seinem Klon den Namen "Dolly" und lässt diesen von nun an die Drecksarbeit machen. Zumindest so lange, bis "Dolly" auf einer schrillen Mischung aus gepitchten Vocalsamples und quietschendem Synthiesound Anspruch auf ein eigenes Leben erhebt und Shawn sich mit der Frage konfrontiert sieht, wie er den Klon möglichst schnell wieder los wird. The Savage Kid beweist also erneut sein Storytellingtalent, präsentiert sich diesmal aber auch als geschickter Produzent und steuerte eine Hälfte der Beats der EP selbst bei. Bleibt nur zu hoffen, dass Shawn seine "Egoprobleme" in den Griff kriegt und wir spätestens in einem Jahr erneut eine großartige Fortsetzung geliefert bekommen.





    Belabil – Gemeinsam einsam


    Belabils musikalische Ambitionen und der Titel seines Mixtapes "Gemeinsam einsam" lassen sich wohl am schnellsten durch den Track "Setz die Kopfhörer auf" erklären. Der Krefelder erzählt aus der Perspektive der Musik, wie diese manchmal der einzig verbliebene Begleiter eines Menschen sein kann und man – egal, wie schlecht die Situation aussieht – Trost in ihr findet. Von Anfang an wird klar, dass Rap eine entscheidende Rolle in Belabils Leben spielt und so ist der erste Eindruck, den man von ihm gewinnt, erstmal der eines Fans, der sich dazu entschlossen hat, einfach mal selbst vor dem Mic zu stehen. Dabei orientiert er sich aber nicht nur an deutschem Rap – gerade auch HipHop aus Frankreich beeinflusst ihn stark, was durch viele der Mixtapebeats bestätigt wird, die diversen französischen Künstlern entliehen sind. So bedient sich etwa "Tristesse Untergrundrap" eines Beats von Pejmaxx oder "Narkotik City" am Sound von Boobas "Double Poney", während sich Belabil raptechnisch nicht schlecht, allerdings auch nicht herausragend präsentiert. Mit recht kräftiger Stimme und durchaus vorhandenem Flow, wenn auch stellenweise mit etwas unsauberen Reimen, wagt er sich an Themen wie eben die Liebe zu Rap, jedoch auch an Szene-, Gesellschafts- und Regierungskritik sowie die ein oder andere Story von der Straße heran. Wegen vieler Allgemeinplätze und Phrasen können sich zwar nicht alle Titel behaupten und mancher Track rauscht am Hörer vorbei, ohne dass etwas hängen bleibt, doch im Großen und Ganzen kann das Gesamtwerk zumindest für ein wenig Hörgenuss sorgen und bietet mit immerhin 19 Anspielstationen reichlich Stoff. Als kleines Highlight stellt sich der Track "Harlem" heraus, auf dem Belabil gemeinsam mit dem Frankfurter Credibil über den sanften Immortal Techniques-Beat zu "Harlem Streets" von den harten, gefährlichen Zeiten auf der Straße erzählt. Es ist bei Weitem noch nicht "das" überragende Mixtape, mit dem sich Belabil einen großen Namen in der Szene machen könnte, doch zumindest ein guter Anfang und für den ein oder anderen sicherlich ein Anstoß, mit Belabils Musik "gemeinsam einsam" zu sein.





    Ufo361 – Ihr seid nicht allein


    Seit der Mensch so in etwa begreift, was er da sieht, wenn er in den Nachthimmel blickt, stellt er sich immer wieder die Frage, ob es da draußen noch andere Individuen gibt und ob auf fernen, fremden Planeten nicht vielleicht auch Leben existiert. Und wie in diversen Hollywoodproduktionen zuvor, schwebt nun ein echtes Raumschiff über der Erde. Seine Aufschrift kennzeichnet es als Ufo361 und es verbreitet die Botschaft: "Ihr seid nicht allein". Plötzlich stellt der Mensch fest, dass dieses fremde Leben gar nicht so fremd, sondern ziemlich authentisch und nachvollziehbar ist, denn was Ufo361 von sich gibt, ist ehrlich, unverblümt und vor allem mehr als unterhaltsam. Der erfrischend euphorische Flow des Hoodrich-Rappers hat die nötige Kombination aus Bissigkeit und Spaß an der Sache, um sowohl auf dem böse kratzigen Synthiesound von "U.F.O." als auch auf dem Klaviersound und den dumpfen Drums der 2Pac-Hommage "PAC" zu funktionieren und die entsprechenden Themen zu vermitteln. Themen hat Ufo sowieso reichlich – egal, ob er den "funky" Frauenhelden spielt, als "GanjaBoi" samt Reggaesound dem Graskonsum frönt oder die Lügen und Protzereien anderer Rapper mit "Du hast nix" enttarnt. Die Inhalte erscheinen ähnlich vielfältig wie sein Leben in "Kreuzberg 96" zwischen bestohlenen Touristen und alten Damen, denen über die Straße geholfen wird. Letztlich dreht es sich aber auch bei ihm immer nur um "HipHop" – egal, ob in Sachen Musik oder etwa in Form von Liebe zum Graffiti, einer Obsession, welcher er "seit dem ersten Tag" erlegen ist. Sei es nun textlich oder in Bezug auf die Beats: Ufo361 ist stets unvorhersehbar und variationsreich, aber dennoch exakt und genau auf dem Punkt. Gekrönt wird das Ganze von einer interessanten Attitüde, teils der verschlagene Gauner, teils der sympathische Kumpel, die den Rapper zu einer markanten Person und sein Album zu einem gelungenen Werk macht. "Ihr seid nicht allein" – und darüber könnt Ihr verdammt froh sein, denn das bedeutet, dass Menschen wie Ufo361 Euch auch weiterhin mit Hörgenuss versorgen können.





    Tierstar Andrez – Draussen auf Bewährung


    Seit Anfang des Monats ist Tierstar Andrez "draussen auf Bewährung" und das passende Tape dazu zum kostenlosen Download verfügbar. Und dieser Download ist wärmstens zu empfehlen, denn das erste, was Tierstar mit seiner neuen Freiheit macht, ist, auf ganzer Linie zu überraschen. Angefangen bei der Masse von ganzen 15 Tracks über eine reichhaltigen Featureliste mit Namen wie Main Moe, Rako und Morlockk Dilemma bis hin zu vielseitigen, absolut gelungenen Titeln präsentiert sich der Berliner von seiner besten Seite. Die fast etwas zu ruhigen Anfänge mit recht entspanntem Flow werden schnell durch harten Sound und wütende Texte ersetzt, in denen Straßen- und Gangsterrap die erste Geige spielen. Dennoch finden sich neben der gewohnt hohen Dosis an Ghettoattitüde, zum Beispiel auf "Eine Gang ist eine Gang", "Mein Messer" und "Alle Jahre wieder", auch eine Vielzahl von herausstechenden Liedern wie etwa der autobiografische Titeltrack "Draussen auf Bewährung" oder die ganz private Auseinandersetzung mit ausuferndem Rassismus ("Berliner N-Wort") auf dem Tape wieder. Zusätzlich beweist Tierstar ein Talent für innovative Konzepttracks, wenn er beispielsweise mit unter anderem Morlockk Dilemma die Rolle verschiedenster Waffen einnimmt, die "in der Asservatenkammer" landeten und davon berichten, wie sie zu Gewalt- und Straftaten verwendet wurden, oder filmähnliche Szenarien durchspielt, in denen ihm "eine Berührung reicht", um in einen anderen Körper zu schlüpfen. Kreatives Storytelling und die stellenweise sehr mutige Beatauswahl wie etwa der schrille, hallende Synthiesound von "Eine Berührung reicht" machen das Tape extrem unterhaltsam und spannend, sodass man nur hoffen kann, dass Tierstar möglichst lange in Freiheit bleibt, um seine Talente weiterhin bestens ausüben zu können.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Dr. Jack-Ill & Mr. Right – Die Rückkehr der Becksritter


    Gute Nachrichten, die Becksritter sind wieder da! Wer sie sind? Keine Ahnung. Wo sie waren? Weiß niemand. Wie sich ihr Comeback anhört? Schwer zu sagen. Denn "Die Rückkehr der Becksritter", vertont von Dr. Jack-Ill & Mr. Right, klingt nach einer Mischung aus Cartoon, Comic, Chaos und Charme der alten Schule, aber irgendwie auch ganz anders. Schon in der "Einführung", während derer die beiden Künstler in der Manege neben "feinsten Jungbullen" auftreten, wird klar, dass die gesamte Platte konventions-, vielleicht sogar ein wenig konzeptlos, aber vor allem mit viel Spaß an der Sache entstanden ist. Vom kratzigen Piano-Sample über den Beat mit Big Band-Charakter bis hin zur selbst eingepfiffenen Bridge liefert Dr. Jack-Ill instrumental so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Mr. Right gibt darauf seine teils absolut wahnwitzigen Gedanken und Weisheiten zum Besten. Zeilen wie "Du rufst Mutter Natur an, ob die Sprache spielen kommen darf, doch Vater Staat legt da ein Veto ein" stehen an der Tagesordnung und werden mit wunderbar spontanem, teilweise an Poetry Slam-Vorträge erinnernden Flow vorgetragen. Thematisch befasst man sich mit dem "Flammenmeer" der Hölle, stimmt die Hymne der Faulen und Unmotivierten auf "Der einzige Anhaltspunkt" an oder erlebt, wie "ein schrecklicher Alptraum" geradezu hörbuchreif vom gescheiterten Kampf gegen die Wackness erzählt. So ganz weiß man nie, wen oder was das Duo denn nun wirklich darstellt, doch klar ist, dass man es irgendwo zwischen Superschurken und -helden der Deutschrapwelt ansiedeln muss und die beiden für den Kampf "gegen verkackte Korbleger, schlechte Freiwürfe und Laktoseintoleranz" sowie "gegen die Verkunstrasung uns'rer Sprachspielwiese" stehen. Dazu gibt es dann noch ein Zitat aus der Batman-Serie der '60er Jahre – Wahnsinn und Genie lagen selten näher beieinander. Auch wenn sich selbst nach dem Hören nicht geklärt hat, von wo und warum die Becksritter zurückgekehrt sind, so muss man doch sagen, dass wir froh sein können, dass sie wieder unter uns weilen und uns mit diesem wunderschönen Werk beschenkt haben.





    Disarstar – Manege frei (Phase 3)


    Die Veröffentlichung des Mixtapes "Herr meiner Sinne" des Hamburgers Disarstar ist noch kein ganzes Jahr her, da meldet sich dieser auch schon mit dem dritten Teil seiner "Phase"-Reihe wieder zurück. "Manege frei (Phase 3)" ist zwar kein gänzlich neues Werk, sondern eher eine Zusammenfassung des bisherigen Werdegangs des Künstlers, lohnt sich jedoch gerade deswegen vor allem für all jene, die jetzt erst auf ihn aufmerksam werden sollten. Neue Hörer dürfte er in der nächsten Zeit genug finden, hat Disarstar doch erst vor kurzem beim Label Showdown Records unterschrieben, so wie es zuvor schon die vielversprechenden Künstler Mortis und Shawn the Savage Kid taten. Aus dem Jahr 2011 hat Disarstar den aggressiven Representer "Ich bleib mir treu" mit kraftvollem Pianobeat sowie die zwei gesellschaftskritischen Tracks "Ansichtssache", der von sphärischem Samplesound untermalt wird, und "Realität", eine recht ruhige Nummer, im Gepäck. Dass es sich bei seinen kritischen Texten nur selten um die obligatorische Phrasendrescherei handelt, unter der solche Themen oftmals leiden, beweist er etwa auf "Neue Welt" aus dem Jahr 2013, wo er sich mit Wirtschafts- und Bankensystem auseinandersetzt. Seine Fähigkeiten, auch live überzeugen zu können, stellt er mit "One-Take für Facebook" ebenso unter Beweis wie vor wenigen Tagen bei seinem Auftritt auf dem Splash!-Festival. Neben ein paar weiteren alten Titeln wie "Herr meiner Sinne" und "Vergiss mein nicht", die in Form von Remixen neue instrumentale Gewänder erhalten haben, findet sich dann noch der brandneue Titeltrack "Manege frei" auf dem Werk, der mit viel dumpfem Bass und kräftigen Drums durch die Boxen poltert, um dem Hamburger einen geeigneten Klangteppich für seinen energiegeladenen, aggressiven Flow zu liefern. Zwar werden Fans, die Disarstars Musik schon länger verfolgen, nicht allzu viel Neues auf "Manege frei (Phase 3)" finden, doch gerade für diejenigen, die sich bisher noch nicht mit dem Künstler auseinandersetzten, bietet sich hiermit eine Gelegenheit, einen groben Überblick über das Schaffen des Hamburgers zu erhalten.





    Aytee – Cyberjunk


    Anfang des letzten Monats durften wir Euch bereits das Video zum Track "Affengene" des Rappers Aytee aus Kronau exklusiv auf rappers.in vorstellen. Nun folgt die damals bereits angekündigte EP "Cyberjunk" über das Independent-Label Trotzdem Records. Mit den wummernden Bässen und den harten Drums des von Drogen durchzogenen Representers "Affengene" noch im Ohr, geht man also durchaus mit gewissen Erwartungen an das Free-Download-Werk des Rappers heran, wird zunächst allerdings fast ein wenig enttäuscht. Die EP selbst fängt relativ leise und ruhig an, mit einem sphärischer Synthieteppich, auf dem Aytee etwas monoton, aber sehr kontrolliert zu rappen beginnt. Und auch wenn das Ganze nicht unbedingt schlecht klingt, hofft man darauf, dass es sich nur um eine Art Ruhe vor dem Sturm handelt, bevor der MC so richtig loslegt. Nachdem "Ich zu sein ..." immerhin etwas lauter und härter klingt und Aytee davon erzählt hat, dass er irgendwie nur so zufällig zum Rappen kam, da er sich darüber unklar war, wer er selbst denn überhaupt wäre, gibt er als "Pizzakurier" dann endlich einmal richtig Gas. Gemeinsam mit Feature- und Labelpartner Aze liefert er eine fast schon melodische Gesangshook und ein paar deftige Battlelines frei Haus – und nähert sich damit schon deutlich dem, was man von "Affengene" kannte. Als man dann noch gemeinsam mit furB eine fremde Party gecrasht und alles zerlegt hat, "bis der Hurensohn tot is'", und gemeinsam mit dem in NRW lebenden Donzen bewiesen wurde, dass man sein Handwerk wirklich beherrscht und akkuraten Flow mit intelligenten, selbst- und gesellschaftskritischen Texten zum Besten geben kann, geht es ans Eingemachte. Während der Großteil der EP, abgesehen von dem ein oder anderen Drumkit, ansonsten relativ ruhig klingt, stellt sich "Terminator" mit einem Gastauftritt der Mason Family als rockig-krachendes Synthie-Dubstep-Brett heraus. Bitterböse Zeilen und aggressiver, schneller Flow mit ordentlich Biss werden von allen drei Künstlern nur so in den Beat gehämmert und donnern gemeinsam mit voller Wucht aus den Boxen. Spätestens danach sind die fast schon zu leisen Anfänge vergessen und es besteht kein Zweifel mehr an Aytees Talent. Obendrauf gibt es dann noch eine Hand voll Bonustracks für all jene, die gleich noch mehr von dem Kronauer hören und nicht erst auf das nächste rappers.in-Exclusive warten wollen.





    Kyan – Kyankali Formel


    Einen Newcomer kann man Kyan wahrlich nicht nennen, befasst er sich doch seit gut zehn Jahren mit deutschem Rap und dem Schreiben seiner Texte. Ein eigenes Album gab es vom gebürtigen Kieler bisher allerdings nicht. Erst jetzt, da er sich gemeinsam mit seinem Produzenten Max Vol, der wie Kyan mittlerweile auch in Hamburg lebt, aus den tiefen seines Chemielabors wagt, keimt Hoffnung für eine Solo-Diskografie auf. "Ich hab' die Formel und sie ist tödlich", kündigt Kyan sein Werk an und redet dabei von seiner ganz eigenen "Kyankali Formel", mit welcher er die Tracks anfertigt, die er nun über das Indie-Label Boom Klack veröffentlichen will. "Die Formel" selbst klingt zunächst nach einer sehr schnellen Synthie-Nummer, die stark von Kyans melodiösem Flow getragen wird. Gekonnt setzt er seine Stimme auf vielfältige Weise ein, wenn er mal nachdenklich und persönlich, mal representing- oder battlelastig wird, wobei Sound und Style immer ein wenig wichtiger als der Inhalt scheinen. Man hört den Liedern des Rappers durchaus den Anspruch des Kunstmachens an, sodass die Metapher der "Kaligrafie" für die Texte und die Kunst, die er selbst erschafft, bestens passt. Kyan stellt sich als einen passionierten Künstler dar, der sich mit einer Flasche Rotwein in seinem Atelier verkriecht und auf den Kuss der Muse wartet oder beschreibt, wie ihn Sorgen und Probleme in die"Insomnia", die Schlaflosigkeit, treiben. Jedoch lässt sich der Künstler weder von privaten Problemen noch von der Regierung "unten halten", wie er technisch versiert und mit schnellem Flow erklärt, wenn es um die Themen Staats- und Polizeigewalt sowie Überwachung und Unterdrückung geht. Die ein oder andere autotune-artige Hook des Albums könnte durchaus überhört werden, da sie auf Titeln wie "Kieler", auf dem der Rapper sich und seine Heimat präsentiert, fast schon störend wirkt. So auch, wenn es um das "Geben und Nehmen" sowie um die damit verbundene Undankbarkeit oder um "schlechtes Karma" geht, wo zwar der sehr melodische Charakter unterstrichen, dem Hörgenuss allerdings ein wenig Abbruch getan wird. Alles in allem ist das Album mit seinen 16 Anspielstationen sehr auf guten, melodischen Sound ausgelegt und zeigt, dass die in zehn Jahren Forschung entwickelte "Kyankali Formel" durchaus aufgeht.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    01. Sorgenking is back
    02. Sommerloch
    03. Schöne Barfrau
    04. Umsonst
    05. Ich bleib
    06. Outtakes


    Mit steigender Temperatur wird es immer größer, verschlingt relevante Nachrichten und ersetzt sie durch Berichte über Z-Promis und niedliche Tiere in irgendwelchen Zoos. Aus seinem Inneren dringen kitschige Popsongs, die zunächst landesweit mitgegrölt werden, nach spätestens drei Wochen dem Großteil der Bevölkerung aber schon wieder auf die Nerven gehen. Die Rede ist vom "Sommerloch". Nikolai Haug, das Sorgenkind der Eypro-Familie, widmet besagtem Phänomen nun eine ganze EP. Blickt man auf seine bisherige Diskografie, stellt sich jedoch die Frage, was genau den Hörer der "Sommerloch EP" erwartet. War das Debütalbum "Weltretter auf Jobsuche" noch gespickt von Selbstironie und jugendlicher Frische, so klang derselbe Künstler drei Jahre später auf seiner Reise "von A nach X" deutlich erwachsener, melancholischer und selbstreflektierter. Um nun die Frage zu beantworten, ob er, passend zum Titel des neuen Werks, zu seinen lockerleichten Wurzeln zurückkehrt oder die neugewonnene Ernsthaftigkeit beibehält, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich kopfüber in die "Sommerloch EP" zu stürzen.


    "Mein Königsmantel ist mir im Trockner eingegang'n/
    Und meine Krone hab ich dem Pfandbüro gelieh'n/
    Mein Pferd und meine Wächter sind im Moment noch leider krank/
    Mein blödes Zepter liegt nicht abgespült bei mir/
    "
    (Sorgenkind auf "Sorgenking is back")


    Zunächst klingt das Ganze nach ersterer Variante. Ein euphorischer, poppiger Beat, der, wie auch die restliche EP, vom Stuttgarter Cop Dickie produziert und – wie ein Großteil der Platte – von Plot-Mitglied Elias zusätzlich mit Gitarre- und Basssound versorgt wurde. Auf "Sorgenking is back" spielt der Rapper das Stehaufmännchen, das seine Niederlagen und Rückschläge nie so ganz wahrhaben will und nur allzu gerne romantisiert. So flaniert der sympathische Verlierer durch seinen beschönigten Alltag und schmettert eine Hook, die so eingängig und mitreißend ist, dass man den Wunsch verspürt, sich der boygroupmäßigen Choreografie hinzugeben, nach der der Track einfach verlangt. Bis hierhin scheint die EP mehr in Richtung "Weltretter auf Jobsuche" zu gehen und dem sonnigen Namen gerecht zu werden. Doch bereits der zweite, titelgebende Track stellt einen deutlichen Kontrast zum fröhlichen Anfang dar. Zwar findet sich auch hier eine frische Cop Dickie-Produktion, die sanfter und in den tiefen Tonlagen kräftiger als der Vorgänger klingt, doch sind Grundstimmung und Thematik deutlich ernster. Statt nur mit lockerleichtem Witz vom "Sommerloch" zu trällern, hinterfragt Sorgenkind das Phänomen in Hinblick darauf, wo all die wichtigen Ereignisse so plötzlich hin verschwinden und ob etwa Kriege zu Gunsten der Fußball-WM pausieren. Die sehr bildhafte Sprache, welche er dabei verwendet, vermittelt den ernsten Inhalt jedoch mit einer gewissen Leichtigkeit, sodass das kräftige Schlagzeug und die sanften Gitarrenklänge den nachdenklichen Beigeschmack fast übertönen. Auch im weiteren Verlauf täuscht der erste Eindruck oftmals und hinter den scheinbar seichten Tracks stecken meist nachdenkliche, melancholische Selbstreflexionen. So projiziert Sorgenkind als Stammkunde in einer Kneipe seine eigenen unerfüllten Wünsche, Träume und Ängste auf die "schöne Barfrau", um sich selbst nicht direkt damit konfrontieren zu müssen. Dabei wummert ein melodischer Sound mit dumpfem Bass und knackigem Plattenrauschen aus den Boxen, zu dem Sorgenkind sein Gesangs- und Raptalent unter Beweis stellt. Hier trägt, wie an vielen Stellen der EP, der Gesang den Track und die Rappassagen bleiben meist ein wenig dahinter zurück oder werden mit etwas Singsang nach vorne gepusht.


    "Ich weiß, dass das Ding kaputt ist und doch nehm' ich's mit zu mir/
    Auch wenn die Oberfläche abgenutzt ist, ich glaub', es lohnt sich zu investier'n/
    Irgendwie muss da irgendwas geh'n, denn wo nichts geht, wurde nur nichts gekonnt/
    Freunde sagen: 'Lass es liegen und steh'n', doch die Gelegenheit ist umsonst/
    "
    (Sorgenkind auf "Umsonst")


    Stimmungstechnisch geht die EP mit "Umsonst" noch einen weiteren Schritt nach unten und auch klanglich erreicht die Platte ihren ruhigsten Punkt. Der Beat baut sich langsam auf und dementsprechend legt auch Sorgenkind erst mit der Zeit mehr und mehr Energie in seine Stimme, ganz ähnlich dem Aufbau von "Ich bleib", der synthielastigen Liebeserklärung an ein Musik-Festival. Während bei "Umsonst" durch das Klangbild die Thematik des Herantastens an eine komplizierte Beziehung und die Hoffnung, dass, wenn man nur genug Mühe hineinsteckt, etwas Positives dabei herauskommen könnte, unterstrichen wird, liefert der Aufbau von "Ich bleib" der EP einen explosiven Abschluss mit kraftvoller, eingängiger Hook.
    Ganz am Ende des "Sommerloch"s sind wir jedoch noch nicht angekommen, denn das Schlusslicht der Platte bilden die "Outtakes". Hierbei handelt es sich allerdings nicht direkt um fehlerhafte Aufnahmen während eines Filmdrehs, sondern um eine Metapher für Sorgenkinds Leben. "Wäre mein Leben ein Film, würd' er fast nur aus Outtakes besteh'n". Der Künstler rekapituliert sein bisheriges Leben, fragt sich, wie seine Zukunft wohl aussehen mag und kommt zu dem Entschluss: "Solang' es bleibt, wie es ist, ist die Welt okay". Zunächst mag dies fast wieder wie der Anfang der EP beziehungsweise der Versuch, negative Situationen einfach zu beschönigen, erscheinen. Doch tatsächlich klingt das Ganze nicht nur soundtechnisch deutlich entspannter, sondern auch textlich wesentlich reifer und selbstreflektierter. Aus dem etwas aufgekratzten Jungen, der sich selbst einredet, der (Sorgen)King zu sein, ist ein zufriedener Künstler geworden, dem es schon genügt, wenn er sein Leben so führen kann, wie es aktuell verläuft. "Outtakes" ist nicht nur für sich selbst ein gelungener Track, sondern auch ein umfassendes Ende für die gesamte "Sommerloch EP".


    Fazit:
    Sechs Tracks, mal entspannt und nachdenklich, mal frisch und mitreißend, jedoch immer eingängig und bestens produziert. Dazu ein Künstler, der sich seiner Talente bewusst ist und sie gekonnt einzusetzen weiß, oftmals mehr auf Gesang als Rap setzt, doch beides großartig beherrscht. Auch wenn der stellenweise recht ernste Inhalt oftmals erst beim genaueren Hinhören richtig vermittelt wird, hat Sorgenkind den Spagat zwischen seriöser Aussage und guter Laune in den meisten Fällen durchaus gemeistert. Die kurze, knackige "Sommerloch EP" lädt in jedem Fall zum immer wieder Hören ein und dürfte, anders als sonstige Sommerhits, auch noch in einigen Wochen ein frisches, kurzweiliges und vor allem gelungenes Gesamtpaket abgeben.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Kann losgehn
    02. V zu dem H
    03. Der DJ hat doch nich' mehr alle Platten im Schrank
    04. Katzen müssen draußen bleiben
    05. Gerri baut die Bouncer
    06. Ohne mich
    07. Wer hat hier das Weed gestreckt
    08. 25g
    09. Satchmo
    10. Das Stirnband
    11. Enterhaken
    12. Burnout
    13. Geschichten aus der Rumpelkammer
    14. Irgendwie verrückt
    feat. Rollo
    15. Mundpropaganda
    16. Der Letzte macht die Tür zu


    Forscht man ein wenig nach den etymologischen Wurzeln des Begriffs "Tohuwabohu", so erfährt man, dass bereits in der Bibel die Worte "tohu vavohu" Verwendung fanden, um darzustellen, wie "wüst und leer" die Erde einst war. Heutzutage beschreibt man damit eher das pure Chaos, ein heilloses Durcheinander, jede Menge Lärm und am Ende geht irgendwas zu Bruch. Man stelle sich etwa vor, einen Porzellanladen zu betreten, den obligatorisch dort lebenden Elefanten durch ein paar Verrückte Hunde zu ersetzen und sie dann eine Katze jagen zu lassen. Fertig ist das "Tohuwabohu". Nun noch ein paar Mikrofone aufstellen, fertig ist das Album "Tohuwabohu". Knapp zwei Jahre nach ihrem Debüt "1x1=1" meldet sich die Crew Verrückte Hunde, bestehend aus den beiden Rappern Foxn und Scu sowie Da Kid, Gerät und Al Dente, die für sämtliche Beats verantwortlich zeichnen, albumtechnisch wieder zu Wort und lässt auf 16 Anspielstationen dem Chaos seinen Lauf.


    "Hu! Ha! Booyaka! Meine Crew ist da/
    Guten Tag! Represente V zu dem H/
    Kennste nicht? Du hast ja kein' Geschmack wie Glutamat/
    Wir sind crazy, wer ist dieser Hutmacher?
    "
    (Foxn auf "V zu dem H")


    Ein paar Verrückte Hunde stürmen also aus ihrem Zwinger und es "kann losgehn", wobei der Einstieg noch relativ ruhig verläuft. Sanfte, surrende Sounds wabern über den Boden, die Boom bap-Maschine läuft sich warm und das Knacken und Rauschen des Vinyls, stete Begleiter des gesamten "Tohuwabohu"s, setzen ein. Mit "V zu dem H" gewinnt das Ganze dann aber so richtig an Fahrt, die Drums werden kräftiger, Samples und Scratches verleihen dem Al Dente-Beat die entsprechende Würze und Foxn und Scu, die beiden MCs der Crew, geben Vollgas. Stimmlich decken sie das gesamte Klangspektrum ab, wobei Lyrische Präsenz-Mitglied Scu höher und zurückhaltender klingt, während Foxn mit lauter, rauher Stimme losbellt. Der erste Eindruck erweckt direkt ein sehr oldschooliges, aber nicht altmodisches Gefühl. Die Hook brennt sich mit recht simplem Inhalt schnell ins Ohr und lädt mit ordentlich Druck zum Mitgrölen ein. Textlich werden unter anderem schlechte Rapper weggeklatscht wie Schuhplattler und auch ansonsten legt man mehr Wert auf das Prädikat "verrückt" anstatt sich auf aussagekräftigen Inhalt oder perfekte Technik zu konzentrieren. Überhaupt geht es ja erstmal darum, die nötige Atmosphäre und die entsprechenden Beats parat zu haben.


    Problematisch, wenn man im Club feststellt: "Der DJ hat doch nich' mehr alle Platten im Schrank"! Genau deswegen wird unter Piepsen, Tröten, Rascheln und entspanntem Bass die VH-Plattensammlung zum DJ-Pult geschleppt und aufgrund des so entstandenen Platzmangels jeder, der hier nichts verloren hat, rausgeschmissen. Getreu dem, zugegeben nicht sonderlich wortgewandten, Hunde-Motto "Es geht wuff-wuff und nicht miau-miau" heißt das: "Katzen müssen draußen bleiben". Die Rede ist hier aber weder von tatsächlichen Stubentigern noch von miezenhaften Damen – vielmehr geht es um heuchelnde, tuschelnde Wack-MCs. Auf kräftig scheppernden Drums wird klargemacht, was Verrückte Hunde von Katzen unterscheidet, während man das Getier Richtung Ausgang treibt. Wem die Katzenmetaphern und andere, etwas fragwürdige Zeilen à la "Ich, fresh wie Kiwifrucht/ Du, wack wie Zwiebelsuppe" alleine noch nicht verrückt genug sind, der zückt nun direkt den "Enterhaken" und schwingt sich auf das Piratenschiff der Hunde. Denn mit Augenklappe, großem VH-Schriftzug auf dem Segel und von Poseidon selbst beschützt ziehen Foxn und Scu über die Weltmeere und versenken die Schiffe der übrigen fliehenden Katzen oder lassen Faker von der Planke springen. Die teilweise doch sehr fantasievollen bis abstrusen Bilder und Ideen lassen sich vielleicht auch dem ein oder anderen Joint zuschreiben, mit dem sich Verrückte Hunde gerne in eine glücklichere Gefühlslage versetzen. Getrübt wird diese Stimmung nur, wenn es sich dabei um mangelhafte Ware handelt und man sich fragt: "Wer hat hier das Weed gestreckt"?


    "Ah, diese faule Sau und überhaupt wie grau/
    Ist der Himmel über mir? – Heut' wird die Wiese aufgeraucht/
    Kaum in der Tür und ich bau' mir so 'n Gerät/
    Doch irgendwie merk' ich nach zwei Zügen, dass mein Gaumen sich belegt/
    "
    (Scu auf "Wer hat hier das Weed gestreckt")


    Dumpfe Pianotöne, polternder Boom bap und eingestreute Scratches bilden die entsprechende Atmosphäre für den leicht hängengebliebenen Lifestyle, von dem in diesem Storyteller lässig und schnell flowend erzählt wird. Die Frage, wer denn nun für das manipulierte Gras verantwortlich ist, wird zwar nicht geklärt, dafür finden die Rapper bei anderen, ernsteren Themen klare, deutliche Worte. So stellt "Ohne mich" ein deutliches Statement gegen eine "Schein statt Sein"-Atitüde dar. Man kritisiert die Bedingungen, unter denen Majorlabels ihre Künstler signen und äußert sich zu klischeeschwangeren Rappern, die für Ruhm und Mainstreamfans die eigene Musik zum Schauspiel verzerren. Sowohl an den ruhigeren, entspannten Sound, wie auch an die Thematik knüpft "Burnout" an – auch wenn das Ganze hier in eine deutlich düsterere Richtung verläuft. Ein fast schon bedrohliches Surren und Rauschen wird von scheppernden Drums aus den Boxen getrieben, während die Rapper von den obskuren Machenschaften der Obrigkeit erzählen. Allerdings werden nicht nur Medien- und Musikbusiness argwöhnisch beäugt, auch Pharmaindustrie und Politik werden auf ihre dunklen, angstverbreitenden Abgründe hin untersucht. Stellenweise mag das Ganze recht überspitzt und fast horrorfilmähnlich anmuten, doch wer, wenn nicht Verrückte Hunde sollte selbst die ernsteren Tracks mit ein wenig Wahnsinn versehen? Schließlich sind sie ja doch "irgendwie verrückt". Das stellen die beiden ebenso wie ihr Raptalent, das sich ab und an jedoch eher im Gesamteindruck als in einzelnen Passagen finden lässt, unter Beweis, wenn Foxn "durchgeballerte Styles wie 'Drawn Together's Ling-Ling" zum Besten gibt und Scu so sehr von Rap besessen ist, dass er sogar vom Sampeln träumt. Die ein oder andere Zeile mag etwas wackelig wirken, doch darüber lässt sich bei so viel Energie locker hinwegsehen. Auch Rollo, langjähriger Partner von Foxn und einziger Featuregast des Albums, fügt sich in das Thema bestens ein und verstreut unablässig Reimsalven über den auf und ab hüpfenden Boom bap-Beat. Betont und eingerahmt wird das Spektakel dann noch von einer Hook samt eingescratchtem Ol' Dirty Bastard'schem "crazy"-Sample. Nachdem also alles und jeder durchgedreht ist, sämtliche Katzen verjagt wurden, alles in Schutt und Asche liegt und das "Verrückte" aus dem Namen der Crew nochmal auf die Spitze getrieben wurde, endet das "Tohuwabohu". Ein paar letzte, smoothe Klänge. Licht aus. "Der Letzte Macht die Tür zu".


    Fazit:
    Das zweite Album der Hunde ist eine im Studio aufgenommene Liveshow oder andersherum eine Studioproduktion, die so oder so ähnlich perfekt auf der Bühne performt werden könnte. Ein paar Verrückte Hunde, die ordentlich Biss haben und denen der Spaß an der Sache deutlich wichtiger ist, als eine bis zur Perfektion ausgefeilte Produktion und makellose Technik. So wirkt das Ganze hier und da zwar fast schon zu roh, doch fängt damit den spontanen Charakter der Tracks recht gut ein. Textlich lehnen sich Foxn und Scu teilweise etwas weit aus dem Fenster und man muss des Öfteren beide Augen zudrücken, um Aussage und Reim in jeder Zeile finden zu können. Insgesamt eine ganze Reihe schneller, vor Energie sprühender Titel mit viel Jazz-, Big Band- und Funkeinfluss, dazu eine ordentliche Prise Golden Era-Feeling und Rapparts, die in den meisten Fällen die Balance zwischen oldschool und modern halten können. Ein stimmiges Gesamtkonzept, das seinem Namen absolut gerecht wird. Reinstes "Tohuwabohu".



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Morgengrau
    02. Alles leuchtet
    feat. 5/8erl in Ehr'n
    03. Wunderland
    04. Einen Sommer lang nur tanzen
    05. Solang du mit mir singst
    feat. Peter Balboa
    06. Früher war Liebe
    07. Phoenix
    08. Das Beste ist noch nicht vorbei
    09. Kleinkunst II
    feat. DJ Phekt
    10. Wir kleben daran feat. Bernadette La Hengst
    11. Du bist nicht mein Monster
    12. Mondnacht
    13. Feuerwerk
    14. Abendrot


    "Was hat das mit HipHop zu tun? Was der macht, ist ja gar kein Rap". In kaum einem anderen Musikgenre sprechen "Fans" den Künstlern so schnell und gerne ihren Bezug zur Szene ab wie im deutschen Rap. Eigentlich seltsam für eine Szene, die sich durch Facettenreichtum und Experimentierfreudigkeit auszeichnet und in der ein Maeckes ebenso seinen Platz findet wie ein Blokkmonsta und sich ein Haftbefehl im Großen und Ganzen derselben Musik verschreibt wie ein Prinz Pi. Während Teile des Deutschrap-Publikums etwa Cro alleine schon wegen seines kommerziellen Erfolgs und seiner stellenweise vielleicht etwas unüblichen Zielgruppe systematisch von der Szene isolieren wollen, sind es mittlerweile aber auch die Interpreten selbst, die sich allmählich von einer Musikrichtung distanzieren, die immer engstirniger zu werden droht. So erklärte dann auch eine durchaus etablierte Rapperin wie Fiva nach ihrem dritten Album, dass ihre Musik allmählich den doch etwas sehr eng wirkenden Szenevorgaben zu entwachsen scheine. Hier muss sich die HipHop-Gemeinde dann doch einmal fragen, was es bedeutet, wenn neue Wege nicht mehr in, sondern nur noch aus der Szene führen und wieso neue Einflüsse scheinbar nicht bedeuten, dass die Szene sich weiterentwickelt, sondern nur, dass Künstler dem deutschen Rap entwachsen. Es gilt, die Scheuklappen einmal abzunehmen, sich aus seinem düsteren, engen Szenerahmen zu wagen und festzustellen, dass es da draußen noch viel mehr gibt und dass das "alles leuchtet".


    "Und ich falle ohne dich in diesen Tag/
    Möchte liegen bleiben, doch ich kämpf' allein mit diesem Schlaf/
    Schäl' mich aus dem Bett und setz' mich an deinen Platz/
    Und streich' mit meinen Fingern die Zeitungsseiten glatt/
    "
    (Fiva auf "Alles leuchtet")


    Auch wenn Nina Sonnenberg, so Fiva bürgerlich, und ihre Musik noch nie so völlig in das allgemeine Bild von Deutschrap passen wollten, so hat sich doch besonders seit ihrem letzten Album "Die Stadt gehört wieder mir" noch mal so einiges getan. Die damalige Zusammenarbeit mit dem Phantomorchester bewegte den Sound der Münchnerin in einen instrumentbezogeneren Bereich, in dem sich auch das fünfte Album "Alles leuchtet" aufhält. Bereits der Titeltrack summt mit viel Jazz- und Souleinfluss samt Piano- und Gitarrensound aus den Boxen und verdeutlicht nicht zuletzt durch den dialektschwangeren Gesangsbeitrag der Wiener Band 5/8erl in Ehr'n die Einzigartigkeit von Fivas Musik. Die Hook ist, gerade durch das Wienerische, ebenso wie der Flow der Rapperin, der oftmals stark an Poetry Slam mit leichtem Singsang erinnert, zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, mit der Zeit jedoch viel eher ein interessantes Alleinstellungsmerkmal als ein wirklich störender Aspekt. Erzählt wird von der Leere, die durch das Fehlen des Partners entsteht und den Versuchen, diese mit banalem Alltag zu füllen. Dabei trägt der melodische Sound die schwermütige Stimmung und unterstützt die Darstellung der recht einseitigen Partnerschaft. Fiva widmet sich oft und gerne den Höhen und Tiefen einer Beziehung, stellt so etwa fest, "früher war Liebe" anders, irgendwie leichter und eher eine Situation, die im Jetzt passierte als etwas, das für die Zukunft durchgeplant werden musste. Die leicht melancholische Thematik und der klare Schlagzeug-Piano-Beat konkurrieren miteinander um die Festlegung des Grundgefühls, sodass nach dem Hören unklar ist, ob Fiva dem Ganzen eher mit lachendem oder weinendem Auge entgegenblickt.


    Überhaupt hinterlässt das Album einen sehr wehmütigen Eindruck, obgleich der Großteil der 14 Titel positiv und euphorisch anmutet. So zieht sich die "Mondnacht" und ihre dumpfe Melancholie hin und verbreitet die traurigen Gedanken deutlich intensiver als "Du bist nicht mein Monster" es mit seiner kampflustigen, frechen Energie und dem schnellen, scheppernden Sound vermag. Einer der Songs, bei dem das positive Klangbild jedoch ganz klar überwiegt und sich auch dementsprechend im Ohr festsetzt, ist das Feature mit Sportfreunde Stiller-Frontmann Peter Balboa. Gitarrenriffs und Pianoeinstreuungen werden von einer (typisch schiefen) Balboa-Gesangshook gekrönt, die "Wenn du mit mir singst" einen leicht amateurhaften und genau deswegen so sympathischen Charakter verleiht. Der mitreißende Titel lädt automatisch zum Mitsingen ein oder zumindest dazu, sich voll und ganz dem vor Energie sprühenden Sound zu widmen, während der Inhalt ein wenig am Hörer vorbeirauscht. Nicht weiter schlimm, geht es hier doch vor allem um die Fröhlichkeit an sich, während gehaltvollere Themen eher auf Titeln wie "Wunderland" vorkommen.


    "Vergiss, was du hörst oder was man dir sagt/
    Mutige Menschen tun nichts, weil man sie fragt/
    Dornröschen, erwach aus dem ewigen Schlaf/
    Aber pssst, sonst machst du das Vorurteil wach/
    "
    (Fiva auf "Wunderland")


    Problematiken in und um die Gleichberechtigung von Mann und Frau werden in reichlich Märchenmetaphern gepackt und geben der doch sehr kontroversen Thematik etwas Verspieltes und Lockeres. Vielleicht sogar zu locker, denn trotz der durchaus erfolgreichen Zusammenführung von Wahrheit und Märchen bleibt eine tiefergehende Auseinandersetzung aus. Viel eher wirkt das Ganze wie der Versuch, einem Kind eine komplexe Situation bildhaft zu erklären und zu hoffen, es verstünde die unterschwellige Botschaft irgendwann von selbst. Auch beim Flug des "Phoenix" bleibt eine wirklich klare Aussage auf der Strecke, obwohl Fiva die Situationen rund um Flüchtlinge, Ausweisung und Abschiebung gekonnt in entsprechende Worte und Bilder kleiden kann. Andererseits kann natürlich auch von niemandem verlangt werden, derartig komplexe Probleme in einem einzigen Track vollständig behandeln zu können. Als viel einfacher erweist sich dies, wenn es beispielsweise um das Tourleben geht und die großen und kleinen Abenteuer einer Band auf Reise erzählt werden. Mangelnder Platz im Kofferraum, zu harte Sitze und farbloses Catering werden dabei in Kauf genommen, damit am Abend gemeinsam mit den Fans das "Feuerwerk" gezündet werden kann. Hierbei gelingt es der Rapperin, mit nur wenigen Worten eine komplette Tour detailreich und mit Witz und Humor darzustellen und auch der Wunsch, "einen Sommer lang nur tanzen" zu wollen, klingt gelungen formuliert und euphorisch, sodass die Metapher dahinter – die Frage, ob "erwachsen" und "reif", auch gleichzeitig "alt" und "träge" bedeuten muss – klar transportiert wird. Wer selbst dann noch nicht vom Soundbild oder dem textlichen Können Fivas überzeugt ist, dem sei "Kleinkunst II", ein absolutes Highlight von "Alles leuchtet", ans Herz gelegt. Die Fortsetzung eines Tracks vom "Rotwild"-Album ist nicht nur instrumental wunderbar ausgefeilt und serviert einen breiten, angenehmen Klangteppich, auch Vortrag und Inhalt der Geschichte sind vollkommen grandios. Wenn der Spoken Word-lastige Flow bei den energiegeladeneren Titeln manchmal doch etwas holprig wirkt und auf Dauer monoton klingen kann, überzeugt er hier dank Fivas klarer, kräftiger Stimme und die wunderschöne Geschichte der drei Kleinkunst-Musiker, die nach vielen Jahren wieder von der Liebe zur Musik gepackt werden, wird spannend und mit viel Wortwitz erzählt. Der Track ist nicht nur ein fantastischer Storyteller und Stimmungsheber, er steht auch stellvertretend für Fivas Weiterentwicklung seit dem 2009 erschienenen Album "Rotwild" und ist Beweis dafür, dass die Künstlerin heute noch genau wie damals zweifelsohne HipHop versteht.


    Fazit:
    Den Titel für ihr fünftes Album hat Fiva bestens gewählt, da auf der Platte tatsächlich "alles leuchtet". Mal ist es das Hier und Jetzt, das freudestrahlend präsentiert wird, mal ist es ein Schimmer in der Ferne, auf den man vorsichtig zuschreitet oder von dem man sich mit melancholischem Blick entfernt. Obwohl viele Titel einen freudigen Klang und Inhalt besitzen, bleibt die Wehmut im Gesamtpaket leider doch stärker zurück. Auch der ein oder andere Themenkomplex wurde vielleicht etwas zu oberflächlich behandelt und lässt daher offene Fragen zurück, doch Fiva zeigt in den meisten Fällen, dass sie mit wenigen kleinen Worten viel Großes erzählen kann. Kreativität und Liebe zur Musik beweist die Münchnerin immer wieder aufs Neue und es wäre absolut wünschenswert, dass die Musik von Künstlern wie Fiva nicht trotz, sondern gerade wegen ihres Facettenreichtums und dem Bruch mit dem allzu Gewohnten als deutscher Rap verstanden wird.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Mensch, du bist mir ja vielleicht ein wütendes Mäuschen.


    Mal ganz abgesehen davon, dass meine Äußerungen sich in erster Linie auf den Kommentar viel weiter oben bezogen und der Teil mit der Kürze und dem Sinn einer solchen Review, obgleich natürlich durch deinen Einwand zur Sprache gebracht, ganz allgemein gedacht war, ging es mir dabei ganz sicher nicht darum, mich "unangreifbar" zu machen.
    Wenn jemand sich zu meiner Arbeit äußert, ich da aber anderer Ansicht bin, werde ich das zur Sprache bringen, ob man sich letztlich einigt hat damit dann nichts zu tun und steht auf einem ganz anderen Blatt.

    Zunächst verstehe ich nicht so ganz, wieso man mir vorwirft, die Kurz-Review zu "Coolness" ironisch zu meinen oder keine Ahnung zu haben, wenn das Album dann im nächsten Absatz doch in den Himmel gelobt wird. (Ganz abgesehen davon, dass die Verwendung von Superlativen in solchen Fällen ohnehin fragwürdig ist.)
    Es ist ja nicht so, als hätte ich mich durchweg negativ zum Werk geäußert, im Gegenteil persönlich gefällt mir "Coolness" sogar sehr gut. Nur ist es ebenso wichtig auch darauf hinzuweisen, dass Alberts Style nun mal nicht alle Geschmäcker trifft, denn schließlich geht es genau darum in den Kurz-Reviews: es soll ein knapper Überblick für jegliche Sparte von Rapfan über mehrere Releases geboten werden, die aufgrund der, aus dem Prolog des Artikels ersichtlichen Punkten keine eigenständige, umfassende Review erhalten können.


    Bedingt durch die Kürze dieser Kritiken kann dann logischerweise nicht auf alle Punkte eingegangen werden, die die Alben ausmachen und es gilt viel eher, einen ersten Eindruck zu vermitteln, der Lesern eine Ahnung davon geben soll, was sie beim Hören dieser Releases erwarten würde und einen Anreiz liefern, sich die Sachen tatsächlich anzuhören.
    Selbst bei einer vollständigen Review können nie jegliche Aspekte einer Platte besprochen werden, da die Texte ja sonst gar kein Ende mehr nehmen würden. Und genau deshalb gibt es ja die Kommentarfunktion, wo User die Möglichkeit haben, ihre eigenen Gedanken zu den Werken zu äußern bzw. Punkte anzusprechen, die ihrer Meinung nach im eigentlichen Text zu kurz kamen.


    Letztlich bin ich natürlich jedem dankbar, der sich die Zeit nimmt, die Kurz-Reviews zu lesen und/oder seine Meinung dazu kundzutun.

    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Albert Parisien – Coolness


    Wenn ein Release den Titel "Coolness" trägt, dann eigentlich nur aus einem von zwei Gründen: Entweder ist das Ganze ironisch gemeint und behandelt eine humoristische Selbstüberschätzung oder der Interpret ds Werkes ist tatsächlich die personifizierte "Coolness". Im Falle von Albert Parisien handelt es sich wohl um einen Mittelweg, denn auf die einen mag die Hälfte des Duos Tasted Wasted einfach nur lächerlich und untalentiert wirken, für die anderen definiert er den Begriff "cool" völlig neu. Bereits mit dem ersten Track des Albums, "140' The Good Life", kann der Hörer die Quintessenzen von Alberts Musik erfassen. Schummrige, sphärische Synthiebeats wabern aus den Boxen, während Parisiens Stimme wie eine Mischung aus schüchterner Zurückhaltung und nasalem Laidback-Flow wirkt und hauptsächlich vom guten Leben und ausgiebigem Drogenkonsum spricht. So erzählt der erste Titel etwa von der Idee des Tasted Wasted-Kollegen Ludwig Altona, dass man mit 140.000 Euro in der Lage wäre, "eine durchgehende Highness von jetzt bis zu deinem Ableben zu gewährleisten". Auf "Kush Killa" wird das "homegrown superskunk" gezüchtet und abgebaut, während für "Boys" Cyndi Laupers "Girls just wanna have fun" in "Boys just wanna smoke blunts" umgedichtet wird. Albert Parisien ist auf "Coolness" sicherlich nicht das Maß aller Dinge, wenn es um ausgefeilte Raptechnik oder die härtesten Beats geht, präsentiert aber ein durchgehend tiefenentspanntes Werk, das nicht nur in sich stimmig, sondern weitestgehend einzigartig ist. Der stellenweise fast schon desinteressiert wirkende Flow, die ruhigen, zurückhaltenden Instrumentals und die seichten, hier und da vielleicht etwas redundanten Textinhalte unterstützen sich gegenseitig und verstärken ihre Wirkung so gekonnt, dass bei aller Ruhe und Entspannung des Werks dennoch jede Menge Eindruck in Kopf und Ohr zurückbleibt. "Coolness" dürfte sicherlich nicht jedermanns Geschmack sein, doch bei Gefallen lädt das Album zum mehrfachen Durchhören ein, weswegen jeder zumindest in das neue Release von Albert Parisien reinschnuppern sollte.





    Rapsta – Trapsta


    Auch wenn man ihm beim Blick auf seine über 17.000 Likes starke Facebook-Seite keineswegs absprechen kann, dass es Rapsta nicht gerade an Erfolg und Fans mangeln mag, so darf man den Beinamen "das legendäre Mixtape" seines neuen Werks "Trapsta" durchaus mit Vorsicht genießen. Der beim 2009 gegründeten Label MACHT Rap gesignte Künstler selbst scheint indes jedoch absolut davon überzeugt zu sein, dass besagter Titel passend ist und durch ihn als Interpreten vollkommen legitimiert wird. Ohne große Umschweife geht es im ersten Track des Mixtapes darum, dass Rapsta der beste Rapper Deutschlands sei und kein anderer Künstler ihm das Wasser reichen könne. Auch im weiteren Verlauf sind auf dem Werk derartige Aussagen in Hülle und Fülle vorzufinden und so dominieren Texte über Talent, Erfolg, Geld und Frauen die inhaltliche Seite von "Trapsta" deutlich. Egal, ob man im Speziellen dem "Miami Mailand"-Lifestyle frönt, bei dem es hauptsächlich um neue, teure Kleidung und Frauen geht, oder die vielen Vorzüge von genügend "Money" im Allgemeinen dargestellt werden, ist kaum ein Titel gefeit vor großmäuligem Representing. Völlig anders als Rapsta selbst, ist dabei etwa der Beat zu "Money" äußerst zurückhaltend und relativ simpel produziert und dient in erster Linie als Taktvorgabe für die Stimme des Rappers, welche er äußerst gekonnt einzusetzen weiß. Einem eigenständigen Instrument gleich, verstärkt und unterstreicht die Stimme des in Stuttgart lebenden MCs die Beats und zeigt sich facettenreich und vielfältig wie kaum eine zweite hierzulande. Variationsreicher Flow, kräftige, vielschichtige Stimmfarben und überspitzte Betonungen sorgen für ein sehr einzigartiges Klangbild und geben "Trapsta" eine ganz besondere Note. Zwar bedeuten die stimmlichen Spielereien oftmals Probleme bei der Verständlichkeit seiner Texte, allerdings dürfte dies bei den häufig seichten, teils doch redundanten Inhalten, die Rapsta zum Besten gibt, gar nicht so tragisch sein, da es eh gilt, sich vor allem auf den Sound zu konzentrieren. Auch wenn der Titel "das legendäre Mixtape" für "Trapsta" sicherlich mit einem Augenzwinkern gewählt wurde, kommt man doch nicht umhin, dem Mixtape gerade wegen der vielfältigen Klangwelten, in die Rapsta uns einlädt, eine vollkommen eigene Note zuzusprechen.





    form/prim – Es gibt ein richtiges Leben im falschen: meins/Il y a peut-être de la vie sur le toit


    Während andere Rapper sich wider ihrer Tätigkeit als Wortakrobaten in Interviews oftmals recht wortkarg geben, gestalten sich Gespräche mit form/prim in den meisten Fällen als sehr langatmig und ausführlich. Allein die Frage nach dem Künstlernamen, wird sie von Rapperkollegen teilweise schlicht und ergreifend mit einem Schulterzucken beantwortet, lässt den in Cottenweiler aufgewachsene Künstler ausschweifend von diversen Bedeutungen, Phonetik, Symmetrie und sogar der Form der einzelnen Buchstaben schwärmen. Klar, dass ein solch komplexer Künstler sich nicht damit zufrieden gibt, eine ganz normale EP zu veröffentlichen. Jedes seiner Pseudonyme erhält ein eigenständiges Werk und so präsentiert uns der etwas lautere, forschere form die EP "Es gibt ein richtiges Leben im falschen: meins" und der ruhige, zurückhaltende prim "Il y a peut-être de la vie sur le toit". In Sachen experimenteller Eigenheiten stehen sich die beiden EPs in nichts nach, doch wirken die Tracks von form meist etwas griffiger und handfester als die des Alter Egos. So sind zwar auch hier viele experimentellere Beats, mal synthie-, mal samplelastig, als musische Untermalung zu hören, doch wirken sie nicht annährend so unstet und wirr wie die Instrumentals, auf denen prim rappt. Sofern man das, was prim veranstaltet, denn tatsächlich "auf" dem Beat rappen nennen möchte, da dieser Takt und Harmonie in den meisten Fällen eher ignoriert und seinen ganz eigenen Rhytmus gegen den der Musik kämpfen lässt. Auf "Es war dann hell" bewegt prim sich dann sogar fast in Richtung Schlaflied, wenn er seine mehr oder minder vorhandenen Gesangskünste zum Besten gibt. Während das Soundbild hier ruhiger und melancholischer wirkt und Inhalte oft durch Metaphern verschleiert sind, setzt form auf mehr Lockerheit, Witz und direkte Aussagen. Von intelligenten, humorvollen Spitzen gegen Szene und Gesellschaft bis hin zu völlig absurden Zeilen und schön schief geträllerten Hooks präsentiert form so ziemlich alles, was man auf einer durchschnittlichen Rapplatte nicht finden wird. Weder form noch prim sind leichte Kost und für die meisten Hörer wohl mehr als gewöhnungsbedürftig und zu komplex, doch gerade deshalb wirklich großartig, einzigartig und jedem, für den Rap auch gerne mal aus dem Durchschnittsraster fallen darf, absolut zu empfehlen.





    MC Prisma – Breakdance im Scherbenhaufen


    Von Dezember 2012 bis Januar 2013 tourte Savas mit diversen anderen HipHop-Größen in Form der "Warum rappst du?"-Tour durchs Land, bei der unbekannte MCs die Chance bekommen sollten, ihr Können in einem Battle unter Beweis zu stellen. Als die Tour am 30. Dezember in Freiburg Halt machte, wagte sich ein junger Freiburger namens MC Prisma auf die Bühne, um gegen den erfahrenen Battlerapper Tierstar anzutreten. Auch wenn Prisma damals relativ chancenlos gegen seinen Kontrahenten war, ließ er sich von dieser Niederlage nicht den Mut nehmen. Ganz im Gegenteil: Mittlerweile tänzelt der 20-Jährige leichtfüßig über den Scherbenhaufen von damals, "Breakdance im Scherbenhaufen" quasi. Mit gleichnamiger EP im Gepäck meldet sich der Rapper nun wieder zu Wort und präsentiert sich auf 12 Anspielstationen in Bestform. Prisma zeigt sich talentiert und fähig, flowt ebenso problemlos über samplelastigen Sound wie sanfte Pianoklänge und kratzenden Boom bap. Tadellos bringt er unterschiedlichste Themengebiete zur Sprache und baut verschiedene Stimmungen innerhalb seiner Tracks auf. Egal, ob er dabei auf "Strecko" von seiner Heimat und den dort lebenden Menschen rappt oder auf "Selbstzerstörer" nachdenklich und selbstkritisch auf seine Vergangenheit blickt. Ehrlich und nachvollziehbar erzeugt er mit gekonntem Storytelling interessante Geschichten, ohne überzogene Images vertreten zu müssen, kann jedoch, wie etwa im Falle des Titeltracks "Breakdance im Scherbenhaufen", auch durchaus eine härtere Gangart einlegen. Auf den harten, scheppernden Drums wirft er mit bissigen Battlerapzeilen um sich, die ihn nicht nur von einer ganz anderen Seite zeigen, als etwa auf ruhigen Klängen von "Durchs Land", sondern auch die Frage offen lassen, wie ein Rematch zwischen ihm und Tierstar wohl ausgehen könnte. In jedem Fall präsentiert MC Prisma mit der EP "Breakdance im Scherbenhaufen" ein kompaktes Bündel vom nachdenklichen Storytelling bis hin zum grimmigen Battlerap und zeigt sich sowohl inhaltlich wie auch in Hinblick auf das Soundbild vielfältig und vielschichtig. Auf die Frage "Warum rappst du?" dürfte der Freiburger in jedem Fall mit "Weil ich's kann" antworten.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Bald ist es soweit: In Kürze wird entschieden, welche der zwei verbliebenen Crews zum Sieger der VBT Splash!-Edition 2014 gekürt wird. Anfang des Jahres qualifizierten sich 16 Crews für die Teilnahme am Turnier, mittlerweile stehen sich die letzten beiden im Duell um den begehrten Opener-Slot auf dem Splash!-Festival gegenüber. Kurz vor der Veröffentlichung der Ergebnisse stellten sich ME-L & MoooN im Rahmen eines Interviews einigen Fragen, um uns und Euch einen kleinen Einblick in ihre Gedanken zur bisherigen Entwicklung des Turniers zu geben.


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    Wir bedanken uns bei allen Crews, die uns mit ihren Beiträgen zum VBT-Mag unterstützt haben und wünschen Euch viel Spaß mit dem Interview.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)