01. Dr. Cooper (Ich weiss)
02. Loser
03. Endlich Unendlich feat. Grace
04. Programmier dich neu
05. Yogibär
06. Entschleunigung feat. Max Herre
07. Rennen
08. Fliegen davon feat. Joy Denalane
09. Vaterfigur feat. Chima
10. Schlaf
11. In deinen Augen
12. Glaub dran feat. Daniel Stoyanov
13. Entgegen der Norm
14. Neue Schritte feat. Samy Deluxe
15. Leben lieben lernen feat. Roland Meyer de Voltaire
"Einzige Mucke, wo man das, was man sagt, auch verkörpern muss." Bereits mit dem ersten Satz gibt Megaloh die thematische Marschrichtung seines Albums vor: "Endlich Unendlich" soll mit jedem Wort authentisch sein, für ein aufgeplustertes Ego hat der Berliner auf seinem Langspieler keinen Platz. Vermutlich auch keine Zeit, schließlich hat Mega die 30er Grenze bereits überschritten und gemessen an seinem Talent bisher eher für wenig Furore gesorgt. Nach seinem Solodebüt "Im Game" aus dem Jahr 2005 wurde es für lange Zeit still um den Mann mit nigerianisch-niederländischen Wurzeln. 2010 versorgte er seine Fans mit der vielversprechenden "Monster"-EP, um sie dann trotz Vertrag bei Max Herres Label Nesola weitere zweieinhalb Jahre auf ein Album warten zu lassen. Das ist umso ärgerlicher, weil der Rapper die Erwartungen spätestens mit seiner Strophe auf Samy Deluxes "Hände hoch" in schwindelerregende Höhen katapultiert hat. Auf besagtem Remix hat M ein Rap-Urgestein lyrisch vorgeführt, wie es einst Eminem mit Jay-Z auf "Renegade" tat. Nun hat das Warten aber endlich ein Ende. Bleibt zu klären, ob Megaloh den unendlich großen Erwartungen gerecht werden kann.
Der Rapper aus Berlin-Moabit huldigt zu Beginn der goldenen Ära: "Dr. Cooper" schlägt mit Realkeeper-Bekenntnis und Stieber Twins-Cut die Brücke in die 90er. Folgerichtig bedient auch "Loser" Authentizitätskriterien. Ohne Beschönigungen oder Übertreibungen lässt uns der Künstler an seinem Alltag teilhaben. Dieser besteht nicht aus exzessiver Ankurbelung der Luxusgut-Industrie, wie sie von Rappern gerne propagiert wird, sondern harter Arbeit als Lagerarbeiter eines Paketversandunternehmens. Wer denkt, ein solch unspektakulärer Job biete wenig Stoff für Unterhaltung, wird eines Besseren belehrt. Denn trotz Oldschool-Attitüde ist Megas Rap seiner Zeit voraus wie ein Hoverboard. Dies äußert sich vor allem in der Fähigkeit, komplexe Reimketten abzufeuern, ohne dabei an inhaltlicher Aussagekraft einzubüßen. Auf diese Weise wird der Hörer mitten ins Geschehen gerissen, sodass er nach dem Track Rückenschmerzen fürchten muss, weil er glaubt, die ganze Nacht Pakete geschleppt zu haben. "Endlich Unendlich" hält das hohe Niveau über die gesamte Spieldauer, einige Songs stechen aber besonders hervor. Einer davon ist der Titeltrack, der Sprachfetischisten mit der Zunge schnalzen lassen sollte. Megalohs außergewöhnliche Wortwahl und Reimtechnik werden atmosphärisch von Streichern und Drums in Szene gesetzt. Der abstrakte Text erzählt von Veränderung und dem Streben nach Perfektion, der er erstaunlich nahe kommt:
"Aus der Fötusstellung morph' ich in die Fliegerpose/
Figaro, der Architekt der verlorenen Bibelstrophe/
Das Leben gräbt sich stetig in mein Antlitz ein/
Geht tief, es muss wohl auf der Suche nach Atlantis sein/"
(Megaloh auf "Endlich Unendlich")
Veränderung, wie sie in "Programmier dich neu" beschrieben wird, ist ein zentrales Motiv des Albums, was auch für die musikalische Umsetzung gilt, denn im zweiten Viertel wartet das Album mit neuen Klangfacetten auf. "Yogibär" bringt dank entspannter Reggae-Elemente willkommene Abwechslung, "Entschleunigung" schraubt, wie der Titel andeutet, den BPM-Durchschnitt gehörig nach unten. Gerade hier zeigt sich Megas unglaubliches Potenzial, was Flow und Stimmeinsatz betrifft. Denn obwohl Doubletime schwer in Mode ist, sind es doch die langsamen Flowpassagen, die einem Rapper das Meiste abverlangen. Dank dem Lungenvolumen eines Marathonläufers und einer Stimme, deren Tiefe sich stets gegen noch so dominante Gitarren und Bassdrums durchzusetzen vermag, bändigt M jeden Beat spielerisch. Selbiges gilt übrigens auch für Featuregast Max Herre, der den Moabiter gekonnt ergänzt. Megas Flow kommt auch deshalb besonders zur Geltung, weil die Beats ausnahmslos hervorragend ausproduziert sind. Der Langspieler überzeugt mit einer Mischung aus Samples und echten Instrumenten wie Streicher, Klavier et cetera. Dadurch entsteht ein warmer, organischer Sound, der keinen Producer-Trends, sondern Megalohs lyrischen Vorgaben folgt. Ein wenig mehr Experimentierfreude wäre an manchen Stellen nicht verkehrt gewesen, betrachtet man aber das Ziel ein zeitloses Album zu produzieren, haben Ghanaian Stallion, die Beatgees, DJ Skare, Farhot, KAHEDI und PhreQuincy einen sehr guten Job gemacht. Das gilt auch für den Rapper, der sich mit den ewig aktuellen Themen Liebe ("Fliegen davon") und Familie befasst.
"Ich kann nicht den, der dich gezeugt hat, ersetzen/
Doch ich bin da, versucht jemand euch zu verletzen/
Und selbst wenn er und ich uns nicht verstehen/
Brauchst du niemals zwischen uns zu wählen/"
(Megaloh auf "Vaterfigur")
Egal, in welche textliche Richtung sich der in Frankfurt geborene Musiker begibt, er kreiert stets eine positive Atmosphäre. Das Verdrängen von Problemen ("Schlaf") und Wut aufgrund geplatzter Träume ("Entgegen der Norm") oder finanzieller Engpässe ("Loser") könnten Anlass geben, den Kopf in den Sand zu stecken, Mega entscheidet sich aber für eine "Jetzt-erst-Recht-Haltung", was dem Album eine motivierende Aufbruchsstimmung verleiht. Dazu tragen auch die Gesangseinlagen von Grace, Joy Denalane, Chima, Daniel Stoyanov und Roland Meyer de Voltaire bei, die den entsprechenden Songs eine große Portion Dynamik verleihen. Wer bei so vielen Beiträgen abseits des Sprechgesangs oberflächlichen Pop vermutet, liegt falsch. "Endlich Unendlich" ist ein straightes HipHop-Album, das zwar mit Melodien spielt, textlich aber zu keinem Zeitpunkt Qualitätsverluste verzeichnet. Der ein oder andere Track geht sogar so tief, dass er mehrere Male gehört werden muss, um verstanden zu werden. Wer herausfindet, welche drei Personen auf "In deinen Augen" angesprochen werden, sollte darüber nachdenken, den Columbos und Monks dieser Welt den Platz streitig zu machen. Megalohs lyrische Finesse scheint auch Samy Deluxe angesteckt zu haben, der einen seiner besten Parts seit Jahren abliefert. Der krönende Abschluss gehört aber dem Hauptdarsteller selbst, denn das Album endet mit einem der vielen Highlights:
"Ich jage meinen Traum, hoff', ich erwische meine Beute/
Fühl' mich als wär' ich 'ne Waage zwischen Leid und Freude/
Das Leben will mein Herz, das Schicksal meine Treue/
Zeit heilt nicht alle Wunden, aber gibt dir ein paar neue/"
(Megaloh auf "Leben lieben lernen")
Fazit:
"Endlich Unendlich" ist eines dieser Alben, die nach mehrmaligem Hören noch besser werden. Lyrisch und raptechnisch steckt Megaloh die meisten deutschen MCs in die Tasche, nun hat er es auch geschafft, sein riesiges Potenzial in einen stimmigen Langspieler umzumünzen. Dabei setzt er auf schlichte Ehrlichkeit statt einer überzogenen Selbstdarstellung. Die Beats harmonieren perfekt mit der tiefen Stimme des Rappers, der organische Sound wird primär aus Streicher-, Gitarren- und Pianomelodien gewonnen, sodass ein Ablauf eines musikalischen Haltbarkeitsdatums nicht zu befürchten ist. Selbst die kritischsten Erbsenzähler werden wohl kaum Kritikpunkte finden, weshalb der Hauptstädter die hohen Erwartungen nicht erfüllt, sondern übertrifft.
Marvin Nix (Woodfellas)
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