01. Achter Tag
02. Rap Superstar
03. Überüberstyle
04. Einer von den Guten
05. Dago
06. Wünsch dir was
07. 22MMM (Prelude)
08. 22MMM
09. Caput Mundis
10. Mal es in die Wolken
11. Mein Kung Fu
12. Die Welt heilt
13. Don't Legalize feat. Sido
14. Jungs aus`m Barrio feat. SSIO
15. Sterne feat. Max Herre
16. Outta this World
Als mir am Wochenende des 21. Juni 2013 ein Bekannter das Album "D.N.A." mit den Worten "verdammt fresh" in die Hand drückte, war meine Reaktion "kommen die Maskenrapper jetzt schon in Gruppen oder wie?". Auf einer längeren Autofahrt fand die CD dann doch noch den Weg in den Player und schon wenige Minuten später Minuten schämte ich mich für meine Ignoranz und Unwissenheit; "D.N.A." ist nicht weniger als eines der besten Alben des Jahres 2013 und genießt bereits heute Klassikerstatus. Andere Künstler würden sich vielleicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, aber nicht Genetikk, die nach weniger als zwei Jahren schon mit der nächsten Veröffentlichung antreten. Ist den maskierten Saarländern der Erfolg zu Kopf gestiegen oder haben sie ihrer Musik den letzten Feinschliff verpasst und einen würdigen Nachfolger geschaffen?
Jeder, der "D.N.A." gehört hat, mag gewisse Vorstellungen haben, wie "Achter Tag" klingen soll und genau das ist es, was den Künstlern das Leben schwer machen könnte. Einerseits möchte man sich weiter entwickeln und andererseits aber auch seinen Fans das Album liefern, auf das sie gewartet haben. Der erste Track "Achter Tag" lässt dementsprechend schon mal Hoffnung aufkommen, dass es ihnen gelungen ist, denn der Beat klingt definitiv nach dem typischen Genetikk-Sound und auch Karuzo scheint sich nicht sonderlich verändert zu haben, denn er flowt perfekt auf dem Instrumental und begeistertes Kopfnicken lässt bei vielen Hörern bestimmt nicht lange auf sich warten. Auch der zweite Track "Rap Superstar" hält dieses Feeling mit einem sehr schnellen Sample und Wu-Tang-Clan-ähnlichen Drums aufrecht. Inhaltlich haben Genetikk hier so etwas wie die deutsche Version des Cypress Hill Songs von 2000 geschaffen und auch wenn das Thema schon lange nichts Neues mehr ist, so kommt es doch irgendwie frisch und nicht wirklich einfallslos rüber. Auf Track drei mit dem unfassbar peinlichen Titel "Überüberstyle" beweist Sikk seine Genialität, indem er einen Vocalsamplebeat mit Alltagsgeräuschen wie Kassenklingeln oder dem piepen von Telefontasten kombiniert und Karuzo darauf endlich wieder die Flows auspackt, für die er bereits auf "Voodoozirkus" von seinen Fans in den Himmel gelobt wurde. "Einer von den Guten" macht dann wieder einmal deutlich, warum Genetikk so oft mit dem Wu-Tang-Clan verglichen werden, der Beat könnte exakt so von RZA produziert worden sein: Auf einem knisternden Sample rumpelt und scheppert ein metallisches Drumset und spätestens die perfekt platzierten Breaks dürften dem ein oder anderen Fan von Oldschoolhiphop viel Freude bereiten. Die Hommage an den Bushidotrack "Dein Leben" war scheinbar noch nicht genug und so hat sich eben dieser einen Platz auf "Achter Tag" gesichert: auch wenn er nur einzelne – eher irrelevante – Zeilen wie zum Beispiel "Ich hab' mehr als eine Ladung Schrot für euch" abliefert, so ist die Überraschung doch perfekt und eine willkommene Abwechslung.
"Wir haben uns das hier verdient, ihr glaubt, das alles ist so easy/
Doch wir haben so viel geopfert, das du nie siehst/
Dieser Weg war weit, aber heute sind wir Headliner/
Fühlt sich gut an, nur der Job bedeutet Stress, leider/"
(Karuzo auf "Rap Superstar")
Das bisher sehr hohe Niveau können die nachfolgenden Tracks leider nicht halten, denn während "Dago" beattechnisch zwar noch überzeugt, steht Karuzo der langsame Flow, den er hier gerade zu Beginn auspackt auch einfach nicht besonders und man ärgert sich als Hörer ein bisschen, weil man weiß, dass er es einfach besser kann. "Wünsch dir was" markiert den Tiefpunkt der Platte: Das Kinderchorsample klingt nach gezwungener Radiotauglichkeit und wer inhaltlich einen Track über die Ausbeutung der Dritten Welt macht, sollte möglicherweise auf die kompromisslose Huldigung von Nike Schuhen verzichten, da diese Kombination schon ziemlich scheinheilig wirkt. Aber so schnell wie es runter ging, geht es auch wieder hoch, denn "22MMM" klingt, als wäre es noch für "D.N.A." gemacht worden und wird demnach wohl das Highlight für einen Großteil der älteren Fans darstellen. Auf "Caput Mundis" konnte Sikk es sich scheinbar nicht verkneifen, dem aktuellen Trend zu folgen und Trap-Elemente in seinen Beat einzubauen; Karuzo passt seinen Flow an diesen Stil an und so entsteht ein Titel, den man sich getrost hätte sparen können. Inhaltlich bietet "Caput Mundis" viel griechische Mythologie und wird für einige Fans Google wohl unverzichtbar machen, aber wer (so wie ich) damit etwas anfangen hätte können, der wird sich möglicherweise (so wie ich) in Grund und Boden ärgern, dass der Beat und der seltsame Flow dem Track jeglichen Hörgenuss rauben. "Mal es in die Wolken" ist einer dieser Erstes-Mal-Tracks – nur eben im Genetikk-Stil – und wird hauptsächlich von der eingängigen Melodie des Beats getragen. Textlich bekommt man genau das, was man von einem solchen Lied erwarten kann:
"Meine erste Flasche Rum, mein erster Absturz/
Das erste Mal, dass einer von den Jungs nicht wieder wach wurd'/
Und jedes erste Mal hat mich gemacht, zu wem ich bin, war Station/
auf dem steinigen Weg zu meiner ersten Million/"
(Karuzo auf "Mal es in die Wolken")
Darauf folgt eine Anspielstation, bei der ein erneuter Vergleich mit dem Wu-Tang-Clan nicht vermieden werden kann: "Mein Kung Fu" ist das beattechnische Highlight von "Achter Tag", besteht aber inhaltlich leider größtenteils aus pseudomystischer Phrasendrescherei und Gerede über asiatischen Kampfsport und überzeugt zwar auf musikalischer, jedoch keinesfalls auf lyrischer Ebene. Track Nummer 12 bietet frei nach dem Motto "Würd' ich die Welt beherrschen, würd' hier vieles anders laufen" die Hymne für sämtliche Gutmenschen, stellt aber nur Behauptungen auf, wie die perfekte Welt aussehen soll, ohne jedoch Ideen für die Lösung der bestehenden Probleme zu liefern. Um die nun etwas gedrückte Stimmung zu heben, folgt mit "Don't legalize" die obligatorische Radiosingle mit der Ohrwurmhook und dem hochkarätigen Featuregast. In Zusammenarbeit mit Sido wurde ein vor Ironie triefender Track über die privatwirtschaftlichen Folgen der Legalisierung weicher Drogen produziert und bietet nicht nur Sommerhitpotential, sondern auch den humoristischen Höhepunkt des Albums.
"Ich hab' vor drei Jahren bei Selfmade unterschrieben/
Hab' gedacht, wenn das nicht klappt, dann geh ich einfach wieder dealen/
Nur wird daraus nichts werden, wenn das Zeug erstmal legal ist/
Wovon sollen meine Freunde ihre Rechnungen bezahlen?/"
(Karuzo auf "Don´t legalize")
"AON" Mitglied SSIO steuert auf "Jungs ausm Barrio" den besten Part aller Gastrapper bei, sorgt mit seinem typischen Flow und Zeilen wie "Deine Bodyguards schauen wie Conchita aus" für gute Unterhaltung und stellt als erster Featuregast Karuzo in den Schatten. Die letzten beiden Tracks lassen "Achter Tag" leider nicht würdig enden, denn das Kopfnickerfeeling, welches über weite Strecken der Platte präsent war, fällt hier, hauptsächlich aufgrund des niedrigen Tempos, komplett weg und der Gastpart von Max Herre tut sein Übriges, um meinen Finger Richtung Skip Button zu bewegen.
Fazit:
Das Album lässt den Hörer ziemlich ernüchtert zurück: Es ist schwer zu sagen, ob es besser oder schlechter als der Vorgänger ausfällt, weil es an vielen Stellen einfach anders ist. Zu einigen Tracks nickt der Kopf, während man bei anderen nur mit dem Kopf schütteln kann und sich fragen muss, warum Genetikk derart mit dem Sound brechen, der bei ihren Fans so beliebt ist. Klassikerstatus wird dieses Release vermutlich nicht bekommen, aber wer nicht scheut, einige Tracks zu skippen, wird auf jeden Fall seine Freude am neuen Werk von Genetikk haben. Um "Achter Tag" mit einem Satz zu beschreiben: Ein guter Rapper präsentiert durchschnittliche Texte auf großartigen Beats und auch wenn es nur noch bedingt etwas mit dem Vorgänger gemeinsam hat, so ist es immer noch "verdammt fresh".
El-Patroni (David)
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