Migos – Culture


  • 01. Culture feat. DJ Khaled
    02.T-Shirt
    03. Call Casting
    04. Bad and Boujee
    feat. Lil Uzi Vert
    05. Get Right Witcha
    06. Big on Big
    07. What the Price
    08. Brown Paper Bag
    09. Deadz
    feat. 2 Chainz
    10. All Ass
    11. Kelly Price
    feat. Travis Scott
    12. Out Yo Way


    "Culture": Ein Titel, der im Kontext der Entwicklung des HipHop-Genres kaum anmaßender klingen könnte. Verhärten sich die Fronten zwischen neuer und alter Schule mit jedem Autotune-Verse in den Charts weiter, tobt gleichermaßen die Debatte um Authentizität, die Werte des Genres und dem Respekt vor den Wurzeln so intensiv wie nie zuvor. Während sich seit je her junge Künstler als Teil einer Vorwärtsbewegung verstanden haben – die Trap-Sparte legte hier besonderen Fokus weg von den Lyrics mehr auf eine Entwicklung in Atmosphäre, Soundästhetik und Melodik der Rapsongs – stehen auf der anderen Seite die alten Veteranen des Genres, die sich auf Tradition und Klassiker berufen. "HipHop ist eine Kultur", hört man die Argumentation der Heads durch das Internet schallen, und die Kultur gilt es, zu bewahren. Doch was genau ist eigentlich Kultur?


    "Kultur (von lateinisch cultura 'Bearbeitung', 'Pflege', 'Ackerbau') bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Kultur ist (gemäß Helman) ein System von Regeln und Gewohnheiten, die das Zusammenleben und Verhalten der Menschen leiten."
    (Wikipedia über "Kultur")


    Die Frage lässt sich an dieser Stelle natürlich auch mit allen Enzyklopädien dieser Welt nicht beantworten. Doch das "System aus Regeln und Gewohnheiten" scheint ein interessanter Anhaltspunkt zu sein: Als HipHop-Kultur verstehen wir grob einen Konsens der Stilelemente und Ideologien, an die wir uns gewohnt haben. Und fast vier Dekaden Samples, Drumloops und Bars ließen den Gewohnheiten genug Raum, zu so etwas wie ungeschriebenen Regeln zu werden. Regeln, die im Zuge einer neuer Generation in Frage gestellt werden: Ein Lil Yachty, der öffentliches Desinteresse an Biggie Smalls bekundet. Ein Lil Uzi Vert, der sich eines DJ-Premier-Beats verweigert. Und nicht zuletzt auch die Migos, die 2013 in einem Rapsong kaum mehr taten, als das Wort "Versace" zu wiederholen, und damit einen kleinen Hit des Jahres landen konnten. Ebenjene sind nun zurück und stehen erneut im Kreuzfeuer der Debatte, für die einen als Pioniere von neuen musikalischen Elementen, für die anderen Herolde des lyrischen Verfalls. Und dann heißt ihr Album plötzlich "Culture", ihre Single "Bad and Boujee" geht komplett durch die Decke und für sieben Wochen okkupieren sie die Pole Position der Billboard-Charts. Was geschieht hier?


    Rain drop/
    Drop top/
    Smokin' on cookie/
    In the hotbox/

    (Offset auf "Bad and Boujee")


    Der kometenhafte Erfolg von "Bad and Boujee" gibt auf den ersten Blick wenig – und auf den zweiten dann doch sehr viel Sinn. Der Titel klingt zunächst eigentlich wie so ziemlich jeder andere Migos-Track, entpuppt sich dann allerdings als massiver Slowburn. Ich habe den Song über den Zeitraum meiner Review täglich gehört, immer wieder. Er wächst mit jedem Repeat, und sobald man ein wenig in den hypnotischen Vibe des Instrumentals eingestiegen ist, wird es sehr viele davon geben. Mit dem Meme-Potential als Initialzündung also der ideale Senkrechtstarter und auch eine gute Zusammenfassung von dem, was die Hörer auf "Culture" erwartet: Bedingungslose Trap-Flows auf 808-Bangern der klassischen Schule. Und Quavo, Takeoff und Offset rappen die triolischen Flows so präzise und wohlklingend wie kaum andere Rapper der Szene, sodass es oft schon Spaß genug macht, einfach nur Flowpattern und Adlibs der Parts wirken zu lassen, bis die Songs auf den durchweg hochklassigen Beats in massive Hooks übergehen; besonders auffällig hierbei die Refrains für "T-Shirt" und "Slippery". Wir erleben also keine Anbiederung an das bisherige Konstrukt der Kultur, sondern einen radikalen Gegenentwurf. Die Lyrics gehen kaum über ein paar mehr oder weniger inspirierte Popkultur-Referenzen hinaus, dafür bleibt so manche Hook tagelang im Kopf, die Flowpattern fließen virtuos und die Produktionen rumpeln gekonnt vor sich, gleichermaßen tanzbar und hypnotisch. Der Erfolg scheint ihnen Recht zu geben – die Leute wollen es hören.


    No check, want all cash, nigga, I don't do deposits/
    Bitches cross the border, nigga, bitches from the tropics/
    I'ma get that bag, nigga, ain't no doubt about it/
    I'ma feed my family, nigga, ain't no way around it/

    (Takeoff auf "T-Shirt")


    Und dennoch: Auch wenn ich über die letzten Wochen eigentlich fast konstant Migos gehört habe, habe ich gerade einmal zwei ganze Hördurchgänge des Albums zustande gebracht. Viele Tracks haben es in irgendeine Playlist geschafft, vieles habe ich im Alltag gehört, aber komplett am Stück? Es fühlt sich an wie mit Süßigkeiten. Jeder isst hier und da gerne einen Schokoriegel, aber deswegen würde man vermutlich nicht unbedingt direkt eine ganze Palette davon vernichten wollen. Als ich vorhin nämlich gesagt habe, dass es genau das Album ist, das man von dem Trio erwartet haben dürfte, habe ich es wortwörtlich gemeint: Auch wenn viele Songs an sich sehr gut funktionieren, gibt es eigentlich keinen, der auch nur ansatzweise aus der traditionellen Trap-Formel ausbricht. Ein paar Beats bringen interessante Samples oder Sounds mit ("Get Right Witcha", "Slippery") und an ein paar Fronten schimmert die Zusammenarbeit mit Travis Scott doch recht deutlich durch ("Kelly Price"), aber über den Langspieler hinweg wird man keine Überraschung erleben. Keine Dramaturgie, keine Variation in der Songstruktur, keine Spannungskurve. Trapbeat, Part, Hook, Part, Hook, Outro, dazwischen fliegen ein paar Adlibs und der nächste Track startet. Dadurch verliert sich das Gesamtprojekt in einer ungewöhnlichen Monotonie, die auf den Einzeltracks eigentlich gar nicht so recht zu spüren ist.


    I won't ask the bitch, unless she goin' to get it/
    It might take a minute, but she'll be sure to get it/
    Just to pass the test, I won't act the best/
    I got Actavis, there's nothing I can't ask the bitch, no/

    (Quavo auf "Out yo way")


    Fazit
    Um kurz zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Die Migos präsentieren auf "Culture" tatsächlich einen Gegenentwurf zur gängigen HipHop-Kultur. Dabei setzen sie vor allem darauf, Staples der letzten fünf Jahre auszuspielen, an deren Entwicklung sie selbst maßgeblich beteiligt waren. Die Kultur huldigt Kommerzialisierung und Materialismus in der Musik mit dem Hintergrund, es auf diese Weise aus der Armut zu bringen. "Es schaffen" ist wohl der große Grundtenor des Albums, beziehungsweise auch, es geschafft zu haben. Der Ertrag ist das einzig wahre Feedback, auf dass die Künstler sich einlassen werden. Daran messen sie sich, das ist das Kredo. Daraus entstand eine verdammt wohlklingende und kompetent produzierte Ansammlung von Einzelsongs, vielleicht der bisherige Hochpunkt eines Musikstils im handwerklichen Sinne, der mit vielen Tracks zum Hören einlädt. Dennoch bleiben Überraschungen zu großen Teilen aus und selbst ich habe mich irgendwann damit abgefunden, das Album einfach beiseite zu legen und dafür meine vier oder fünf Lieblingstracks in Rotation zu nehmen.
    Die Kultur der Migos ist genauso wie ihr Vorgänger aus der Gewohnheit erwachsen. Stilmittel und Gedankengänge haben sich etabliert und verselbstständigt, bis sie zu Staples, gewissermaßen Regeln, geworden sind. Quavo, Offset und Takeoff wenden hier genau die Regeln an, an deren Wurzeln und an deren Wachstum sie selbst maßgeblich beteiligt waren. Was bleibt, ist ein Manifest, das aber noch nicht einmal unbedingt der Zenit sein muss. An dieser Stelle gilt es für das Trio wohl weiterzudenken, um von diesem Standpunkt nicht in der Stagnation zu versinken. Eine interessante Überlegung wäre womöglich, das Konzept des Albums noch einmal weiter zu hinterfragen. Denn sowohl Fans als auch Artists schienen die größte Aufmerksamkeit auf die Singles zu legen und auch wenn sich die Einzeltitel fast durchgängig zwischen stark und verdammt stark einordnen lassen, verlieren sie im Verbund einiges an Wirkung. Hier wurde das Medium Album trotz viel Potential und großartiger Tracks nicht als Vorteil ausgespielt, sondern sorgt eher dafür, dass die Gesamtwertung "nur" gut und nicht sehr gut bleibt.



    (Yannik Gölz)


    [redbew]2210[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2210[/reframe]

  • Interessante Review, mit Abstand mein meist gehörtes Album in letzter Zeit, trotzdem hab ich mir über den Titel bislang null Gedanken gemacht. Dass sie kaum aus ihrer typischen "Trap-Formel" ausbrechen kann ich bestätigen. Umso beeindruckender finde ich, wie unterschiedlich die Songs daher kommen. Für mich ein sehr abwechslungsreiches Teil, vor allem im Vergleich zu anderen Trapalben. Super hohe Dichte an Ohrwürmern: T-Shirt, Bad and Boujee, Get Wright Witcha, Big on Big, What the Price und Kelly Price (also fast alles) haben sich bei mir richtig ins Ohr gebrannt und werden tatsächlich mit jedem Hören besser. Quavo find ich den stärksten aus dem Trio, liefern aber alle gut ab. Bei mir hätts also schon noch ein Mic mehr gegeben:D

  • Finde das Album eher Durchschnittlich bis auf die 2 krassen Singles und noch 1-2 soliden Tracks
    Würde eher zu 3/6 tendieren maximal 3,5/6
    4/6 ist für mich schon ein ziemlich gutes Album und das ist Culture eher nicht
    Kommt auch eine Review zu I Decided?



    "aber über den Langspieler hinweg wird man keine Überraschung erleben. Keine Dramaturgie, keine Variation in der Songstruktur, keine Spannungskurve. Trapbeat, Part, Hook, Part, Hook, Outro, dazwischen fliegen ein paar Adlibs und der nächste Track startet. Dadurch verliert sich das Gesamtprojekt in einer ungewöhnlichen Monotonie, die auf den Einzeltracks eigentlich gar nicht so recht zu spüren ist."
    Das fasst es perfekt zusammen für mich.
    Migos hat halt genau das abgeliefert was ma erwartet hat nicht mehr nicht weniger

    Ich zieh weißes vom Tisch als ob´s Leistungssport ist

    Einmal editiert, zuletzt von Kolu ()

  • Das Album ist für mich nen bisschen Analog zu Future - Future.... einige Highlights und wenn man sich reinhört weicht die anfänglich geglaubte Monotonie der (Vor-)Freude über Details und Feinheiten.
    Ums richtig feiern zu können fehlt mir da aber einfach ne gewisse Dramaturgie. Fast nur Durchgeballer und Turnup auf 50-70 minuten reicht für mich nicht dass ich mich da einfach richtig reinfüllen kann. Zum lockeren Durchlaufen lassen ists aber entspannte Mucke...

  • Finde das Album eher Durchschnittlich bis auf die 2 krassen Singles und noch 1-2 soliden Tracks
    Würde eher zu 3/6 tendieren maximal 3,5/6
    4/6 ist für mich schon ein ziemlich gutes Album und das ist Culture eher nicht
    Kommt auch eine Review zu I Decided?


    Ja, ich hab mich deswegen auch echt schwer damit getan, das Album zu bewerten. Hätte ich es radikal als "Album" bewertet, dann hätt ich es tiefer ansiedeln müssen, weil es in diesem Medium nicht so wirklich funktioniert und es nicht so viel Spaß macht, es als ganzes zu hören. Auf der anderen Seite ist aber fast kein Tag seit Release vergangen, in denen ich nich mindestens ein paar Songs vom Album gehört habe. Und das Niveau ist ja eigentlich durchgehend hoch. Deswegen ist die Wertung irgendwo ein halbgarer Kompromiss; ich konnte eben etwas, dass ich so verdammt gerne höre nicht schlecht bewerten, auf der anderen Seite würde ich aber auch etwas, das im gewählten Medium überhaupt nicht aufgeht auch nicht wahnsinnig gut bewerten können. Deswegen ist da ne Zahl drunter, fast schon pro forma, aber wer eine wirkliche Meinung will, sollte diesmal tatsächlich eher auf Text als auf Zahl schauen.
    Big Sean bin ich gerade dran, bin aber noch unsicher, wird wohl ein paar Tage bestimmt noch brauchen

  • Ja, ich hab mich deswegen auch echt schwer damit getan, das Album zu bewerten. Hätte ich es radikal als "Album" bewertet, dann hätt ich es tiefer ansiedeln müssen, weil es in diesem Medium nicht so wirklich funktioniert und es nicht so viel Spaß macht, es als ganzes zu hören. Auf der anderen Seite ist aber fast kein Tag seit Release vergangen, in denen ich nich mindestens ein paar Songs vom Album gehört habe. Und das Niveau ist ja eigentlich durchgehend hoch. Deswegen ist die Wertung irgendwo ein halbgarer Kompromiss; ich konnte eben etwas, dass ich so verdammt gerne höre nicht schlecht bewerten, auf der anderen Seite würde ich aber auch etwas, das im gewählten Medium überhaupt nicht aufgeht auch nicht wahnsinnig gut bewerten können. Deswegen ist da ne Zahl drunter, fast schon pro forma, aber wer eine wirkliche Meinung will, sollte diesmal tatsächlich eher auf Text als auf Zahl schauen.
    Big Sean bin ich gerade dran, bin aber noch unsicher, wird wohl ein paar Tage bestimmt noch brauchen


    Darf ich fragen wie du dann in etwa Drake Views bewertet hättest?

  • Darf ich fragen wie du dann in etwa Drake Views bewertet hättest?


    Hm, gute Frage eigentlich, istn interessanter Vergleich. Würde aber denke ich am ehesten auf 3 Mics plädieren. Im Gegensatz zu Culture fehlt es den Tracks nicht nur an Variation, sondern es sind mehrere Tracks in der Liste, die ich einfach nicht gut Finde. Echt viele Tracks ziehen sich so ereignislos und langweilig vor sich hin, dass ich sie sofort skip. Und auch wenn Views genauso massive Hits hat, ist das Album einfach zu mindestens 50% outright Filler und dadurch dann auch noch monströs lang. Bei Migos finde ich keinen einzelnen Track per se schlecht, nur die Menge macht es schwer genießbar, bei Drake hast du Unmengen und vieles funktioniert halt isoliert überhaupt nicht. Dafür sind die Hits halt immense Hits.

  • Views ist so ein krass wachsendes Album. Höre das immer wieder und es wird immer noch besser. Muss man sich echt drauf einlassen, aber kann es so krass empfehlen.

    [indent]It ain't about who did it first, it's about who did it right.[/indent]

  • Ich frage mich wer auf die Idee kam Culture 2 als ein 24 Tracks umfassendes Album zu droppen. Wer hört sich ein Migos Projekt mit so vielen Tracks am Stück an und feiert das
    Vor allem wenn nur 5 features oder so drauf sind

  • ????????

    [FONT=Impact][size=24]Ayy, none of us would be here without cum[/SIZE][/FONT] [size=14]Disgusting to see u throw your trash outside on the ground.. who do you think you are? Put that damn trash in ur pocket or ur car - Lil B 🙏 She licks my bum and pays my bills... we both are human and cuties - Lil B [/SIZE]

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!