Sookee – Mortem & Makeup


  • 01. Q1
    02. Queere Tiere
    03. Bilderbücher Konferenz
    04. Der Schrank
    05. Kontrollverlust
    06. Für immer
    07. Hüpfburg
    08. SSRI
    09. Die Freundin von
    10. You Only Die Once
    feat. grim104
    11. Hurensohn
    12. Absurdität
    13. Who Cares
    feat. Charlotte Brandi
    14. Ruhe


    Vor drei Jahren veröffentlichte sie den Track "Vorläufiger Abschiedsbrief“ , der der deutschen HipHop-Szene gewidmet war und einen kurzzeitigen Rückzug aus dem Rap-Business bedeutete, auch wenn sie dabei doch nie wirklich weg, in vielerlei Funktionen stets irgendwo präsent gewesen ist. Drei Jahre nach ihrem letzten Album ist Sookee nun wieder zurück, hat ihr mittlerweile achtes Release "Mortem & Makeup" im Gepäck und taucht damit in einer turbulenten Zeit auf, in der sie mit ihrem politischen Rap-Programm allerlei Anknüpfungspunkte finden sollte. Seit über zehn Jahren rappt die selbsternannte Quing of Berlin nun schon über Queerfeminismus und linke Politik, kritisiert soziale Machtverhältnisse und patriarchalische Strukturen. Für ihr neuestes Werk hat sich die Künstlerin, welche auch mit neuem Management, neuem Label und neuer eigener Tourband auftritt, eine Änderung ihrer Diskursivierungsstrategien vorgenommen, welche vormals zuweilen als Soziologievortrag mit sperriger Terminologie kritisiert worden waren. An dessen Stelle soll eine einfachere und zugänglichere Sprache treten, ohne dass sich Sookee dabei thematisch von ihren Wurzeln entfernen möchte. Ob sich die Berlinerin so allerdings noch weiterhin ihre komplexen Themen scharf und präzise auf Songlänge behandeln kann?


    Die Eröffnung macht die erste Single-Auskopplung "Q1", deren Entstehung auf das erste Quartal des vergangenen Jahres zurückzudatieren ist, scheint angesichts der Entwicklungen der angesprochenen Themen jedoch noch ungebrochen aktuell. Es geht um die AFD, Beatrix von Storch und Alexander Gauland, um Brandanschläge, Grenzschließungen und Obergrenzen. Dabei blitzt immer wieder latente Aggressivität in ihrer Stimme durch, die von Hi-Hats in der Hooks angestachelt wird. Man merkt, dass Sookee Neues ausprobieren möchte und dass hier noch einiges gehen wird. Mit "Queere Tiere" folgt schon sofort die nächste Vorab-Single, ein biologisch fundiertes Pamphlet gegen naturalistisch argumentierende Homophobie. Mit Verweisen auf die Tierwelt wird die alte Rechtfertigung, in der Natur sei Heterosexualität schließlich auch normal, da es in der Hauptsache doch rein um die Fortpflanzung und den Erhalt der Art gehe, auseinander genommen. Während eine humoristische Line nach der anderen gekickt wird, lebt auch der Beat von Fröhlichkeit und Unbeschwertheit. Mit Verschwörungstheorien rund um Chemtrails und die BRD GmbH wendet sich dann auch "Bilderbücher Konferenz" mit einer guten Portion Ironie einem aktuellen politischen Gegenstand zu. Hier muss sich die Rapperin, die sonst stets für Dialog und Verständigung eintritt, jedoch den Vorwurf gefallen lassen, dass eine Veränderung der Ansichten der besprochenen Personengruppe sicherlich nicht dadurch befördert wird, wenn sich über sie lustig gemacht wird.
    Neben dem "Kontrollverlust", dem wohl tanzbarsten und musikalisch progressivsten Song der Scheibe, kann auch "Who Cares" mit einem hingegen eher sublimeren Humor punkten. Hier reiten Sookee und Charlotte Brandi, Sängerin der Berliner Band "Me and My Drummer", die dem Lied mit ihrem kindlichen Gesang in der Hook eine unverkennbare Note hinzufügt, als "militante Hausfrauen", die sich weigern, weiterhin alleine zu kochen, zu putzen, abzuspülen und stattdessen aus Protest lieber inmitten des so entstandenen Schmutzes "Skulpturen aus […] Aschenbechertassenschimmel" formen, auf ihren Besen davon.


    In der Tierwelt wimmelt es nur so von Homos und Trans*/
    Delphinweibchen wissen, was 'ne Flosse so kann/
    Walmännchen reiben ihre Prengel, weil es schön ist/
    Nicht zu fassen, dass Menschen dagegen so blöd sind/
    Der halbe Meeresgrund ist inter* oder wechselt sein Geschlecht/
    FTM, MTF, nicht binär, alles echt/

    (Sookee auf "Queere Tiere")


    Doch wie der Titel der Platte bereits suggeriert, geht es auch um weniger lebhafte Themen. So rechnet "SSRI", was eine Untergruppe von Antidepressiva bezeichnet, mit gängigen Behandlungspraxen in Psychiatrien ab. Dabei werden Fragen wie "Was ist die Alternative zur Psychiatrie?" und "Wenn es Heilung nicht ist/ Ist es der Tod?" gestellt und Kritik an der Leistungs- und Verwertbarkeitsideologie zur Bewertung von Menschen geübt. Ein verwandtes und wohl noch kontroverseres sowie gleichzeitig sehr spannendes Thema behandelt der Song "Absurdität", welcher stark an den philosophischen Existenzialismus eines Jean-Paul Sartres oder Albert Camus' erinnert. An ein junges Kind adressiert, wird hier zu einem ruhigen Beat die Unmöglichkeit, den Beginn des Lebens selbst mitzubestimmen, reflektiert und das sinnlose Leiden in der Welt, von Camus als das Absurde benannt, berappt. "You Only Die Once" schlägt schließlich in eine ähnliche Kerbe, soll die Jugend und das Leben mitsamt all den Qualen, Enttäuschungen, leeren Versprechungen und unerfüllten Erwartungen hier überwunden werden. Denn "Unendlichkeit kann doch niemand wollen". Nicht zuletzt die Cuts in der Hook der Feature-Part von grim104 sorgt allerdings für etwas mehr Augenzwinkern auf dieser Anspielstation.

    Man hat dich ungefragt in diese Welt gebracht/
    Nur weil da welche Bock hatten auf Elternschaft/
    Du bist gezwungen, zu atmen/
    Willst nur noch schlafen/

    (Sookee auf "Absurdität")


    Dass auf "Mortem & Makeup" der theoretische Ballast zugunsten von Storytelling und einer verständlicheren Perspektive, in die sich die Hörenden besser einfühlen können, abgeworfen werden soll, wird vor allem auf zwei Songs, welche jeweils aus der Sicht eines Kindes beziehungsweise Jugendlichen geschrieben sind, deutlich. Die "Hüpfburg" wird durch Sookee zum Symbol der Diskrepanz kindlicher Unschuld und menschenverachtender, faschistischer Ideologie, zwei Denkweisen, die sich allerdings auf dem aufblasbaren Spielgerät begegnen, wenn dieses zur Belustigung des Nachwuchses auf dem Fest einer rechtextremistischen Partei aufgestellt wurde. Auch hier wird ein Thema aufgegriffen, dessen Bedeutung nicht zu unterschätzen ist, welches jedoch aufgrund der Abschirmung von Kindern gegen gewisse Investigationen diskursiv in der Öffentlichkeit nicht sehr präsent ist. "Hurensohn" dreht sich um die Beziehung des Sohnes einer Sexarbeiterin zu seiner Mutter, womit erneut ein in der feministischen Szene aktuell vieldiskutierter Gegenstand aufgegriffen wird. Während diese Beziehung von einer liebevollen Fürsorge, von Verständnis und gegenseitiger Verehrung geprägt ist, wurde der Titel witzigerweise auf einer großen amerikanischen Multimedia-Handelsplattform zensiert veröffentlicht, obwohl der Text doch vielmehr den Gegenentwurf zur im HipHop gängigen Verwendungsweise jenes Begriffs bildet.
    Auf "Schrank" versetzt sich Sookee erneut in die Perspektive jemandes anderen, wenn ein Mann sich in einen anderen Mann verliebt, doch sich so sehr sorgt, "dass man ihm es ansieht/ Die Gedanken wer rauskriegt" und schließlich resigniert, ohne sich seine Wünsche und Begehren erfüllen zu können. In Begleitung des Chor-Samples eines atmosphärischen Instrumentals behandelt Sookee wohl eines ihrer traditionellen Kernthemen, zeichnet dabei doch den gesellschaftlichen heteronormativen Druck vielleicht etwas zu drastisch, als er real existiert. Schließlich ist "Die Freundin von" ein weiteres Highlight des Albums, auf dem sich die Berlinerin an ihre Jugendtage erinnert, in denen sie unter Gruppenzwang und dem Wunsch, dazuzugehören litt, ihre vermeintlichen Freundinnen und Freunde sie jedoch schlecht behandelten. Soziale Hierarchien, Machtverhältnisse und der Wunsch nach Integration werden hier eben nicht theoretisch und komplex verhandelt, sondern lebensnah und anschaulich im persönlichen Mikrokosmos der Künstlerin dargestellt.


    Die Kids in seiner Klasse gucken Internetpornos/
    Deren Eltern halten ihn für verdorben/
    Wenn er morgens aufsteht, ist sie noch wach/
    Macht Frühstück, sagt ihm, wie lieb sie ihn hat/

    (Sookee auf "Hurensohn")


    Auch musikalisch hebt sich "Mortem & Makeup" von seinen Vorgängerprojekten ab. Die Beats harmonieren stärker mit den Texten und vermögen stets die passende Stimmung zu kreieren. Dabei wurde mehr Wert als früher auf die hier sauber ausgearbeiteten Produktionen gelegt, für die sich hier LejiOne, Riffsn, Danger Dan, Majus Beats und Beat 2.0 verantwortlich zeigen und welche Sookee öfters mal zum Singen bewegen und nur noch selten auf einem technisch anspruchsvollen Level gespittete Bars provozieren. Die damit einhergehende Wandlung hin zu mehr Storytelling, welche mitnichten an der Tiefe der Texte zu rütteln vermag, wird allerdings sicherlich nicht jedem Fan der ersten Stunde gefallen, finden Anhängerinnen und Anhänger der Quing of Berlin doch nicht selten Gefallen daran, in die theoretischen Reflexionen und rhetorisch hochtrabenden Diskussionen einzusteigen. Denn welcher Deutschrapperin wird schließlich schon bei einem Song gegen Machoattitüden ("If I Had A") vorgeworfen, sie stigmatisiere Trans-Frauen, wenn sie die Cisgender-Identität zur Norm erhebt?


    Fazit:
    Sookee ist mittlerweile Berufsmusikerin, hat sich als Künstlerin auch außerhalb von subkulturellen Nischen etabliert und versucht, auch neuen Publikumsgruppen zu erreichen. Während sie weiterhin politischen Rap machen und ihren Wurzeln verhaftet bleiben möchte, hat sie sich dennoch vorgenommen, dabei weniger belehrend zu wirken und sich in der Herangehensweise der Behandlung ihrer Songthemen ein kleines bisschen neu zu erfinden. Das Rezept für ist voll aufgegangen! Sie wirkt ruhiger und ausgeglichener, weniger aggressiv und auf Konfrontation getrimmt, nähert sich auf "Mortem & Makeup" verschiedenen Problemen und Thematiken aus unterschiedlichen Perspektiven und verliert thematisch nicht an Tiefe. Während die Scheibe inhaltlich breiter gefächert ist als frühere Releases, kann die Musikerin vor allem mit auf den Beat gepackte Empathie und mehr Musikalität als zuvor überzeugen. So zeigt uns die Vorreiterin ihrer Szene auf ein Neues, dass Rap ein passendes Medium für Feminismus, aber auch für viele andere spannende und aktuelle politische und soziale Themen ist. Und wir können gespannt werden, wie die Entwicklung einer Künstlerin, die nicht auf der Stelle treten möchte, weitergehen wird.



    Maximilian Lippert



    [redbew]2223[/redbew]





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    Hallo, stell dir vor, du hast Krebs! Was tust du? Du holst dir eine zweite Meinung. Möglichst von jemand Kompetenten, der aber mit der Sache bislang nichts zu tun hatte. Mein geschätzter Kollege KDePa, den ich leider nicht so gut kenne, weil er in dem anderen der r.in-Zwillingstürmen sitzt, hat eine Review zu Sookees neuem Album "Mortem & Makeup" geschrieben, die ausgesprochen gelungen ist, deren hohe Bewertung in der Redaktion aber durchaus umstritten ist. Dementsprechend wurde ich gebeten, das gute Stück einer Zweitbegutachtung zu unterziehen. Sookee war mir bislang übrigens unbekannt, sogenannten "Zeckenrap" höre ich aber gerne, vor allem natürlich den meiner Meinung nach besten deutschsprachigen Rapper grim104 (so sorry, Chakuza), der hier hier sogar als Gast am Start ist. Ich muss gestehen, dass ich zunächst annahm, Sookee sei identisch mit dieser Person hier:



    Dieses Unwissen beziehungsweise diese Unvorbelastetheit, verbunden mit dem fehlenden Druck, eine umfassende Review machen zu müssen (das hat der Kollege ja schon getan) wollen wir nutzen, um unschuldig und objektiv an die Sache heranzugehen. Das Cover ist dabei normalerweise ein guter Start, hier aber nicht. Sieht aus wie My-Chemical-Romance-Fanart, circa 2005. Der Titel wirkt auch etwas prätentiös: "Mortem & Makeup" spielt offensichtlich darauf an, dass sie eine Frau ist (Makeup) – aber "mortem"? Wirkt, als wolle jemand ganz sichergehen, dass jedermann kapiert, dass hier deepe Thementexte zu erwarten sind.
    Wenden wir uns den Songs selbst zu: Bei "Q1", ebenfalls erste Single, fällt zunächst vor allem der Beat auf. Verzerrte basslastige Melodie, die sich durch den Song zieht und zusammen mit sporadischen Hi-Hats und Synthiebögen in ihrer Komplexität richtig gut funktioniert. Problem: Dem dicken Brett muss man stimmlich erst mal Herr werden. Sobald Sookees Stimme einsetzt, merkt man: Technisch kann sie das vielleicht sogar, ihre stimmliche Präsenz reicht für einen solchen Beat aber schlicht nicht aus. Hört sich an wie: VBT-Durchschnittsdepp besorgt sich ordentlichen Beat und nimmt dann im Hobbyraum auf. Aber hey, technisch ist das gar nicht so schlecht, mit etwas mehr Druck in der Stimme würde das funktionieren. Und was will sie uns erzählen?


    Eure Tortendiagramme sollten in der Storch ihr Gesicht landen/
    Die AfD ist zweistellig, würd' doch bloß einer 'nen Witz machen

    (Sookee auf "Q1")


    Steinbach bleibt Steinbach/
    Und Blaukraut bleibt Blaukraut

    (Sookee auf "Q1")


    Okay, fuck, das muss doch ein Ausreißer sein. Neverever kann die das auf der ganzen Scheibe so durchziehen. Mutig, als erste Single eine Persiflage zu wählen, aber kann man machen. Ich frage mich gerade, ob Sookee vielleicht in Wirklichkeit Kalkofe ist, als diese Buchstabenketten vor meinem inneren Auge vorbeiziehen:


    In ein paar Jahrzehnten ist diese Scheiße vorbei/
    Vollgekackte Windeln auf dem Schreibtisch sind lehrreich/
    Vielleicht mündet das Ganze in 'nem Gebährstreik/
    Muahahaha, lacht nur drüber

    (Sookee auf "Who Cares")


    Flamingos, Geier, Störche und Möwen/
    Es gibt viele Tiere, die gern feiern und vögeln

    (Sookee auf "Queere Tiere")


    Er ist kitzelig unter der Fußsohle/
    Er scheut niemals eine Mutprobe/
    Überwindet den tiefsten Abgrund/
    Scharfe Sinne so wie ein Wachhund

    (Sookee auf "Hurensohn")


    Welche Realität darf es denn sein/
    Der Kittel ist weiß und die Frage zu klein/
    Was ist die Alternative zur Psychiatrie?

    (Sookee auf "SSRI")


    Sie trägt gern einen freshen Hijab/
    ganz viel Glitzer, ganz viel lila

    (Sookee auf "SSRI")


    Kurz gegooglet: Die hat studiert? Jemand, dessen Muttersprache Deutsch ist, schreibt solche Texte? Das Großartige an "Queere Tiere" ist – und das erkennt Sookee nicht – , dass ihre Argumentation genauso naturalistisch ist wie die, die sie kritisiert. Denn dem Geficke von irgendwelchen Viechern das Geficke von Bonobos gegenüberzustellen, versetzt einen nur in quantitative Unterlegenheit (da deutlich mehr Tiere #nohomo sind) und hebt die Argumentation nicht auf eine andere Ebene, sondern dient lediglich als Replik auf Kindergarten-Niveau. Wie viel Mate muss man tanken, um zu denken, dass ein Thema wie psychiatrische Behandlung, mit dem ganzen Rattenschwanz, der daran hängt (Beziehung Psychatrie/ Psychologie, Verhaltenstherapie als faktische Maßregelung, medikamentöse Einstellung von Jugendlichen, etc. pp.) mit geistreicher Lyrik wie "Lange Flure/ Anfang suchen/ Ende finden" wirklich behandelt werden kann, ja sogar einen ernsthaften Denkanstoß entwickeln könnte? Diese angestrengte Dümmlichkeit zieht sich wie der rote Faden eines Tampons durch das Album, das es unterhalb der ganz großen Themen (Geschlechtergerechtigkeit in "Who Cares", Homosexualität in "Queere Tiere" und "Der Schrank", Prostitution der Mutter in "Hurensohn", Rechtsrock in "Hüpfburg", Frauenbild in "Die Freundin von") nicht macht. Ein anstrengender Parforce-Ritt durch die Welt eines Ersti-Asta-Referenten für Genderfragen einer ostdeutschen FH (höha, schnella, Mittweida!) oder eines VdK-Ortsvorsitzenden in einem versnobten Hamburger Vorort. Ob Sookee wohl auch einen normalen Tag hat? Frühstück, Arbeit, ÖPNV, Kacken? Oder besteht ihr Leben wirklich aus einer Aneinanderreihung von gefühlten Ungerechtigkeiten? Und dreht sich jeder ihrer Gedanken nur um solche Sozialthemen?
    Die gute Nachricht ist, dass sich dabei der Eindruck verstetigt, dass Sookee tatsächlich keine so schlechte Rapperin ist, wie es ihr leidenschaftsloser Umgang mit Sprache vermuten ließe. Aber schade, dass Instrumentarium und MC so wenig kompatibel sind: Wie schon im Opener kann die Rapperin in "Hurensohn" mit der Komplexität des relativ breiten und variablen Sounds wenig anfangen und rettet sich eher durch den Song, statt mit ihm zu spielen. "SSRI" versucht durch düstere Beats und Bläser Dringlichkeit zu vermitteln, Sookee geht in der Kakophonie aber verloren, was auch daran liegt, dass sie mit exakt einer Stimm- und Tonlage arbeitet – das funktionierte für Morlockk Dilemma meist schon nicht. Was Sookee allerdings kann, das ist Tempo, und das ist eigentlich die Kür für jeden MC. Zwar quält in "Kontrollverlust" erneut die Spencereske Überinstrumentierung, die wirklich nicht einfach zu beherrschenden Tempiwechsel meistert sie aber mit Bravour. Diese Fähigkeit geht zu oft unter, rettet das Album jedoch aus technischer Sicht in den Durchschnitt, da Sookee so in Songs wie "Die Freundin", "Ruhe" und "Bilderbücher Konferenz" eine Art Flow gelingt, trotz der stimmlichen Monotonie und der oftmals unnötig gebrochenen Produktion: Jeder einzelne dieser Songs täte gut daran, einen Haken weniger zu schlagen, einmal öfter die einfache Route zu nehmen, eine Strophe auszulassen oder keine so starke Zäsur zur Strophe herzustellen. Die übermäßig komplexe Struktur der meisten Songs kommt Sookee als MC nicht zugute, wirkt gewollt und genug vernünftige Soundideen waren dafür auch nicht vorhanden, so dass in eigentlich jedem Song eine eher schwache Passage hängenbleibt.
    An den Reglern saßen größtenteils LeijiONE und Riffsn, letzterer einer der fürchterlichen Nervensägen von Grossstadtgeflüster, ersterer Mitglied der ebenfalls kaum auszuhaltenden TickTickBoom und Produzent schwächerer "Zeckenrapper" wie Neonschwarz. Macht einen beim Lesen jetzt nicht feucht, immerhin zeigen sich die beiden bemüht, etwas Abwechslung zu schaffen. Ein Überkracher gelingt ihnen dabei nicht, Totalausfälle gibt es aus Produzentensicht aber auch nicht zu verzeichnen. Das Problem der mangelnden Abstimmung mit der MC ist umso bedauerlicher, als dass die beiden offenkundig aus ihrer Ecke kommen und hier mehr als eine distanzierte Auftragsarbeit zu vermuten ist. Wie es anders ginge, zeigt der nicht nur wegen grim104 stärkste, wenngleich dämlich benannte, Track "You only die once": Beat, Sample, fertig das Ding. Sookee fühlt sich hier merklich wohl und kann einfach mal rappen, das klappt dann auch ganz gut.


    Fazit:
    Warum sollte man sich das anhören beziehungsweise wer hört sich das an? Also, angenommen ich bin so sorgenfrei linksliberal wie Sookee, bleibe dabei aber aus irgendeinem Grund total oberflächlich und suche nach zu mir passender Musik: Kaufe ich dann Sookees Musik, weil sie mich ständig bestätigt? Läuft das so? Wie ist das mit Fernsehen und Zeitschriften bei diesen Leuten? Konsumiert man dann nur innerhalb seiner kleinen beschränkten Welt, aber bitte fein säuberlich außerhalb des Ringrandes, in dem ein echter Sachdiskurs stattfindet? Stelle mir ein Sookee-Konzert sehr, sehr homogen vor. Jeder gewollt unterschiedlich, aber alle landen dann doch bei ein paar Tattoos irgendwo und einem Job im Umfeld des öffentlichen Diensts wie die MC übrigens auch (Lehrerin und Doktorandin). Technisch gibt es tausend schlechtere Rapper als Sookee, ebenso viele bessere aber auch. Produktion ist auf jeden Fall okay, wenn auch ohne Kohärenz. Aber was hier wirklich fehlt, das ist die Liebe. Sookee hakt hier Gender, Homohate und irgendwas mit Tierleiden wie auf einer Checkliste ab, statt authentisch für eine Sache einzutreten oder Überzeugungsarbeit zu leisten; jedes einzelne dieser Themen würde doch problemlos ein eigenes Album mit vertiefter Betrachtung rechtfertigen. Ich wage, zu sagen: Es wirkt wie eine Verkaufsmasche von jemandem, der den echten Diskurs, dort wo er wirklich ausgetragen wird, zum Beispiel in der Politik, scheuen muss, da nur Rapfans dumm genug sind, ihm diesen aufgewärmten Brei in dieser Form abzunehmen.



    Franz Xaver Mauerer


    [redbew]2232[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2232[/reframe]

  • Hätte echt nicht mit zwei Reviews gerechnet, muss mich aber ganz klar Franz anschließen.


    Text und Sound ist bei allen Tracks viel zu simpel, um mit den komplexen Themen, die sie versucht anzuprechen, mitzuhalten.

  • gott sei dank die 2. review. 5/6 mics ist schon hart peinlich.
    hab heute auf dem weg in die arbeit "Hüpfburg" im radio gehört. klingt so nach Sabrina Setlur zeit, also ihre art zu rappen ist einige jahre zu spät. das soundbild fand ich nicht gut, ihre stimme viel zu dünn, doppels viel zu laut (obwohl ohne die, würde sie wahrscheinlich wie ne 12-jährige klingen). inhaltlich vielleicht ok, aber textlich einfach schlecht. Also wortwahl, formulierungen etc.
    hab mal bissl reingehört, finde fast die bewertung der 2. review noch zu gut.


    grundsätzlich hat sie sicher eine gute einstellung und gute themen, aber die umsetzung und ihr rap sind soooo schlecht. gibt doch echt ganz ordentliche rapperinnen heutzutage, da braucht es sookee sicher nicht.


    natürlich entspricht das alles meiner meinung und kann zu anderen meinungen abweichen. auch wenn ich diese nicht nachvollziehen kann ;p

  • finde beide reviews irgendwie komisch


    die erste stellt ein bestenfalls mittelmäßiges album als album des jahres dar, in der zweiten sind mehr textbeispiele als cuts im achtel von spliff. bewertung der zweiten review aber in etwa treffend, würde ich meinen.

    nach intensiver Selbstbeobachtung glaube ich außerdem, dass ich schwul oder zumindest bi bin



    khabas therapieren mein mobile phone

  • Hätte wohl 3,5 Sterne gegeben. Da ich grade das neue Yasmo und die Klangkantinen Album, von Anfang Januar, im Loop höre brauche ich momentan keine anderen Female Rap. Yasmo ist Lyrisch einfach viel hochwertiger und abwechslungsreicher. Klassische Studentenrap, aber ich bin ja auch Student also passt das. Sookees Beats kommen gegen die Bläser der Klangkantine auch nicht an... Kein Beat dabei der mir wirklich gefällt. Also an alle: checkt mal lieber Yasmo aus....

    +They always expect the Monster. And It's always just some bloke.
    There ain't no monsters. There's no great saving grace.
    No us and them. There's just us. - Hellblazer+

  • brauche ich momentan keine anderen Female Rap.


    Ich bin überrascht das von dir zu lesen. Nicht-männlich zu sein ist kein Genre. Hoffentlich verschwindet dieser bescheuerte Ausdruck inkl. Denkweise endlich... es is schon 10fach überfällig.


    Zum Album: nicht gehört und daher keine Meinung

  • Ich bin überrascht das von dir zu lesen. Nicht-männlich zu sein ist kein Genre. Hoffentlich verschwindet dieser bescheuerte Ausdruck inkl. Denkweise endlich... es is schon 10fach überfällig.


    Ja, was erwartest du denn? Gibt doch auch hierzulande genug Rapperinnen, die sich bewusst als "rappende Frau" darstellen und das nicht unbedingt weil sie irgendwelche Genderthemen oder so ansprechen (da kann ichs noch so halb nachvollziehen), sondern oft um sich bisschen vom allgemeinen Rapgame abzusondern/sich selbst ein wenig zu verstecken und dadurch besonderer zu wirken, "weil für einen Female MC ist das echt gut". Zum Glück gibt es da noch Künstlerinnen wie Haiyti oder international Young M.A, Princess Nokia, 070 Shake oder eigentlich auch Nicki, die sich einfach hinstellen und stark rappen. Wenn ich die höre, denk ich auch gar nicht groß darüber nach, dass das jetzt ne rappende Frau und kein Kerl ist.


    Natürlich könnten die Hörer das auch besser handhaben und mal erkennen, dass es so einen Unterschied gar nicht geben muss, will nur sagen, dass das gerade im Deutschrap von vielen Künstlerinnen zusätzlich gefördert wird.


  • Natürlich könnten die Hörer das auch besser handhaben und mal erkennen, dass es so einen Unterschied gar nicht geben muss, will nur sagen, dass das gerade im Deutschrap von vielen Künstlerinnen zusätzlich gefördert wird.


    Wenn dem so ist (mir fällt grad konkret nichts dazu ein, aber hatte den Eindruck auch schon ab und an) dann darf man in meinen Augen die Künstler auch gern kritisieren. Falls (!) eine Rapperin einen Bonus aufgrund ihres Geschlechts erwartet, soll sie sich direkt bitte wieder einbuddeln.


    'Female' ist aber trotzdem keine Genrebezeichnung. Wenn eine Künstlerin das selber tut ist es genau so absurd.

  • Ich bin überrascht das von dir zu lesen. Nicht-männlich zu sein ist kein Genre. Hoffentlich verschwindet dieser bescheuerte Ausdruck inkl. Denkweise endlich... es is schon 10fach überfällig.


    Zum Album: nicht gehört und daher keine Meinung


    Es geht mir nicht um ein Genre sondern ehr darum das ich momentan eh kaum Rap höre und in den 1 zwei Alben die ich aktuell höre gerne ein wenig Vielfalt habe. Und weibliche Stimmen klingen nun mal anders als männliche. Natürlich gibt es auch innerhalb eines geschlechts viele Unterschiede aber Trotzdem. Ich winde es nicht wirklich verwerflich das Geschlecht da zu zu sagen, mache ich bei Gesang auch, ganz einfach weil ich persönlich bestimmten Gesang lieber mag... Für mich ist male/ female da nichts anderes als tief/ dunkel. Du solltest Leuten nicht nur weil sie ein bestimmtes wort benutzen gleich eine bestimmte Denkweise unterstellen.


    Ganz Geschlechts unabhängig klingt Sookee finde ich einfach an vielen Stellen zu bemüht.

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    There ain't no monsters. There's no great saving grace.
    No us and them. There's just us. - Hellblazer+

  • Du solltest Leuten nicht nur weil sie ein bestimmtes wort benutzen gleich eine bestimmte Denkweise unterstellen.


    Ich habe weder dir noch sonst irgendwem mit dem kleinen Hinweis etwas unterstellt.


    Mal nebenbei kann man ja mal Sookee mit Nicki Minaj vergleichen. Beides Frauen... Gemeinsamkeit = 0.
    Und zu hell und dunkel... Leute wie Kendrick lamaar oder young thug klingen auch oft sehr feminin usw usf (keine Notwendigkeit jetzt hier ne Auflistung an Ausnahmen aufzustellen).
    Das Geschlecht eines Rappers/Sängers anzumerken ist ja ok bzw. so zu tun als gäbe es keine Unterschiede wäre hochgradig bescheuert... aber ich sags nun zum dritten Mal (dann reichts auch): 'Female' ist keine Musikrichtung.

  • Wenn dem so ist (mir fällt grad konkret nichts dazu ein, aber hatte den Eindruck auch schon ab und an) dann darf man in meinen Augen die Künstler auch gern kritisieren. Falls (!) eine Rapperin einen Bonus aufgrund ihres Geschlechts erwartet, soll sie sich direkt bitte wieder einbuddeln.


    'Female' ist aber trotzdem keine Genrebezeichnung. Wenn eine Künstlerin das selber tut ist es genau so absurd.


    naja, also ein Mann der wie Sookee rappt, hätte niemals die Chance auch nur annähernd die Reichweite wie sie zu haben. Der hätte hier auf Rappers.in 2 Votes, die nicht besonders hoch ausfallen würden und niemand würde ein Lied ein zweites mal anhören. Finde es schon legitim, da zu unterscheiden.


    Edit: ich sage auch, Frauenrap gefällt mir nicht so. Es gibt halt in Deutschland Haiyti für mich und ansonsten gibt es da nichts was mir gefällt.
    Bei Männern schaut das anders aus, ich frage mich, welchen Grund es geben sollte, dass nicht zu unterscheiden. Eine Frauenstimme klingt nun mal anders und gefällt mir im Rap nur sehr selten.

  • Finde die Auskopplungen gar nicht so wack... "Queere Tiere" ist doch in Ordnung?
    Nicht unbedingt Musik, die ich mir dauernd geben würde, aber textlich immer noch besser als der 999. Straßenrapper mit den immer gleichen "Fick den Staat und die Polizei"-Texten (und das im wohlhabenden Deutschland lul).
    Klanglich dann doch eher Geschmackssache, finde ich.
    Über die Ansichten kann man natürlich diskutieren, ob das alles so stimmt? Naja...


    Hätte wohl 3,5 Sterne gegeben. Da ich grade das neue Yasmo und die Klangkantinen Album, von Anfang Januar, im Loop höre brauche ich momentan keine anderen Female Rap. Yasmo ist Lyrisch einfach viel hochwertiger und abwechslungsreicher. Klassische Studentenrap, aber ich bin ja auch Student also passt das. Sookees Beats kommen gegen die Bläser der Klangkantine auch nicht an... Kein Beat dabei der mir wirklich gefällt. Also an alle: checkt mal lieber Yasmo aus....


    Direkt ma reingehört... Sheet, guter Stuff!! :)
    Danke für den Tipp... "Eigentlich kein Hip Hop" fängt erst ma mit 'nem Umse-Sample an... <3


    Bezüglich Frauenrap kann ich nur sagen: Bitte mehr davon. Ein paar gute sind doch bereits im Biz unterwegs.

  • Puh, hab mal reingehört, aber echt nichts was mich auch nur irgendwie packt. Review 2 ist zwar komisch aufgebaut, gehe aber wohl mit der Wertung konform.

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