01. Drama Konkret
02. Gardine
03. Letzte Nacht feat. Yassin
04. Oktober
05. Aschenputtelkomplex feat. Sylabil Spill
06. Hundehölle feat. Lunte (Sichtbeton)
07. 99 Karrees
08. 400-€-Katze
09. Aberwitz feat. Pierre Sonality
10. Tränen
11. Brief an mich
12. Blankoscheck feat. Morlockk Dilemma
13. Muskote-Blättchen
14. Ich weiß ich kann feat. Morlockk Dilemma
15. Zement
16. Alles
17. Dank & Gruß
18. Christina (Remix) feat. Morlockk Dilemma
19. Käfig (Remix)
20. Outro
Hiob – ein Künstler, der seit ungefähr fünf Jahren kontinuierlich Tracks veröffentlicht, in diversen Videos auftaucht, doch noch kein Solo-Album publiziert hat – bis jetzt! Der ewig in Morlockk Dilemmas Schatten stehende Statist. Oft wird er mit ihm verglichen oder gar verwechselt. Ja, Hiob ist wahrlich nicht der Release-freudigste Artist und bei einer derart ähnlichen Raptechnik zwischen seinem Label-Kollegen und ihm ist es sicher auch verzeihlich, den Unterschied mal zu übersehen. Dass Hiob eine poetische Ader hat, lässt sich aus zahlreichen einzelnen Songs erhaschen. Sein Erstlingswerk "Drama Konkret" zu nennen, zeugt zwar nicht unbedingt davon, lässt jedoch schon eine gewisse Vorahnung zu. Denn immerhin ist Dramatik neben Erzähl- und Dichtkunst die dritte Grundgattung der Dichterei. Ein MC, der es wie nur wenige neben ihm zu verstehen weiß, diese Kunst in Form von Rap wiederzugeben. Doch genau diese Alben-Titel sind es leider auch, die mich immer wieder dazu bringen, den Kopf zu schütteln, Inhalte, die ihren vielversprechenden Titeln nicht gerecht werden. Nur bei Hiob kann ich mir sicher sein, dass es zumindest einen tieferen Sinn geben könnte. Vorhang auf!
Die Willkür, die Unsinnigkeit, der Widerspruch, ja, der "Aberwitz", ist wohl die beste Umschreibung, um die für ihn vermeintlich fremde HipHop-Kultur zu umschreiben. Hiob schaut sich in der Rap-Szene um und erzählt deren teilweise skurrile Geschichten in drei Minuten. Hilfe bekommt er dabei von Pierre Sonality alias dem Funkverteidiger, dessen Part durch Unverständlichkeit aufstoßen lässt; ich glaube, das nennt man heute Style.
"Bushido sagt, wie es ist/
Glaub mir, die Wahrheit ist bitter mit einem Platin-Gebiss/"
(Hiob auf "Aberwitz")
Den Klangteppich bildet, wie auf fast jeder anderen Anspielstation auch, eine konstant vor sich hinplätschernde Melodie, stark von den 90ern inspiriert, ohne dabei den Bezug zum Hier und Jetzt zu verlieren – zeitlose Harmonie. Die eher unkonventionelle Art zu rappen bringt diesen Konsens keinesfalls in Verruf. Genau, wie im Video zu "Drama Konkret" der graue Plattenbau im Hintergrund nicht als Mittel zum trockenen Unterschicht-Video genutzt wird, sondern lediglich die Bühne für melancholisch-tiefsinnige Geschichten darstellt.
"Das ist ein Drama Konkret/
Die nächste Flasche geleert, die nächste Nase gelegt/
Und jeder fragt, wie es nach Babylon geht/
Das ist kein Leben verdammt, das ist ein Drama Konkret/"
(Hiob auf "Drama Konkret")
Hiob ist zweifelsfrei ein Poet unserer Zeit, was die Wortwahl angeht. Denn der tiefere Sinn wird hier und da gerne mal von der ausgefallenen Technik überschattet. Viel Aufmerksamkeit wird gefordert, wenn man den Sinn erhaschen möchte. Auch hier kristallisieren sich die historischen Inspirationsquellen heraus, denn das Soundbild hält sich strikt an Jahrmarkts-Melodien und stumpfe Bässe. Ja, ein Highlight ist es immer wieder, Hiob in Morlockk Dilemmas Videos und Tracks bestaunen zu können. Umso bedauerlicher ist die Tatsache, dass Morlockk in Hiobs Chansons nicht ähnlich gut überzeugen kann.
"Du chillst in deiner Messie-Wohnung/
Und rauchst Crack von deiner Pepsi-Cola/"
(Morlockk Dilemma auf "Blankoscheck")
Wenngleich die lyrische Kreativität vorhanden ist, fehlt der Bezug zum Beat, trocken und nüchtern mit großer Souveränität, jedoch ohne den erhofften Aha-Effekt. Lediglich auf "Ich weiß ich kann" schafft es Morlockk zu gefallen und kann die Erwartungen erfüllen. Eingefleischte Hiob-Fans wissen, dass viele musikalische Untermalungen ihre Ursprünge auf dem vor einiger Zeit erschienenen Mixtape "Der leuchtende Pfad" haben. Diese wurden jedoch allesamt einer Kur unterzogen, welche die Höhepunkte mehr oder minder entfernt hat. Dennoch, die meisten Beats schaffen es, einen nostalgischen Rauschzustand hervorzurufen. Ja, die bereits angesprochenen historischen Elemente, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Album ziehen – immer wieder tauchen sie auf. Natürlich lud Hiob auch noch ein paar Gäste ein, welche neben Morlockk Dilemma durchaus überzeugen. Ob es Yassins Part zu "Letzte Nacht" ist, der durch gefühlvolle Betonungen glänzt, oder Sylabil Spills gewohnt imposant gerappte "Aschenputtelkomplex"-Passage.
"Am Spät-Verkauf bildet sich mal wieder eine Schlange/
Applaus für den Typ mit dem zerfeierten Gesicht/
Der völlig verwirrt mit einem Kleiderbügel spricht/"
(Lunte (Sichtbeton) auf "Hundehölle")
Auch Lunte von Sichtbeton gefällt durch seinen Beitrag. Er setzt neben Hiobs Hasstiraden in Richtung Berlin ein echtes Ausrufezeichen. Nicht unerwähnt bleiben sollte das außergewöhnliche Intro Hiobs auf "Hundehölle", in dem die bereits angesprochene poetische Ader endgültig zum Vorschein kommt. Er schafft es, die Zahlen von eins bis zehn in einen jeweils anderen Kontext zu setzen und dabei auch noch eine kleine amüsante Geschichte zu erzählen. Sei es Goethe oder Schiller, die deutsche Geschichte bringt in jeder Epoche Dichter zur Welt, die ihresgleichen suchen. Kreative Köpfe, die ihre Inspirationen in Form von Kunst veranschaulichen. Hiob hat in Ansätzen gezeigt, wie er mit seiner Art Kunst zu machen diesen Freigeistern ähnelt.
Fazit:
Ja, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht mehr erwartet hätte. Denn eine verheißungsvolle Tracklist, die das erste Hiob-Album überhaupt ankündigte, ließ meine Erwartungen in Gefilde steigen, die wohl kaum ein Deutschrap-Album erfüllen könnte. Ich komme trotzdessen nicht drum herum, mir das Drama regelmäßig zu Gemüte zu führen. Das Soundbild ist ohnehin ein Meisterwerk, reihenweise Instrumentals, die einzigartige Melodien der 90er in frischem Gewand erscheinen lassen und für sich selbst sprechen. Hiob ist und bleibt ein außergewöhnlich talentierter Künstler seiner Zeit. Den Aha-Effekt, den er sonst nur auf Morlockk Dilemma-Tracks übermittelt, schafft er zwar nicht 59 Minuten lang in des Hörers Ohr zu erzeugen, er weiß jedoch mit gekonntem Stimmeinsatz und grandioser musikalischer Untermalung, Akzente zu setzen. Ein Wortakrobat, der seinesgleichen sucht.
(DieRobbe)
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