Review: Figub Brazlevic – Ersatzverkehr



  • 01. Jazz auf gleich – Eloquent
    02. Dicke Hipster – Fatoni
    03. Catch the beat – Man Of Booom
    04. Medusa – Bico
    05. Hochhinein – Junior Jero
    06. Mehr von dir – Döll
    07. Clowns & Camera – Keno & Maniac
    08. Glitch – Moontroop
    09. Streben nach Glück – Shawn The Savage Kid
    10. So sorry – Kamp
    11. Engelsstaub – Mortis
    12. Kung Foo – Dillon Cooper
    13. Du kiffst zu viel – Marten Mcfly
    14. Mula 4 Life/ Husten – Sonne Ra & Plusmacher
    15. Anonymer Kommentar/ Suburbane Erotik – Rino Mandigo
    16. Walking Dead – Schote
    17. Märchenrapper – Schwesta Ewa feat. SSIO
    18. Ruhe – Imun
    19. Frühstück – Tufu


    SSIO, Karate Andi, Celo & Abdi, Schwesta Ewa, Chefket – und die Liste geht noch ewig weiter. Eine ganz ansehnliche Menge von mehr oder weniger bekannten Leuten der Rapszene durften mittlerweile den Produktionen von Figub Brazlevic ihren Stempel aufdrücken. Als der Wahl-Berliner sich nun aufmachte, seine eigene Platte zu releasen, war das keinesfalls der Versuch, die eigene Rap-Technik auf Albumlänge zu präsentieren. Figub Brazlevic hat ganz andere Ziele: 24 Rapper auf einem Tonträger zu versammeln. Und das Ganze dann möglichst nicht zu einem zusammengeschmissenen Wirrwarr verkommen lassen, sondern einen einheitlichen Sound zu bilden. Das Resultat ist die 19 Tracks starke LP "Ersatzverkehr", das neueste Release von Showdown Records. Dabei handelt es sich ausschließlich um Remixes von längst erschienen Produktionen, an denen Figub mitgewirkt hat.


    Ob dieses Experiment wohl funktioniert hat, ist hier gar nicht die große Frage. Von einem Produzenten des Kalibers Figub Brazlevic, der schon für viele namhafte Künstler Beats gebastelt hat, erwartet man das beinahe schon. Doch wie wirken bekannte Tracks in diesem völlig neuen Klanggewand? Diese Frage ist viel eher zu stellen bei "Ersatzverkehr". Alle 19 Titel spielen sich im gewohnten Stil des Wahl-Berliners ab – Produktionen, die in ihrem Sound allesamt nur eine Spanne von Jazzfunk bis Soul abdecken, bilden ein mehr als stimmiges Gesamtbild. Alles lockerleicht gehalten, smooth, ohne wirklichen Druck, berappt von den dazu perfekt passenden MCs. Das, was man von Figub Brazlevic eben kennt und mag. Toll produzierte Instrumentals, die diesen funkigen Sound zeigen, der viele Rapper bereits perfekt in Szene zu setzen wusste. Das ist alles so aalglatt und klingt rund, da gibt es kaum Ecken und Kanten. Und das ist exakt das Problem der Platte. Spätestens ab der Hälfte des Albums merkt man, wie langsam alle Produktionen zu einer homogenen Masse werden, die man lediglich an der Stimmfarbe der Rapper zu unterscheiden weiß. Von den Instrumentals her weiß man nicht mehr zu reflektieren, welche Untermalung zu welchem Titel passt, wenn einfach alle 19 Anspielstationen mit dem gleichen, sommerähnlichen Sound spielen, der meist noch begleitet wird von seichten Trompeten und einer leisen Snare, alternativ von einem sanften Frauenchor. Die Rapper präsentieren sich ähnlich wie der Sound – alles recht fröhlich gehalten, nur nicht unnötig anecken. Wenn mir Imun seine Definition von "Ruhe" in 32 Zeilen erklärt, dann ist das definitiv eine gute Leistung – nur eben nichts, was mich wirklich flasht. Natürlich ist das nicht zu verallgemeinern. Durchaus gibt es MCs auf der Platte, die auch ernstere Töne anschlagen können. So macht es beispielsweise Showdown Records-Kollege Mortis, der auf "Engelsstaub" einige seiner Probleme darstellt.


    "Viel zu wenig Raum zum Zusammenleben/
    Zu paranoid, um raus in die Stadt zu gehen/
    Nur Hass und Elend, Frauen in Lack und Leder/
    Aus den Autos kommt Haftbefehl – keine Frau, keine Probleme/
    "
    (Mortis auf "Engelsstaub")


    Dabei hat das Projekt so viel Potenzial. Wer nur auf die Tracklist schaut, sieht mehr als genug bekannte Namen vertreten. So bekommt beispielsweise Fatoni einen neuen Beat, während er über das Phänomen "Hipster" spricht. So Unrecht hat er auch nicht mit der Behauptung, es gäbe keine "dicken Hipster". Da passt ja auch die Röhrenjeans nicht zu. Bereits im Original ist die Auskopplung durch die charmante Ehrlichkeit im Text von Fatoni zum Aushängeschild seiner "DZHAH"-EP geworden – und diese geht auch auf dem neuen Instrumental nicht verloren. So gehört dieser Track eher zu den stärkeren der Remix-Platte. Generell ist die thematische Bandbreite sehr weit gestreut: So spricht Shawn the Savage Kid eher gesellschaftskritische Themen an, denn wir "nehmen, aber geben nichts zurück". Doch während er über den Konsumdrang unserer Gesellschaft und Einbahnstraßenpolitik der mächtigsten Männer der Welt spricht, dudelt im Hintergrund ein chilliges Jazz-Sample, was so gar nicht zum ernsten Textinhalt passt. Das Gesamtbild stimmt einfach überhaupt nicht, ähnlich wie es bei Döll ist, wenn er "mehr von dir" will. Bei dem Song singt eine sanfte Frauenstimme über die Snare, während der MC seiner Traumfrau das Herz ausschüttet und in Worte fasst, was in seiner Sicht die großen Beziehungsprobleme der Karrierefrau von heute sind. Das Ganze ist schön gerappt, das Instrumental weiß zu gefallen – doch Rapper und Beat harmonieren einfach null, schon gar nicht aufgrund der mehr als traurigen Stimmlage von Döll. Wenigstens kann er sich glücklich schätzen, denn er ist auf "Ersatzverkehr" nicht der einzige mit Frauenproblemen. So muss Bico über seinen Kampf mit der "Medusa" sprechen, der Sagengestalt, die jeden, der sie erblickt, zu Stein werden lässt. Er bezieht das Ganze auf eine reale Frau in einem Track, der durch die mystische Atmosphäre extrem dicht und gut erzählt wirkt.


    "Begleitet von Teufeln, behütet von Engeln/
    Mit Visionen von Medusas mystischen Klängen/
    Diese Energie fließt, schafft es, Wüsten zu schwemmen/
    Auf Breiten, auf Graden, auf Wellen und Längen/
    "
    (Bico auf "Medusa")


    Am Ende des Tages gibt es die Traumfrau eben doch nur im Märchen, genau wie das Männerbild des tapferen und mutigen Ritters, der auf einem Ross angeritten kommt ... Zumindest wenn man Schwesta Ewa Glauben schenken darf. Die enthüllt nämlich auf "Märchenrapper" unsere deutsche Straßenrap-Mannschaft als "Fotzen, die schmusen". Und auch sonst wirkt der Track weit weniger zaghaft als die Beiträge aller anderen Rapper, die man bis zu diesem Zeitpunkt auf "Ersatzverkehr" hören konnte. Wenn dann auch noch SSIO als Feature ankommt, wird das Ganze dank des unverkennbaren Flows und seiner Betonung zu einem der besten Tracks der Platte. Den ersten Platz als bester Act auf den 19 Tracks teilen sich die beiden hier mit Schote, dessen Part wunderbar mit dem sich sich langsam aufbauenden Sample von Figub harmoniert. "Walking Dead" beschreibt den tristen Alltag eines Lebens, in dem jeder Tag nach dem gleichen Prinzip aufgebaut ist. Beinahe maschinell bewegt er sich durch diese Welt, ohne Ablenkung oder Begeisterung für die Dinge um sich herum zu dulden. Der Vergleich mit einem lebenden Toten, der in mehr als nur einem Horrorfilm schon als die dumme, untote Masse mit Reduzierung auf den Lebenserhaltungstrieb dargestellt wurde, hinkt hierbei kein bisschen und entpuppt sich auch noch als technisch äußerst versiert. Ähnlich stark bewegt sich Tufu auf seinem Track "Frühstück". Er rappt über einen Beat, der von den schrillen Tönen eines verstimmten Klaviers begleitet wird und ist dabei raptechnisch mehr als solide unterwegs. Was wir zu hören bekommen, ist zwar inhaltlich lediglich ein Battletrack, aber das Acapella wurde in diesem Fall sehr souverän über ein interessant klingendes Sample gelegt. Nur kann eben nicht jeder auf der Platte das hohe Niveau halten, vor allem thematisch. Wenn mir Junior Jero nämlich in "Hochhinein" Fußballvergleiche um die Ohren haut, die ich so auch in einem alten, zerfledderten Witzebuch schon gelesen habe, wird es auch nicht innovativer, als wenn Keno & Maniac von sich selbst meinen, sie wären "real und nicht Realist" ("Clowns & Camera"). Alles so schon einmal gehört, leider.


    Fazit:
    "Ersatzverkehr" ist eine der Platten, die man nach einmaligem Hören für okay befindet und am Ende nie wieder anwirft. Schlecht definitiv nicht und das eigentliche Ziel von Figub Brazlevic, ein stimmiges Remix-Album zu schaffen, scheitert keineswegs an den eigenen Ansprüchen. Durch exakt diese Stimmigkeit fehlt es der Platte leider aber einfach an Spannung und Biss. Den Ecken und Kanten, die einfach jede Platte braucht, um einen zu überzeugen. Zu glattgebügelt, zu lieb, zu korrekt wirkt einfach fast jeder der Tracks, die, für sich alleine betrachtet, natürlich trotzdem alle toll produziert sind. Figub Brazlevic ist bei Weitem kein schlechter Produzent, keinesfalls. Nur fehlt es den Werken einfach an dem Interessanten, dem Flavour, der das ganze einzigartig machen würde. So bleibt Ersatzverkehr leider nur ein durchschnittlicher Longplayer.



    Sven Aumiller (TagTiC)

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  • Sicher gibt es Kritikpunkte für das Tape.


    Aber dass es den Beats an Flavour fehlt...
    Das würde ich so absolut gar nicht sagen.

  • Kann den ersten Kritikpunkt im Fazit zwar nachvzollziehen aber rechtfertigt meiner Meinung nach keine 3 Mics. Hätten schon 4 1/2 sein dürfen.

  • Zitat

    Dabei handelt es sich ausschließlich um Remixes von längst erschienen Produktionen, an denen Figub mitgewirkt hat.


    Versteh ich das irgendwie falsch? Stimmt doch so nicht.



    Ansonsten ist das Album solide. Gut. Hab allerdings auch schon bessere Sachen von Figub gehört.


    Bei ihm hat man aber auch ne andere Erwartungshaltung. Deswegen haut es mich jetzt nicht ganz so krass vom Hocker wie erwartet.
    Ist aber schon n gutes Album.

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