Ich hab die Bücher nicht gelesen und werde das auch nicht tun, aber ich wäre nicht überrascht, wenn die Projektion auf einen Kampf gegen Kapitalismus und Marktwirtschaft bloße Polarisierung ist. Gut, bei Rakete vielleicht nicht. Der Punkt ist: Die Autorin konstruiert hier einen Angriff auf westliche Werte, also auf Kapitalismus, Marktwirtschaft, Konsum und Demokratie. Dabei spricht sie ohne es zu merken einen entscheidenden Punkt an und zeigt eindrucksvoll von welchem Geistes Kind sie ist. Das wäre eine Steilvorlage für eine hervorragende Fragestellung gewesen und die blieb ungenutzt.
Der Artikel ist eigentlich Sinnbild für die Naivität unsere Zeit. Die Autorin sieht die Konsumfreiheit in Gefahr und damit die Marktwirtschaft, die Freiheit jedes einzelnen und letztlich die Repräsentative Demokratie. Wie so oft wenn es um Konsum in einem ökonomischen Kontext geht, sieht irgendwer seine Freiheit und die Marktwirtschaft gefährdet. Der moderne Konsum zeigt, dass diese ökonomische Handlung heute längst nicht mehr nur der Bedürfnisbefriedigung dient, sondern der Bildung von Lebensentwürfen und Identitäten. Praktisch in der gesamten Konsumgüterindustrie dominieren die über Marketingaktivitäten aufgebauten Distinktionsmerkmale die Kaufentscheidungsprozesse der Konsumenten. Die Frage, warum Menschen konsumieren, warum Bürger zu Konsumenten werden, hat nichts, oder nicht nur – je nach Warenkategorie – mit Bedürfnissen zu tun, sondern mit sozialen Kontexten und Lebensentwürfen. Es geht um Distinktionskonsum, um Abgrenzung und Darstellung einer eigenen Identität. Das wird von der Autorin verbissen verteidigt und in den Büchern wohl hinterfragt (ob Gehaltvoll kann ich nicht beurteilen).
Was wir brauchen ist eine rationale Diskussion über Gebrauchs- und Tauschwerte – das wäre der Konsens den die Autorin hätte ziehen müssen anstatt von "wohlstandsverwahrlosten Neomarxisten" zu schwafeln. Das Problem ist weniger das hier zwei wohlstandsverwahrlosten Neomarxisten ein Buch geschrieben haben, sondern das Rakete/Neubauer/Schneider/BrainBro wohlstandsverwahrlost sind. Schon Karl Marx (das kommunistische Manifest war Murks –weil politisch-, "Das Kapital" in seiner Analyse hingegen verblüffend präzise –weil unpolitisch-) hat den Unterschied zwischen Tauschwert und Gebrauchswert herausgearbeitet. Das wird auch heute so gelehrt mit der Fokussierung auf die Tauschwertproduktion. Gebrauchswerte hingegen bleiben für alle Produkte wichtig, treten aber bei Produktion und Vermarktung ebenso wie beim Konsum in den Hintergrund. Im Prinzip ist unsere Ökonomie unsinniger geworden. Sinnloser Konsum erzeugt sinnlose Produktion mit enormer Ressourcenverschwendung und Überproduktion. Es braucht also einen Paradigmenwechsel. Und das tolle ist: dafür braucht es nicht einmal Verbote. Und das aller Beste daran: zur Umsetzung braucht es nur die Marktwirtschaft selbst. Das funktioniert wunderbar im kapitalistischem, marktwirtschaftlichen und demokratischen Rahmen. All das wofür Anna Schneider einsteht.
Das Klimaschutz einen autokratischen Ansatz braucht ist natürlich Unsinn. Die Demokratie kann das bewerkstelligen. Ob Sie den Klimaschutz auch überlebt ist eine andere Frage. Selbiges gilt genauso für autokratische Systeme. Es kommt auf die ökonomischen Voraussetzungen an. Viel entscheidender als das politische System ist das Kapital. In einer Welt, in der die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital nicht oder nur innerhalb der nationalen Grenzen mobil sind, geht die Arbeit zu den Menschen. Sie wird dort geleistet, wo die Menschen ihre Bedürfnisse haben. Dasselbe gilt für das Kapital. Es wir dort eingesetzt, um die nationalen Bedürfnisse zu decken. Der Staat wäre dann für die kollektiven Bedürfnisse zuständig. Wenn Arbeit und Kapital global mobil sind, dient das erst einmal der Effizienz: Kapital und Arbeit werden weltweit dort eingesetzt, wo sie den größten Nutzen bringen. Dazu braucht es einen globalen Kapitalmarkt, der diesen Nutzen erkennt. Doch diese Effizienz hat ihren Preis: In der globalisieren Wirtschaft geht die Arbeit nicht mehr zu den Menschen, sondern diese müssen dahin gehen, wo die Arbeit ist. Und das wiederum bestimmt das globale Kapital. Wenn das Kapital aus Staat X/Y flüchtet ist es unerheblich ob es ein demokratischer oder autokratischer Staat ist, dass System würde kollabieren.