Beiträge von Kain_I.



    01. Tatooine
    02. Millionen Mal schon
    03. Wir brauchen nur uns
    04. Du träumst wie ich
    05. Fibiameleyalude

    06. Ende feat. Fibi Ameleya
    07. Sie fallen feat. Elif
    08. Herz zurück
    09. Kristallklarer Februar/ Für P.
    10. November
    feat. Tua
    11. Erst seit ich da bin
    12. Menschen


    "Ich hab' versucht, mein Glück auf Sand zu bauen" – mit aufrichtigen Worten begrüßt uns Curse auf seinem neuesten Album, seinem Comeback. Und Hand in Hand mit dieser Ehrlichkeit geht die harte Realität einher, wenn er Revue passieren lässt: "Oder auf Mist – und hab' dann Mist gebaut". Diese Ehrlichkeit ist es, die man an Michael Kurth schätzt und die heutzutage scheinbar immer öfter in Vergessenheit geraten ist. Diese Ehrlichkeit ist es auch, die Fremde Freunde werden lässt, die in Unbekanntem Sympathie erzeugt. Und die aus einem "Für mich" und "Für Dich" ein "Für uns" formt. All das und vermutlich viel mehr soll "Uns" darstellen. Eine Verbindung zwischen Curse und sich selbst. Zwischen ihm und seinem Umfeld. Sowie zwischen dem Künstler und uns, dem Hörer. Und "Uns" beginnt.


    "Wir brauchen nur uns/
    Und vielleicht ein bisschen Mut dabei/
    Die alten Wunden brauchen Luft, damit sie gut verheilen/
    "
    (Curse auf "Wir brauchen nur uns")


    Sechs Jahre gingen nach "Freiheit" ins Land. Sechs Jahre, in und nach denen wohl niemand mit einem Comeback von Curse gerechnet hat – wohl am wenigsten er selbst. Denn immerhin war er es, der nach einer EP im Jahre 2010 bekannt gab, dass "Curse jetzt nicht mehr da ist". Es stimmt, dass alte Wunden Luft brauchen, damit sie gut verheilen. Aber vor allem benötigt der Mensch Zeit, um zu regenerieren, zum Entfalten neuer Ideen und zum Verarbeiten von Eindrücken. Ebenjene Zeit hat sich Mike genommen und legt Lied für Lied Stücke seines Herzens dar. Wenn er den Schlusspunkt hinter seine Vergangenheit setzt, um neu zu beginnen ("Ende"), stellt sich mir zwangsläufig die Frage, warum eigene Abschlüsse immer wieder so schwer fallen. Denn leider ist der in der Theorie so wunderschöne Gedanke "Wenn nichts mehr geht, geh' ich weg von hier" im echten Leben doch so schwer mit sich und seinem Herzen zu vereinbaren. Doch was ist, wenn Entscheidungen des Herzens plötzlich aus dem Bauch heraus getroffen werden und man sich somit von eigens gesetzten Grenzen lossagt? ("Sie fallen") Stopp – kurz innehalten. Die Minuten verstreichen, bevor es weitergeht. Gedankensprung. Was, wenn man sich einfach klarmachen muss, an was denn das eigene Herz wirklich hängt, wem man es bisher geschenkt hat oder wer es denn wirklich verdient? ("Herz zurück") Und was, wenn dieses Herz an einen Menschen gebunden ist, von dem man Abschied nehmen muss? Ihn stützt, auf seinem letzten Weg begleitet und letztendlich doch nur hofft, dass er gut ankommt – wohin auch immer er gehen mag ("Kristallklarer Februar/ Für P.").


    "Ich hör' dir – Augen auf – zu/
    Du sagst, dass du erwartet wirst – gut/
    Du bist nicht allein/
    Bitte komm gut heim/
    "
    (Curse auf "Kristallklarer Februar/ Für P.")


    All diese Fragen keimen unweigerlich auf, bleiben unbeantwortet im Raum stehen und doch gliedern sie sich stimmig in das triste Weltbild dieser Jahreszeit ein. "Uns" ist ein Album für dunkle Zeiten, für Tage, die kürzer werden und für Stimmungen, die ähnlich kalt wie die Temperaturen sind. Für Menschen, die zu Herbstdepressionen neigen und denen Melancholie an Tagen wie diesen kein Fremdwort ist. Und genau dort liegt zeitgleich die größte Stärke und die größte Schwäche des Werks. So vollständig, tadellos und schlichtweg atmosphärisch genial inszeniert "Uns" sich zum Ende des Jahres auch präsentieren mag, so unharmonisch wirkt es in den restlichen Monaten. Genau in der Zeit, in der der Alltag seine Farbe zurückbekommt, erscheint das Album plötzlich so fremd wie die längst verflogene Melancholie. Denn wenn die Herbst- und Wintergedanken in weiter Ferne liegen und das eigene Gemüt in besserer Verfassung ist, dann wirkt "Uns" für mich auf eine abstruse Art und Weise einfach fehl am Platz. Falsch platziert und nur darauf wartend, dass sich die Zeit und vor allem die Stimmung des Hörers wieder in ein nachdenklicheres Bild wandelt.


    "Vielleicht red' ich mich um Kopf und Kragen/
    Wenn das Gefühl wieder ausbricht/
    Doch Hand aufs Herz ging es nicht mehr anders/
    Schweigen ist nur Gold, wenn es uns nicht krank macht/
    "
    (Curse auf "Erst seit ich da bin")


    Wie eh und je versucht Curse auch mit diesem Werk seiner Linie treu zu bleiben. So werden Dinge wie extravagante Flowpassagen, Reimketten oder sonstiger Schnickschnack komplett außer Acht gelassen, um eines zu schaffen: Atmosphäre. Mike fungiert hierbei vielmehr als Sprecher und Erzähler und passt seine ruhige Stimme abwechslungsreichen, sphärischen Instrumentals an. Diese sind, im Gegensatz zu früheren Werken, deutlich mehr auf den lyrischen Epos zugeschnitten und überraschen vor allem dadurch, dass ihnen oft Tempo, aber keinerlei Akzente entzogen wurden. Jene Reduktion der Geschwindigkeit verleiht dem Werk an vielerlei Stellen eine innere Ruhe, ohne dabei Nachdruck oder Sorgfalt einzubüßen. Durch diese entstandene Harmonie bemerkt man erst recht die enge Zusammenarbeit zwischen Curse und dem Produzenten Claud sowie dem Produzententeam Beatgees. Gemeinsam ist ein Werk enstanden, welches nicht nur unheimlich passend auf den Protagonisten, sondern auch auf dessen Gastbeiträge zugeschnitten ist. Besonders hervorzuheben ist hierbei die junge Sängerin Fibi Ameleya, welche sowohl auf "Fibiameleyalude" als auch auf "Ende" schlicht und ergreifend zu begeistern weiß. Einzig der Beitrag des Reutlinger Musikers Tua auf "November" verbleibt als Dorn im Auge. Nicht etwa, weil sein Anteil ungenügend inszeniert wird, sondern eher, weil die schrillere Art und Weise der Präsentation so befremdlich gegenüber dem Rest des Albums erscheint. Auch wenn die dadurch erzeugte Abwechslung definitiv ihre Reize hat, bleibt der Beitrag letztendlich Geschmackssache, die die Hörerschaft spalten kann und in meinem Fall schlichtweg nicht ankommt.


    Fazit:
    Zugegebenermaßen habe ich mich in der Vergangenheit immer schwer mit Werken von Curse getan. Was andere als epochale Meisterstücke titulierten, ist bei mir nur seltenst auf Anklang gestoßen. Doch dieser Künstler ist 2014 Vergangenheit. Mit den Worten "Curse ist jetzt nicht mehr da" legte er 2010 eine scheinbar endgültige Pause ein, doch "Uns" beweist gerne das Gegenteil. Vielleicht ist der Stil nicht mehr derselbe und vielleicht ist es sogar ein ganz neuer Künstler – aber welche Kritik stellt das dar? Menschen entwickeln sich und wer solch eine Auszeit in Anspruch nimmt, um Wunden verheilen zu lassen, kann nun mal nicht unverändert zurückkehren. Für viele mag das neueste Projekt einen Störfaktor darstellen, weil es vergangene Titel in einem anderen Licht erstrahlen lassen wird – aber das haben Fortsetzungen einfach an sich. "Uns" ist einfach anders, doch dadurch noch lange nicht schlecht. Ganz im Gegenteil. Wer sich in die richtige, fast melancholische Atmosphäre hineinfühlen kann, findet etwas Beeindruckendes vor. Etwas schlichtweg Schönes. Und einen passenden Wegbegleiter für die dunklere Jahreszeit – für uns.



    Lukas Maier (Maierstro)

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    [azlink]Curse - Uns[/azlink]


    Zeit. Zeit ist relativ und doch das Einzige, was uns bleibt, was uns zur Verfügung steht und was wir frei gestalten können. Während wir heutzutage verbissen nach den Möglichkeiten suchen, unsere Zeit bestmöglich zu nutzen, um uns selbst zu verwirklichen, hätte zeitgleich alles ganz anders kommen können. Was wäre, wenn man zu einem anderen Zeitpunkt geboren worden wäre? Hätte man andere Freundeskreise? Welche gesellschaftlichen und persönlichen Werte würde man vertreten? Mit welchen Dingen könnte man nichts anfangen und für was würde man einstehen, nur weil man es liebt? Was wäre, wenn wir Einfluss auf all diese Faktoren nehmen könnten, indem wir selbst bestimmten, in welcher Zeit wir aufwachsen würden? Was würden wir sehen wollen? Was würden wir erleben wollen? Und von was wären wir gerne ein Teil gewesen? In der jüngsten Vergangenheit trafen wir uns mit mehreren Künstlern, um ganz speziell einer Frage in Bezug auf Deutschrap auf den Grund zu gehen. Also: Wenn du dir eine Zeit im deutschen Rap aussuchen könntest, in der du gerne aufgewachsen wärst – welche wäre das und warum?




    4tune: Ich mag mein Leben sehr gerne, deshalb: diese Zeit. Ich würde aber mal gerne in der Zeit zurückreisen und mir ein altes Rhymin Simon-Konzert ansehen und gucken, wie der Flavour da ist. Aber ansonsten wirklich das Hier und Jetzt. Ich habe früher viel Savas gehört und das war genau richtig so. So ganz, ganz früher, zu der "Die da"-Zeit, möchte ich auch nicht gelebt haben – das ist mir dann irgendwie zu low. Ich bin schon froh, dass Rap so technisch geworden ist, es viele Möglichkeiten gibt und es auch niemanden stört, wenn man jetzt was auf Volksmusik- oder Rock-Beats macht. Früher hast du jemandem, der Techno gehört hat, als Rapper nicht mal die Hand gegeben. Da standen die hier und die anderen standen da. Das hat sich alles schön vermischt.




    Pimf: Ganz wirklich: jetzt. Weil ich finde, dass sich Deutschrap einfach so gesund und gut entwickelt und breitgefächert ist ... das macht super Spaß. Gerade aktuell die ganzen musikalischen Einflüsse. Ich bin auch ein Typ, der open minded ist und find' das super. Momentan ist einfach die Blütezeit für deutschen HipHop. Das merkt man auch durch die Medienpräsenz in den Nicht-HipHop-Medien. Es findet statt – irgendwelche Leute, die vorher keinen Peil von Rapmusik hatten, nehmen das wahr. Und dadurch, dass ich keine andere Zeit miterlebt habe oder miterleben werde, hab' ich auch keinen zeitnahen Vergleich. Ich kenn' die Jahre um 2000 von RoyalBunker-DVDs, aber da hast du keinen genauen Einblick. Ich find' es so, wie es jetzt ist, schon ganz geil.




    Juse Ju: Also, ich hab' Deutschrap ja eigentlich komplett mitbekommen. Die erste Fanta4-Scheibe ist von '91 beziehungsweise ist "Ahmet Gündüz" von Fresh Familee auch von '91 und "Fremd im eigenen Land" kam 1992, wenn ich das richtig im Kopf habe. Insofern habe ich das alles mitbekommen, weil ich quasi schon alt genug war, um das zu checken. Allerdings muss ich zugeben, dass ich doch ganz gerne sechs, sieben Jahre älter wär' und gerne zu der Generation gehört hätte, zu der Anarchist Academy, Massive Töne, Main Concept, Phase V ... (überlegt) warte, da kommen noch ein paar ... ja, Rödelheim Hartheim Projekt natürlich und Asiatic Warriors gehört haben. Also, kurz gesagt wär' ich gern Teil dieser Generation gewesen, die noch so gerappt hat: "Rettet die Platte, denn sie ist in Gefahr! Sie ist in Gefahr, weil einer die CD gebar, im Plattenladeninventar unauffindbar oder rar". Dieser Rap auf 120 BPM oder dieser britische Grindcore, so wie ihn zum Beispiel Fast Forward oder No Remorse gemacht haben. Oder als es noch "Freestyle" im Fernsehen gab. Diese Sendung mit Storm, der das moderiert hat – fand ich großartig, wie er moderiert hat – und am Ende immer noch ein paar Pops und Locks gemacht hat. Die ersten Jams, auf denen ich war – das ist jetzt ein bisschen "Opa erzählt vom Krieg" –, waren ja tatsächlich zu den Zeiten, so Mitte der '90er, als da noch Breaker und Sprüher waren und man eigentlich keine Rapkonzerte ohne das alles hatte. Und ich hätte gerne zu dieser Zeit schon gerappt, aber da war ich leider noch zu jung. Meine große Rapzeit waren dann tatsächlich eher die 2000er, denn so ab 2000 habe ich live gerappt und bis 2009, als dann mein Album kam, auch regelmäßig releast. Ich glaube aber, die 2000er waren irgendwie kein gutes Jahrzehnt für deutschen Rap, die '90er waren schon besser. Es ist einfach so. Da bin ich wirklich wie ein Opa.




    eRRdeKa: Pff ... (überlegt) Wann waren denn diese ganzen Berlin Crime-Untergrund-Geschichten?


    (aus dem Hintergrund): Ende der '90er.


    eRRdeKa: Dann auf jeden Fall Ende der '90er Jahre. Da wäre ich gern in Berlin gewesen und hätte auch ein bisschen mitgerappt. Dieses ganze Berlin Crime-, Bassboxxx-Zeug und Berliner Untergrundrap. Ich hab' auch noch so ein "Berlin bleibt Untergrund"-Shirt. Das fand ich auf jeden Fall alles ziemlich fett. Da wär' ich gern am Start gewesen und hätte auch ein bisschen Porno-Rap gemacht. (lacht)




    Olli Banjo: Also, ich hätte gerne Deutschrap im Jahre 2050 erlebt. Vielleicht darf ich das ja auch noch ... Mich würde interessieren, wie sich die Flows, Inhalte und Haltungen entwickeln und ob es mehr Mädels gibt, die rappen. Das würde ich mir persönlich wünschen. Ich finde, das fehlt im deutschen Rap noch: weibliche MCs. Und wie die Rapper dann rumlaufen, will ich sehen! Weite Hosen, enge Hosen, ohne Hose. (lacht) Und ich würde gerne wissen, inwieweit sich die Genres noch vermischen, inspirieren und beeinflussen ... und das Graffiti 2050, das will ich auch sehen!




    Kool Savas: Ich würde genau die Zeit wählen, in der ich angefangen habe, auf Deutsch zu rappen – also die Zeit zwischen 1996 und 2000. Allerdings am liebsten mit einem Unterschied: Ich würde direkt ein paar Solo-Alben machen und independent veröffentlichen ...




    Shawn The Savage Kid: Als Hörer aufgewachsen oder als aktiver Rapper?


    rappers.in: Als Hörer aufgewachsen, sodass dich das vielleicht auch selbst beeinflusst hätte. Vielleicht auch ein jugendliches Alter, in dem du selber mit dem Rappen angefangen hättest.


    Shawn The Savage Kid: (überlegt) Vielleicht ein paar Jahre früher. Wobei ... Ich bin jetzt 24 und zum Beispiel ein bisschen zu jung für den ganzen alten Berlin-Kram. Das haben wir natürlich auch gepumpt, aber das war da halt schon alles draußen. Ich wär' gerne dabei gewesen, als die ersten M.O.R.-Tapes und Sekten-Dinger rausgekommen sind. Das zu diggen, was komplett anders ist, als alles andere in Deutschland. Die Zeit mitzuerleben, das wäre geil gewesen!


    rappers.in: Weil's anders ist?


    Shawn The Savage Kid: Ja, weil's halt wirklich was ganz anderes ist als das, was davor gewesen ist und Rap-Deutschland so geprägt hat wie wenig sonst. Berlin vor 15 Jahren – da wär' ich gern aktiver Rap-Hörer und jemand gewesen, der auf 'ne Jam in Berlin fährt.




    Vega: Ich wäre am liebsten genau in meiner Zeit aufgewachsen, weil es meiner Meinung nach die geilste Zeit für HipHop in Deutschland war, die wir je hatten. Nicht die erfolgreichste, aber die geilste. Respektvoll, wertvoll, zwar voller Competition, aber ohne Gangscheiß. Wer Straße war, war Straße, und wer es nicht war, konnte eben anders überzeugen. Ich habe "Leben" und "Feuerwasser" an ihrem Releasetag gekauft. Ich bin gesegnet.




    Ahzumjot: Ich finde die Zeit, in der ich aufgewachsen bin, tatsächlich absolut richtig, so blöd das jetzt auch klingt. Ich find's eigentlich gar nicht mal so schlecht, dass die erste HipHop-Platte, die ich mir gekauft habe, die "Marshall Mathers LP" von Eminem war. Klar, davor kamen die ganzen Klassiker, die auch dazu geführt haben, dass Eminem so eine Platte machen konnte, aber genau dann reingehen, wenn alles schon ein bisschen gereift und nicht mehr ganz so roh ist und mehr Konzept hat, find' ich gar nicht mal so verkehrt. Aber "Illmatic" hätte ich gerne mitbekommen, als es rausgekommen ist. Weil es damals alles umgekrempelt hat und wir nur die Nachwirkungen miterlebt haben. Natürlich hab' ich mir die Platte angehört und bin ein riesen Fan, aber ich hätte die Zeit, in der sie rausgekommen ist, gerne miterlebt. Damals war das etwas Weltbewegendes und solche Momente haben wir generell nicht mehr in der Musik, weil alles so schnelllebig geworden ist. Diese Schnelllebigkeit kam ja schon ein bisschen in dieser "Marshall Mathers LP"-Zeit durch, aber auch damals hat man sich 'ne CD gekauft, über 25 Songs gefreut und nicht wie heute gesagt: "Das ist mir zu viel".




    Pewee: Das ist schwierig!


    Mio Mao: Äh ... 2030. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich zurückblicken und schauen kann, was sich geil und was sich scheiße verändert hat.


    rappers.in: Du hättest 60 Jahre Rap zum Aufholen ... Da wärst du aber beschäftigt.


    Mio Mao: Das wäre hardcoregeil! (lacht)


    rappers.in: Daran denken wir immer nicht, aber wir alle sind damit einigermaßen groß geworden, weil diese ganze Rapgeschichte noch sehr nah an unserer Zeit ist. In 100 Jahren kommen die Leute an und wissen halt nicht mehr, wer Blumentopf war.


    DJ Matsimum: Genau deshalb würde ich gerne in den '80ern starten. Mit den Skills, die man jetzt hat, würde man damals auf jeden Fall schwer vorne liegen.


    Pewee: Ich finde es ganz schön so, wie es ist.


    Mio Mao: Das Geile an meiner Antwort ist, dass es 2030 schon das HBT gibt – das HologrammBattleTurnier! Darauf kann man in den '80ern noch nicht stolz sein. Ich freue mich darauf, wenn rappers.in genau das einbringt. Das ist jetzt eure Aufgabe.




    Damion Davis: Ich wuchs in den '90er Jahren mit Musik von Nirvana, Rage against the Machine und Wu-Tang auf. Mein Interesse beschränkte sich nie ausschließlich auf Rap. Die goldenen '90er im HipHop mit Blackstar, Phareside, D.I.T.C. und so weiter haben mich raptechnisch jedoch sehr geprägt. Besonders der lyrische Schwerpunkt und der Community-Gedanke – Graffiti, Breakdance und DJing – haben mich stark beeinflußt. Könnte ich es mir jedoch aussuchen, würde ich die heutige Epoche wählen, also ab 2009. Denn jetzt gibt es viel mehr Möglichkeiten, seine Musik ohne Label und Budget zu veröffentlichen. Wenn ich also jetzt 21 Jahre alt wäre, dann hätte ich am VBT und an RaM teilgenommen, um mir so einen Namen in der Szene zu machen. Ich würde jeden Monat Exklusiv-Tracks auf sozialen Medienplattformen online stellen und so immer direkt Feedback von den Leuten erhalten. Außerdem gibt es heute viel mehr Genres und Nischen, um seine Musik zur Zielgruppe zu transportieren. Nichtsdestotrotz hat jede Dekade ihren Reiz. Gerade in der großen Findungsphase der Jugend im Alter von 14 bis 21 gibt es viel zu entdecken. Die erste große Liebe, Leidenschaft in Musik und Kunst, Berufswünsche, Reisen und neue Menschen kennenlernen. Deshalb genießt die Zeit vor der Volljährigkeit und folgt euren Träumen. Und vergesst niemals: Zeit ist relativ und E=mc². (grinst)




    Sorgenkind: Ich fand die ganze Zeit mit Samy und den Hamburgern schon ganz richtig so. Es ist schön, wenn man ein paar Jahre später wieder Parallelen zu der Zeit, in der man aufgewachsen ist, schließen kann. Ich glaube, ich habe da echt Glück gehabt, in der Zeit aufgewachsen zu sein, mit den alten, noch guten Samy-Sachen und den Beginnern. Es gab zwischendrin halt mal so eine Flaute, da wäre ich ungerne aufgewachsen. Aber die mittleren bis späten '90er waren schon ganz cool.




    Credibil: Genau jetzt. Weil ich jetzt selber Rapper sein darf. Genau deswegen will ich jetzt und hier alles, was ich erlebt habe. Genauso, wie es jetzt ist, ist es perfekt.



    (Florence Bader & Lukas Maier)



    01. Intro
    02. Maximum Frisch
    03. Run Motherfucker
    feat. Celo & Abdi
    04. Duft der Straße
    05. Tupac Tripp
    06. Zwei Jungs im Benz
    feat. Xatar
    07. Zahnlücke
    08. AZ Gillette Musik
    feat. Haftbefehl
    09. Ghetto Krise
    10. Futura
    feat. Olexesh
    11. Skit
    12. Hello
    13. Blockleben
    14. Was der Kleine sagt
    15. Green Mile
    feat. Hanybal
    16. Die Besten sterben jung
    17. Outro


    Bonus-Tracks:
    18. On Stage
    19. Vesh Vesh Si Si


    "Veysel, was hast du vor?" – Olexeshs Frage hallte zu Beginn des Jahres großflächig durch die Lautsprecher der Raplandschaft, insbesondere durch derer der Azzlackz-Anhänger. Zu diesem Zeitpunkt liegt das Mixtape-Debüt des Essen-Altendorfers Veysel gerade einmal zehn Monate zurück, doch selbstsicherer könnte die Antwort wohl kaum ausfallen: "Deutschrap in den Arsch ficken". Dieses Vorhaben wird mit "Audiovisuell" erstmalig auf Albumlänge in Angriff genommen, mit der Absicht, den Hörer titelgetreu mit Klängen und Bildern zu versorgen, welche aussagekräftiger sein sollen als bloße Worthüllen und Phrasen. Doch letztendlich zählt nur das Resultat. Das einzige, das gilt, ist, die gesetzten Ziele zu verwirklichen sowie am Ende des Tages auf die Worte Taten folgen zu lassen. Und somit beginnt "Audiovisuell".


    "Bei meiner Mucke wird dein Golf zu 'nem Benz/
    Veysel setzt jetzt die Trends – 'Audiovisuell'/
    "
    (Veysel auf "Maximum Frisch")


    Entschlossen, von sich selbst überzeugt und Energie geladen wie nie werden die ersten Töne von "Audiovisuell" angestimmt und Veysel präsentiert sich auf den ersten Blick in vermeintlicher Bestform. Und auch wenn Bus und Bahn für mich leider Gottes Bus und Bahn bleiben, wird die Intention hinter Liedern wie "Maximum Frisch" deutlich wie nie. Der von Bjet, seines Zeichens bekannt durch Zusammenarbeiten mit Leuten wie Trailerpark oder auch Bushido, und dem als Live-DJ bekannten DJ Rob beigesteuerte Beat besteht aus all den Elementen, auf denen ich als Fan Veysel gerne hören will. Zum Beispiel eine sich bis zur Explosion aufbauende Stimmung und den Ton angebende Drums kombiniert mit spannungserzeugenden Gegensätzen. Jene werden durch helle elektronische Elemente sowie einen untermalenden, brummenden Bass geschaffen und bilden ein Gesamtprodukt, welches auf Albumlänge Veysels anfängliche Drohung vermutlich wahr machen würde. Allerdings kommt genau an diesem Punkt eines der Probleme von "Audiovisuell" erstmalig ins Spiel. Statt einen instrumentalen Rahmen zu bilden, der durch die Nutzung verwandter Elemente ein ähnliches Klangbild erschafft und beibehält, gehen die Tracks nur schwer ineinander über.


    Der Grund dafür ist, dass insgesamt zwölf verschiedene Produzenten und Produzententeams für eine sehr heterogene und unausgewogene Geräuschkulisse sorgen, welche oftmals einen roten Faden missen lässt, anstatt größeren Facettenreichtum zu kreieren. Zwar wird hierdurch die Einzelleistung nicht geschmälert – vor allem, da sie gerade von Produzenten wie m3 auf gewohnt hohem Niveau ist –, allerdings entsteht der schon von "43 Therapie" gewohnte Mixtapecharakter ... mit dem simplen Unterschied, dass wir auf diesem Werk einen erfahreneren und souveräneren Veysel vorfinden als noch vor gut einem Jahr. Ein wenig mehr Absprache und Anpassung der Instrumentierungen untereinander hätte dem Gesamtwerk sicherlich nicht geschadet, es abgerundet und zu mehr als einem Sammelsurium guter, individueller Leistungen gemacht. Doch wie sagen schon alte Volksweisheiten: "Zu viele Köche verderben den Brei".


    "Mir steht das Gold gut/
    Jetzt macht die Colt 'Boom'/
    Du bist doch voll schwul/
    Du landest in einem Rollstuhl/
    "
    (Veysel auf "Zahnlücke")


    Schaut man hinter die wirklich stimmigen Produktionen und achtet auf das Gesagte, dann offenbart sich für mich persönlich das größte Problem der Platte. Zwar klingt das gesamte Produkt extrem gut und würde unter Garantie auch Leute außerhalb des deutschsprachigen Raums überzeugen, allerdings fühlt man sich bei manchen Aussagen doch etwas vor den Kopf gestoßen. Zu oft steht einzig und allein der letztendliche Klang im Vordergrund, anstatt eine ausgewogene Mitte aus ebenjenem und der dargebrachten Botschaft zu finden. Zeilen wie "Auge um Zahn – bis zu dem Tod" ("Intro") oder "Vielleicht ist man morgen auf der Zwei. Mein Beweis? Die Welt sagt: Sehr nice!'" ("Blockleben") passen vielleicht gut in das soundtechnische Gesamtbild, sind aber entweder verwirrend oder schlicht und ergreifend falsch. Natürlich sind diese Beispiele besondere Ausreißer, aber summa summarum bleibt Veysel lyrisch gesehen hinter den Möglichkeiten und teilweise hinter seinen Featuregästen zurück. Zwar wird stellenweise von allen Beteiligten solide Straßenlyrik dargeboten, allerdings wird der positiv aufkeimende Eindruck zu oft durch Phrasen und Fauxpas geschmälert. Vielleicht mag es sein, dass der Zweck die Mittel heiligt – aber selbst diese Mentalität entschuldigt nicht jeden Fehltritt. Die Gastbeiträge wiederum bleiben ihrem gewohnten Stil größtenteils treu und gliedern sich in das Gesamtprodukt passend ein, auch ohne großartige Experimentierfreudigkeit zu demonstrieren. Besonders hervorzuheben sind hierbei die unterhaltenden Parts von Haftbefehl und Celo & Abdi.


    "Celo Galileo – Welt der Wunder/
    100 Meter in 12 Komma 9 Sekunden/
    Fluchen und spurten – 115 Kilo/
    Massephase – Jump'n'Run quer durch die Siedlung/
    "
    (Celo auf "Run Motherfucker")


    Fazit:
    Nach rund 50 Minuten Laufzeit hinterlässt mich "Audiovisuell" zwiegespalten. Auf der einen Seite ist es ein sauber ausproduziertes Album auf sehr hohem musikalischen Niveau, welches sich wunderbar in die Straßenrap-Nische einreiht, ohne dabei in der Masse verloren zu gehen. Auf der anderen Seite wirkt es stellenweise zu sehr wie ein weiteres Mixtape und somit wie ein – wenn auch stimmiger – Nachfolger zu "43 Therapie", anstatt ein sich aufbauendes Gesamtkunstwerk und somit ein würdiges Albumdebüt darzustellen. Eine weitere Frage, die im Raum verbleibt, ist, ob und wie sehr man über die lyrischen Fauxpas hinwegsehen kann. Denn am Ende des Tages bleibt die schön gestaltete Geräuschkulisse eben nur eine Kulisse und die im Rampenlicht stehenden Worte werden dem Bühnenbild leider nur selten gerecht. Doch kann oder sollte man Veysel wirklich dafür strafen, wenn man doch von Anfang an genau wusste, was man zu erwarten hat? Schon im Vorhinein konnte man ahnen, dass Fans von Untergrund- oder Studentenrap "Audioviosuell" vollkommen kalt lassen wird und diese Vermutung hat sich schlicht und ergreifend bewahrheitet. Allen anderen allerdings, seien es nun Fans von Veysels markanter Stimme, der Azzlackz-Attitüde im Allgemeinen oder einfach von bombastischem Straßensound, sei das Produkt wärmstens empfohlen – auch wenn es Deutschrap nicht so hinterlässt wie von Veysel gehofft. Aber mit der nächsten Platte vielleicht!



    Lukas Maier (Maierstro)



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    [azlink]Veysel – Audiovisuell[/azlink]



    01. Mein kleines Hollywood
    02. Der beste Moment
    03. Paris (Fernweh I)
    04. Ballonherz
    05. Megafon
    06. James Dean
    07. Niemand > wir
    08. Morgen vorbei
    09. Taxameter
    10. Flugmodus
    11. Cornflakes & Trash TV
    12. Meer (Fernweh II)
    13. Feuerwerk


    "Mach' die Augen auf – bonjour Tristesse". Dieses Zitat eröffnet das gespannt erwartete Debütalbum des Künstlers Olson. Ein Album, auf das so lange hingearbeitet wurde und welches doch so grundverschieden hätte ausfallen können, wäre Oliver Groos andere Wege in seiner Karriere gegangen. Während im Jahre 2008 erstmalig die Stimmen um den selbsternannten "Rudeboy" dank des kostenlosen, gleichnamigen Tapes laut wurden, hätte wohl niemand mit der Entwicklung gerechnet, die der Künstler in der Zukunft einmal durchlaufen würde. Allerdings deutete sich auf dem darauffolgenden, ebenfalls umsonst erschienenen Kurzspieler "40213" im Jahr 2011 bereits eine gewisse Entwicklung an. Denn plötzlich ging es mehr in eine poplastigere Richtung. Doch wie präsentiert sich der Musiker nach drei weiteren Jahren Entfaltung? Von Zusammenarbeiten mit Künstlern wie Jason oder Vega zu einem ohne Gastbeiträge auskommenden Debüt. Vom labellosen 'Olson Rough' zu dem bei Universal unter Vertrag stehenden Olson. Von "Rudeboy" über "40213" bis hin zu "Ballonherz" – seinem aktuellen Album.


    "Lauf' nur meinem Herzen nach/
    Seit dem ersten Tag/
    Und ich geh' mit bis zum Schluss/
    Und schieß' zum Happy End Raketen in die Luft/
    "
    (Olson auf "Mein kleines Hollywood")


    Die Musik setzt ein: "Mein kleines Hollywood". Dieser Titel ist auf soviele Arten und Weisen repräsentativ für das Gesamtkunstwerk. Anstatt sich einer Sparte anzupassen, will Oliver Groos eine Nische für sich. Er hat zwar viel Inspiration bei deutschen Künstlern wie Casper und Prinz Pi mit ihren aktuellen Werken gefunden, aber zeitgleich will er amerikanische Einflüsse von Menschen wie Drake und dessen R&B-Anleihen ("James Dean") oder Kendrick Lamar samt "Swimming Pools"-Zitaten auf "Cornflakes & Trash TV" in seiner Musik vereinen. Kombiniert ergibt das Ganze Olsons kleines Hollywood und zeigt in beeindruckend schöner Manier, dass der weltoffene Sound auch auf Deutsch funktionieren kann. Maßgeblich für die Kompositionen verantwortlich sind die Beatgees – unter anderem bekannt durch Zusammenarbeiten mit Tim Bendzko oder F.R. –, die an fast allen Liedern beteiligt waren. Zu "Paris" und "Cornflakes & Trash TV" wiederum kreierten jeweils Johannes Gehring und David Ruoff den Sound. Das Klangbild ist über alle Anspielstationen geprägt von dominanten Synthesizern, die das Grundgerüst und den roten Faden der Lieder bilden, bestimmenden Drums, welche für gewisse Highlights und Akzente sorgen, und häufig auch untermalende Klaviermelodien, die den Produktionen einen gelungenen Tiefgang und somit eine ungewohnte, aber stimmig funktionierende Weite verschaffen. Die dargebotene, beeindruckende Liebe zum Detail wird lediglich durch die bedingt mangelnde Einzigartigkeit und den fehlenden Facettenreichtum der Songs untereinander gehemmt. Denn egal, wie viel Herzblut in den einzelnen Gesangsstücken stecken mag, so kann man gewisse Ähnlichkeiten der Instrumentierung nicht abstreiten, wenn doch viele der Lieder aus verwandten Klangelementen bestehen. Auch wenn diese Feststellung für den Moment in keinster Weise einen Dorn im Auge darstellt oder gar einzelne Auskopplungen schmälert, so resultieren daraus doch Zweifel, ob sich die musikalische Homogenität nicht negativ auf die Langlebigkeit des Werks ausübt.


    "Mal interessierst du sie nicht, mal machst du sie so verrückt/
    Reißen dich mir aus der Brust raus/
    Und drücken sie dich an sich, will ich dich wieder zurück/
    Mal lassen sie dir die Luft raus/
    Ballonherz/
    "
    (Olson auf "Ballonherz")


    Lied um Lied vergeht und immer größer wird die Verbundenheit und Sympathie, die ich gegenüber dem Künstler Olson entwickle. Wenn er auf "Ballonherz" von seinem sprunghaften Herzen erzählt und trotzdem davon berichtet, wie er diesem um jenen Preis folgen wird, stellt sich mir die Frage, wann ich mich das letzte Mal von meinem Herz und nicht von meinem Kopf habe leiten lassen. Wenn er auf "Mein kleines Hollywood" die Tristesse eines Vorortes, abseits der großen Städte, näherlegt, denke ich unmittelbar an meine Jugendzeit, ähnliche Geschichten und an alte Freunde, mit denen ich diese Erfahrungen teilen durfte. Und spätestens, wenn er auf "Paris" oder "Meer" den Fernweh-Gedanken aufgreift, wünsche ich mich weit weg von der Universität und meinem Schreibtisch. Weit weg von dem Trubel der Großstadt. Einfach weit weg von der Tristesse. Oliver findet hierbei große Worte für alles und bedient sich an sehr viel Pathos sowie Melancholie. Doch vergisst er hierbei nur selten einen gewissen dreckigen Unterton, der besonders durch die markant raue Stimme in Szene gesetzt wird. Speziell zur Geltung kommt dies, wenn er Themen rund um Eskapaden, Frauen und Nike-Sneakers anspricht. Denke ich über die einzelnen Motive – darunter weiterhin Existenzängste, überhebliche Selbstdarstellung und natürlich Liebe – und die Art und Weise, wie diese vermittelt werden, gesondert nach, ist es verständlich, dass das Album ähnlich leicht auf negative Kritik stoßen könnte. Denn schnell kann Pathos in Kitsch abdriften, leicht wird Melancholie mit Selbstmitleid verwechselt und ehe man sich versieht, werden große Worte als nichts Weiteres als leere Hüllen aufgefasst. Doch auf mich persönlich trifft diese Anti-Haltung nicht zu. Zu oft spiegeln die dargebotenen Facetten eigene Gedanken wider und auch wenn das Album möglicherweise aufgrund der genannten Interpretationsspielräume nicht den Zahn der Zeit trifft, bin ich mir sicher, dass es ähnlich viele Hörer berühren wird. Aus dem simplen Grund, dass sie die Worte auf einer anderen Ebene verstehen, sie mit eigenen Erinnerungen sowie Erfahrungen verknüpfen und sich, einfach gesagt, mit dem Werk identifizieren können.


    Fazit:
    Olson "schießt zum Happy End Raketen in die Luft" und zieht den Schlussstrich titelgetreu mit einem "Feuerwerk". Was für manche Hörer lediglich eine Kopie verschiedener Stile aus Deutschland und Amerika, gehüllt in eine fehlerverschleiernde Popproduktion, ist, ist für andere die nachvollziehbare Entwicklung von "40213". Zwar hat der Künstlername das "Rough" verloren und ja, es mag sein, dass sich viele Hörer die "Rudeboy"-Zeiten zurückwünschen, aber unter welchen hirnrissigen Gesichtspunkten ist dies Kritik, die ein "Ballonherz" schmälern sollte? Menschen entwickeln sich. Künstler entwickeln sich. Geschmäcker entwickeln sich. Und wenn mich ein Olson auf 13 Anspielstationen absolut überzeugt und mir beweist, dass er Spaß an dem hat, was er macht – wer bin ich dann, ihn für etwas zu kritisieren, was das Album hätte sein können? Was das Werk hätte werden können, wenn man sich in sechs Jahren nicht weiterentwickelt hätte, sondern lediglich über die gesamte Zeit im Stillstand auf der Stelle verharrt wäre? Vielleicht hat das Album noch ein paar Ecken und Kanten und vielleicht fürchte ich mich vor der Kurzlebigkeit bei dem teils homogenen Klangbild. Aber was hier summa summarum dargeboten wird, ist ganz großes Kino: jung gebliebene Themen, verpackt in einem gereiften, erwachsenen Sound. Zwar ohne eine lupenreine und fehlerfreie Darbietung, aber mit einer gewissen Portion charakteristisch rauer Makel, die "Ballonherz" – ein Album mit unfassbarer Liebe zum Detail – prägen und vervollständigen. Ein Entwicklungshöhepunkt, wie er für meinen Geschmack nicht schöner hätte sein können.


    "Und es lief so viel gut und so Vieles hat nicht hingehauen/
    Hauptsache nicht darin verlieren/
    Und ich nehm' all die letzten Monate und schieß' sie in den Himmel rauf/
    Verrückt, was in 'nem Jahr so passiert/
    "
    (Olson auf "Feuerwerk")



    Lukas Maier (Maierstro)

    [REDBEW]1607[/REDBEW]

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    01. Wölfe
    02. Ratte
    03. Adrenalin
    04. Erde und Knochen
    05. Wo sie scheitern


    "Und von perfekt sind wir so unendlich weit weg" – mit einem Hauch Melancholie übt sich Kontra K auf der ersten Anspielstation seiner EP "Wölfe" in Selbstkritik. Doch betrachtet man die Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit, so keimen Zweifel auf, ob jene Wortwahl gerechtfertigt ist. Immerhin schaffte es sein zuletzt erschienenes Album "12 Runden" im September 2013 auf Platz 8 der deutschen Albumcharts, womit der junge Berliner sowohl Kritiker als auch Fans gerade durch seine harsche Kampfsportlermentalität gleichermaßen zu überzeugen wusste. Jene Erfolge führten nicht nur zum Bezug der neuen Labelheimat FOUR Music vor wenigen Monaten, sondern weckten die Neugier der Hörerschaft in Bezug auf die Frage, ob und wie sich "der Wolf" – bekannt durch seinen eisernen Willen und sein Kämpferherz – in der neuen Gemeinschaft eingliedern wird.


    "Und von perfekt sind wir so unendlich weit weg/
    Doch was nicht umbringt, macht uns stärker – und die Hoffnung stirbt zuletzt/
    "
    (Kontra K auf "Wölfe")


    Im Gesamten betrachtet steht dieses Zitat, welches den Titelsong des Werks abschließt, repräsentativ für den Inhalt der gesamten Produktion. In gewohnt rauer Manier nimmt uns Kontra K mit auf eine knapp 17-minütige Reise, geprägt von seiner Mentalität und den heutzutage oftmals in Vergessenheit geratenen Werten, die er repräsentieren will. Dabei stehen vor allem Ehre, Respekt, Beständigkeit und speziell Loyalität sich selbst, seinem Freundeskreis und seiner Familie gegenüber im Vordergrund. All jene Größen werden in vertraut kämpferischer Art und passend zur Thematik der Titel vorgetragen, sodass ich mich wiederholt an alte Filme, speziell Gangsterpossen, zurückerinnert fühle, welche häufig ähnliche Werte als Zentrum der Handlung innehatten. Obwohl diese motivierenden und fast schon erzieherischen Worte bereits einen großen Stellenwert auf früheren Werken einnahmen, werden sie auf "Wölfe" wiederholt innovativ verpackt. Beispielsweise bietet der Künstler mit den ersten zwei Titeln zunächst die Position des Alpha-Wolfs – des "Letzten seiner Art" – sowie dessen metaphorische Relevanz für die Gesellschaft dar ("Wölfe") und stellt unmittelbar darauffolgend die Rolle der neiderfüllten Redner – der Ratten – dieser Thematik gegenüber ("Ratte"). Während diese zwei Anspielstationen noch ein erstes Highlight der EP für mich bilden, wird die angedeutete inhaltliche Richtung durch den Track "Adrenalin" abgetrennt, welcher auf die vorhandene Farblosigkeit und Tristesse der Welt auf seine eigene Art und Weise eingeht. Darauffolgend werden die letzten zwei Titel eingeleitet, die thematisch an dunklere Zeiten des Lebens anknüpfen und sich mit Selbstverwirklichung und Versagensängsten befassen, ohne dabei den motivierenden Tenor zu verlieren. Vor allem "Wo sie scheitern" entwickelt sich unter diesen Gesichtspunkten aufgrund der vermittelten Energie, der passenden Wortwahl und nicht zuletzt durch die abgerundete musikalische Untermalung zu meinem persönlichen Höhepunkt der EP.


    "Vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche/
    Zu viele offene Wunden, aber noch tragen die Knochen/
    Und ganz egal, was es kostet – ich habe immer noch genug Luft in meiner Lunge/
    Für zwölf weitere Runden in diesem versteinerten Dschungel/
    "
    (Kontra K auf "Wo sie scheitern")


    Klangtechnisch schlägt Kontra K mit "Wölfe" zwar gewiss nicht gänzlich neue Wege ein, jedoch geht er deutliche Schritte in eine musikalischere Richtung, ohne dabei die erschreckend ehrliche Art, die die Vorgängerproduktionen ausgemacht hat, außer Acht zu lassen. Dirty Dasmo, seines Zeichens ausführender Produzent der EP, unter anderem bekannt durch Zusammenarbeiten mit Hammer & Zirkel oder Sido, sorgt über die gesamte Spieldauer hinweg für eine überraschend frische Instrumentierung. Ebenjene bleibt dem Künstler Lied für Lied größtenteils treu und bietet Gewohntes, von dominanten Synthesizern über brummende Bässe bis hin zu gewissen Aspekten des Elektro-Bereichs. Weiterhin werden auch wieder Vocal-Samples in altbekannter Manier genutzt – in diesem Fall zum Beispiel als eine Hommage an eine Kinderserie ("Adrenalin"). Allerdings findet sich eine Neuerung in der Tatsache, dass auf diesem Werk häufig – "Adrenalin" mal ausgeklammert – langsamere aber prägnante Spuren im Hintergrund eine natürliche Ruhe vermitteln und somit eine gewisse Konstanz abseits des Trubels schaffen. Diese Veränderung rückt das altbekannte Klangbild durch eine ungewohnte Weite in ein neues Licht und verziert es mit einem gelungenen Tiefgang. Obwohl der dargelegte Hang zur Musikalität alteingesessene Fans abschrecken könnte, zeigt die an den Tag gelegte Offenheit der Instrumentierung, wie sichtlich wohl sich der Künstler auf den Produktionen fühlt. Jene Zufriedenheit zeichnet sich vor allem in dem maßgeschneiderten, provokant abgehackten Flow und der generell an den Tag gelegten Präsenz ab, die dafür sorgt, dass der Hörer wahrlich mitgerissen wird. Lediglich "Erde und Knochen" sowie "Adrenalin" bieten mir zwei Kritikpunkte. Während Ersterer zwar passend und thematisch stimmig instrumentiert wurde, ist mir persönlich jene musikalische Untermalung auf ihre Art und Weise zu ruhig, lasch und fast schon gewollt energielos. Im Gegensatz dazu bietet mir "Adrenalin" mit dem Refrain einen der beständigsten und zugleich schlimmsten Ohrwürmer, die mich in letzter Zeit gepackt haben. Obwohl ich persönlich ein großer Fan künstlerischer Experimentierfreudigkeit bin, trifft die Form von Gesang, die hier dargeboten wird, nicht meinen Geschmack, was nicht zuletzt an den extrem betonten und lang gezogenen Zeilenenden liegen könnte. Zum ersten und einzigen Mal auf der Produktion wünsche ich mir, dass Kontra K für einen Moment zum Schweigen kommen und die Hook nur aus der gelungen adaptierten "Pippi Langstrumpf"-Zeile bestehen würde.


    "Denn euer Grau machen wir zu bunt/
    Die Drips an der Wand, die Tinte im Blut/
    Adrenalin – wir war'n schon hier/
    Ich surfe dein' Zug – also, was willst du tun?/
    "
    (Kontra K auf "Adrenalin")


    Fazit:
    Wie hört man es so oft: "Künstler sind doch auch nur Menschen." Und Menschen entwickeln sich über die Jahre hinweg. Auch Kontra K wurde von dieser Entwicklung nicht verschont. Während er sich vor einigen Jahren noch durch sein Debüt "Dobermann" präsentierte, geht er mit der Wandlung zum selbsternannten Rudelsführer der "Wölfe" große Schritte in eine musikalische und vielleicht auch massentauglichere Richtung abseits des Hundelebens. Dabei verliert er allerdings nicht den Biss, der ihn ausmacht und dahin gebracht hat, wo er heute steht. Vielmehr wirkt es so, als hätte der Künstler eine gewisse Form von Ruhe in seinem Leben gefunden, welche sich in der EP mehr als treffend widerspiegelt. Zwar sind es nur fünf Lieder, die gewiss geringe Ecken und Kanten bereithalten, beispielsweise auf "Erde und Knochen" oder "Adrenalin", allerdings wirkt es im Gesamtprodukt passend und stimmig, da gewisse Lückenfüller, die auf früheren Werken vorhanden waren, gänzlich ausgemerzt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass Kontra K ein ähnlich hohes Niveau für weitere Projekte mit längerer Spieldauer bereithalten kann – in jedem Fall bin ich aber überzeugt, dass er alles dafür versuchen wird.


    "Und auch wenn dann alles brennt, kann ich seelenruhig in Flammen steh'n/
    Denn ich hab' mein Bestes gegeben, dagegen anzugeh'n/
    "
    (Kontra K auf "Wo sie scheitern")



    Lukas Maier (Maierstro)

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    01. Borderline
    02. Februar (Kaffee warm 2)
    03. Unterwasserliebe
    04. Grundlos
    05. Zuerst war da ein Beat


    "OK KID, kurz vorm Hit – links abgebogen" – augenzwinkernd präsentiert uns OK KID Phrasen wie diese auf der ersten Anspielstation der neuesten EP. Doch führt man sich die Geschichte der Band vor Augen, so keimen Zweifel auf, ob jene Wortwahl gerechtfertigt ist. Bereits im Jahr 2006 sammelten die Mitglieder der Band erste Erfahrungen in ihrem musikalischen Werdegang als Bestandteil der Gruppe jona:S. Aus dieser sechsköpfigen Konstellation hat sich im Jahr 2012 die aktuelle Besetzung, bestehend aus Raffael Kühle, Moritz Rech und Frontmann Jonas Schubert, herauskristallisiert. Schlag auf Schlag folgten weitere Auftritte, szeneübergreifende Resonanz, ihr über FOUR Music erschienenes Debütalbum "OK KID" und zuletzt die Bekanntgabe der Teilnahme am Bundesvision Song Contest 2014. Bevor sie aber auf bundesweiter Ebene ihr Können unter Beweis stellen müssen, veröffentlichen die drei Wahl-Kölner ihre EP "Grundlos", welche laut Eigenaussage ihr Erstlingswerk veredeln und letztendlich abschließen soll.


    "OK KID, kurz vorm Hit – links abgebogen/
    Hallelujah, immer noch Luft nach oben/
    "
    (OK KID auf "Borderline")


    Es sind solche Zitate, die bittersüß beweisen, dass auch die misslichste Lebenslage in ihren Problemen immer noch etwas Positives bereithalten kann – oder, dass ein Fehltritt manchmal ungeahnte Wege offenbart. Jene Grundgedanken ziehen sich thematisch durch die gesamte Produktion und überraschen mit allerlei Wortwitz und Doppeldeutigkeiten sowie dem gerade dadurch geschaffenen, breit gefächerten Interpretationsspielraum. Ein perfektes Beispiel hierfür findet sich bereits auf dem ersten Song namens "Borderline", in dem die Freiheiten des Übersetzers genutzt werden, um eine Aussage darüber zu tätigen, dass man wohl nie gänzlich vor dem Nichts steht: "Wenn alle Stricke reißen, bleibt die Borderline". Das inhaltliche Spektrum der EP umfasst in diesem Fall Auskopplungen mit der erwähnten "Kopf hoch"-Thematik wie "Borderline" und "Unterwasserliebe" oder auch Titel mit "Carpe diem"-Gedankengängen wie "Grundlos". In ihrem Wesen besonders hervorzuheben sind die restlichen zwei Lieder "Zuerst war da ein Beat" und "Februar (Kaffe warm 2)". Ersteres stellt auf erschreckend schöne Art und Weise, gespickt mit allerlei lyrischen Finessen, den Stellenwert von Musik im Alltag und im Leben an sich dar, wohingegen Zweiteres eine weitere Verbindung zum Debüt herstellt, indem es an den Vorgänger "Kaffee warm" anknüpft. Während der erste Teil noch die selbstzerstörerische Handlungsweise des lyrischen Ichs fokussierte, welches vergeblich an einer Liebe festhalten wollte, legt die Fortsetzung ihr Augenmerk auf den nächsten logischen Schritt: das Loslassen. Hierbei wird sich von allem getrennt, was in der Vergangenheit ein Dorn im Auge war und heutzutage noch alte Wunden aufschürft – speziell der Monat Februar. Neben all den Möglichkeiten zur Deutung der restlichen Lieder sticht vor allem dieser Song in der Gesamtbetrachtung hervor, da die hineingesteckte Persönlichkeit die Kluft zwischen Musiker und Zuhörer schmälert und uns Frontmann Jonas auf einer zwischenmenschlichen Ebene erstmals etwas wirklich näherbringt. Diese fehlende Verbundenheit ist einer der wenigen Kritikpunkte, den die sonstigen Anspielstationen mit sich bringen, welcher mit der gewählt offenen Art und Weise der Formulierung einhergeht. Doch letztendlich liegt es am Geschmack des Hörers, ob er die Beziehung zum Künstler und dessen Geschichten bevorzugt oder ob er den gebotenen, gedanklichen Freiraum genießt, um seine eigenen Bilder malen zu können.


    "Reiß' die Tage aus und im nächsten Jahr/
    28 weniger – endlich nie mehr Februar/
    "
    (OK KID auf "Februar (Kaffee warm 2)")


    Betrachtet man das Klangbild der Produktion abseits von lyrischen und thematischen Schwerpunkten, richtet sich das Augenmerk auf weitere Vorzüge des Werks. Der erwähnenswerteste Pluspunkt ist im Falle von OK KID die Konstellation als Band und nicht als Rap-Formation. Im Endprodukt spiegelt sich diese Aufstellung durch einen gewissen Hang zur Musik wieder. Dabei ist es irrelevant, ob jene Instrumentierung durch vorantreibende Drums ("Grundlos"), ruhige Pianos ("Zuerst war da ein Beat") oder letzten Endes dem Zwiespalt aus fremden, elektronischen und realitätsnahen, natürlichen Klängen geprägt wird. Summa summarum bietet die Gruppierung bei der fast 20-minütigen Spieldauer eine musikalische Untermalung, die sowohl nahtlos an ihr Debüt anknüpft als auch eine gelungene Abwechslung in sich darbietet. Zwar ist die Variation im Vergleich zum Erstlingswerk durch die Mischung einzelner Genres – speziell Pop und Rap – immer noch auf einem ähnlich hohen Level innerhalb der einzelnen Auskopplungen, allerdings lässt gerade diese Ähnlichkeit "Grundlos" passagenweise wie den geplanten Bonus zu "OK KID" wirken, der das Werk gelungen abschließt, aber auch alleinstehend zu überzeugen weiß. Das dargebotene, konstant hohe instrumentale Niveau ist einer der Gründe dafür, dass "Grundlos" problemlos mit anderen radiotauglichen Produktionen mithalten kann, ohne dabei Defizite im musikalischen Tiefgang zu verbuchen. Trotz der beeindruckenden Vielfalt und gelungenen Präsentation des Werks ist es am Ende des Tages Frontmann Jonas, welcher mir eines der wenigen Mankos beschert. Dieser liefert dem Hörer zwar einprägsame Ohrwürmer – auch über die Refrains hinaus – und spielt mit dem Einsatz seiner Stimme, sodass diese atmosphärisch präsent wirkt, jedoch verfällt er gerade in langsameren Sprechpassagen in eine möglicherweise bewusst gewählte Monotonie. Jene stellenweise vorhandene Eintönigkeit – ob gewollt oder ungewollt – schmälert allerdings die vorgetragenen Inhalte und vergrößert somit die Schere zwischen Botschaft und Vortragsweise.


    Fazit:
    Objektiv betrachtet ist OK KID mit "Grundlos" ein großartig produziertes Werk mit nur einer Handvoll überschaubarer Makel gelungen. Vollgepackt mit Material zum Nachdenken, Wortwitz und einer hoffnungsvollen Mentalität, wie sie heutzutage leider viel zu selten ist. Untermalt ist das Ganze mit abwechslungsreichen Melodien, die jede überlieferte Botschaft und jeden noch so faden Beigeschmack zwischen den Zeilen nahezu perfekt in Szene setzen. Diese Faktoren sind derartig präsent, dass ich für meinen Teil gerne über fehlende Künstlernähe und die selten aufkeimende Monotonie hinwegsehen kann. Erinnere ich mich an das Zitat zu Beginn, so bin ich dankbar für den Umweg, den die Band eingeschlagen hat, denn in jedem Fall haben sie die "Luft nach oben" genutzt – aber das wissen sie am Ende ihrer EP vermutlich selbst. Musik kann so schön sein.


    "Aus dem Negativ wird Sepia/
    Schon viel klarer als im letzten Jahr – endlich nie mehr Februar/
    "
    (OK KID auf "Zuerst war da ein Beat")



    Lukas Maier (Maierstro)

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    Servus diggi!


    Alles gut bei dir?


    Deine Top 3 Rapper (National & International)?


    Deine Top 3 Alben (National & International)?


    Was war die erste CD die du (bewusst) käuflich erworben hast? (Falls es kein Rap-Album war, welches war das erste Rap-Album?)


    Dein favorisiertes Livebattle? Ganz egal von welchem Format oder von welcher Plattform.


    Deine Top 3 Punchlines?


    Verfolgst du irgendwelche Youtube-Kanäle, wenn ja: welche?


    Most underrated/overrated Artist?


    Lieblingsbuch?


    Liest du zur Zeit ein Buch?


    Wie super ist eigentlich Logic?!


    Dein Lieblingswitz zur Zeit?


    Wie schade ist es, dass dein Uruguay-Tipp nicht aufgegangen ist?



    01. Sorry
    02. MacGyver
    03. Zupati
    04. Geregeltes Leben
    05. Mauli
    06. Trashfilm
    07. Outro


    Seit Anbeginn der Zeit stürzt sich die Gesellschaft auf atypische Phänomene, welche durch Besonderheiten, Andersartigkeiten und allgemeine Unterschiede zum Gewohnten die Blicke der Massen auf sich ziehen. Diese Fokussierung der Interessen hat weder vor dem Internet und anderen Medien noch vor der Rapkultur und dem VBT der letzten Jahre Halt gemacht. Einer dieser Hypes, welcher zunächst durch einschlägige Gastauftritte – speziell bei der Crew "Wir vom Prenzlauer Berg" – und später durch eigene Turnierteilnahme entstand, war der um DirtyMaulwurf. Dank der als Markenzeichen genutzten Klonkriegermaske adrett gekleidet, feierten ihn seine Fans auf der einen Seite für teils trockenen, meist sarkastischen Humor, welcher durch die desinteressierte Haltung des Künstlers besonders in Szene gesetzt wurde. Im Gegensatz dazu warfen ihm Kritiker auf der anderen Seite eine grauenhafte Technik, plumpe und stumpf aneinandergereihte Phrasen sowie fehlenden Einfallsreichtum vor. Nun erscheint seine erste Publikation als Solokünstler namens "Trap braucht kein Abitur" – als Anlehnung an eine ältere Bass Sultan Hengzt-Veröffentlichung, welche als Titelbild eine Eigeninterpretation des Notorious B.I.G.-Debüts "Ready to die" ziert. Noch bevor das Werk zu ersten Tönen angesetzt hat, prägen diese offensichtlichen Seitenhiebe den Ersteindruck und so frage ich mich, ob die EP mehr zu bieten hat als Parodien – oder ob die Klonkriegermaske bereits das wahre Gesicht der Produktion verrät.


    "Sorry, deutscher Rap mag dich noch immer nicht/
    Mach dir nichts draus – jeder weiß, dass der behindert ist/
    Doch wenn du wieder mal allein in deinem Zimmer sitzt/
    Schreib bitte keinen Track darüber – bitte keinen Track/
    "
    (DirtyMaulwurf auf "Sorry")


    "Trap braucht kein Abitur" öffnet mit "Sorry" seine Pforten und liefert umgehend die erste Überraschung. Während mir DirtyMaulwurf zu VBT-Zeiten meist durch einen unzumutbaren Stimmeinsatz und offensichtlich beschränkte Fähigkeiten als Rapper im Gedächtnis geblieben ist, präsentiert er sich nun von Anfang an in einem anderen Licht. Entspannt, gelassen und fast schon leichtfüßig bewegt sich der Berliner über die verschiedenen Anspielstationen, wodurch sein früherer, zugegebenermaßen negativ behafteter Eindruck schnell in Vergessenheit gerät. Obwohl der Künstler in Sachen Technik wahrlich immer noch kein Virtuose seiner Zunft ist und er wohl niemals ein Paradebeispiel dieser Sparte darstellen wird, verbessert sich der Hörgenuss durch diese kleinen Details ungemein und lenkt den Fokus auf die zwei prägendsten Aspekte der EP: Humor und Stil. Ersterer begleitet den Hörer durch die gesamte Produktion und verschont dabei weder einzelne Individuen, noch missratene YouTube-Videos ("Zupati"), geschweige denn die gesamte HipHop-Kultur an sich, angefangen bei den Fans bis letztendlich hin zu den Musikern. Im Fall des Titels "Zupati", auf dem der Akteur den Verlauf eines für ihn ganz normalen, eskalativen Freitagabends beschreibt, werden sogar Originalaufnahmen des ursprünglichen Liedes namens "Zur Party" genutzt, um die Parodie gelungen zu vervollständigen. Hierbei werden primär Sequenzen des Beats sowie eine der weiblichen Refrain-Stimmen kopiert und sogar passend in die eigene Hook integriert, sodass der humoristische Aspekt verstärkt wird, ohne dabei das Soundbild zu stören.


    "High in den Nachtbus, bereit für den Absturz/
    Zupati? Zupati – Zupati? Genau/
    "
    (DirtyMaulwurf auf "Zupati")


    Als Stichelei gegenüber der deutschen Raplandschaft bietet DirtyMaulwurf neben vermehrt alleinstehenden Seitenhieben den Titel "Trashfilm" dar, seines Zeichens eine Anspielung auf den Kool Savas-Klassiker "Rapfilm". Jene Eigeninterpretation sticht dadurch heraus, dass der Artist durch den Gebrauch unterschiedlicher Samples in offenem Diskurs mit verschiedenen Künstlern steht und diese Runde sowohl dafür nutzt, sich sowohl Tipps für seine Karriere einzuholen als auch um sich in fast schon preisgekrönter Manier über einzelne Personen lustig zu machen. Dabei erscheint es vollkommen irrelevant, welche Bedeutung und welchen Stellenwert jene Ziele in der heutigen Kultur inne haben. Vielmehr nimmt die selbstgefällige Arroganz, der Hauch von schwarzem Humor und die von oben herabsehende Betrachtungsweise, welche DirtyMaulwurf an den Tag legt, jeglicher Ernsthaftigkeit den Wind aus den Segeln. So kommt man als Hörer kaum umher, sich darüber zu amüsieren, wie alle Bestandteile des Leitbildes HipHop mit einem Augenzwinkern charmant durch den Kakao gezogen werden.


    "Achte auf dein Hinterbein – denn es könnte Shiml sein/
    Wow, hast du Asthma oder soll das witzig sein?/
    "
    (DirtyMaulwurf auf "Trashfilm")


    Der zweite Aspekt, der Stil, steht in enger Verbundenheit mit der Instrumentierung des sieben Titel starken Werks, für die sich "Dieser Morten", unter anderem bekannt durch die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Grüne Medizin oder Kontra K, verantwortlich zeigt. Getreu dem Titel der EP werden nur Produktionen aus der Trap-Sparte zum Besten gegeben, welche sowohl in ihrem Tempo als auch durch den Gebrauch von verschiedenen Samples und der allgemein vermittelten Stimmung variieren. "Hörst du das? Es ist dieser Morten an der Vuvuzela" (DirtyMaulwurf auf "MacGyver"). Auch wenn die versprochene Vuvuzela nur kurzzeitig ertönt, beschreibt die gewählte Wortwahl wohl am besten, worauf man sich als Hörer einzustellen hat: musikalische Neugier und instrumentale Experimentierfreudigkeit, ohne dabei zu sehr von den amerikanischen Einflüssen und dem Konzept des Titels abzuweichen. Im Falle von "TBKA" wechseln die Klangbilder von ruhigen und entspannten Tönen ("Geregeltes Leben") über energische Passagen ("Zupati") bis hin zu eindringlichen Kombinationen der verschiedenen Stilrichtungen ("Mauli"). Durch diese Vielfalt innerhalb des Subgenres Trap entsteht zu keinem Zeitpunkt der Eindruck von Einfallslosigkeit oder gar die Empfindung von Monotonie innerhalb der untermalenden Melodie. Maßgeblich dazu beitragend ist vor allem der Protagonist der EP, welcher mit abfälliger Arroganz, ungezwungen und teilweise sogar maßgeschneidert über seine Faibles Alkohol, Rap und Sportwetten philosophiert, wodurch für gewisse Ohrwürmer gesorgt ist. Die trockene und direkte Art und Weise, wie diese verschiedenen Themen präsentiert werden, ist wohl das Geheimrezept des Werks. Anstelle von kniffligen Wortspielen und komplexen Vergleichen steht vor allem textliche Eindeutigkeit, überraschende Direktheit und ein somit leicht zugängliches Gesamtprodukt mit viel Liebe zum Detail im Vordergrund. Besonders hervorzuheben ist in diesem Fall der Titel "Mauli", der für mich in allen klangtechnischen Belangen das Highlight des Releases darstellt, ohne dabei auf treffenden Humor oder die passende Repräsentation des Künstlers zu verzichten.


    "Ich schmeiß' 'ne Runde – Gewinn auf meinem Konto/
    Es ist ganz normal – Männer trinken keinen Cosmo/
    Ich kauf' einen Mauli – wer ist dieser Beck's Ice/
    Bloody Mary ist kein Drink, sondern eine Frechheit/
    "
    (DirtyMaulwurf auf "Mauli")


    Fazit:
    Selten ist mir ein Werk aufgefallen, welches nachvollziehbarerweise komplett unterschiedlich aufgenommen werden kann. "TBKA" hängt von einer Vielzahl von Präferenzen ab, welche alle Einfluss auf den persönlichen Geschmack des Hörers nehmen. Zum einen liegt es an der Sparte der Trap-Produktionen und ihrem gewollt künstlichen und teilweise plastischen Klang und zum anderen an der Art und Weise von DirtyMaulwurf, seinem Image, seiner Attitüde und letztendlich auch an seinem musikalischen Stil. Wer keinen Gefallen an diesen Punkten gefunden hat, wird vermutlich für alle Zeit auf Kriegsfuß mit "Trap braucht kein Abitur" stehen. Allerdings birgt das Endprodukt für alle anderen sehr saubere und begeisternde Produktionen, trockenen sowie polarisierenden Humor und einen Künstler, der vorhandene Defizite weitestgehend durch sein Auftreten ausgleicht. Kritik verbleibt neben den technischen Makeln lediglich in geringer Form an dem Titel "Geregeltes Leben", welcher zwar alleinstehend überzeugt, verglichen mit den anderen Anspielstationen aber hinter dem Niveau der EP zurückbleibt. Einzig die Sorge, dass manche Witze nach einiger Spielzeit alt werden und sich somit recht schnell zu einem Dorn im Auge wandeln, verbleibt gegen Ende von "Trap braucht kein Abitur". Doch bis dahin hinterlässt mich diese Veröffentlichung in freudiger Erwartung und der Hoffnung auf zwei Dinge: ein Album sowie Sportwetten-Tipps von DirtyMaulwurf.



    Lukas Maier (Maierstro)

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    01. Kamikaze
    02. Farbenmeer
    03. Durch die Stadt
    04. Kein Morgen
    feat. Richter
    05. Ciao feat. Richter
    06. Ciao (Remix) feat. Liont & Kayef


    Versucht man, als Mensch in seinem Leben neue Wege einzuschlagen, ist die Resonanz meist zweigeteilt: Auf der einen Seite hagelt es häufig verheerende Kritik, welche mit Prognosen des Scheiterns und Hiobsbotschaften einhergeht. Währenddessen wird auf der anderen Seite oftmals der Mut und die Einstellung gelobt, etwas Neues auszuprobieren, um sich von alltäglichen Grenzen und gesellschaftlichen Paradigmen loszusagen. Diesen Zwiespalt musste der 23-jährige Künstler Metrickz am eigenen Leib erfahren, als er sich entschloss, seinen musikalischen Werdegang ohne den Einfluss von Dritten, das heißt ohne Label, Management oder Vertrieb, zu bestreiten. Mit seinem Debütalbum "Ultraviolett" löste er einen regelrechten Hype um seine Musik aus – doch kann die Nachfolger-EP "Kamikaze" den hochgestochenen Erwartungen gerecht werden oder ist der Titel wörtlich zu nehmen?


    "Und kann schon sein, ich kam auf MTV und Viva/
    Doch vor 'Ultraviolett' war'n alle weg wie Valentina/
    Zwischen Trümmern und dem Rauch hier/
    Habt ihr noch nie an mich geglaubt – ihr steht vor einem Synthesizer-Raubtier/
    "
    (Metrickz auf "Kamikaze")


    Musikalisch bleibt sich Metrickz auf der sechs Titel starken Auskopplung treu und knüpft nahtlos an das Klangbild von "Ultraviolett" an. Poppige und von Synthesizern dominierte, heitere Melodien treffen auf Dubstep-Elemente, welche durch ein hohes Tempo stets eine nach vorne treibende Grundstimmung vermitteln. Der ausführende Produzent X-plosive, welcher bereits für namhafte Künstler in Deutschland und Übersee gearbeitet hat – wie zum Beispiel Bushido oder Nicki Minaj – setzt den Sprechgesangsartisten durch dieses Klangbild passend und stilecht in Szene, ohne den Hörer durch zu viel Experimentierfreudigkeit zu verschrecken. Jene angenehme Inszenierung erweckt den Eindruck einer sehr ungezwungenen und fast schon symbiotischen Verbindung zwischen der musikalischen Untermalung und dem Musiker, die durch die selbstbewusste Darstellung und das generelle Auftreten Metrickz' nur verstärkt wird.
    Trotz des durchweg angenehmen Klangs, welcher den ein oder anderen Ohrwurm erzeugt – besonders hervorzuheben sind hierbei die Titel "Farbenmeer" oder "Ciao" –, verbleibt Kritik in der fehlenden Abwechslung. Vor allem bei mehrmaligem Anhören entsteht eine Monotonie durch die vielen Gemeinsamkeiten der verwendeten Elemente, der vermittelten Stimmung und der allgemeinen Instrumentierung der Anspielstationen. Diese wird zwar in keinster Weise als störend empfunden, sorgt aber dafür, dass das Werk nach einiger Zeit nur noch gewissermaßen vor sich hinplätschert, ohne die mitreißende Überzeugungsarbeit zu leisten, durch die es vor allem am Anfang Interesse weckte.


    "Ciao zu den Sorgen – guten Morgen, heile Welt/
    Es geht nie mehr zurück, nur nach vorn über die Well'n/
    Komm, wir laufen Richtung Norden – immer weiter durch die Welt/
    Es fehlt nur noch ein Stück und es gibt keinen, der uns hält/
    "
    (Metrickz auf "Ciao")


    Lässt man die musikalischen Aspekte außer Acht, offenbaren sich weitere Kritikpunkte im textlichen und thematischen Facettenreichtum der EP. Meist behandeln die Songs eine "Carpe diem"-Thematik, welche mit seicht gehaltenen Texten maßgeschneidert für sommerliche Klänge ist, aber eine berührende Tiefe oder gar eine emotionale Verbundenheit gänzlich missen lässt. Ein perfektes Beispiel hierfür ist der Titel "Kein Morgen", auf dem sich Metrickz und Featuregast Richter zwar technisch souverän präsentieren, aber durch bekannte Phrasen ein bereits abgenutztes Konzept weiter schmälern: "Man sagt die Guten sterben jung – doch die Besten sterben nie" (Metrickz auf "Kein Morgen").
    Einzig die Anspielstation "Durch die Stadt" erweckt in diesem Zusammenhang größeres Interesse, da sie inhaltlich an den Titel "Valentina" aus dem Jahr 2013 anknüpfen soll. In jenem Song verarbeitete der Protagonist seine verflossene Liebe und gab klare Einblicke in sein sowohl von Sehnsucht, als auch von teils einsichtiger Akzeptanz geprägtes Gefühlsbild. Doch zugegebenermaßen erliegt auch dieser Nachfolger dem Schicksal unzähliger Fortsetzungen und bleibt verglichen mit seinem Vorgänger schlicht und ergreifend hinter den Erwartungen zurück. Auch wenn weder dem Hauptakteur noch seinen Gästen technische Makel vorzuwerfen sind, führen sie meist nicht mehr als ein gesundes Grundverständnis ihrer Fertigkeiten vor, während auf Finessen sowie auf abwechslungsreiche Feinheiten gänzlich verzichtet wird. Bedauerlicherweise reicht diese solide Präsentation nicht aus, um fehlende Innovationen und mangelnden Ideenreichtum zu kaschieren. Zu oft verfallen die Künstler in reizlose Phrasendrescherei oder trüben mit simplen Vergleichen das Gesamtbild, sodass das Endresultat passagenweise langwierig oder gar unauffällig wirkt.


    "Ich find' es schade, dass wir heute nicht mehr reden/
    Tut mir leid, dass du deswegen aus den Wolken fällst wie Regen/
    "
    (Metrickz auf "Durch die Stadt")


    Fazit:
    Obwohl "Kamikaze" wörtlich genommen Schaden über den Musiker sowie den Hörer bringen würde, kann ich dieser Sichtweise in unserem Fall nur bedingt zustimmen. Zwar weist das Endresultat Schwächen in den textlichen und thematischen Aspekten auf, welche durch die Technik der mitwirkenden Künstler nicht überstrahlt werden können, aber vielleicht sollten diese Faktoren nie im Vordergrund stehen. Verglichen mit den früheren Werken Metrickz' hat der Künstler sich zwar in den aufgeführten Kritikpunkten verbessert, die Makel aber noch nicht neutralisiert. Hervorzuheben ist vor allem eine lyrische Steigerung, da auf die Vielzahl oft zwanghaft wirkender Vergleiche – welche speziell "Ultraviolett" prägten – verzichtet wurde. Das Resultat dieser Veränderung mag zwar noch nicht das sprichwörtlich Gelbe vom Ei sein, allerdings lässt es einige Stellen persönlicher und für den Hörer geradliniger erscheinen. Am Ende des Tages liegt der wirkliche Pluspunkt der EP, wie auch schon bei dem Debütalbum, in den sauberen und stimmigen Produktionen, den eingängigen Ohrwürmern und schlicht und ergreifend an dem Hang zur Musik, der wohl jeden Hörer für eine gewisse Zeit mitreißt.



    Lukas Maier (Maierstro)

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    01. Intro
    02. Bombe
    feat. Joshi Mizu
    03. Ruhe nach dem Sturm
    04. F-V-K-K
    05. Endlich alt
    06. Alles raus
    feat. Joshi Mizu
    07. R.A.G.E.
    08. Kopf der Boss
    feat. Joshi Mizu
    09. Klepto feat. Joshi Mizu
    10. Ein Herz für Hater feat. Joshi Mizu
    11. Der Wahrheit feat. Joshi Mizu


    Bonus-Tracks:
    12. B.F. Allstars 3 feat. Bizzy Montana, Marc Reis, Pirelli & Massiv
    13. Zodiak feat. Joshi Mizu
    14. Brot & Diamanten


    15. Danke


    Es ist 2014 und deutscher Rap scheint nach langer Zeit die Aufmerksamkeit zu genießen, für die Jahre lang gekämpft wurde. Mediale Berichterstattung, Charterfolge und Stammplätze in Radio-Wiedergabelisten sind schon lange keine Seltenheit mehr und spiegeln die Präsenz in der heutigen Gesellschaft wieder. Genau jene Präsenz erlebten die langjährigen Freunde RAF Camora und Chakuza durch vergangene Werke, besonders durch ihre jeweils letzten Soloalben "Hoch 2" und "Magnolia". Ausgedrückt wird diese gesellschaftliche Aufmerksamkeit durch feste Plätze in den Top Ten der Charts, ausverkaufte Touren durch die Republik oder durch gewonnene Awards in verschiedenen Kategorien. Nun möchte man meinen, dass solche Erfolge Künstler zu Höhenflügen anregen oder arrogant wirken lassen, doch das genaue Gegenteil soll durch ihre neueste Kollaboration bewiesen werden. "Zodiak", so der Name des Albums, stellt laut Eigenaussage eine Rückkehr zu den Wurzeln und den Anfängen der Künstler dar. Ob diese Rückkehr nun einen Fortschritt in der künstlerischen Entwicklung darstellt oder aber mühselig Aufgebautes dank eines Rückschritts zerstört, steht als Frage im Raum, während zeitgleich die ersten Töne von "Zodiak" erklingen.


    "Viele war'n beeindruckt, haben 'Magnolia' gehört/
    Den guten Eindruck von 'Magnolia' wird 'Zodiak' zerstör'n/
    "
    (Chakuza auf "Intro")


    Die ersten Zeilen ertönen und alle Fragen, welche zu Beginn noch präsent waren, sind verschwunden. Schnell wird klar, dass es zumindest den Künstlern herzlich egal ist, ob das Projekt nun als Fort- oder Rückschritt angesehen wird. Vielmehr vermittelt der erste Eindruck das Gefühl, als ob Chakuza und RAF Camora dieses Projekt wirklich aus dem einen, wohl unglaubwürdigsten Grund in der Musikindustrie machen: weil sie Lust darauf haben. Wer auf solch einer Produktion eine thematische Vielfalt erwartet hat, die das Rad oder vielmehr das Geschäft neu erfindet, wird mit einer Enttäuschung konfrontiert. Allerdings sollte man sich im Klaren darüber sein, dass das wohl nie die Absicht oder gar den Sinn und Zweck der Zusammenarbeit dargestellt hat. Neben den obligatorischen Titeln, die beweisen sollen, dass man selbst der Beste aller Zeiten ist, verpackt in allerlei witzigen und kreativen Formen des Prollraps, werden zu aller Überraschung auch vermeintlich ernstere Themen angesprochen. Beispiele dafür sind unter anderem "Endlich alt", worauf die Interpreten aus Sicht ihres Rentner-Ichs ihr Leben reflektieren, oder auch der Titel "Brot & Diamanten", welcher sich mit Dankbarkeit sowie Zufriedenheit im Leben auseinandersetzt und diese Gefühle in ein etwas anderes Licht rückt. Auch wenn die auf den ersten Blick ernsteren Passagen keinesfalls einen Störfaktor darstellen, wird für eine glaubwürdige Ernsthaftigkeit zu sehr in seichtem Wasser gefischt; das eigentliche Ziel einer humoristischen Betrachtung schimmert immer wieder durch.


    "Ah, mein tiefgelegter Rollstuhl ist der Shit/
    Ich drück' 'nen Knopf, man bringt mir Bockwurst und Pommes frites/
    Wischt alles weg, was ich kotze oder piss'/
    "
    (RAF Camora auf "Endlich alt")


    Unabhängig von der Thematik der Titel präsentieren sich die beiden Wahlberliner, Hauptfeature Joshi Mizu sowie die übrigen Gäste in möglichst arroganter und selbstbewusster Manier, sodass die Künstler gerade durch ihr Auftreten und ihre Selbstdarstellung überzeugen können. Allerdings birgt gerade jener Pluspunkt das wohl größte Manko von "Zodiak": Die Art und Weise, wie etwas gesagt wird, verschleiert im Falle der meisten Titel den lyrischen Balanceakt, welchen die Musiker wiederholt darbieten. So fühlt man sich als Hörer teilweise zwischen sympathisch simplem Humor und beschämtem Lächeln und Nicken hin- und hergerissen. Zu oft entsteht durch diesen Zwiespalt der Eindruck, als hätten die Künstler schlicht und ergreifend nicht alles aus sich herausgeholt. Oder zumindest nicht genug, um gänzlich zu überzeugen. Vielmehr wird der Anschein eines sehr unbeschwerten und spontanen Entwicklungsprozesses erweckt, welcher mit einer gewissen Portion Gleichgültigkeit im Bezug auf die Wirkung einiger Textpassagen einhergeht. Lässt man das Konzept von "Zodiak", die puristische Rückkehr zu den Anfängen der Künstler, außen vor, bleibt der Wunsch, dass sie sich – insbesondere für den Feinschliff einiger Stellen – etwas mehr Zeit genommen hätten. Denn oftmals sind Punchlines, die im Studio begeistern, und Punchlines, welche die breite Masse mitreißen, zwei verschiedene, wenn auch leicht zu verwechselnde paar Schuhe.


    "Wenn ich lächle auf 'ner Party, ein paar Schnitten zuwinke/
    Verdeck' ich damit, dass ich heimlich in den Swimmingpool pinkle/
    "
    (Chakuza auf "Ruhe nach dem Sturm")


    Der größte Vorteil des Albums spiegelt sich in den vielseitigen Produktionen wieder, welche in den meisten Fällen von Chakuza und RAF Camora persönlich geschaffen wurden. Diese hautnahe Verbindung zwischen Instrumentierung und Rap lässt die Interpreten durchweg stimmig wirken und setzt sie bestmöglich in Szene.
    Jene musikalische Untermalung variiert hierbei von ruhigen, fast schon entspannenden Melodien ("Ruhe nach dem Sturm", "Endlich alt") bis hin zu druckvollen und mitreißenden Auskopplungen, welche zum Kopfnicken anregen ("Bombe", "F-V-K-K"). Unabhängig von der Stimmung der einzelnen Songs, findet sich eine Gemeinsamkeit in der Tatsache, dass die meisten Tracks auf ihre eigene Art und Weise düster, aber auf keinen Fall bedrückend wirken. Besonders Fans der älteren Werke der Künstler, wie zum Beispiel RAF Camoras "Therapie"-, oder Chakuzas "Suchen und Zerstören"-Reihe, werden ihren Gefallen an dem "Zodiak"-Klangbild finden, da es deutliche Parallelen zieht, diese allerdings in ein moderneres Gewand hüllt. So ist die Energie, welche in der Instrumentierung der älteren Werke allgegenwärtig war, auch auf diesem Album präsent und reißt den Hörer wortwörtlich mit. Der einzige Unterschied liegt in der Tatsache, dass die Produzenten in den letzten Jahren keinesfalls untüchtig waren und durch den Gebrauch von aktuellen, modernen Skizzen mit der Zeit gehen, ohne dabei zu sehr von dem gewünschten Resultat abzuweichen. Oder um es in RAFs Worten zu sagen: "Was für 'ne Bombe – was für 'ne Granate dieser Beat" ("Bombe").


    Neben den eingängigen Produktionen sind vorallem die Refrains des Albums positiv zu erwähnen. Dabei ist es irrelevant, ob sie von den Interpreten gesungen oder als Gruppe, meist unterstützt von Indipendenza-Kollege Joshi Mizu, gerappt werden. Stets wirken die Hooks ebenso harmonisch wie auch stilecht und passend zum Titel abgerundet. Interessant sind hierbei vor allem die sehr unterschiedlichen Klangspektren der Stimmen, welche durch den spielerischen Einsatz innerhalb der Gruppe eine interessante und vielfältige Abwechslung darbieten. Diese tonangebende Präsentation, kombiniert mit den jeweiligen Instrumentals und dem souveränen Auftreten als Crew, sorgt dafür, dass textliche Schwächen schnell verziehen, aber am Ende des Tages nun mal nicht vergessen werden.


    "Ich geb' euch alles, was ihr wollt, außer Respekt/
    Liebe ist out wie euer Sound – wiedergekaut/
    Ich geb' euch alles, was ihr wollt, außer Respekt/
    Kann Euch Spinnern nicht trau'n – entfolgt bitte meinem Twitter-Account/
    "
    (RAF Camora & Chakuza auf "F-V-K-K")


    Fazit:
    Ein Album, welches lange erwartet wurde, hat mit hohen Anforderungen zu kämpfen und wird diesen aufgrund einer utopisch hohen Erwartungshaltung nur selten gerecht. Jenes Problem durchleidet auch "Zodiak" für mich. Versuche ich, das Projekt objektiv zu betrachten, bleibt ein erstklassig produziertes Album mit hervorragendem Klangbild, welches textlich gesehen schwankt und, anstatt ein konstant hohes Niveau zu halten, zuviele Abweichungen bereithält. Am Ende des Tages verbleibt ein Werk, das problemlos in allerlei Lebenslagen gehört werden kann und eingefleischten Fans sicherlich viel Freude bereitet. Allerdings wird dem Gelegenheitshörer wohl schlicht und ergreifend das gewisse Etwas fehlen, welches "Zodiak" von anderen Produktionen unterscheidet, sich abhebt und dadurch vollends zu begeistern weiß.



    Lukas Maier (Maierstro)

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    01. Absturz!
    02. Mit der Concorde über den Atlantik
    03. Spirity
    05. 30er Zone
    feat. Mikzn70
    06. A$AP Conny
    04. Battlekingz mit grossem Zett
    feat. Persteasy
    07. Videomusik feat. Projekt Gummizelle
    08. Benzin
    09. Etap
    10. Rapper bin
    11. Der blendende Weihnachtsmann
    12. Präsidentenstrand
    feat. Eypro & Opty Free
    13. Umrisse feat. Pimf
    14. Fanpost
    15. Stelle stehen


    Bonus-Tracks:
    16. Gefährlich feat. NMZS
    17. Wie ein Pferd


    Wir schreiben Freitag, den 21. Februar 2014: ein gewöhnlicher Morgen an einem ganz normalen Tag. Doch anstatt, wie um diese Zeit sonst üblich, noch im Bett zu liegen und Träumen nachzujagen, die im Alltag in weiter Ferne liegen, verbringe ich den heutigen Morgen mehr wach als gut gelaunt am Düsseldorfer Flughafen. Als Träumer plagt mich, wie so oft, das Fernweh. Aber anstatt es einfach hinzunehmen, hat sich der Beschluss manifestiert, etwas dagegen zu tun. Meine Lösung: "mit der Concorde über den Atlantik". Obwohl ich bisher kaum eine Verbindung zu "Der Plot" herstellen konnte, starte ich zögerlich in mein Abenteuer. Da mir Unwissenheit seit jeher ein Dorn im Auge ist, nutze ich die Gunst der Stunde und frage kurzerhand die ältere Dame zu meiner Linken. Die aktuelle Besetzung besteht seit 2009? Zusammenarbeiten mit Eypro und Persteasy? Sogar deutschlandweite Streitigkeiten, die im Internet ausgetragen wurden? Aber summa summarum wohl ganz unkonventionelle, junge Männer, die sich mal was Neues trauen und die ältere Frau irgendwie an ihre Enkelkinder erinnern – wir driften ab. Minuten später reißt mich das Krächzen der Lautsprecher aus der Unterhaltung und signalisiert mir, dass es nun an der Zeit ist, an Bord zu gehen. Eilig bedanke ich mich für das Gespräch und wünsche zum Abschied eine gute Reise, in der Hoffnung, dass das Karma dasselbe für mich bereithält. Während die anderen Passagiere einsteigen, ihr Gepäck verstauen und sich für den Flug fertig machen, frage ich mich zum ersten Mal in meinem Leben, ob ein rosafarbener Oberlippenbart wirklich das richtige Accessoire für die Königin der Lüfte ist ...


    "Wir woll'n doch nur ein bisschen Lebensqualität/
    Und so steh'n wir am Gate – jeder Kilometer zählt/
    Denn wir müssen hier weg, so weit das Kerosin uns trägt/
    Doch vielleicht ist dieses Fernweh auch nur Sehnsucht nach uns selbst/
    "
    (Conny auf "Mit der Concorde über den Atlantik")


    Der Titelsong erklingt und trifft mit dem ersten Ton bereits den richtigen Nerv. Hand in Hand mit einer ruhigen, sich langsam aufbauenden Melodie wird die Fernweh-Thematik aufgegriffen und gibt erschreckend bekannte Gedankengänge wieder, die wohl jeder schon einmal durchlebt hat. Obwohl die vorgetragenen Gedanken und Ideen vertraut wirken und das Rad gewiss nicht neu erfinden, ist es nicht der Fall, dass Phrasen abgestumpft, langweilig oder gar veraltet präsentiert werden. Vielmehr taucht die wohl bedachte Inszenierung und musikalische Untermalung jedes Element in ein interessantes und neues Licht, sodass mögliche Turbulenzen rechtzeitig und stimmig vermieden werden. Dieser Eindruck einer ruhigen und detaillierten Planung zieht sich durch die komplette Produktion und man bekommt selten das Gefühl, dass eine Strophe, ein Gastbeitrag oder auch nur ein kurz eingespieltes Instrument unbedacht verwendet wurde oder gar fehl am Platz sei. Besonders hervorzuheben ist hierbei der Gastbeitrag von "Projekt Gummizelle", der sich nahtlos in das Konzept einfügt. In "Videomusik" geht es darum, dass heutzutage oftmals andere Kriterien, speziell das Video, anstelle der Musik im Vordergrund stehen.


    "Du kommst mit über W-Lan und du fragst dich, was das heißen soll/
    Vielleicht, dass mein Weltbild bisschen größer ist als 13 Zoll/
    "
    (Kgee von Projekt Gummizelle auf "Videomusik")


    Über persönliche Vorlieben und Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Bei einseitigeren Werken könnte man dieses Problem definitiv verstehen und oftmals ein Album wegen eines einzigen Kriteriums verwerfen. Aber gerade in diesem Punkt spielt sich der wohl größte Vorteil der Düsseldorfer Gruppierung aus: Der Plot besteht nun mal nicht nur aus den Rappern Conny und Elmäx, sondern aus einer insgesamt fünfköpfigen Band, was in einer schnelleren, ideenreicheren und vor allem "abgesprochener" wirkenden Zusammenarbeit resultiert. So ist es im Normalfall möglich, dass die Sprechgesangsartisten ihre Texte an die Produktionen anpassen, aber eben auch im Umkehrschluss, dass Produktionen an Texte angepasst werden können, bis das Endresultat letztendlich exakt die Intention der beteiligten Musiker trifft. Jene Intentionen erzeugen in diesem Fall das Gefühl, als befände man sich inmitten einer Radiostation. Im Hauptfokus liegen zweifelsohne elektronische Klänge, welche aber frei nach Belieben mit anderen Einflüssen kombiniert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es nun klassische HipHop- und neumodische Dubstep-Elemente auf Liedern wie "Der blendende Weihnachtsmann", südlich orientierte "Gute Laune"-Melodien auf dem "Präsidentenstrand" oder aber auch melancholische und ernstere Töne auf Titeln wie "Umrisse" und "Fanpost" sind. Diese Vielfalt ist durchaus nachvollziehbar, denn je mehr Musiker an einem Projekt arbeiten, desto mehr Ideen fließen in das Gesamtwerk mit ein. Aus diesen Ideen wiederum kann im Entwicklungsprozess, wenn man sich Zeit lässt und fokussiert in dieselbe Richtung arbeitet, nicht nur eine musikalische, sondern auch thematische Vielfalt entstehen.


    "Aber wir zieh'n los in die Pampa/
    Ich fühl' mich, als wär' ich 13 – mein Spiegelbild sieht das anders/
    "
    (Elmäx auf "Etap")


    Diese Vielfalt spiegelt sich über die komplette Spieldauer hinweg wieder, da kein Titel einem anderen ähnelt. Seien es nun humorvolle Lieder, die das (Tour-)Leben von jung gebliebenen oder auch teilweise missverstandenen Musikern wiedergeben ("Etap"), arrogante Songs über die Rechte und Pflichten eines Rappers ("Rapper bin") oder auch Titel aus der herablassenden Sicht eines Großverdieners, wie es ein Künstler bekanntermaßen nur sein kann ("A$AP Conny"). Trotz des humoristisch angehauchten Repertoires der Jungs überzeugen sie mich vor allem dann, wenn sie tiefgreifende Töne anschlagen. Besonders hervorzuheben ist meiner Meinung nach "Fanpost", auf dem Conny der Thematik nachgeht, dass er sich selbst immer wieder im Schatten positioniert, um sein Umfeld zwanghaft zufriedenzustellen. Explizit geht er in diesem Fall auf die Schattenseite der Medaille ein, welche eine behindernde oder gar zerstörerische Lebensweise birgt.


    "Das ist scheinbar, wie ich bin – alles oder nichts/
    Ich nehm' eure Fanpost mir solang zu Herzen, bis es bricht/
    Bis ich ganz unten ankomm' – jetzt hab ich's kapiert/
    Denn um etwas zu gewinnen, hatte ich zu viel zu verlieren/
    "
    (Conny auf "Fanpost")


    Dieser Versuch der Zufriedenstellung jeglicher Hörerschaft entpuppt sich allerdings nicht nur auf negative Art und Weise der Selbstreflexion, sondern bietet zeitgleich eine breitgefächerte Form des Facettenreichtums. Jene Vielfältigkeit lässt "Mit der Concorde über den Atlantik" am Ende des Tages nicht wie eine schnell realisierte Produktion gemäß dem Sprichwort "Zu viele Köche verderben den Brei" wirken. Vielmehr wirkt es textlich wie ein durch jugendliche Gedanken inspiriertes Album, in einer, dank des durchdachten und stimmigen Klangbildes, erwachsenen Verpackung. Dieser riskante Drahtseilakt, welcher eine Kombination von jung und alt als Resultat entstehen lässt, stellt mit Sicherheit einen Bezug zum Hörer her – ob man nun will oder nicht.


    Fazit:
    Die Zeit läuft unwiderruflich gegen mich und bevor ich die Reise wirklich wertzuschätzen weiß, ertönt auch schon die Durchsage des Piloten, dass wir uns im Landeanflug befinden. Ein weiteres Mal werde ich überrascht, denn die Concorde setzt nach bisher 15 Zwischenstopps noch zu zwei weiteren Bonusrunden an, welche das Tüpfelchen auf dem i bilden, bevor die Maschine letztendlich abbremst, stoppt und ankommt. Ohne mir großartige Gedanken darüber zu machen, applaudiere ich dem Kapitän und bedanke mich bei dem Bordpersonal – nicht wie gewohnt aus reiner Selbstverständlichkeit, sondern weil ich dieses eine Mal wirklich dankbar bin. Die Concorde startete vor 64 Minuten mit dem ungenauen Ziel "Übersee", doch wenn es stimmt, was man sagt, und der Weg letztendlich das Ziel ist, will ich diese Erfahrung nicht missen und entscheide mich dafür, an Bord zu bleiben. Wohin es nun geht? Das ist nicht wichtig – Hauptsache das Ziel liegt über dem Atlantik.



    Lukas Maier (Maierstro)

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