Review: OK KID – Grundlos



  • 01. Borderline
    02. Februar (Kaffee warm 2)
    03. Unterwasserliebe
    04. Grundlos
    05. Zuerst war da ein Beat


    "OK KID, kurz vorm Hit – links abgebogen" – augenzwinkernd präsentiert uns OK KID Phrasen wie diese auf der ersten Anspielstation der neuesten EP. Doch führt man sich die Geschichte der Band vor Augen, so keimen Zweifel auf, ob jene Wortwahl gerechtfertigt ist. Bereits im Jahr 2006 sammelten die Mitglieder der Band erste Erfahrungen in ihrem musikalischen Werdegang als Bestandteil der Gruppe jona:S. Aus dieser sechsköpfigen Konstellation hat sich im Jahr 2012 die aktuelle Besetzung, bestehend aus Raffael Kühle, Moritz Rech und Frontmann Jonas Schubert, herauskristallisiert. Schlag auf Schlag folgten weitere Auftritte, szeneübergreifende Resonanz, ihr über FOUR Music erschienenes Debütalbum "OK KID" und zuletzt die Bekanntgabe der Teilnahme am Bundesvision Song Contest 2014. Bevor sie aber auf bundesweiter Ebene ihr Können unter Beweis stellen müssen, veröffentlichen die drei Wahl-Kölner ihre EP "Grundlos", welche laut Eigenaussage ihr Erstlingswerk veredeln und letztendlich abschließen soll.


    "OK KID, kurz vorm Hit – links abgebogen/
    Hallelujah, immer noch Luft nach oben/
    "
    (OK KID auf "Borderline")


    Es sind solche Zitate, die bittersüß beweisen, dass auch die misslichste Lebenslage in ihren Problemen immer noch etwas Positives bereithalten kann – oder, dass ein Fehltritt manchmal ungeahnte Wege offenbart. Jene Grundgedanken ziehen sich thematisch durch die gesamte Produktion und überraschen mit allerlei Wortwitz und Doppeldeutigkeiten sowie dem gerade dadurch geschaffenen, breit gefächerten Interpretationsspielraum. Ein perfektes Beispiel hierfür findet sich bereits auf dem ersten Song namens "Borderline", in dem die Freiheiten des Übersetzers genutzt werden, um eine Aussage darüber zu tätigen, dass man wohl nie gänzlich vor dem Nichts steht: "Wenn alle Stricke reißen, bleibt die Borderline". Das inhaltliche Spektrum der EP umfasst in diesem Fall Auskopplungen mit der erwähnten "Kopf hoch"-Thematik wie "Borderline" und "Unterwasserliebe" oder auch Titel mit "Carpe diem"-Gedankengängen wie "Grundlos". In ihrem Wesen besonders hervorzuheben sind die restlichen zwei Lieder "Zuerst war da ein Beat" und "Februar (Kaffe warm 2)". Ersteres stellt auf erschreckend schöne Art und Weise, gespickt mit allerlei lyrischen Finessen, den Stellenwert von Musik im Alltag und im Leben an sich dar, wohingegen Zweiteres eine weitere Verbindung zum Debüt herstellt, indem es an den Vorgänger "Kaffee warm" anknüpft. Während der erste Teil noch die selbstzerstörerische Handlungsweise des lyrischen Ichs fokussierte, welches vergeblich an einer Liebe festhalten wollte, legt die Fortsetzung ihr Augenmerk auf den nächsten logischen Schritt: das Loslassen. Hierbei wird sich von allem getrennt, was in der Vergangenheit ein Dorn im Auge war und heutzutage noch alte Wunden aufschürft – speziell der Monat Februar. Neben all den Möglichkeiten zur Deutung der restlichen Lieder sticht vor allem dieser Song in der Gesamtbetrachtung hervor, da die hineingesteckte Persönlichkeit die Kluft zwischen Musiker und Zuhörer schmälert und uns Frontmann Jonas auf einer zwischenmenschlichen Ebene erstmals etwas wirklich näherbringt. Diese fehlende Verbundenheit ist einer der wenigen Kritikpunkte, den die sonstigen Anspielstationen mit sich bringen, welcher mit der gewählt offenen Art und Weise der Formulierung einhergeht. Doch letztendlich liegt es am Geschmack des Hörers, ob er die Beziehung zum Künstler und dessen Geschichten bevorzugt oder ob er den gebotenen, gedanklichen Freiraum genießt, um seine eigenen Bilder malen zu können.


    "Reiß' die Tage aus und im nächsten Jahr/
    28 weniger – endlich nie mehr Februar/
    "
    (OK KID auf "Februar (Kaffee warm 2)")


    Betrachtet man das Klangbild der Produktion abseits von lyrischen und thematischen Schwerpunkten, richtet sich das Augenmerk auf weitere Vorzüge des Werks. Der erwähnenswerteste Pluspunkt ist im Falle von OK KID die Konstellation als Band und nicht als Rap-Formation. Im Endprodukt spiegelt sich diese Aufstellung durch einen gewissen Hang zur Musik wieder. Dabei ist es irrelevant, ob jene Instrumentierung durch vorantreibende Drums ("Grundlos"), ruhige Pianos ("Zuerst war da ein Beat") oder letzten Endes dem Zwiespalt aus fremden, elektronischen und realitätsnahen, natürlichen Klängen geprägt wird. Summa summarum bietet die Gruppierung bei der fast 20-minütigen Spieldauer eine musikalische Untermalung, die sowohl nahtlos an ihr Debüt anknüpft als auch eine gelungene Abwechslung in sich darbietet. Zwar ist die Variation im Vergleich zum Erstlingswerk durch die Mischung einzelner Genres – speziell Pop und Rap – immer noch auf einem ähnlich hohen Level innerhalb der einzelnen Auskopplungen, allerdings lässt gerade diese Ähnlichkeit "Grundlos" passagenweise wie den geplanten Bonus zu "OK KID" wirken, der das Werk gelungen abschließt, aber auch alleinstehend zu überzeugen weiß. Das dargebotene, konstant hohe instrumentale Niveau ist einer der Gründe dafür, dass "Grundlos" problemlos mit anderen radiotauglichen Produktionen mithalten kann, ohne dabei Defizite im musikalischen Tiefgang zu verbuchen. Trotz der beeindruckenden Vielfalt und gelungenen Präsentation des Werks ist es am Ende des Tages Frontmann Jonas, welcher mir eines der wenigen Mankos beschert. Dieser liefert dem Hörer zwar einprägsame Ohrwürmer – auch über die Refrains hinaus – und spielt mit dem Einsatz seiner Stimme, sodass diese atmosphärisch präsent wirkt, jedoch verfällt er gerade in langsameren Sprechpassagen in eine möglicherweise bewusst gewählte Monotonie. Jene stellenweise vorhandene Eintönigkeit – ob gewollt oder ungewollt – schmälert allerdings die vorgetragenen Inhalte und vergrößert somit die Schere zwischen Botschaft und Vortragsweise.


    Fazit:
    Objektiv betrachtet ist OK KID mit "Grundlos" ein großartig produziertes Werk mit nur einer Handvoll überschaubarer Makel gelungen. Vollgepackt mit Material zum Nachdenken, Wortwitz und einer hoffnungsvollen Mentalität, wie sie heutzutage leider viel zu selten ist. Untermalt ist das Ganze mit abwechslungsreichen Melodien, die jede überlieferte Botschaft und jeden noch so faden Beigeschmack zwischen den Zeilen nahezu perfekt in Szene setzen. Diese Faktoren sind derartig präsent, dass ich für meinen Teil gerne über fehlende Künstlernähe und die selten aufkeimende Monotonie hinwegsehen kann. Erinnere ich mich an das Zitat zu Beginn, so bin ich dankbar für den Umweg, den die Band eingeschlagen hat, denn in jedem Fall haben sie die "Luft nach oben" genutzt – aber das wissen sie am Ende ihrer EP vermutlich selbst. Musik kann so schön sein.


    "Aus dem Negativ wird Sepia/
    Schon viel klarer als im letzten Jahr – endlich nie mehr Februar/
    "
    (OK KID auf "Zuerst war da ein Beat")



    Lukas Maier (Maierstro)

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