Beiträge von disdi


    01. Ihr Hurensöhne
    02. 1999 Pt. I
    03. Lass die Affen aus'm Zoo
    04. Saudi Arabi Money Rich
    05. Ich rolle mit meim Besten
    06. Engel im Herz, Teufel im Kopf
    07. Russisch Roulette
    08. 1999 Pt. II
    09. Schmeiß den Gasherd an
    10. Azzlackz sterben jung 2
    11. Anna Kournikova feat. Miss Platnum
    12. Haram Para feat. Kaaris
    13. Seele
    14. 1999 Pt. III


    Haftbefehl ist der wohl polarisierendste Künstler, den die deutsche Raplandschaft in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Und einer der besten. Punkt. Dass das viele anscheinend nicht wahr haben wollen, sieht man am ehesten in den Kommentarbereichen diverser sozialer Medien, in denen dem Offenbacher mit einer fast schon fanatischen Inbrunst jegliches Talent abgesprochen wird. Aber hey, irgendwie fühlte sich doch jeder zunächst ein bisschen überrumpelt, wenn er zum ersten Mal einen Part des Kurden hörte. Doch mit der Zeit lernte man ihn zu schätzen, den Guten – und heute ist er aus dem hiesigen Game kaum mehr wegzudenken, hatte er doch einen ungeheuren Einfluss auf das Genre des Straßenraps. "Alles kleine Bushidos bevor er kam" – das trifft die Sache eigentlich ganz gut. Mit seinen bisherigen Alben schaffte es Haftbefehl, sich als Institution zu etablieren, aber der ganz große Wurf war ihm bisher noch nicht gelungen. Doch jetzt, anno 2014, sieht die Sache schon ganz anders aus. Mit einem fetten Majordeal bei Universal in der Tasche lässt Hafti nun sein neustes Werk "Russisch Roulette" auf die Hörerschaft los und hat offenbar Großes vor.


    "Von der Straße für die Straße, à la Baba H/
    'Kanackis' und 'Blockplatin' waren nur Sparring, Chab/
    "
    (Haftbefehl auf "Ihr Hurensöhne")


    Was Haftbefehl schon von Anfang an von Restdeutschland abgehoben hat, war seine einzigartige Delivery. Da wäre seine charakteristische Stimme, die wegen der nasalen Intonation nur noch entrückter wirkt. Hinzu kommt sein ureigener Slang, in dem sowohl hessischer Akzent als auch Englisch, Französisch und weitere Sprachen beziehungsweise fremdsprachige Begriffe ihren Platz finden, sowie ein erstaunliches Gespür für Flowvariationen und ausdrucksstarke Bilder. Darüber hinaus vermag er es als einer der wenigen Künstler, dem Anspruch der Authentizität gerecht zu werden und hat – wenn man sich die Biografie Aykut Anhans mal genauer anschaut – genug Geschichten zu erzählen, bei denen sich das Zuhören lohnt. Im Gegensatz zu einem Großteil seiner Rapkollegen schafft er es zudem, eine Bierernstigkeit zu vermeiden, die bis dato fast schon bezeichnend für den deutschsprachigen Straßenrap war. Dies äußert sich in dem teilweise absurden Humor, der zwischen den Dramen um Drogen, Geld und Gewalt immer wieder aufblitzt. Da lässt er andere Rapper dann auch schon mal in Thrombosestrümpfen für ihn tanzen. Inhaltlich interessanter sind jedoch die Sittengemälde des Frankfurter Rotlicht- und Drogenmilieus und eine Beleuchtung der eigenen Vergangenheit, die in dieser Intensität eine Rückbesinnung auf die Stärken des Debüts "Azzlack Stereotyp" sind. Hierbei schafft Haftbefehl es, seine Anekdoten aus Deutschlands Unterwelt auf eine Art zu präsentieren, die auch die Geschichten eines Biggie Smalls oder Scarface so fesselnd machten. So klingen Konsequenzen wie eine Autodurchsuchung oder ein Knastaufenthalt fast schon beiläufig oder alltäglich, während Aufstieg und Fall des Verbrechers oder der Absturz ins Milieu pathetisch stilisiert werden. Was dabei rauskommt, ist eine Gangstergeschichte, die in ihren besten Momenten dem klassischen Material eines Martin Scorsese in nichts nachsteht.


    "Manschetten von Hermés am Anzug von Versace/
    Ich roll' im Jaguar bei Nacht durch Frankfurts Straßen/
    Hauptbahnhof, Chabo, rotes Licht am Seytan/
    In der Luft riechst du Crack, H und ekelhaften Döner/
    "
    (Haftbefehl auf "Azzlackz sterben jung 2")


    Einen nicht zu unterschätzenden Teil zur Atmosphäre und Wucht des Albums tragen die Produktionen bei. Was deutschsprachigen Gangsterrap angeht, konnten ihm da sowieso höchstens die eigenen Labelkollegen das Wasser reichen. Schon auf "Azzlack Stereotyp" bewies Hafti einen guten Riecher für Beats, die sein prägnantes Organ passend unterstützen und ihm genügend Raum zur eigenen Entfaltung geben, aber was ihm hier von Bazzazian alias Benny Blanco, Farhot, B. sowie Therapy 2093 & Fantomn als Klangteppich kredenzt wird, lässt die Sonny Blacks dieses Spiels vor Neid erblassen. Produktionen wie "Lass die Affen aus'm Zoo" und "Ich rolle mit meim Besten" oder "Engel im Herz, Teufel im Kopf" bewegen sich zweifelsohne auf internationalem Topniveau. Und ja, das heißt was in Rapdeutschland. Stilistisch wird sich hier an den üblichen Institutionen orientiert – und so klingt das Album nach den bedrohlichen Bässen der französischen Banlieues, nach den treibenden 808s der Südstaaten und nach der stumpfen Kälte der Ostküste Amerikas. Eine ähnliche Philosophie verfolgt auch das Label Top Dawg Entertainment aus dem sonnigen Kalifornien, nämlich mit einem Potpourri an verschiedenen Einflüssen einen Sound zu kreieren, der sich sowohl vor der Vergangenheit verbeugt als auch den Fortschritt feiert und so ungemein interessant ist, ohne unter dem Druck zu stehen, radikale Neuerungen zu bringen. Dasselbe Kunststück gelingt auch den Produzenten, die hinter "Russisch Roulette" stehen – und da ist es dann vielleicht gar nicht mehr so verwunderlich, dass "1999 Pt. II" schon sehr nach Kendricks "The Art of Peer Pressure" klingt. Allein gegen Ende des Tonträgers schaltet das Album einen Gang runter und liefert mit "Anna Kournikova" an der Seite von Miss Platnum eine Autotune-Abfahrt erster Güte ab, die zwar nett anzuhören ist, sich aber nicht so recht ins Gesamtbild des Albums einfügen will.

    Fazit:
    Zwar hat Haftbefehl mit "Russisch Roulette" nicht – wie angekündigt – etwas völlig Eigenes geschaffen, aber dennoch setzt er in seiner Nische mit diesem Banlieue-Ghettohybrid neue Maßstäbe. Zudem ist "Russisch Roulette" sein konsequentestes und kohärentestes Album geworden. Während die beiden Vorgänger nicht ohne Lückenfüller auskamen (und "Azzlack Stereotyp" von einem gewissen Chaker verhunzt wurde), stimmt bei "Russisch Roulette" fast alles. Die Produktionen sind durchweg überzeugend, linguistisch ist das Straßenesperanto des Azzlack-Oberhauptes sowieso ein Fest – und was er flowtechnisch vom Leder lässt, ist nach wie vor ganz weit vorne. Wenn man genau hinhört, verliert das Album im letzten Drittel etwas an Präsenzkraft, steht gerade im nationalen Vergleich jedoch immer noch allein auf weiter Flur. Wie bedeutend das Album jetzt schon ist, kann man bereits an der medialen Rezeption ablesen. Wenn Feuilleton, HipHop-Medien und Privatfernsehen eine inhaltliche Schnittmenge besitzen, bei der es tatsächlich einmal um die Musik geht, dann mag das schon was heißen. "Dadash, gib ihm den Klassiker!"



    (disdi)


    [redbew]1736[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1736[/reframe]



    01. Erster
    02. Metropolis
    03. Flursn feat. El Ray
    04. Vierter
    05. Angst
    06. Ode
    07. Siebter
    08. Gleich feat. Audio88
    09. Gedanken feat. Einfach
    10. Letzter


    Es gibt Rapper, die rappen des Geldes wegen. Die wollen berühmt sein. Die wollen Groupies ficken und Youtube-Klicks. Die wollen Chartplatzierungen. Die würden alles tun, um wie ihr großes Vorbild zu sein und tun alles, um genauso zu klingen. Das sind übrigens auch die, die im Kommentarbereich ihres Lieblingsrappers Werbung für ihre eigene Facebookpräsenz machen. Denen merkt man dieses Ziel aber auch an, denn wenn das mit dem Erfolg auch nach ein paar Versuchen nicht so recht klappen will, werfen sie recht schnell die Flinte ins Korn und hängen das Mic an den Nagel. Sollte aber der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass das wirklich was wird mit der Rapkarriere ... Heidewitzka, dann hagelt es Releases. Zeit ist ja schließlich Geld und so ein Hype ist schnell vorbei.


    Es gibt aber auch Rapper, die scheißen auf Fame, die scheißen auf Geld, Verkäufe und Chartplatzierungen und die würden Worte wie Facebook-Likes und Youtube-Klicks nicht mal in den Mund nehmen. Untergrundrapper eben. Zu welcher Gruppe soda & Yassin gehören, dürfte angesichts der bisherigen Veröffentlichungen der beiden Rapper ziemlich klar sein. soda macht seit einer halben Ewigkeit Mucke, die unter dem Radar der üblichen Meinungsmacher funktioniert und Yassin kennt man durch die Zusammenarbeit mit seinem Bruder im Geiste Audio88 oder dem Stakkatoduo Hiob & Morlockk Dilemma. Wie wenig die beiden an den Mechanismen der Musikindustrie interessiert sind, sieht man übrigens auch daran, dass die ersten Stücke des gemeinsamen Albums "kreiseck" bereits 2006 – also vor acht Jahren – entstanden sind. Klar, Zeit ist Geld. Aber was lange währt, wird nun mal endlich gut, oder?


    "Wie lange lauf' ich schon pausenlos auf dem Pflaster auf und ab/
    Wie lange brauche ich noch, um dieses Umfeld endlich sattzuhaben/
    Martinshörner erklingen in der Ferne und erinnern mich an Verluste/
    Wenn ich doch nur wüsste, wo ich hin will, würde ich hingehen/"
    (soda auf "Metropolis")


    Nun mag man bei der Bezeichnung "Untergrundrapper" schnell an den ewiggestrigen Backpacker denken, der seine inhaltlichen Belanglosigkeiten und seinen hoffnungslosen Kampf gegen Wack-MCs und Musikindustrie auf vermeintlichem Golden Era-Bummtschack zelebriert. Mit diesem müden Klischee haben soda & Yassin jedoch nicht das Geringste am Hut. Die zwei Rapper geben nämlich wirklich keinen Fick auf etwaige Gepflogenheiten und Hörgewohnheiten – ja, auch die gibt es im Untergrund – einer möglichen Käuferschicht. Und die beiden hätten die Platte vermutlich auch rausgehauen, wenn sie noch mal acht Jahre gebraucht hätten. Denn den Herrschaften geht's um die Mucke und die machen die sowieso. Deswegen bleibt das Einzige, was für HipHop traditionell als typisch gilt, der strukturelle Aufbau der Stücke. Der Rest ist kompromisslos und experimentell und bricht inhaltlich sowie soundästhetisch mit gängigen Szeneparadigmen. So geben sie sich beispielsweise auf "Metropolis" als desillusionierte Bewohner der modernen Großstadt und zeigen sich gleichermaßen angewidert und fasziniert von den Farben, Klängen und Maschinen des Molochs Stadt. Ihr Rapstil ist hierbei bestenfalls als gewöhnungsbedürftig zu bezeichnen, denn die beiden rotzen ihren Welt- und Menschenhass nur so auf die minimalistisch gehaltenen Beatgerüste. Auf Reime wird wenig bis gar kein Wert gelegt, der Inhalt steht im Vordergrund. Irgendwie ist das Ganze Offbeat, aber irgendwie eben auch nicht. Zugänglichkeit ist jedenfalls etwas Anderes und die beiden MCs werden sich zweifelsohne bewusst darüber sein, dass sie mit ihrer Interpretation von Sprechgesang viele Hörer von vornherein abschrecken.


    "Arbeit, Arbeit, Geld verdienen, Rechnungen zahlen, für die Rente sparen – ey, ich lieb' diesen geilen Lebensstil/"
    (Yassin auf "Ode")


    Unterbrochen werden die Hasstiraden der Protagonisten lediglich von einigen Instrumentalstücken, die sich jedoch hervorragend in das Klangbild des Albums einfügen. Überhaupt entsteht ein Großteil der beinahe dystopischen Atmosphäre durch die von soda & Yassin selbst sowie durch die von Yannic produzierten Beats. Diese kommen stets düster daher. Kalt und maschinell stolpern die Drums über die spärlich gesetzten Synthesizerspuren. Akzente werden durch Störgeräusche gesetzt. Auf "Angst" gehen Text und Ton eine besondere Symbiose ein, wenn über dem bedrohlichen Grollen des Beats die Doppelungen der Verse schreiend aus der Ferne zu kommen scheinen und die Hook nur noch aus einem heiseren Krächzen besteht. Auch die Featurepartner fügen sich stimmig in das Gesamtkonzept des Albums ein, denn weder El Ray noch Einfach oder Audio88 präsentieren ihre Verse auf gewöhnliche Weise – wodurch sie sich gut in den Sound von soda & Yassin einfügen.


    Fazit:
    Das Projekt "kreiseck" über so lange Zeit zu verfolgen, erwies sich als gelungene Entscheidung – denn das Ergebnis ist ein wunderbar eigenständiges Werk, welches nebenbei auch beweist, wie zeitlos der Ansatz von soda & Yassin eigentlich ist. Dass einige Stücke acht Jahre alt sind, ist kaum festzustellen – eine Leistung, die wohl wenige deutsche Rapper vollbringen können. Jedoch muss man, wie bei jeder Veröffentlichung aus dem Schaffenskosmos der beteiligten Künstler, anmerken, dass die äußerst sperrigen Interpretationen wohl einen Großteil der Raphörer vor den Kopf stoßen werden. Wer aber mit den Werken aus dem Audio88 & Yassin-Umfeld vertraut ist, kann bedenkenlos zugreifen. Und wer mal Lust auf etwas abseitigeren Scheiß verspürt, dem sei die Platte wärmstens ans Herz gelegt. Der Rest bleibt wahrscheinlich recht ratlos auf der Strecke. Die reimen ja gar nicht richtig.



    (disdi)





    [REDBEW]1673 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1673 [/reframe]



    [azlink]soda Yassin – kreiseck[/azlink]




    01. Nachgeladen
    02. Carlo
    03. F***en
    04. Nr. unterdrückt feat. Maskoe
    05. Hab's versprochen feat. Veysel
    06. Laber nicht
    07. Rich Bitch Shit
    08. Freund und Helfer
    09. Anders als wir feat. Silla & PTK
    10. Gute Tage, schlechte Tage feat. Marc Reis
    11. Bei mir
    12. Auf Tournee feat. Credibil & Joshi Mizu
    13. ZIDZ
    14. Junior
    15. Höre dich rufen
    16. Alles geht weiter


    Betrachtete man deutschen Straßenrap in den letzten Jahren, so fielen die Blicke vor allem nach Hessen. Frankfurt ist die unumstrittene Speerspitze deutschen Gangsterraps und lange Zeit gab es neben den Streettales aus 'Mainhattan' wenig wirklich frischen Wind im Genre. Dank Haftbefehl und seinen Azzlacks stieg jedoch das allgemeine Interesse an deutschsprachigem Rap von der Straße und die Spielart erlebte eine kleine Rennaissance, welche das ein oder andere, durchaus interessante Label in das Bewusstsein des deutschen Raphörers beförderte. Neben der Bonner Talentschmiede Alles oder Nix um Xatar sollte in diesem Zusammenhang auch das Berliner Label Hoodrich nicht unerwähnt bleiben. Zwar tauchten die Protagonisten dieses Künstlerzusammenschlusses, anders als die Azzlacks oder die Jungs von AoN, noch in keinen Jahresbestenlisten auf und blieben vor allem von den Mainstreammedien weitesgehend unbeachtet. Jedoch feierte das Label einige Achtungserfolge und war spätestens seit dem letztjährigen Release von Saids zweitem Langspieler "Zum Leben verurteilt" zur festen Institution für qualitiativ hochwertigen Gangsterrap aus der Hauptstadt geworden. Unglücklicherweise wurde das Label im August aufgelöst, was Said aber nicht davon abgehalten hat, an neuen Songs zu arbeiten. Dass sein Album nun "Hoodrich" heißt, ist sicher kein Zufall und stellt gewissermaßen einen Abschied sowie einen Neuanfang dar.


    "Und jetzt, nicht mal ein Jahr später/
    Schon ein neues Album, scheiße, wie geht das?/"
    (Said auf "Nachgeladen")


    Ja, scheiße, wie? Gute Frage eigentlich. Hält sich die breite Masse doch meist eher an das Motto "Gut Ding will Weile haben", lässt Said mit "Hoodrich" weniger als zwölf Monate nach "Zum Leben verurteilt" bereits sein neuestes Album auf die Hörerschaft los. Ist das zu früh? Eine Frage, die an dieser Stelle sicherlich angebracht wäre. Oder ist eine solche Akkordarbeit in einer schnelllebigen Szene wie dieser genau richtig? Müßig ist der Gute jedenfalls nicht gewesen. Ganze 16 Tracks zählt die Standardedition von "Hoodrich" und macht eigentlich genau da weiter, wo er letztes Jahr mit "Zum Leben verurteilt" aufgehört hat. Auf der einen Seite gibt's harte Straßenbretter nach amerikanischem Vorbild, die mal schnörkellos stampfend, mal in "Maybach Music"'scher Opulenz als Untermalung für Hoodanekdoten und ausgieber Selbstbeweihräucherung dienen. Diese Disziplinen, die ja gewissermaßen die Kür eines jeden Straßenrappers sind, meistert Said ohne Frage. Hier ist er in seinem Element und so wirken die abgebrühten Schilderungen von Saids kriminellen Machenschaften stets glaubwürdig – und auch das Representen beherrscht der Berliner par excellence. Zwar stehen beim Rapper weniger abseitige Punchlines und beeindruckende Reimketten im Vordergrund, dafür vielmehr eine druckvolle Präsentation. Läuft der MC zu Höchstform auf, wird man in Sachen Delivery und Nuschelfaktor beinahe unweigerlich an einen hungrigen 50 Cent erinnert, was an dieser Stelle unbedingt als Kompliment verstanden werden soll.


    "Kein Überlegen oder 'Warte kurz'/
    Wenn der Magen knurrt/
    Was für Freunde/
    Ich gebe nur noch Straßenkurs/"
    (Said auf "Hab's versprochen")


    Auf der anderen Seite stehen jedoch jene Lieder, die wohl in die Kategorie "für die Ladys" oder "deep" fallen sollen. Said unterläuft bei der Umsetzung dieser Thematiken nämlich der gleiche Fehler, der schon "Zum Leben veruteilt" mittelmäßig werden ließ und den bisher kaum ein wirklicher Straßenrapper zu umschiffen vermochte: Geht es an die Emotionen, die Said wohl von einer menschlicheren Seite zeigen sollen, driftet er, auch was die Auswahl seiner Instrumentale angeht, ins Kitschige ab. So rappt er auf schmalzigen Gitarrensamples und herzzerpflückenden Klavierläufern beispielsweise über zerflossene Liebe – oder darüber, wie sehr er sich ändern muss, um seinem Sohn (der sicher irgendwann mal geboren wird) ein vernünftiges Leben zu ermöglichen. Das Anliegen, durch eine solche thematische Bandbreite ein besonders vielseitiges Album zu schaffen, in allen Ehren, aber verliert er sich bei der Umsetzung dieser Thematiken doch allzu oft in Allgemeinplätzen und phrasenhaften Formulierungen. Und wenn er dann auf "F***en" über die schönste Nebensache der Welt sinniert, wird es gar unfreiwillig komisch. Hat er auf "Zum Leben verurteilt" noch mit Featurebeiträgen aus dem engsten Umfeld Vorlieb genommen, ist das Featurespektrum diesmal etwas breiter gefächert. Jedoch fällt schnell auf, dass die Gäste in den meisten Fällen im Schatten des Protagonisten stehen und die jeweiligen Songs somit eher abwerten.


    Du stillst meine Sehnsucht mit jedem Kuss/
    Bevor ich wieder geh'n muss/
    Du weißt, dass es Liebe is'/
    Wenn du, obwohl es so viele gibt, nur sie vermisst/
    (Said auf "Bei mir")


    Alles in allem lässt mich "Hoodrich" ein wenig ernüchtert zurück. Zwar bin ich froh, dass Said mit Liedern wie "Nachgeladen" oder "Hab's versprochen" seiner Diskografie ein paar Bretter hinzufügen konnte – und wenn jemand behauptet, außer SSIO und Haftbefehl gäbe es in Deutschland keinen brauchbaren Straßenrap mehr, werde ich nach wie vor seinen Namen ins Spiel bringen. Jedoch schafft er es auch mit "Hoodrich" nicht, ein absolut rundes Produkt abzuliefern. Zu selten gelingt es ihm, sein Potenzial voll auszuschöpfen. Zu oft tappt er in die Kitschfalle, zu oft hat man das Gefühl, Said biedere sich einem Prototyp an. Sollte er es in Zukunft aber schaffen, sich von derartigen Erwartungshaltungen und Einflüssen zu emanzipieren und ganz unverkopft an die Sache heranzugehen, dann kann da noch was ganz Großes kommen, davon bin ich überzeugt. Sich nächstes Mal ein bisschen mehr Zeit nehmen wäre vermutlich schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.



    (disdi)




    [REDBEW]1650 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1650 [/reframe]



    [azlink]Said – Hoodrich[/azlink]




    01. Unsere Lieder
    02. Ruffnecks
    03. Die Schlechten sterben nie
    04. Guantanamo
    05. Ayran & Döner
    06. Großes Herz feat. Duzoe
    07. Rauschgift
    08. Schweinerock feat. AudioMax & K-Gunn
    09. RUFF
    10. Kerosin
    11. Steig in den Van feat. zero/zero
    12. Fahne hoch
    13. Over & out feat. Antihelden
    14. Generation FdR
    15. Wir sind schuld feat. Blokkmonsta & Schwartz
    16. Hoffnung
    17. Adios Amigos feat. Cunthunt777 & Slamcoke


    Seit nunmehr einer knappen Dekade sorgt der Name Ruffiction Productions im deutschen Rap-Untergrund für Furore. Hierbei gelang es dem Label, durch einen konstanten Output eine stetig wachsende Fanbase um sich zu scharen, die dem Künstlerkollektiv bei ihrer neusten Veröffentlichung, dem Crewalbum "Ruffnecks", zu einem Top 20-Charteinstieg verhalf. Diese Veröffentlichung markiert nämlich die Gründung der Gruppe Ruffiction, die aus den Labelmitgliedern Crystal F, Arbok48 und Crack Claus besteht. Doch was ist das Geheimnis des Erfolgs von Ruffiction? Massenkompatibel ist die musikalische Vision der drei Rapper nämlich nicht gerade, denn sie fabrizieren klassischen Untergundrap und bewegen sich inhaltlich irgendwo zwischen dem klamaukigen Dadaismus der 257ers und den verstörenden Gewaltfantasien der Hirntot-Crew. Am ehesten erinnern die Songs jedoch an den Untergrundklassiker "Soziopath" von Hollywood Hank, denn das inhaltliche Spektrum umfasst eine comichafte Selbstinszenierung als asoziale, drogenabhängige und gewalttätige Misanthropen.


    "Arbok48, seit über zehn Jahren Rapper/
    Ich kill' deine Slut mit meiner Axt und nutz' die Schreie als Backup/
    Jede Nacht reißt der Wecker mich wieder raus aus meinem Ego/
    Und ich werd' laut zu Ted Bundy und einem Abbild von Necro/
    "
    (Arbok48 auf "Unsere Lieder")


    Bereits der erste Track von "Ruffnecks" offenbart jedoch die großen Schwächen der Platte. So fällt gleich auf, dass zwar alle Beteiligten ihr Handwerk verstehen, jedoch unterschiedlich versierte Rapper sind. Während Crystal F und Arbok mit ihren Fähigkeiten durchaus zu überzeugen wissen, fällt Crack Claus deutlich hinter seinen Bandkollegen zurück und zieht sowohl technisch als auch inhaltlich den Kürzeren. Das Problem ist hierbei nicht, dass die Qualität eines Rappers anhand seiner technischen und lyrischen Fähigkeit bemessen werden soll, aber durch die unterschiedlichen Level der Protagonisten bleibt auf jedem Track eine gewisse Diskrepanz zurück, die manche Strophen redundant erscheinen lässt. Zum anderen wird deutlich, dass leider allen Mitgliedern von Ruffiction der nötige Charme fehlt, der die Werke von Genrevertretern wie etwa Favorite oder Hollywood Hank so besonders macht. So wirken die vermeintlichen Tabubrüche stets bemüht und die comichaften Überzeichnungen betreffend Drogenkonsum, Intimpartnerschaften, Gewaltausbrüche wirken derart konstruiert, dass es schwer fällt, das Gehörte ernst zu nehmen. Natürlich geht es in erster Linie um Entertainment, jedoch ist Authentizität im Sinne von "Der weiß, wovon er redet" beinahe unabdingbar. Unter diesem Gesichtspunkt wirken die Lieder auf "Ruffnecks" manches Mal, als würden ein paar Typen, die ein bisschen zu viel Eminem gehört haben, versuchen, etwas Vergleichbares nach einer Art Checkliste nachzuahmen. Hier noch eine Drogenreferenz, da noch eine Schimpftirade und fertig ist das Untergrundbrett.


    "Sie nennen es Menschheit, ich nenn' es Krankheit/
    Ich habe nichts in meinem Leben außer Angstschweiß/
    Denn meine Jugend war geprägt von Hass und Panikattacken/
    Mein Psychiater versucht, aus Antworten Fragen zu machen/
    "
    (Crystal F auf "Generation FdR")


    Während ein Großteil der Songs eine recht lose Aneinanderreihung von Punchlines ist, welche übrigens in den seltensten Fällen wirklich originell erscheinen, ordnen sich die Inhalte mancher Lieder gewissen Konzepten unter. Da wäre zum Beispiel "Steig in den Van", der zwar ein ganz nette Idee verfolgt, jedoch, wie es für Storyteller nicht gerade selten ist, einen geringen Wiederhörwert hat. Die stärksten Momente auf "Ruffnecks" sind tatsächlich "Generation FdR" sowie "Hoffnung", auf denen die Rapper einen Blick auf den Menschen hinter der Rapperfassade zulassen. Doch sind selbst diese zugegebenermaßen rar gesäten Glanzmomente selten wirklich beeindruckend. Die Featuregäste sind durchgängig passend gewählt, haben sie doch alle eine mehr oder weniger ähnliche Vorstellung davon, wie deutscher Rap zu klingen hat, jedoch sticht keiner der Parts besonders hervor und so wirken die Beiträge, abgesehen davon, dass sie ein wenig Abwechslung in die Sache bringen, selten wirklich bereichernd.


    Fazit:
    Auch wenn "Ruffnecks" die bisher erfolgreichste Veröffentlichung von Ruffiction ist, so ist es mit Sicherheit nicht ihre beste. Auf den Soloalben der Künstler machen diese durchgängig eine bessere Figur als auf "Ruffnecks". Hinzu kommen die Beats, die so auf gefühlt jedem Untergrund-Hardcore-Rapalbum zu finden sein könnten. Das Hauptproblem ist jedoch, dass es Ruffiction zu keinem Zeitpunkt schaffen, eine eigene künstlerische Identität zu entwickeln. So wirkt alles, als hätte man es irgendwo schon einmal gehört und "Weed" auf "Speed" zu reimen ist nun mal auch das "Haus/Maus" des Drogenraps. Nach Auseinandersetzung mit der Platte frage ich mich dann, warum ich ein Album hören sollte, welches zu keinem Zeitpunkt an die Qualität des 7 Jahre alten "Soziopath" heranreicht, obwohl es so offensichtlich versucht, in die gleiche Sparte zu schlagen.



    (disdi)





    [REDBEW]1612 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1612 [/reframe]
    [azlink]Ruffiction - Ruffnecks[/azlink]




    01. Prolog
    02. Für uns
    03. Was mir auffällt
    04. Abbild
    05. Weit entfernt
    06. Es bleibt dabei


    Als Musikredakteur erlebt man viele denkwürdige Momente. Mal sind sie positiver Natur, mal negativer und manchmal einfach nur peinlich. Die schönsten Momente, wenn man sich derart intensiv mit einem bestimmten Genre auseinandersetzt, sind jedoch immer die unerwarteten. Man bleibt ja auf dem Laufenden, man kennt sich ja aus – aber trotzdem passiert es immer mal wieder, dass da einer um die Ecke kommt, der einen richtig umhaut. Und dabei geht es nicht um "Das nächste große Ding"-Prophezeiungen oder Hoffnungsträger-Gefasel, sondern um die intime, subjektive Erfahrung zwischen Künstler und Hörer: einfach, dass man "den Scheiß fühlt". Einen dieser Momente hatte ich kürzlich mit der EP "Weit entfernt" von Döll, seines Zeichens der kleine Bruder von Rapper Mädness. Ist eigentlich wichtig, mit wem er verwandt ist? Nicht wirklich, denn der bei WSP Entertainment gesignte Rapper macht sein ganz eigenes Ding. Zum ersten Mal las ich seinen Namen im Kontext des vor einigen Jahren erschienen "Alles im Kasten" an der Seite von Homie Nomis. Dort konnte man das Potenzial des Rappers bereits erahnen, jedoch schaffte er es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, auf ganzer Linie zu überzeugen. Die Beats stimmten, die Technik war versiert, die Attitüde frech, jedoch fehlte es an inhaltlicher Tiefe, um mehr als nur kurzweilige Unterhaltung zu bieten. Dieser Schwäche ist der Künstler größtenteils entwachsen und hat augen- beziehungsweise ohrenscheinlich seinen Sound gefunden:


    "Bevor noch mehr scheiß Zeit umsonst verstreicht/
    Aus Bongs steigt oder sonst wo bleibt/
    Komm' ich mit Rhymes, scheiß' drauf, was ich sonst so treib'/
    Und stell' sicher, dass ich auf Songs zerreiß – was soll schon sein?!/"
    (Döll auf "Für uns")


    Während auf seiner letzten Veröffentlichung hauptsächlich Battle- und Thementracks den Inhalt bestimmten, zeigt sich Döll auf seinem ersten Solo-Release deutlich gereift. So weicht der eher starre Rahmen seiner älteren Texte einem druckvollen Wechselspiel von Battletexten und Einblicken in die Persönlichkeit sowie das Leben des jungen Künstlers. Dies geschieht jedoch nicht im Stile der typischen "XOXO"-Trittbrettahrer, sondern in den authentischen Beobachtungen eines Mittzwanzigers, dessen Leben sich vor allem ums Musikmachen, Frauengeschichten und den übermäßigen Konsum von Marihuana dreht. Diese im Kontext HipHop nicht gerade exotisch anmutenden Freizeitaktivitäten bilden das Spannungsfeld, in welchem uns der Rapper sein Weltbild näherbringt. So präsentiert sich Döll als recht schwarzseherischer Mensch, der die Welt um sich herum sehr kritisch betrachtet und für den es mit nachvollziehbarer Selbstverständlichkeit nicht in Frage kommt, den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen.


    "Weit weg wie von 'nem Gedanken an 'nen stinknormalen '9 to 5'/
    Bleib' ich wach, weil sich die Scheiße nicht von alleine schreibt/
    Im Fernsehen heißt es: 'Es ist deine Zeit'/
    Ich will meine nutzen, weil sie leicht verstreicht und sich manch einen einverleibt/"
    (Döll auf "Es bleibt dabei")


    Dass man hier einen Rapper vor sich hat, der seinen Stil gefunden hat, merkt man "Weit entfernt" zu fast jeder Sekunde an. Zum einen überzeugt Döll mit textlichen sowie technischen Qualitäten, einem treibenden Flow und beeindruckenden Reimketten. Zum anderen beweist der Rapper ein außerordentliches Händchen in Bezug auf die Auswahl der Instrumentierung seiner Texte. Mit Kollege Schnürschuh, Dexter, Brenk Sinatra, Gibmafuffi und Sterio hat Döll sich die Unterstützung einer illustren Reihe an Produzenten gesichert. Der Sound des Tonträgers wird durch eine sehr organische Roughness bestimmt, heißt: samplebasierter Neo-Boom bap, der aber nicht nur vor sich dahinplätschert, sondern nach vorne geht. Besonders hervorzuheben sei hier "Abbild", in dem Kollege Schnürschuh ein Brett von einem Beat geschraubt hat, der an jüngere Glanztaten von Alchemist erinnert und auf dem Döll mit atmosphärischem Stimmeinsatz die richtigen Akzente setzen kann. Oder auch der Höhepunkt der EP, der Titeltrack "Weit entfernt", auf dem ein wütender Döll uns auf einem wunderbaren Dexter-Beat ein paar Anekdoten aus seinem Musikeralltag vorträgt. Das Niveau dieses Glanzstücks kann Döll zwar nicht über die gesamte Spieldauer halten, jedoch wird "Weit entfernt" zu keinem Zeitpunkt langweilig und die ein, zwei textlichen Durchhänger fallen im Gesamtbild eigentlich nicht weiter auf. Angesichts der Tatsache, dass es sich hier um eine kostenlose EP handelt, kann man sowieso nicht meckern. Ich für meinen Teil hoffe jedenfalls, dass ich in Zukunft noch mehr von Döll hören werde. Ein ganzes Album zum Beispiel.



    (disdi)



    [REDBEW]1544 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1544 [/reframe]
    [azlink]D%F6ll+%96+Weit+entfernt+ [/azlink]



    01. Ein einfacher Mann feat. Fresh Face
    02. Fluss frei
    03. Fo Real
    04. Es ist soweit feat. Amewu
    05. Pflaumenkuchen
    06. Weltschmerz feat. Schaufel & Spaten
    07. Mula 4 Life
    08. Am Drehn
    09. Weit fort
    10. Trips
    11. Herz aus Stein


    Der Erfurter Rapper Sonne Ra, der wahlweise auch unter den Pseudonymen SSHäuptling oder Jambo Asyl in Erscheinung tritt und der dem ein oder anderen wohl aus dem Funkverteidiger-Umfeld bekannt sein dürfte, will mit seinem neuen Album "Mula 4 Life", welches über WSP Entertainment veröffentlicht wird, nun landesweit von sich hören machen. Die Labelheimat gibt einem schon mal einen ausreichenden Eindruck von der musikalischen Sozialisation und die Tatsache, dass man bei Bestellung der Special Edition als Gimmick eine Packung mit langen "Zigarettenblättchen" erhält, darf als Hinweis auf die inhaltliche Ausrichtung von "Mula 4 Life" verstanden werden. Aber was soll das eigentlich sein, ein Mula? Der in der DDR aufgewachsene Sohn einer Deutschen und eines Nordafrikaners sah sich in seiner Heimatstadt Erfurt stets mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert. Ähnlich der afroamerikanischen HipHop-Kultur eignete sich Sonne Ra den häufig gehörten Schimpfnamen "Mulatte" an und verwandelte ihn mit "Mula" zu etwas Positivem.


    Um seine musikalische Vision zu verwirklichen, hat sich das Erfurter HipHop-Urgestein mal eben die entspanntesten Beats der hiesigen Neo-Boom bap-Produzenten gesichert, nur um völlig bekifft seinen Assoziationen freien Lauf zu lassen. Denn das, was Sonne Ra hier auf den Beats macht, ist wohl mit nichts zu vergleichen, was man in Deutschland bisher gehört hat. Versucht man, die außerirdischen Lyrics dennoch per musikalischem Querverweis zu fassen, würden wohl Namen wie Taktlo$$, Marsimoto und das Label "Edit Entertainment" fallen. Klingt paradox? Ist es auch, aber Sonna Ra springt, nein, schwebt zwischen Damenbegattung, Marihuana-Huldigung, gefreestylter Philosophie und gut gemeintem Rat hin und her, als wäre es nichts.


    "Yeah, Mula, es ist soweit/
    Nicht mal der Tod hält uns nun auf – der Tod ist unser Geleit/
    So weit, so lang/
    Ja, das ist der Blunt von dem Yabann/
    Eingeboren und außerirdisch, denn das ist der Fisch an Land/
    Der Fisch ist krank/"
    (Sonne Ra auf "Es ist soweit")


    Der obige Textauszug gibt einem einen Vorgeschmack, wie assoziativ und wirr der Bewusstseinsstrom von Sonne Ra ist. So lässt sich in den Texten kaum ein roter Faden erkennen, wodurch der Inhalt in den Hintergrund rückt und der Wortfluss manchmal fast wie ein Instrument wirkt. Gepaart mit den samplebasierten, häufig fast schon meditativ wirkenden, angewonkten Beats und der zurückgelehnten, durch das sympathisch klingende Organ fast schon beruhigenden Vortragsweise des Protagonisten entsteht eines der wohl entspanntesten Klangbilder, die im Genre bis dato hervorgebracht wurden. Eben besagtes Klangbild wird lediglich von vereinzelten Featurebeiträgen gebrochen, welche es bis auf den des Berliners Amewu nicht schaffen, sich dem Grundtenor von "Mula 4 Life" anzupassen. So verliert sich Fresh Face auf dem Opener "Ein einfacher Mann" in mittelmäßigen Battlephrasen und zerstört mit seiner gepressten Vortragsweise den Vibe des Songs. Und den imaginären Feind als Hipster zu diffamieren und des Schwanzlutschens zu bezichtigen lockt ja nun wirklich niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Auch die Strophen von Schaufel & Spaten wirken in ihrer konventionellen Struktur und typisch deutschen, abgehakten Vortragsweise neben dem lockeren Gesäusel Sonne Ras irgendwie starr und fehl am Platz.


    "Da musst du einen Fick geben, extra Sex machen/
    Hinterhof, sechster Stock, Sechziger/
    "
    (Bjorn Eric auf "Weltschmerz")


    Wer nun jedoch glaubt, es sei nichts als Humbug, was der Mula da spittet, liegt trotzdem falsch, denn wer sich vom verspielten Lauf von Sonne Ras Gedankenstrom nicht verwirren lässt, erkennt zwischen dem abstrusen Grasgeflüster, wie facettenreich das inhaltliche Spektrum des Rappers ist. Zwar ordnet er seine Lyricis wohl seiner Klangvision unter und wird selten wirklich spezifisch, aber zwischendurch lässt er sogar politische Töne anklingen, verarbeitet Autobiografisches oder baut einen Big-L-Querverweis in seine Texte ein. Jedoch geschieht das nie so, dass es aufdringlich oder gar pathetisch wirkt, sondern eher beiläufig und immer getragen vom Loop. Einen nicht zu verkennbaren Beitrag zum überzeugenden Vibe der Platte leisten allerdings ganz klar die Beats. Obwohl Sonne Ra mit Dexter, Suff Daddy, Brenk Sinatra, Mettphonic, Q-Cut, Figub Brazlevic, Sadya Jamama, Dramadigs, Jay Spaten, Torky Tork und Odd Job eine ganze Fußballmannschaft an Produzenten zu Rate zog, hat die Platte ein angenehm homogenes Klangbild ohne nennenswerte Ausfälle, dafür mit einer Menge Highlights.


    Fazit:
    Sonne Ra ist mit "Mula 4 Life" definitiv eines der interessantesten, weil eigenständigsten Releases des aktuellen Kalenderjahrs gelungen, welches sich seine Daseinsberechtigung im hiesigen Spiel definitiv verdient hat. Die Künstlerperson sowie die Lyrics sind in all ihrer Entrücktheit irgendwo zwischen total lässig und völlig albern einzuordnen, weswegen sich an dem Tonträger wohl die Geister scheiden werden. Entweder man fühlt den "Mula-Funk", wie der Rapper seine ganz eigene Interpretation von deutschsprachiger Rapmusik nennt, oder man fühlt ihn nicht. Ich für meinen Teil lehne mich gerne zurück und lasse mich von dem stets fröhlichen musikalischen Entwurf Sonne Ras einlullen.


    "'Gib mir nur ein paar Minuten Zeit' ist meine Medizin/
    Mein Rap ist wie eine ferne Insel – jeder will dorthin/"
    (Sonne Ra auf "Weit fort")


    (disdi)



    [REDBEW]1513 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1513 [/reframe]
    [azlink]Sonne+Ra+%96+Mula+4+Life [/azlink]



    01. Stevia
    02. Werbemädchen
    03. Keiner sonst
    04. Der Bettler und das Meer
    05. Hotelbar, 4. Etage
    06. Femme Fatale
    07. Exil (Vergleiche)
    08. Edward Hopper
    09. Pygmalion


    Tua ist und bleibt wohl das vielversprechendste, weil musikalischste Mitglied der Orsons. Dabei darf zwischen Sellout-Vorwürfen im Fahrwasser Cros und unangenehmen Promomoves wie dem anbiedernden Auftritt beim Bundesvision Song Contest nicht vergessen werden, welches Potenzial jedes Mitglied der Schweinebande in sich birgt, auch auf Solopfaden hochwertigen Output zu produzieren. Während Bartek und Kaas ihre Fähigkeiten lediglich vereinzelt aufblitzen lassen, gelingt es Maeckes und Tua seit jeher besser, ihr Talent zu Output zu verdichten, welcher ihren Fähigkeiten entspricht. Bei all ihrer Verschiedenheit war es jedoch stets Tua, der dem Klamauk seiner Bandkollegen mit dem größten Widerwillen begegnete und seine Bandpersona so zum Gegenpol in der Gruppe machte. Auch auf Solopfaden war "dieser Junge" stets irgendwie weit draußen. Während der stereotype Deutschrapper wohl über den großen Teich schielt und seine Idole wahlweise Eminem, Jay-Z, Biggie oder Tupac heißen, lasen sich die von Tua genannten musikalischen Einflüsse stets etwas anders. Da fallen Namen wie Portishead, Burial, Jamie Woon oder James Blake. Dem interessierten Menschen fällt dann mitunter auf: Das kommt ja gar nicht aus Amerika und das ist ja gar keine Rapmusik. Klingt komisch, ist aber so. Und frei nach Eißfeldts zeitlos aktueller Inzest-Zeile klang die Musik Tuas, der übrigens alle Produktionen selbst übernimmt, dann auch ganz anders als der übrige Rap in heimischen Gefilden. Während sein Frühwerk tatsächlich noch äußerst raplastig war und er sich unter anderem als Doubletime-Wunderkind einen Namen machte, lässt sich in seiner Diskografie ein klarer Trend beobachten, der sich von klassischen Rap-Paradigmen entfernt, sei es nun bei den Produktionen oder den Songstrukturen. Während auf dem Vorgänger "Raus" der Fokus ganz klar auf den Instrumentierungen lag und Tua seiner Liebe zu Dubstep Ausdruck verlieh, versucht er auf seiner aktuellen Veröffentlichung "Stevia", vor allem mit seinem Gesang zu überzeugen. Ein Ausdrucksmittel, welches beim Künstler zwar stets präsent war, auf seinen vorherigen Veröffentlichungen aber nur vereinzelt Verwendung fand. Wie das Ganze dann klingt, beschreibt er gleich zu Beginn des Tonträgers:


    "Die Musik, so weich es geht – wie Cocktails in 'ner Hotelbar/"
    (Tua auf "Stevia")


    "Stevia" also. Das musikgewordene Süßungsmittel. Was die Produktionen angeht, ist der Name Programm. Die hektischen Rhythmen eines "Grau" und die wütenden Dubstepabfahrten eines "Raus" weichen hier einem zuckersüßen Post-Dubstep-Elektropop-Gewand, welches wohl das versöhnlichste Klangbild in Tuas bisherigem Schaffen darstellt. Auf dem Opener beispielsweise schmiegen sich ambientartige Synthiespuren sehr dezent an das verschachtelte Drumpattern und räumen dem Gesang Tuas so den nötigen Platz ein. Nur gelegentlich bricht Tua mit dieser musikalischen Zuckerglasur und schafft dadurch aufregende musikalische Kontraste. So wird auf "Keiner sonst" die Hook von wabernden Blechen verschluckt, nur um sich im letzten Durchgang unter Hinzunahme eines Bläsersatzes kraftvoll zu entladen. Musikalisch ist "Stevia" sowieso ganz groß, denn Tua begibt sich auf neue, unbekannte Pfade, was ihm hervorragend gelingt, da die Arrangements zwar reduziert sind, aber zu keiner Zeit langweilig. Er versteht sich außerdem darauf, organische Sounds wie den klassischer Instrumente mit elektronischen Klängen zu verweben, ohne dass es zusammengewürfelt und gekünstelt klingt. Zudem hat Tua seine musikalische Handschrift nicht verloren, seinen Trademark-Sound mit seinen verschachtelten Drumpatterns und seinen orientalisch anmutenden Harmonien.


    "Sie ist der höchste Punkt, der lauteste Jubel und ein Lächeln aus Stahl/"
    (Tua auf "Femme Fatale")


    Der Schritt in Richtung Gesang bringt auch textlich einige Veränderungen mit sich. Die Tatsache, dass ein gesungener Text meist weniger Worte benötigt als ein gerappter, hat zur Folge, dass die Lyrics deutlich kryptischer ausfallen als auf seinen bisherigen Veröffentlichungen. Während beim Rap sehr viel auf den Punkt ausformuliert wird, bietet sich beim Gesang ein Text an, der freier interpretiert werden kann und dessen inhaltliche Ausrichtung dementsprechend bedeutend offener ausfällt. Dieser Schritt ist lobenswert, weil das Resultat etwas Neues mit sich bringt. Jedoch muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass Tua zwar ein guter Sänger ist, aber nicht die perfekte Gesangsstimme besitzt. Dass er trotzdem singt, ist grundsätzlich sehr sympathisch, fällt aber trotz alledem auf und bildet damit den einzigen wirklich nennenswerten Kritikpunkt des Tonträgers. Inhaltlich kreist "Stevia" um ein zentrales Motiv: Das Hotel – fast schon ein Klischee, wenn man an den vagabundierenden Künstler denkt – dient hier einerseits als Sinnbild ebendieses Lebenswandels und verortet so die Stellung eines Künstlers in der Gesellschaft als Heimatlosen, der nicht so richtig dazugehören will. Andererseits wird auf "Stevia" das Hotel, diese Zwischenwelt, in der jeder nur auf Durchreise ist, Schauplatz mannigfaltiger sozialer Interaktionen. So geben einem bezeichnende Situationen wie etwa der Smalltalk im Aufzug, die flüchtige Frauenbekanntschaft oder der Cocktailjazz an der "Hotelbar, 4. Etage" ein Gefühl für die bittersüße Realität des "selbstgewählten Exils" eines Künstlers.


    "Ich lieg' weich – Modelbeine nah/
    Nüchtern schrei' ich 'Nein', doch besoffen mein' ich 'Ja'/"
    (Tua auf "Edward Hopper")


    Gegen Ende packt Tua dann auch noch mal den Rapper aus – so ganz scheint es dann doch nicht aus ihm rauszukriegen zu sein. "Edward Hopper" klingt so, wie ich mir einen Kay One oder einen Shindy immer gewünscht habe: arrogante Flows mit differenzierten Inhalten. Während Erstgenannte auf generische Art den "Cash & Hoes"-Rap aus den USA abkupfern, verarbeitet Tua, offensichtlich mit einem reflektierten Kunstbegriff gesegnet, das Thema, ohne dabei die Schattenseiten zu verschweigen und schafft somit eine eigenständige musikalische Vision, bei der es dann nicht heißt: "Klingt wie XY auf deutsch".


    Fazit:
    Mit "Stevia" ist Tua mal wieder eine beeindruckende Werkschau gelungen, die seinen Status als verkanntes Genie wohl noch untermauern dürfte, weil sie einerseits seine musikalische Vielfältigkeit und Versiertheit aufzeigt, ihm aber andererseits wohl keinen Weg in den Mainstream ebnet. Dabei wären die Vorrausetzungen für genau diesen Schritt eigentlich denkbar gut. So wird der Reutlinger vom Cro-Erfolgslabel Chimperator auf der einen Seite protegiert, was grundsätzlich ein gewisses Medienecho erwarten ließe, und auch mit den Orsons verzeichnet er durchaus achtbare Erfolge. Auf der anderen Seite scheinen ihn Medien außerhalb der HipHop-Szene gekonnt zu ignorieren. Da ist ein Intro-Feature das Höchste der Gefühle. Und das ist für einen Künstler, dessen musikalischer Entwurf wahrscheinlich eher für die de:bug geeignet wäre als für rappers.in, sicher ein harter Schlag. Für einen echten Popstar ist die Musik dann aber auch einfach zu spezifisch, zu intim. Und das darf als großes Kompliment verstanden werden.



    (disdi)




    [REDBEW]1504 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1504 [/reframe]
    [azlink]Tua+%96+Stevia+ [/azlink]



    01. Shub Niggurath
    02. Schlingpflanzen
    03. Succubus
    04. Chancenverwertung
    05. Signatur
    06. Napposchokolade
    07. Menschenpyramiden
    08. Sechs Kammern
    09. Antimärchen
    10. Tag des Zornes
    11. Zuviel gewusst
    12. Classic Coke
    13. Einerseits gleich feat. Kamikazes
    14. Succubus (Remix)


    Seit einer knappen Dekade dümpelt der Wuppertaler Rapper Prezident nun schon in den trüben Gewässern des deutschen Untergrundes herum und feilt, fernab des Rampenlichts der einschlägigen Magazine, an seinem ganz eigenen Entwurf deutschsprachiger Rapmusik. Nach zwei Alben, zahlreichen Mixtapes und einer handvoll Gastbeiträgen, welche man alle kostenlos auf der Internetseite des Rappers herunterladen kann, erscheint mit "Kunst ist eine besitzergreifende Geliebte" nun das erste Album als physischer Tonträger. Frei nach dem Motto: "Was lange gärt, wird endlich Wut". Die Grundzutaten für seine "ungelenke Kunst" sind über die Jahre stets die gleichen geblieben und so hat er sich mit Whiskeyrap letztlich seine ganz eigene Nische geschaffen, die sich durch eine herausstechende sprachliche Komplexität und inhaltliche Vielschichtigkeit auszeichnet. Sie erstreckt sich von historischen über literarische bis hin zu popkulturellen Referenzen, von einer nihilistischen Weltanschauung über makaberen Galgenhumor bis hin zu einer sehr klassischen HipHop-Sozialisation. Ein wichtiger Referenzpunkt sind wohl die Parallelen Prezidents zum amerikanischen Schriftsteller Charles Bukowski, dessen antiheldenhaftes Alter Ego sich, wie Prezident, neben seinem Hang zu alkoholischen Getränken auch durch unverblümte Beobachtungen der Gesellschaft im Allgemeinen und Frauen im Speziellen auszeichnet. Ein weiteres Merkmal ist die entwaffnende Ehrlichkeit bei der Reflexion des eigenen Schaffens. "Ich bin wie Hunter S. Thompson mit einem Schuss David Lynch und etwas Straight Outta Compton" – diese Zeile aus seinem ersten Album umreißt grob das Spannungsfeld, in dem sich das Kunstwerk Prezidents befindet. So existieren in seiner Diskografie Neufassungen von Gottfried-Benn-Gedichten und RAG-Stücken nebeneinander, ohne in einem Widerspruch zu stehen. Da wird Nietzsche neben Nas zitiert, da steht ein Einspieler aus "Breaking Bad" neben einem Bibelzitat. So findet man es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Name des Intros "Shub Niggurath" dem Necromicon H.P. Lovecrafts entnommen ist. Und genauso klingt der Titel auch. Hier wird man auf einem Höllenritt von einem Beat in die dunkle Gedankenwelt Prezidents hinabgetragen.


    "Du wusstest nicht, was Whiskeyrap ist/
    Jetzt sachste: 'Nee, so ham' wir nicht gewettet'/
    Du kanntest meinen Namen nicht/
    Und wusstest nicht, was dich erwartet, jetzt erahnst du es/"
    (Prezident auf "Shub Niggurath")


    Der etwas sperrige Titel ist aber keineswegs bloße Phrasendrescherei, sondern gibt dem Album einen losen inhaltlichen Rahmen. Sein Verhältnis zum eigenen Schaffen macht er wiederholt zum Inhalt seiner Texte. Diese oftmals destruktive Beziehung zu seiner Kunst wird sehr explizit im Track "Succubus" ausformuliert, in dem er die Hassliebe zur hier personifizierten Kunst und ihren verheerenden Einfluss darstellt. Der Titel "Schlingpflanzen" erweist sich als wahrhaft kafkaesker Storyteller über einen nicht ganz gewöhnlichen Badezimmerputz. Spoilern will hier unbedingt vermieden werden, denn Prezident verleiht dem Genre durch erzählerische Kniffe und gekonnten Spannungsaufbau völlig neue Dimensionen. "Stell dir vor, David Lynch macht jetzt Hörspiele." Wenn Prezident im ersten Song davon spricht, dass er sich ohne das Korsett eines Konzeptsongs am wohlsten fühlt, sind damit Lieder wie "Signatur" und "Chancenverwertung" gemeint. Wenn er frei einen vom Leder lassen kann, mäandriert der Rapper irgendwo zwischen Selbstreflexion, gerappten Binsenweisheiten, Gesellschaftskritik, Battlerap und Anekdoten aus dem Alltag. Dies hat zur Folge, dass zitierwürdige Zeilen nur so aus ihm heraussprudeln und einen reißenden Bewusstseinsstrom erzeugen, der den Hörer fast schon zwangsläufig in seinen Bann zieht. Nichts 16er, hier geht ein Part gerne mal doppelt so lang – und auch strukturelle Konventionen, wie etwa einen Refrain, sucht man hier vergebens. "Stuck und Schnörkel und so'n Quatsch." Aber statt diese fast schon dogmatische Struktur grundlos aufzubrechen, steht dahinter meist eine künstlerische Vision. Und so werden die Strophen oft durch stimmungsvolle Pausen oder Cuts voneinander getrennt. Da verleiht Jay Baez auf "Chancenverwertung" der Jay-Z-Zeile nochmal eine ganz neue Schwere.


    "Wir wollen Versprechungen, wir wollen hektische Schnitte/
    Wir wollen authentische Gesichter vor perfekter Kulisse/
    Es muss glänzen und glitzern und knallen, wichtig erscheinen/
    Es muss uns betreffen, ohne uns betreffen zu müssen/
    Und ich seh', wir fallen/
    Auf den leeren Schein, mehr zu sein, gerne rein/
    "
    (Prezident auf "Signatur")


    Dass er auch geradlinigerem Battlerap gegenüber nicht abgeneigt ist, zeigt Prezident auf dem im Vergleich zum Rest der Platte fast schon seichten "Napposchokolade", welches nach dem ungemütlichen "Signatur" wohl ein wenig Auflockerung bringen soll. Stört ein bisschen die Homogenität des Gesamtproduktes, jedoch beweist der Wuppertaler auch beim auf-die-Kacke-hauen seine Qualitäten. Neben einigen ein wenig überflüssigen Wie-Vergleichen legt der Rapper hier eine einzigartige Art, Punchlines zu formulieren, an den Tag, die fernab vom angesagten Paradigma funktionieren kann und zudem durch kaltschnäuzige Ignoranz begeistert. Mit "Menschenpyramiden" liefert Prezident neben seinen fünf Pfennigen zur ohnehin überflüssigen Authentizitätsdebatte – die sich übrigens jeder mal hinter die Ohren schreiben sollte, der glaubt, diese Diskussion führen zu müssen –, die scharfsinnigste und -züngigste Gesellschaftskritik, die das Genre zur Zeit zu bieten hat. Hier werden mit entlarvender Direktheit die Schattenseiten der Konsumgesellschaft bloßgelegt, die Ohnmacht des modernen Menschen erfasst, aber nicht ohne sich gleichzeitig von benebelten Verschwörungstheoretikern und sonstigen Zivilisationskranken abzugrenzen. Das Stück hinterlässt den Hörer mit der hilflosen Frage Lil Daps: "And the moral of the story – what the fuck's goin' on?"


    "Zivilisierung ist 'ne feine Legierung/
    Zwischen Matrix und den Protokollen der Weisen von Zion/
    Ging dir ein Licht auf, ja schöne Scheiße/
    Jetzt fühlst du dich wie ein Entfesselter im Höhlengleichnis/"
    Immer wenn du herbalized bist/"
    (Prezident auf "Menschenpyramiden")


    Mit "Sechs Kammern" folgt ein weiterer Storyteller um eine Partie Russisch Roulette, der durchaus seine Qualitäten besitzt, jedoch nicht mit Stücken wie etwa "Mise en Abhyme" oder "Schlingpflanzen" mithalten kann. Das liegt wohl vor allem an der Entscheidung, das Zwiegespräch der beiden Spieler ganz alleine zu vertonen. Mit einem Gastrapper wäre dem Text ein größerer Dienst erwiesen worden.
    Da er, für einen Rapper durchaus ungewöhnlich, über eine relativ realistische Selbsteinschätzung verfügt, scheint er nicht zufrieden mit seinem Standing in der Szene, obwohl er in den Texten zu erkennen gibt, dass er sich seines Talentes durchaus bewusst ist. So greift Prezident dieses Motiv wiederholt auf und wirkt manchmal fast ein wenig verbittert, was der im Laufe seiner Diskografie kultivierten, sympathisch-schluderigen Anti-Haltung nicht so gut zu Gesichte steht. Andererseits kann man ihn auch verstehen, den Guten. "Zu lange underrated, langsam langt et halt." Dieser Zorn über die fehlende Anerkennung findet seine konzentrierteste Form in dem von Walter White eingeleiteten "Classic Coke", das in einer beeindruckenden Komplettabrechnung mit der hiesigen Szene ihren Höhepunkt findet. In Sachen Delivery macht dem so schnell keiner was vor.


    "Was soll das Klingelton-Charts-schielende Indie-Gehabe/
    Eure Voting-Armeen bestehen aus Kindersoldaten/"
    (Prezident auf "Classic Coke")


    Wo Charles Bukowski nachts den Werken wie dem "Ring der Nibelungen" von Wagner oder einer Sinfonie von Gustav Mahler lauschte, trinkt ein Prezident wohl zu "Enter the 36 Chambers", "The Infamous" oder "Illmatic". So ist das Soundbild von recht klassischer Machart und wird vor allem durch die düsteren Instrumentals von Epic Infantry bestimmt. Deren Soundentwurf hat jedoch nichts mit den üblichen Crate-Digger-Romantik versprühenden Vertretern der hiesigen Szene zu tun, sondern steht in Tradition des schroffen Minimalismus eines frühen RZA oder eines Havoc. Dies darf dabei keinesfalls negativ aufgefasst werden, denn diesen recht simplen Grundbausteinen wird mit einer Detailverliebtheit begegnet, die dem Ganzen eine sehr eigenständige Note zufügt. Da knarzt es und grollt maschinell aus höllischen Untiefen, da rauscht und scheppert es allerorts und man hört die Aufmerksamkeit, die jedem dieser Versatzstücke gewidmet wird. Vor allem die druckvollen Drumsets erzeugen eine spezielle, wie ich finde typisch deutsche Art von Pathos, sodass der Name der Produzenten Epic Infantry durchaus wörtlich genommen werden kann. Neben den zuvor Genannten steuern auch Bojangelz, den man bereits aus älteren Veröffentlichungen von Prezident kennt, sowie Beat-Manufaktur-Potsdam, DJ Jefkoe und Jay Beaz, der auch für das Mastering verantwortlich war, ihre Instrumentals bei. Trotz verschiedener Produzenten entsteht ein insgesamt runder Sound, dessen Atmosphäre allein durch die Reihenfolge der Lieder ein wenig geschmälert wird.


    Fazit:
    Ob er nun immer das Gleiche macht, denn genau das wird ihm häufig vorgeworfen, oder sein Ding konsequent durchzieht, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Aber es ist zweifellos erfrischend, mal einen Rapper zu haben, der nicht in irgendeiner Promophase behaupten muss, er klinge wieder wie auf dem ersten Album. Außerdem verdichtet Prezident sein Talent auf der neuen Platte zu seinen bisher besten Leistungen. Seine Musik ist sperrig, komplex und stellenweise nichts anderes als unangenehm. Und sie ist vor allem eines: intensiv. Da ist auch "Kunst ist eine besitzergreifende Geliebte" keine Ausnahme. Jedoch sind es oft genau solche Werke, bei denen man sich zu einer Auseinandersetzung beinahe schon überwinden muss, die einen zutiefst berühren – und Prezident vermag genau das zu bieten und steht damit in Rapdeutschland nahezu allein auf weiter Flur. In seinen stärksten Momenten packt er einen bei der nackten Existenz, erschüttert sie bis ins Mark – und selbst in den schwächeren Momenten ist das Endprodukt zu jeder Zeit auf höchstem Niveau und bleibt im Vergleich auch nach zehn Jahren noch verdammt originell. Eine Qualität, die sich kaum in einer Rezension zusammenfassen lässt. Das alles ist kein easy-listening, nichts für nebenbei und sicherlich nicht jedermanns Sache, aber es lässt sich auch objektiv kaum bestreiten, dass Prezident einer der versiertesten Rapper dieses Landes ist.


    "Prezident, in diesem Land und in dieser Sprache/
    Einer der fünf besten MCs, würd' ich mindestens sagen/"
    (Prezident auf "Classic Coke")



    (disdi)

    [REDBEW]1300 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1300 [/reframe]
    [azlink]Prezident+%96+Kunst+ist+eine+besitzergreifende+Geliebte [/azlink]



    01. Fliegen & Fallen
    02. Identitäter
    03. Was wir sind feat. Marteria
    04. Zeitlupe
    05. Entscheide du feat. MoTrip & Tua
    06. Keine Angst
    07. Made in Germany
    08. Nach vorn feat. Samy Deluxe


    Wer bin ich? Was macht mich aus? Fragen, die eigentlich jeden beschäftigen, meist jedoch nur in zähen Religions- oder Philosophiestunden explizit gestellt werden. Für einen Künstler sind diese Fragen vielleicht sogar von besonderer Wichtigkeit, ist es doch meist mit Lob verbunden, wenn man hört, ein Künstler habe zu sich selbst gefunden. Auf der Suche nach Antworten reist der Berliner Rapper Chefket, wie er sagt, fluchtartig aus der Hauptstadt in die Türkei und verbringt Zeit in der Heimatstadt seiner Mutter. Gewissermaßen eine Reise zu den eigenen Wurzeln, die man gut und gerne als ersten Schritt zur Selbstfindung betrachten kann. Während dieser Atempause vom Großstadtmoloch enstanden die Texte zu seiner neuen Platte "Identitäter".


    Die EP beginnt mit seichten Pianoklängen, welche nach einigen Akkorden durch ein druckvolles, elektroides Drumset ergänzt werden.Chefket selbst versucht sich in der Darstellung eines kollektiven Sittengemäldes: der spätestens seit Caspers "XOXO" (vielleicht ein bisschen zu) oft stilisierten "Generation Maybe". Dieser Stereotyp wurde bereits in zahlreichen Veröffentlichungen der jüngeren Deutschrapgeschichte vertont und wirkt dadurch schon fast idealisiert. So zeichnet auch Chefket ein eher pessimistisches Bild einer Generation der Suchenden, die sich beim Ticker um die Ecke "Harmonie" kaufen und bei scheiß Musik trinken, "bis sie uns gefällt". Das mag zwar dem Lebensalltag seines Umfeldes entsprechen, ist trotzdem ein bisschen plakativ. Passt jedoch zum Zeitgeist, ist außerdem gut gerappt und auch schön gesungen. Wie man es aber wirklich gut macht, beweist er dann ein paar Tracks weiter an der Seite des – völlig zurecht – allseits beliebten Marteria. Wer er selbst ist, zeigt er uns dann auf dem Titeltrack, welcher mit Ska-Einschlag und Ohrwurm-Hook aufwarten kann und den Hörer beeindruckend gereimt und geflowt in Chefkets Jugend entführt.


    "Tausendmal sitzen geblieben, Klausuren schwitzend geschrieben/
    Wenn der Lehrer was gefragt hat, hab' ich nur kritzelnd geschwiegen/
    Oder mir die Langeweile mit Witzen vertrieben/
    Ich hab' die Sechs nicht verdient – gib mir 'ne Sieben!/"
    (Chefket auf "Identitäter")


    Nach dem oben erwähnten Track mit Marteria, zu dem das Video übrigens auf dem diesjährigen Splash!-Festival gedreht wurde, liefert Chefket mit "Zeitlupe" ein recht klassisches Liebeslied. Dort gehen Gesang und Rap eine nahezu perfekte, sehr soulige Symbiose ein – ein Talent, das zwar schwer im Kommen, hierzulande aber nach wie vor rar gesät ist. Leider offenbart dieser Song auch eine der größten Schwächen der EP. Chefket bedient sich sprachlicher Bilder und Metaphern, die im Kontext einfach ausgelutscht wirken. Phrasen wie: "Wenn ich mit dir bin, vergeht die Zeit langsamer, du bringst Licht in mein dunkles Herz aus Stein" überraschen wenig und man hat sie anderswo zu Genüge gehört. Aber gut, bei der Anzahl an Liebesliedern, die ja fast auf jeder deutschen Rapplatte zu hören sind und generell in jeder Form von Musik zum Standardrepertoire gehören, ist es vielleicht schwierig, sprachlich wirklich innovativ zu sein. Aber man kann es ja wenigstens versuchen.


    "Vielleicht ist es immer so, wenn sich zwei Menschen viel zu jung verlieben/
    Du bist perfekt, dieser Text ist für dich ungenügend/
    Deswegen hab' ich diesen Track schon zehnmal umgeschrieben/
    'Ne Sekunde mit dir ist für mich wie 'ne Stunde fliegen/"
    (Chefket auf "Zeitlupe")


    Dass die eigene Identität nicht nur aus dem sozialen Umfeld und den eigenen Erfahrungen, sondern möglicherweise auch aus der Nationalität erwächst, ist Gegenstand des Songs "Entscheide du" mit MoTrip (bei dem es schon langsam erschreckend ist, in was für einer Frequenz er qualitativ hochwertige Gastbeiträge abliefert) und Tua (der leider nur in der Hook vertreten ist). Hierbei wird die titelgebende Message schön durch die Tatsache unterstrichen, dass drei Künstler verschiedener Herkunft zusammenarbeiten. One Love eben. "Ursprung, Herkunft und Kultur, wir haben es uns nicht ausgesucht, wohl aber, was wir tun" sind Zeilen, die ein jeder Kleingeist sich zu Herzen nehmen sollte, der sich selbst gerne mal über die Zugehörigkeit zu "seiner" Nation definiert, glaubt, ihr gegenüber irgendeine Verpflichtung zu haben oder sogar chauvinistisches Gedankengut in sich trägt. Komisch nur, dass Chefket einem selbst auf "Made in Germany" versucht, ein schlechtes Gewissen einzureden, weil in Deutschland viel Geld damit verdient wird, Waffen zu produzieren und an andere Länder zu verkaufen. Wenn er dann "wir" sagt und deutsche Waffenhändler meint, widerspricht das der Aussage, die er auf "Entscheide du" zu machen versucht. Überhaupt sind die letzten drei Tracks in meinen Augen die schwächsten der EP. "Keine Angst" ist einer dieser Konzepttracks, die alles bedeuten könnten, aber eben am ehesten wie eine Salve von Zweckreimen klingen. Und der schöne Ansatz von "Nach vorn" wird vom Samy Deluxe-Gastbeitrag leider komplett versaut. So rappt Samy zwar verdammt gut, jedoch ignoriert er das Konzept des Liedes vollkommen und erstickt dessen Potenzial somit im Keim.


    Fazit:
    "Identitäter" bleibt trotz des talentierten Protagonisten und einigen wirklich starken Momenten leider unter den Möglichkeiten. Chefket scheint seine eigene, künstlerische Identität noch nicht so recht gefunden zu haben. So verliert sich der Ansatz eines Konzeptes in lieblosen Features und recht plumper Sozialkritik. An Chefkets Rapfähigkeiten ist absolut nichts auszusetzen und herrausragend wird er dann, wenn er die Grenzen zwischen Gesang und Rap verschwimmen lässt. Dennoch hat man das Gefühl, dass er sein Potenzial nicht zu voller Entfaltung bringen kann. Vielleicht traut er sich nicht so richtig, aber dem Endprodukt fehlt inhaltlich sowie musikalisch eine eigene Handschrift, eine echte künstlerische Identität. Die Beats von Nobodys Face, Haze, Farhot, Q_Cut und Cut Spencer sind zwar allesamt gut produziert und das Klangbild ist vielfältig, doch ingesamt bleiben sie alle recht glatt gebügelt. Es wird nichts gewagt. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass der Selbstfindungsprozess eines Künstlers frei nach dem Motto "Was lange währt, wird endlich gut" gerne mal etwas länger dauert und "Identitäter" eigentlich nur ein Vorgeschmack auf das große Album sein soll. Und darin steckt viel Potenzial – das hat der Rapper bewiesen.



    (disdi)

    [REDBEW]1211 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1211 [/reframe]
    [azlink]Chefket+%96+Identit%E4ter [/azlink]

    :)


    Es folgen eine Reihe "Lieblingsfragen" beantworte sie mit deinen Top3 wenn möglich


    Lieblingsfilme


    Hassfilme


    Lieblingsrapalben


    Lieblingsnichtrapalben


    Lieblingspunchline


    Lieblingszeile


    Lieblingsbuch


    Lieblingsschauspielerin


    Lieblingsgame


    Warum isst du kein Fleisch?


    Wein,Hartalk oder Bier?



    haha stimmt diese geschichte mit kanistyles ?



    ich hab dir übrigens völlig vergessen bei fb zu schreiben. das darfst du mir nicht übel nehmen. jedenfalls werd ich splash spontan entscheiden sieht aber ganz gut aus bisher. ergo saufen.

    welchen track findest du am besten wenn du dich entscheiden müsstest?


    welche punchline findest du am besten wenn du dich entscheiden müsstest?


    welche line findest du am besten wenn du dich entscheiden müsstest?


    wieso ist dein lieblingsmusiker nicht auch dein rapper bzw umgekehrt? wo siehst du den unterschied?


    wie stehst du zu n-bomben debatte?


    wie stehst du zu homophobie im rap bzw findest du das wort "schwul" im typischen rapkontext homophob?


    wie stehst du zu frauenfeindlichkeit im rap?


    welches albumcover gefällt dir am besten?



    01. Intro
    02. Egotrips feat. Tatjana
    03. Leierkastenmann feat. Mo
    04. Strahlemann & Söhne feat. Mo & K.I.Z.
    05. Routine
    06. Todes-To-Do-Liste feat. Amewu & Chefket
    07. Schönsaufen feat. Mo & Mehira Cruz
    08. Selbst Schuld feat. Mach One
    09. Kinderkacke
    10. Internetjunkie (RMX)
    11. Bauchgefühl feat. Mo
    12. Love, Peace & Harmony feat. Mach One
    13. Sag Ja!
    14. Direkt in die Sonne feat. Mehira Cruz & Mo
    15. Teenage Riot


    Ich muss zugeben, als ich die Rezension zu Flexis zugeteilt bekam, war ich doch ziemlich gespannt. Solodebüt mit Features von Mach One, Chefket und K.I.Z.? Klingt ja einerseits schon vielversprechend, andererseits hat man jedoch seit jeher so ein bisschen das Gefühl, als betreibe die Szene in der Hauptstadt so eine Art Vetternwirtschaft. Aber würden solch namhafte Künstler ihre Zeilen auf drittklassiger Schundware wiedersehen wollen? Wohl kaum. Die übliche Recherche ergab dann, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt: Flexis macht schon eine ganze Weile Musik, war ein Teil des Duos Da Flexibles und blickt auf eine Solo-EP zurück. Er hat also sein Standbein in der Szene und ja, er hängt auch gerne mal im Studio von K.I.Z. oder Mach One ab, um zu schreiben und das ein oder andere Stück aufzunehmen. Bei solchen Sessions kam dann auch sein Solodebüt "Egotrips" zustande.


    "Sonst sitz' ich immer in der Bar und versauf' meine Gage/
    Jetzt sitz' ich gerade zitternd da – und rauch' meine Haare/"
    (Flexis auf "Leierkastenmann")


    Nach dem obligatorischen, eineinhalbminütigen Beats- und Cuts-Intro gibt Flexis mit seiner augenzwinkernd vertonten Entzugserscheinung "Leierkastenmann" schon mal die Marschrichtung für das Album vor. Das Stück kommt mit einem hektischen Elektrobeat inklusive Bibi Blocksbergs "Hex-Hex"-Sample, Ohrwurmhook und verrücktem Video daher. Muss man bei den immergleichen Fabrikhallen, die man sonst so zu Gesicht bekommt, ja auch mal erwähnen. Darüber kommt der gebürtige Berliner mit einem ebenfalls sehr hektischen, aber äußert gekonnten Flow und gutem Stimmeinsatz. Die netten Gimmicks aus der Technikkiste beherrscht er mühelos und so sprüht sein Rap nur so von Reimketten und Geschwindigkeitswechseln. So weit so gut, jedoch wird man inhaltlich wenig überrascht und das gilt auch für den Rest des Albums. So haben dieses Stück und auch einige andere auf diesem Release eine für Rapsongs nicht unübliche, aber besonders verheerende Schwäche: Es wurde ein Thema gewählt, in diesem Fall Drogen, oder besser gesagt das Verlangen nach eben diesen. Nun wird sich eine ganze Palette an vorzugsweise komischen Situationen überlegt, die dieses Verlangen hyperbolisiert darstellen. Das Problem dabei ist, dass die Pointe spätestens mit dem Ende des ersten Parts verbraucht ist. Und bei Part drei kommt es dann fast schon verkrampft rüber. Im Endeffekt wird einem über dreieinhalb Minuten der gleiche Witz erzählt und das Prozedere wird dann so oder so ähnlich auch noch bei einer Handvoll weiterer Lieder wiederholt ("Routine", "Internetjunkie (RMX)", "Schönsaufen", "Sag Ja").


    "Eintritt ab 13, Machs kleine Reisegruppe/
    Wir fahren im kleinen Bus vom scheiß Club zum Thai-Puff/
    Was schlechter Einfluss? Scheiß drauf – Bleifuss/
    Auch dein Rum-Cola liegt bereit auf der Heizung/"
    (Mach One auf "Selbst Schuld")


    Die Instrumentierung geht immer gut nach vorne und bleibt weitestgehend elektronisch. Die Produzenten OMB, Nico (K.I.Z.), Bobby Soulo, Acoustic View, Mecstreem und Mach One bedienen sich verschiedener Genres wie etwa Electroswing oder Drum and Bass, aber schaffen es, ein stimmiges Klangbild zu erzeugen, welches einen guten Nährboden für die hastigen Flows des Protagonisten bietet. Die Featuregäste liefern allesamt solide Ware ab, wobei K.I.Z., wie für Features fast schon üblich, nicht gerade zu Höchstleistungen auflaufen. Aber dennoch entblößt der Vergleich zu seinen Gästen, gerade zu K.I.Z. und Mach One. Die größte Schwäche des Albums: Sie alle machen technisch hochwertigen Rap mit einer Menge Humor und dem ein oder anderen bissigen Seitenhieb gegen Szene und Gesellschaft, aber obwohl er die gleiche Sparte bedient, ist Flexis nicht so verrückt wie etwa ein Mach One, nicht so provokant wie etwa das Trailerpark-Camp und nicht so bissig wie (einst) K.I.Z.


    So stellt sich für den Konsumenten schließlich die Frage nach der Notwendigkeit dieser Platte. Es gibt natürlich Leute, die feiern alles, was ein gewisses Grundniveau erreicht und eben "ihre" Sparte bedient. Die gibt es bei den Freunden von Niemand, bei den Golden Era-Verfechtern, den Hirntoten und bei der Generation Azzlack – und das ist ja auch völlig in Ordnung. Genau solche Leute werden mit "Egotrips" auch eine ganze Menge Spaß haben, denn es ist gut in dem, was es sein will. Letztenendes aber fügen die meisten solcher Keimlinge und so auch Flexis ihrer ureigenen Spielart wenig bis gar nichts hinzu. Da geht es dann auch nicht mehr um Originalität oder ob er schon seit zehn Jahren diese Schiene fährt und auch nicht darum, dass der Vergleich mit einem anderen Künstler als Individuum nicht gerecht würde, sondern schlichtweg um Qualität. Für mich als "normalen" Rapkonsumenten füllt ein Mach das Bedürfnis nach dieser Art Rap nunmal zu Genüge aus. Gibt ja noch genug anderen Kram zu entdecken.



    (disdi)




    [REDBEW]1056 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1056 [/reframe]
    [azlink]Flexis+%96+Egotrips [/azlink]

    notorious h.a.f.t., kanakis von hafti ,
    Mo Trip - Embryo,
    SSIO - Spezial Material,
    Lance - Selfish,
    Morlockk und Dexter - Weihnachten im Elfenbeinturm,
    Orsons - Das Chaos und die Ordnung, Jetzt Ep,
    Tua - Raus EP.
    Die Onset Rush Tapes


    keine spezielle Reihenfolge



    01. Intro
    02. CEO
    03. Hinter blauen Augen
    04. Slumdogmillionär
    05. Höhenflug
    06. Nummer Eins
    07. Schönheit ist vergänglich feat. Animus
    08. Skit
    09. Zu Gangster feat. Silla & French Montana
    10. Vampir feat. Moe Mitchell
    11. La Vida Loca
    12. Nimm mich, wie ich bin
    13. Atme ein, atme aus
    14. Psychopat
    15. Lui V alles
    16. Lady Killa
    17. Skit
    18. Du bist es wert feat. Silla & Moe Mitchell


    Bonus-Tracks:
    19. Team Blade feat. Kool Savas
    20. Loyalität feat. G-Hot & Alpa Gun


    Nach der Veröffentlichung von "SBM 2" mit Silla in der erste Hälfte des Jahres folgt nun, in der kalten Saison, ein neues Soloprojekt des Erfolgsrappers Fler. Während "SBM 2" noch durch seine offensive Kaltschnäuzigkeit zu beeindrucken wusste, hat man bei "Hinter Blauen Augen" – um das schonmal vorwegzunehmen – mehr denn je das Gefühl, als sei bei Fler irgendwie die Luft raus. Der Titel suggeriert einen persönlicheren Blick auf den Rapper, einen Blick hinter die vielzitierte harte Schale dieses "Bad Boys". In etwa so wie es auf seinem letzten Soloprojekt "Im Bus ganz hinten" in den großen Momenten bereits angedeutet wurde. Nur eben noch besser. Noch konsequenter. Stattdessen entpuppt sich der Titel als bloßes Gewäsch und nach dem Hören fühlt man sich mit der Frage zurückgelassen, was sich denn jetzt genau hinter diesen blauen Augen befindet. Dahinter scheint sich das Gehirn eines waschechten Cineasten zu befinden. Anders kann ich mir den Geistesblitz, ein "Gangsterrap"-Album mit einem deutsch synchronisierten "Goodfellas"-Zitat zu beginnen, nicht erklären. Bei solch einem Ideenreichtum fragt man sich, was wohl als nächstes kommt? Vielleicht ein Spruch aus "Scarface" – das wäre doch mal was ... Dass Innovation nicht unbedingt zu Flers Stärken gehört, ist dem ein oder anderen aufmerksamen Hörer sicherlich bewusst, was den Guten aber nicht daran hindert, es auf seinem neusten Langspieler "Hinter Blauen Augen" erneut unter Beweis zu stellen:


    "Der frühe Vogel fängt den Wurm – Adlerauge/
    Illuminati Maskulin – Aberglaube/"
    (Fler auf "CEO")


    Auf dem Opener "CEO" spielt Fler auch schon eine seiner größten Stärken aus: Er bedient sich bei seinen amerikanischen Vorbildern. Betrachtet man das Cover, hat man Patrick Losensky lebhaft vor sich, wie er mit seinen wirklich außerordentlich blauen Augen über den großen Teich guckt und gerne so wäre wie die da drüben. Und wenn er dann mit großen, blauen Augen über den großen Teich schaut, gerne so wär' wie die da drüben und sich in Supa Dupa Flow auf Südstaatenbeats versucht, frage ich mich als Hörer eigentlich nur, wieso Deutschland so beschissen langsam bitet. Fler hat offensichtlich noch nicht ganz raus, wie man die GEMA-Sperre bei YouTube umgeht, sonst hätte er unweigerlich erfahren, dass das, was er da abzieht, seit gefühlten zehn Jahren so ausgelutscht ist, dass kein Hahn mehr danach kräht: Dem Gesamtprodukt fehlt es schlicht an Eigenständigkeit. Auf dem Titeltrack "Hinter blauen Augen" schafft er es dann, die Titel gleich zweier Klassiker plump zu übersetzen, jeder Sinnhaftigkeit zu berauben und in einen Track zu packen, der sich des exakt gleichen Rezeptes bedient wie der Opener. Pete und Nancy wären sicher stolz. Es folgt der Track "Slumdogmillionär". "Slumdogmillionär"? Wovon könnte der Track bloß handeln? Richtig, es geht darum, von ganz, ganz unten nach ganz, ganz oben zu kommen und das natürlich ganz alleine. Gewissermaßen der indische Traum. Ghetto war gestern.


    "Ich bin ein Slumdogmillionär, du weißt/"
    (Fler auf "Slumdogmillionär")


    Mit "Höhenflug", "Nummer Eins" und "Schönheit ist vergänglich" (feat. Animus) gleich drei schmalzige, wohl für die Damenwelt bestimmte Nummern, die – man ahnt es schon – das Phrasenschwein ganz ordentlich mästen. Denn wie auch beim ganzen Rest des Albums drängt sich einem der Verdacht auf, Fler arbeite einen Kanon ab, der Themen und Sounds beinhaltet, die eine möglichst große Zielgruppe erreichen sollen. Das wird dann vom Künstler selbst gerne mal als Vielfalt bezeichnet. Bei solch einem – man muss schon sagen – Produkt ist es dann nur folgerichtig, dass man auch bei den obligatorischen "Mädchentracks" zu keiner Zeit das Gefühl hat, man habe es mit tatsächlichen Emotionen des Protagonisten zu tun. Es folgt das autotunegeschwängerte "Zu Gangster" mit Silla und French Montana, auf dem auf einem sommerlichen Plastikbeat über Geld und Frauen und alles, was so dazugehört, gerappt wird. Das passende Musikvideo, in dem ein paar Hampelmänner mit Champagner, Bling, Billionaire Boys Club-Klamotten, gemietetem Sportwagen und einer Handvoll halbnackter Damen ihren Reichtum geschmacklos zur Schau tragen, läuft im Kopf mit. Was an der ganzen Sache jetzt eigentlich "so Gangster" sein soll, erschließt sich auch bei den amerikanischen Originalen nicht so ganz. Einen ähnlichen Leitfaden verfolgen auch "Nightlife" (feat. Moe Mitchell)" und "La Vida Loca", wobei Ersteres eine Vampirmethaphorik verwendet, die auf dem trappigen Instrumental beinahe so etwas wie frischen Wind in das Geschehen bringen würde, wenn sie nicht lyrisch wie technisch so dermaßen langweilig wäre. Auf der Premium-Edition, die den bereitwilligen Käufer mit ganzen zwei Bonus-Tracks belohnt, kommt es zu dem von Fler schon längere Zeit gewünschten Savas-Feature, das sich spätestens mit der "Rapfilm"-Liebäugelei der beiden angekündigt hatte. Auf dem Track selbst beginnt Kool Savas mit einem furios geflowten und lyrisch erfrischend verspielten Part. Fler hält mit repetitivem Supa Dupa Flow, der in dieser Frequenz und inhaltlichen Zweckmäßigkeit nun wirklich zu viel des Guten ist, dagegen und geht zwar neben seinem Gast deutlich unter, liefert aber seinen technisch aufregendsten Part ab.


    "Großmaul – Alligator/
    Entertain' ich euch nich'? – Gladiator/"
    (Fler auf "Team Blade")


    Es ist tatsächlich so, dass man sich lediglich die Tracklist von "Hinter Blauen Augen" ansehen muss, um zu jeder Anspielstation treffsichere Angaben zu Thematik, Beat und verwendeten Worten machen zu können. Dieser Umstand, gepaart mit Flers bescheidenen Fähigkeiten als Rapper und – bis auf Savas' Reimgewitter – langweiligen, durchschnittlichen Featureparts, macht es einem verdammt schwer, auch nur einen Song des gesamten Albums gut zu finden. Wenn ich Musik höre, möchte ich überrascht werden, berührt werden, euphorisiert oder mitgerissen werden. Sei es nun durch textliche oder musikalische Qualitäten. "Hinter Blauen Augen" erfüllt keines dieser Kriterien auch nur einen Moment lang. Der oben beschriebene Verdacht, man habe es mehr mit einem Produkt denn mit einem Kunstwerk zu tun, verfestigt sich nach Durchhören des Langspielers nahezu zu einer Gewissheit. Aber was rede ich? "No one knows what it's like ..."



    (disdi)

    [REDBEW]983 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=983 [/reframe]
    [azlink]Fler+%96+Hinter+blauen+Augen+%28Premium+Edition%29 [/azlink]



    01. B(e)reit?
    02. Spezial Material
    03. Langweilig feat. Obacha
    04. Jung, wat is los? feat. Schwesta Ewa
    05. Ssio macht schlau
    06. Du bist ein Pisser, aber ist nicht schlimm feat. Xatar
    07. Es geht nur um Sex feat. Celo & Abdi
    08. Dicke Eier feat. Hamed Lo
    09. Alles Routine
    10. Kombis feat. Abdou
    11. Besonderes Aufbauseminar für Drogen und Alkohol feat. Kalim
    12. Schon wieder geht es nur um Sex
    13. Sonntag


    "Es geht nur um Sex, manchmal auch um Drogen und Knast". Diese Textzeile beschreibt den Rap von Bonner "Alles oder Nix Records"-Signing Ssio eigentlich perfekt. "Retortenware", mag manch ein des klassischen Straßenraps überdrüssiger Hörer mosern. "Verpisst euch mal mit eurem ganzen Azzlack-Kanacken-Scheiß. Lernt erstmal richtig Deutsch, ihr Hurensöhne. F.R 4 Life yeah xD!", brüskieren sich ganze Hundertschaften angehender HipHop-Polizisten in der schützenden Anonymität des World Wide Webs (wahrscheinlich ohne das Lied auch nur zu Ende gehört zu haben). Wagt man es jedoch, über den Stereotyp des Südländers mit Boxerschnitt, Air Max, Bauchtasche und Adidas-Jogginganzug hinwegzusehen, oder besser noch, ihn zu akzeptieren, hört man ein Tape, das an Unterhaltungsfaktor kaum zu überbieten ist. Und jetzt mal ganz ehrlich: Straßenrap mangelnde Themenvielfalt vorzuwerfen ist als kritisiere man bei Por ... ach, das hatten wir schon mal. Aber ich glaube ihr wisst, was ich meine.


    "Nach mir machen die Cops 'ne Fahndung/
    Nach dir nicht, denn du tickst Oregano/
    Deswegen kriegst du immer miese Ohrfeigen/
    Testest den Geschmack verschiedener Bordsteine/"
    (Ssio auf "Spezial Material")


    So kann man Ssio bei Monologen über das altbekannte Leben auf der Straße, Sex ("Es geht nur um Sex", "Dicke Eier", "Schon wieder geht es nur um Sex") und Drogen (der ganze Rest der Tracklist) zuhören. Man bekommt es jedoch mit einem Künstler zu tun, der an Skills, Selbstironie und Eloquenz dem durchschnittlichem, böse in die Kamera gestikulierenden "Halt die Fresse"-Abschaumrapper bei Weitem überlegen ist. So besticht der der BWL-Student vor allem durch komplexe Reimketten, viele witzige Vergleiche sowie lustige Anekdoten aus dem Alltag eines Kleinkriminellen. Auffallend ist hierbei auch, mit welcher Bodenständigkeit der Bonner sein Image inszeniert. Verliert sich manch ein Kollege in romantisiertem Mafiadünkel, weiß Ssio mit fast schon bescheidenem Streettalk zu glänzen. Klar, es sitzt nicht jeder Reim und die Featuregäste hätten sich von einer besseren Seite zeigen können, allen voran die sonst so unterhaltsamen Celo & Abdi. Behandelten sie die Thematik ihres Gastparts auf "Es geht nur um Sex" auf HJ noch voller Leidenschaft, wirken sie hier beinahe lustlos. Mit einem von einer zarten Frauenstimme gesungenem "Du hast dicke Eier, weil du weite Boxershorts trägst" ist auch ein (forcierter?) Fremdschammoment vorhanden. Zwar liefert Label-Oberhaupt Xatar einen ziemlich hörbaren (!) Part ab und auch Schwesta Ewa weiß auf befremdliche Art zu entertainen. Der Rest der geladenen Gäste fällt jedoch unter die oben genannte Gruppe austauschbarer, einer namentlichen Erwähnung fast schon unwürdiger Straßenrapper und bleibt durchweg im Schatten des Gastgebers.


    "Bullen sind mir auf den Fersen wie Waden/
    Doch ich bin irgendwo in den Bergen am Skifahren/
    Die Taschen viel mehr beladen mit Peaceplatten/
    Als im Musikregal damals Hippies hatten/"
    (Ssio auf "Du ist ein Pisser, aber ist nicht schlimm" feat. Xatar)


    Dem positiven Gesamteindruck am zuträglichsten ist jedoch das Soundgewand auf "Spezial Material". Nein, Ssio kommt nicht auf dem obligatorischen m3schen Straßenbrett daher, sondern pickt durchweg verspielte Beats, die sich an seinen musikalischen Einfüssen wie etwa Biggie oder Tha Dogg Pound orientieren. Für die Realkeeper da draußen gibt es als Sahnehäubchen sogar noch Cuts. Ja, echte Cuts, bei denen man sich begrüßenswerterweise vor allem an deutschem Straßen-/Gangsterrap bedient und dem Genre so auf sympathische Art der Respekt erwiesen wird. Hinzu kommt Ssios eigenständige Art zu flowen die sich, wie auch die Beats, am letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends orientiert. Eigentlich ist es fast schon lustig, dass solch eine Form der Präsentation in dieser Rapsparte eine echte Innovation darstellt. Das unfassbare "The Notorious H.A.F.T"-Tape mal außen vorgelassen.


    "Laber nicht was von: "Das Kilo war Schrott"/
    Ich weiß, du hast mein Para in der Spielo verzockt, Nutte/
    Macht mein Zeug dich breiter als Anabolika/
    Oder warum gehst du seit Tagen nicht an dein Nokia?/"
    (Ssio auf "Kombis")


    Fazit:
    Fakt ist, dass es bei Straßenrap so gar nicht um das "Was" geht, befindet sich das Genre doch bereits durch die selbst gesteckten Grenzen in einer inhaltlichen Redundanzschleife, sondern vielmehr um das "Wie". Und eben dieses "Wie", die Präsentation des Gesamtproduktes, meistert Ssio mit Bravour. Bei einer Hook wie "Du bist ein Pisser, aber ist nicht schlimm" oder einer kopflos gestotterten Einleitung wie auf "Alles Routine" kann man den jungen Rapper eigentlich gar nicht unsympatisch finden, weil in seinen Lyrics diese angenehm lockere Selbstironie mitschwingt. An dieses Mixtape wurde der meinetwegen simple Anspruch gestellt, einfach nur zu unterhalten und das gelingt voll und ganz. In diesem Sinne, "Ssio macht schlau", Nutte.



    (disdi)




    [REDBEW]934 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=934 [/reframe]
    [azlink]Ssio+%8D%96+Spezial+Material [/azlink]





    01. Intro %uFFFD Du bist Terrorist
    02. Terrorist feat. Marph
    03. Erhelle die Finsternis feat. FaZ
    04. Von der Hand in den Mund feat. Absztrakkt
    05. Futter Erde feat. Amewu
    06. Königshaus feat. Laas Unltd.
    07. Das Leben der Anderen feat. Liquit Walker & Dra-Q
    08. Geld regiert feat. Pay
    09. Mikrokosmos feat. Revilo
    10. 2012 feat. Illyricum
    11. Schatten auf der Stadt feat. Skuzzle, Lakman One, Ferum, Dezz, Crop & Chamber
    12. WWW = 666 (Skit)
    13. Survival of the Fittest feat. Adolph Gandhi & JAW
    14. Pseudonym feat. Pal One
    15. Wie Kings feat. Torch & Virtuoso
    16. Weckruf feat. Antihelden
    17. Killerinstinkt feat. Kamikaze
    18. Produkt des Systems feat. D-Irie
    19. Geschrieben vom Leben feat. Crop & Dezz
    20. Dunkle Seite der Macht feat. Phreaky Flave
    21. Endzeit feat. Toby Ses & Abroo
    22. Schatten der Wahrheit feat. Ferum & Benja
    23. Armageddon feat. Marph


    Wagt man einmal einen Blick über den großen Teich und betrachtet das dortige Musikgeschehen, stellt man fest: Der dortige Untergrund wäre hierzulande mehr als nur eine waschechte Karriere. Dies hängt wohl vor allem mit der größeren Kaufkraft, dem Weltsprachenstatus und dem Einfluss Amerikas auf die aktuelle Popkultur in Europa zusammen, den man in Film und Musik besonders stark zu spüren bekommt. Und vielleicht ist es gerade deswegen immer wieder erwähnenswert, wenn es ein europäischer Künstler schafft, in Amerika %uFFFD und sei es auch "nur" im Untergrund %uFFFD Fuß zu fassen. Das Produzentenkollektiv Snowgoons, bestehend aus Det., DJ Illegal, Sicknature und J.S. Kuster, gehört zu diesen Künstlern und kann auf Arbeiten mit Genre-Ikonen wie Sean Price, Ill Bill oder Reef the Lost Cauze zurückblicken. Zuletzt produzierten sie sogar ein ganzes Album für die legendäre Formation M.O.P. Diese gewissermaßen internationale Relevanz hat die Snowgoons bisher jedoch nicht davon abgehalten, auch in Deutschland aktiv zu bleiben. Neben zahlreichen Arbeiten mit den Antihelden Abroo und Dra-Q veröffentlichen sie nun ein Album, "Terroristen Volk", das vornehmlich den deutschen Untergrund featuret. Unter dem Banner des Produzententeams versammelt sich nun eine illustre Runde, zu der neben bekannteren Namen wie Laas Unltd., Antihelden, JAW, Absztrakkt, Lakman One und sogar Altmeister Torch auch beinahe gänzlich unbeschriebene Blätter wie Marph, D-Irie, Ferum, Benja und viele mehr gehören.


    "Und scheiß auf Unterricht, man lässt sie unter sich/
    Deswegen brennen Autos wie die Herzen der Unterschicht
    "
    (Liquit Walker auf "Das Leben der Anderen")


    Nach dem zynischen Intro-Skit, in dem jeder deutsche Bürger als potenzieller Terrorist entlarvt wird, ahnt man schnell, in welche Kerbe das Album der Snowgoons schlagen wird. Es geht vor allem um Sozialkritik %uFFFD Kritik am Staat, am Kapitalismus, an den Weltmächten und am offensichtlich von Grund auf verdorbenen Menschen selbst. Dass man auf Snowgoons-Beats, deren Spannweite sich seit jeher zwischen hartem Boom Bap-Sound und epischen, orchestralen Klanggerüsten befindet, keinen verkopften Studentenrap erwarten kann, dürfte Kennern vorneweg klar gewesen sein. Da ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass vor allem eines passiert: Es wird ordentlich auf die Kacke gehauen! So sind die Instrumentals auf "Terroristen Volk" eher ein Ventil für angestauten Zorn als eine Plattform der reflektierten Sozialkritik. Wer also auf der Suche nach Lösungen für die Missstände dieser Welt ist, wird auf diesem Album wohl nicht fündig werden. Vielmehr vereint "Terroristen Volk" klassischen Battlerap, die lose Einbindung von Verschwörungstheorien, eine Punk-Attitüde sowie einen Hauch von Straße und ist dabei vor allem eines: wütend. Dass einige der gefeatureten Künstler nicht imstande sind, abgedroschene Stammtischausbrüche zu vermeiden, war fast schon zu erwarten.


    "Weiter ficken, weiter rauchen, weiter ticken und rauben/
    Das habt ihr aus mir gemacht, seht ihr den Hass in meinen Augen/
    "
    (D-Irie auf "Produkt des Systems")


    Glücklicherweise verstand es ein Großteil der geladenen MCs mehr aus den zugegebenermaßen groben Themenvorgaben der Goons zu machen. So versuchten Phreaky Flave oder der stets polarisierende Laas Unltd., bei ihren Representern mit ausgefeiltem Flow und komplexen Reimstrukturen zu bestechen. Als einer der Höhepunkte der Platte lässt sich zudem der Track "Von der Hand in den Mund" mit dem Lüdenscheider Absztrakkt ausmachen, dessen eigenwilliger Flow eine regelrechte Symbiose mit dem Beat eingeht und der auch inhaltlich einen Glanzmoment darstellt. So ist er mit seiner Auslegung Deutschraps, in dem er sich vermehrt Metaphern und Mythen aus fernöstlichen Kulturen und des Buddhismus bedient und es wie kein anderer versteht, Inhalte zwischen den Zeilen zu vermitteln, noch immer ein Unikum im hiesigen Game. Besondere Erwähnung sollten auch die Parts von Rap-Pate Torch sowie Creutzfeld Jakobler Lakman One finden: Ersterer reimt zusammen mit dem Amerikaner Virtuoso, wobei er Elemente des klassischen Tolkien-Fantasyuniversums aufgreift. Zweiterer kommt mit gewohnt abseitigem Flow um die Ecke und hat nach Angaben der Snowgoons wieder Hunger bekommen. Man darf also gespannt sein.


    "Von der Hand in den Mund wie die Tagediebe/
    Doch es erscheinen Paradise, denn langsam beginnt meine Saat zu sprießen/
    Lass die wahre Liebe durch deine Adern fließen/
    Und du wirst Teil meiner ungebrochenen Übertragungslinie/
    "
    (Absztrakkt auf "Von der Hand in den Mund")


    Soundtechnisch ist alles wie gehabt; heißt im Klartext, dass es meist auf Samplebasis ganz schön rumst. Oft klassisch angehaucht mit viel Blech und Streichern und einem Hang fürs Pathetische bildet ein Großteil der Instrumentals den perfekten Klangteppich für den Aufmarsch des Terroristenvolkes. Dass die Snowgoons über Sampleloop und Schellensnare hinausgewachsen sind und auch den ein oder anderen Song komplett einspielen, ist prinzipiell lobenswert, die Ergebnisse dieser Bemühungen erweisen sich jedoch häufig als weniger organisch und erscheinen austauschbar.
    Während ein Soloalbum eines Rappers oftmals an mangelnder Homogenität und Harmonie der Instrumentals scheitert, liegt die Schwäche bei Produzentenalben in der Variabilität der geladenen MCs. Diese Problematik tritt bei "Terroristen Volk" besonders zu Tage; während vor allem die bekannteren Namen gewohnt routiniert zu Werke gehen, wirken einige Gastbeiträge entweder technisch altbacken oder vermögen es nicht, auf lyrischer Ebene zu überzeugen. Die hochwertigen Instrumentals der Protagonisten werten das Endprodukt zwar enorm auf, schaffen es jedoch nicht, den ein oder anderen Ausrutscher auf die Skip-Taste zu vermeiden.
    So bleibt "Terroristen Volk" ein wechselhaftes Werk voller Höhen und Tiefen, das vor allem für Fans des Genres von Interesse sein könnte. Die Qualität ihrer Zusammenarbeiten mit Übersee-MCs erreicht das Ergebnis leider noch nicht %uFFFD was vor allem an der Gästeliste liegen mag %uFFFD, aber die Tatsache, dass sie ihre Finger auch hierzulande im Spiel haben und hungrige Untergrund-MCs mit Qualitätsware versorgen, ist definitiv eine Bereicherung.



    disdi (Christian Weins)




    [REDBEW]819 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=819 [/reframe]
    [azlink]Snowgoons %96 Terroristen Volk [/azlink]

    Wie er auf "Neulich in der Reinigung" ausrastet ist einfach göttlich "Das sind Tennissocken aus reiner Baumwolle, du mieses, verschissenes Flittchen!" + Er baut extrem gute beats + Er flowt ziemlich entspannt. Ich freu mich drauf.




    01. Kennen
    02. King
    03. Feder im Wind
    04. Schreiben, schreiben
    05. Triptheorie/Meine Rhymes & ich feat. Marsimoto
    06. Die Frage ist wann
    07. Alles was ich wollte
    08. Tagebuch
    09. Kanacke mit Grips
    10. Gorilla feat. El Moussaoui
    11. Kunst feat. RAF 3.0
    12. Albtraum
    13. Wir
    14. Kettenreaktion feat. JokA & Silla
    15. Wie die Zeit verrennt
    16. Embryo
    17. Intro/Ich fang am Ende an


    Zeig mir deine Features und ich sag' dir, wer du bist! Im HipHop wird wie in sonst kaum einem anderen Genre wild rumkollaboriert und so ist es nicht verwunderlich, dass neben den eigenen Skills vor allem namhafte Features dabei helfen, den Sneaker in die Geschäftstür zu zwängen. Je größer der Name der vermeintlichen Gönner, desto größer der Buzz um die eigene Person. Dass dadurch der ein oder andere musikalische Fauxpas seinen Weg in die Gehörgänge der Massen findet, sei mal dahingestellt, denn in der Regel ist es doch Talent, welches sich am Ende des Tages durchsetzt. So auch bei MoTrip, der ohne auch nur einer Vorahnung eines Tapes – geschweige denn eines Albums – über die Optik Youngstars Koryphäen wie Savas, Samy oder Leute wie Fler, Silla und JokA in sein Featureportfolio aufnehmen durfte und quasi im Vorbeigehen Props von Sido und Marteria einheimste. Nicht nur von seinen Kollegen, sondern auch von einschlägigen Magazinen und der Blogosphäre als eines der "Next Big Things" gehandelt, schlägt man natürlich Wellen, die die dicken Fische auf einen aufmerksam machen lassen. Unter den Fittichen von Universal Music fand schließlich die Befruchtung statt und heraus kam "Embryo" mit dem Mohamed El Moussaoui endlich seine dues payen und sich einen festen Status in der A-Liga der Rapperriege erkämpfen will.


    "Ich werd' es schaffen, doch die Frage ist wann/"
    (MoTrip auf "Die Frage ist wann")


    Auf die Eckpfeiler seiner Karriere zurückblickend lässt sich das inhaltliche Spektrum des Albums in groben Zügen folgendermaßen umreißen: Auf der einen Seite wäre da Kool Savas, aus dessen Schule man – platt ausgedrückt – technikfixierten Rap über Rap zu erwarten hat, während auf der anderen Seite Künstler wie Fler stehen oder aber Silla und JokA, mit denen er die Crew Schnelles Geld ins Leben rief. Aufgrund dieses Umfelds rechnet man neben unterhaltsamen Tiraden über den eigenen Status und den Beischlaf mit Frauen mit aller Art von vor allem persönlich gehaltenen Lyrics über den "Everyday-Hustle" in Straßennähe. Scheinbar zwischen den Stühlen sitzend pickt sich der Aachener aus beiden Lagern das Beste und lässt die Straße Straße sein. In der Realität äußert sich das Ganze in Reimketten und -schemata, die sich vor absolut nichts verstecken müssen, einem herausragenden Flow, der durch hundertprozentige Präzision und melodische Variationen besticht, sowie einer Reihe wirklich raffinierter und einer Handvoll mittelprächtiger Punchlines und Vergleiche. Diese werden mit scheinbarer Leichtigkeit in persönliche Tracks eingewoben und verkommen nur bei den battlelastigen Representern zum Selbstzweck, wobei sie dort meist Teil eines wahrhaftigen Reimgewitters sind. Dies verdeutlicht der Opener "Kennen" sehr gut:


    "Könntet ihr das Licht dimmen, jemand sollte die Gesangskabine dämmen/
    Ich steh' auf den Dämmen, um das Land zu überschwemmen/
    Ich verschwende meine Zeit nicht mehr mit Schach oder Backgammon/
    Ich mach' Business, wenn die anderen noch pennen/
    "
    (MoTrip auf "Kennen")


    Für die musikalische Untermalung gebührt Paul Nza, Marek Pompetzki, Cecil, Deflev, Illthinker, DJ Vito, Sinch und Ken Kenay Lob, die MoTrip durchweg hochwertig ausproduzierte Beats zusammenbastelten. Wer aufgrund des Universal-Signings weichgespülte Massenware befürchtete, kann sich kopfnickend zurücklehnen, denn die Produzenten schmiedeten Trip für jeden Text die passende Unterlage. Ob harte, treibende und gerne ein bisschen verrückte Synthiebretter zur traditionellen Kronjuwelenschau oder dezente, organische Nummern, die, obwohl manchmal an der Schwelle zum Kitsch, ein gelungenes Fundament für schwermütigere Themen bilden. Spielereien wie das gepitchte "King", was auf dem gleichnamigen Track die Reimwörter begleitet, lassen auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Producer(n) und Rapper schließen. Apropos Zusammenarbeit: Die erwartete/erhoffte ganz lange Liste großer Namen bleibt aus; und so sind neben RAF 3.0 und Marsimoto, der in Form von MoTrips Reimen auf dem wunderbar abstrusen "Triptheorie/Meine Rhymes & ich" vertreten ist, lediglich seine engen Vertrauten Silla und JokA sowie sein Bruder El Moussaoui zu Gast. Obwohl die Stücke mit den letztgenannten Künstlern die beiden schwächsten des Albums sind, erweckt der Move, sein Umfeld zu featuren, trotz und vielleicht gerade wegen des Risikos eines trackinternen Qualitätsabfalls eine gewisse Sympathie. So birgt es doch eine aufrichtige Loyalität in sich, die über kommerzielle Berechnung gestellt wird.


    "Die Triptheorie: Deine Stimme plus die Technik/
    Mal die Flows geteilt durch Skills ist gleich der Inbegriff von Freshness/
    Nimmst du das noch minus Wackness, minus Fake, minus Shit, minus Hate – ergibt Trip/
    "
    (MoTrip und Marsimoto auf "Triptheorie/Meine Rhymes & ich")


    Dass sich die endgültige Qualität eines Rappers niemals nur über sein technisches Können oder seine Beatwahl definieren lässt, dürfte den meisten Lesern klar sein. Nun stellt sich die Frage, ob MoTrip auch textlich brillieren kann. Die Antwort fällt diesmal nicht ganz so eindeutig aus wie zuvor. Positiv ist die Themenvielfalt des Albums, bei der man nicht das Gefühl verspürt, es säße ihm ein Major im Nacken, der noch einen Clubbanger fordert. Denn einen solchen lässt "Embryo" glücklicherweise gänzlich vermissen. Vielmehr präsentiert MoTrip neben Songs über Rap an sich ("Schreiben, schreiben", "Kunst") und klassischer Battlekost vor allem persönlichere Nummern. Auf "Die Frage ist wann" beleuchtet der Libanese die einzelnen Stationen seiner Karriere %– von ersten Talentbekundungen seines Bruders bis zu den Bello-Storys. Auch bei "Alles was ich wollte" geht es um seine Karriere, aber auch um die Unvereinbarkeit dieses Traumes mit seiner Verflossenen. Generell merkt man MoTrip an, dass er seinen Erfolg nicht als selbstverständlich betrachtet, wie sehr er das Erreichte respektiert und wie viel Herzblut er investierte, um da zu stehen, wo er jetzt ist.
    Negativ fallen jedoch Präsentation und der sprachliche/inhaltliche Rahmen auf und bilden die damit einzig wirklichen Kritikpunkte an "Embryo", die die Platte letztendlich des Prädikates "Meisterwerk" berauben. Wenn er gerade bei den deeperen Tracks wie beispielsweise auf "Albtraum" rappt: "Ich bin 22 Jahre alt und sehr schlecht gelaunt", möchte man als Hörer diese schlechte Laune fühlen können, möchte den Künstler sein Innerstes bis zum Äußersten treiben hören. Diese Fähigkeit, dem Zuhörer Emotionen vollkommen authentisch zu vermitteln, fehlt MoTrip bis auf den wirklich ergreifenden Titeltrack, bei dem es um das schwierige Thema "Abtreibung" geht und bei dem eine offenbar wahre Geschichte erzählt wird, leider weitestgehend. Ähnlich verhält es sich bei Themen und Wortwahl: Große Kunst hat immer schon polarisiert, hatte immer schon Reibungs- und dadurch Angriffsfläche. Bei MoTrip hat man das Gefühl, als halte er sich zurück. Vielleicht will er auf Nummer Sicher gehen, weil es sein Debüt ist, vielleicht ist er gehemmt, aus Furcht, zu viel von sich preiszugeben. Weniger Scheu, weniger Kompromisse wären vielleicht angebracht gewesen. Ein bisschen mehr Mut zum Risiko, ein Schuss mehr Chuzpe und das wird noch mal was ganz Großes.
    Auf welchem Niveau hier kritisiert wird, lässt sich an der Bewertung ablesen, denn mit "Embryo" ist MoTrip in jedem Falle eines der erstaunlichsten Debüts der letzten Jahre gelungen, mit dem er seinen Status in der Szene wohl endgültig gefestigt haben dürfte. Nicht nur die Aussicht auf großartige Kollaboration in der Zukunft lassen auf neues Audiomaterial hoffen, denn dass der selbsternannte "Kanacke mit Grips" nicht nur als ewiger Featuregast funktioniert, hat er mit seinem Album bewiesen. Passenderweise heißt es im Intro-Outro dann auch programmatisch: "Mach dich für den Trip bereit, es fängt endlich an!"



    disdi (Christian Weins)

    [REDBEW]787 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=787 [/reframe]
    [azlink]MoTrip %96 Embryo [/azlink]