01. Intro
02. Die Ankunft
03. Der wahre Messias feat. Absztrakkt
04. Der Baum feat. Hiob
05. Mordshunger feat. DJ D-Fekt
06. Buffalo Bill
07. Fieber feat. Choleriker
08. Galgenberg
09. Der Stein feat. Hiob
10. Sündenfall
11. Wende den Blick ab Part 1 + 2 feat. DJ D-Fekt
12. Portwein feat. Hiob, R.U.F.F.K.I.D.D & JAW
13. Die Röhre
14. Die Taube
15. Herkunft
16. Interlude
17. Der Schatten
18. Outro
19. Vorsuppe feat. DJ D-Fekt
20. Der obligatorische Ritt in den Sonnenuntergang (richtiges Outro)
Panem et circenses. Brot und Zirkusspiele. Mit diesen Worten übte dereinst der römische Dichter Juvenal Kritik an der dekadenten, ignoranten römischen Gesellschaft, deren Ambitionen, am politischen und kulturellen Leben teilzunehmen, durch Festmahle und den Zirkusbesuch unterdrückt wurde. Der schreckliche Wahrheitsgehalt dieser Formulierung fand in den grausamen Wagenrennen, Gladiatorenkämpfen und der Tierhetze im Circus Maximus, dem größten Veranstaltungsgebäude im antiken Rom, seinen Höhepunkt. Welche Inhalte mag ein Album haben, das nach diesem monumentalen Bauwerk benannt ist? Bewahrheiten sich die oben beschriebenen blutigen Assoziationen, die der Titel erweckt, und Morlockk Dilemma läuft "mit schwingendem Säbel/ in die Indieszene" – soll heißen: wie Russel Crowe im Arenasand –, wäre der Tonträger eine nahtlose Fortsetzung seiner letzten Veröffentlichung "Der Eiserne Besen" und Dilemma würde sich dem Hörer als reiner Battlerapper präsentieren. Erweist sich das mit dem Album verbundene Anliegen jedoch in der Tradition des eingangs zitierten Juvenal, so könnte man es wohl eher mit dem Vorvorgänger "Apokalypse Jetzt!" vergleichen und dem Hörer böte sich verschwörerische Gesellschaftskritik, ebenso intelligent wie düster. Nun ist das Themenspektrum, gerade bei einer derart stilisierten und überzeichneten Figur wie Morlockk Dilemma, nicht gerade unerschöpflich; sein neuester Wurf beinhaltet stilistische Elemente aus den beiden vorhergegangenen Veröffentlichungen und erweitert diese durch einen zuletzt auf "Omnipotenz in D-Moll" hörbaren, bodenständigen humoristisch-satirischen Einschlag, der beispielsweise auf "Sündenfall" erkennbar ist.
Dass man dennoch nicht von einer künstlerischen Regression sprechen kann, beweist seine enorme, beinahe bis zur Perfektion herangereifte sprachliche Weiterentwicklung, die sich nicht zuletzt auf dem Opener "Die Ankunft" ausmachen lässt, auf dem Morlockk über einem typisch Dilemma'schen Rumpelbeat, jedoch mit ungewohnt tiefer Stimme, aus einem für Deutschrap erfrischend umfangreichen Vokabular zu schöpfen vermag.
"Sein Kommen war beschrieben in Büchern/
Überliefert in Mythen, hinter sieben Siegeln behütet/
Sein wütendes Mienenspiel zierte griechische Büsten/
Jetzt war er niedergestiegen – als biblische Prüfung/"
Morlockk Dilemma auf "Die Ankunft"
Wes' Geistes Kind der 30-Jährige ist, zeigt sich spätestens bei einem Blick auf die Featureliste, auf der sich mit Hiob, Absztrakkt, R.U.F.F.K.I.D.D, JAW und Choleriker die gewohnte Schar misanthropischer, soziopathischer Untergundphänomene tummelt, die ebenso gewohnte Qualitätsware abliefert, obwohl Choleriker die Wonne eines ganzen Verses verwehrt blieb. Der Fokus liegt natürlich dennoch auf dem "Josef Stalin der Herzen", der in seinem unverkennbaren Stakkato-Flow bissige Parabeln ("Der Baum") ebenso gekonnt spuckt wie bösartige Battletexte, wobei diese nicht durchgehend das Niveau vergleichbaren Liedguts aus seiner eigenen Diskografie halten können und man den Protagonisten auf "Buffalo Bill" sogar der Ursünde eines jeden Reimers überführt, nämlich des Zweckreims. Aus diesem Grund bilden die inhaltlich innovativeren Anspielstationen wie etwa "Die Taube", welches die Symbolkraft des auch auf dem Cover vertetenen Vogels zynisch beleuchtet, die eindeutigen Höhepunkte dieses großartigen Albums.
"Sie bauten die Hoffnung auf blutiger Asche/
Und sangen Lieder des Vergessens mit dem Mut der Verlass'nen/
Aus diesem Szenario steigt sie empor/
Eine weiße Taube – sie wirft sich in den peitschenden Sturm/"
Morlockk Dilemma auf "Die Taube"
Dass mit dem fleißig scratchenden DJ D-Fekt jemand ins Boot geholt wurde, der die beinahe frühRZA'schen Bumm-Tschak-Rumpeleien sinnvoll akzentuiert, scheint bei der schon irgendwie kulturbewahrenden Ausstrahlung, die Dilemma und seine geistige Heimat Spoken View Records versprühen, eigentlich nur folgerichtig. Und neben all den geautotunten, hoch- und runtergepitchten "Hooklines", die ein Großteil der Konkurrenz so zu bieten hat, sind Cuts ja schon beinahe wieder revolutionär.
Fazit:
"Circus Maximus" bedeutet, dass die Reihe wirklich herausragender Veröffentlichungen aus der Feder Morlockk Dilemmas vorerst nicht abreißt, ganz im Gegenteil. Auch nach zahllosen Releases versteht es das Leipziger Allroundtalent wie kaum ein anderer, dem sogenannten "Spiel" inhaltliche und konzeptionelle Impulse zu geben, ohne jedoch zu versuchen, dessen musikalische Grenzen neu auszuloten. Den Golden Era-Fetischisten, Cratediggern und Freunden artverwandter Musiker wie etwa der Kölner Entourage-Business-Kollegen dürfte Morlockks kantiges Gepolter Freudentränen in die Augen treiben. Die Conscious-Jünger und Studentenrapper werden nicht umhinkommen, ihm trotz sexuell expliziter Inhalte einen enormen Grad an Weitsicht und Belesenheit zu attestieren, und selbst dem ignorantesten Kollegah- oder Farid Bang-Groupie sollte bei derartigen Reimketten und Um-die-Ecke-Vergleichen vor Ehrfucht die (Sonnenbank-)Bräune verblassen.
Und wer sich nach all den Jahren und unzähligen Interviewfragen zu genau dieser Thematik immer noch über die Vortragsweise Dilemmas beschwert, hat das Gesamtkunstwerk Morlockk Dilemma derart missverstanden, dass ebendieser vermutlich gern darauf verzichtet, solche Leute zu seiner Fangemeinde zu zählen.
(Christian Weins)
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