Review: MC Rene – USBcard100



  • 01. Stefan Eckert
    02. Nur der Planet
    feat. Max K.rings
    03. Mein Koffer und ich
    04. Bereuen
    feat. Immo & Spax
    05. Der Hobo mit dem Mojo
    06. Mein Leben ist ein Freestyle


    Er nennt seinen Koffer Natascha, stellt sich für ein Mittagessen in Innenstädten vor ein Senioren-Publikum und spricht dabei von einem asozialen Jahr, das er nun absolviere; die Rentner haben natürlich keinen Schimmer, wovon er spricht. René El Khazraje fährt seit April 2010 auch bis ins tiefste Vorstädtchen, um ein italienisches Sexfilmchen zu synchronisieren. Dazu gibt es Schnittchen gratis – gerade recht, denn Geld ist knapp. Das sind gern erzählte Anekdoten in Interviews, wenn René davon spricht, seit mittlerweile über drei Jahren statt einer Wohnung eine Bahncard 100 zu besitzen, mit dem Ziel, ein Comedy-Programm auf die Beine zu stellen. Zum vorläufigen Höhepunkt seiner "Ochsentour" zählt er seinen Nightwash-Auftritt, bei dem er von "Rhymestology", dem "Rapperent" und einem sogenannten "MCias" erzählt – ein Mashup aus Sekten-, Religions- und HipHop-Begriffen, denn vor ohm steht das breite Publikum und keine klassischen Rap-Fans. Seine kreativen Wortschöpfungen mögen lächerlich wirken und seine klischeehafte HipHop-Gestik dem eingeschworenen Szenefreund aufstoßen, doch eines kann man ihm nicht absprechen: den unbändigen Mut, seine komplette Existenzgrundlage – ein gesichertes Einkommen und eine Wohnung – für den Willen, frei zu sein, aufzugeben. Sich selbst zu bestimmen. Aus dem Alltag auszubrechen und das zu machen, wovon andere nur träumen. Der Plan, keinen zu haben, ist das Lebensmotto des 36-Jährigen ... schon immer gewesen, denn hier schließt sich der Kreis: René kam durch sein Tramper-Ticket der Deutschen Bahn schon als Jugendlicher in den Genuss der Freiheit. 20 Jahre später veröffentlicht er die "USBcard100", die einen USB-Stick enthält, auf dem mitunter sechs exklusive Tracks enthalten sind. Wohin geht die Reise des "Trainman"?


    "Stefan Eckert hatte schon mit sechs ein' Bausparvertrag/
    Stefan Eckert geht siebenmal im Jahr zum Zahnarzt/
    Stefan Eckert trägt ein' Helm beim Fahrrad fahren/
    Sein Handy hängt wie ein Colt an der Jeans – abgefahren/
    "
    (MC René auf "Stefan Eckert")


    Getrieben von der Terminakquise, dem Drang, anderen Leuten eine Versicherung anzudrehen, war "Stefan Eckert" (Renés Callcenter-Pseudonym) gefangen im alltäglichen Trott. Das war nicht nur nicht namentlich René, sondern der festgefahrene Bürokrat, gefangen in seinen standardisierten Abläufen. Dieser ist stets dem Druck ausgesetzt, ausreichend Termine mit potenziellen Kunden zu vereinbaren, weswegen René auch in der dritten Person mit seinem "bürgerlichen Notfallprogramm" abschließt, dabei jedoch keine aufgestaute Wut verarbeitet, sondern der Vergangenheit auf eine sympathische und humorvolle Weise Adieu sagt. Es ähnelt einer kumpelhaften Einladung, die Witzfigur "Stefan Eckert" für ihr gutbürgerliches Pflichtbewusstsein durch den Kakao zu ziehen. Die neugewonnene freie Zeit kann jedoch nicht immer so aufregend sein, wie man vermuten mag, denn Fahrgäste der Deutschen Bahn sind selten gesprächig, darum hat René eine innige Beziehung zu seinem Koffer entwickelt und führt regelmäßig Gespräche mit ihm beziehungsweise ihr ("Mein Koffer und ich"), auch Natascha genannt. Die "Diva mit Allüren" erweist sich als einziger Partner, der die Reise des ehemaligen Wahl-Berliners teilt. Obwohl er augenscheinlich festgestellt hat, dass der Koffer nicht auf seine Fragen antwortet, löchert er ihn dennoch mit selbigen. Seine treue Seele beschwert sich im Gegenzug der dreckigen Wäsche wegen ... so ganz durchdacht scheint dieser Dialog nicht und Tränen gelacht habe ich ebenfalls nicht; Einsamkeit lässt offensichtlich auch etwas schizophren werden. Zumindest erinnert es musikalisch in Ansätzen an den Klassiker "Spüre diesen Groove".


    "Mein Leben ist ein Freestyle, der improvisierte Moment/
    Holt dich der Alltag ein, ist es besser, du rennst/
    Bekommst im Leben nichts geschenkt/
    Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt/
    "
    (MC René auf "Mein Leben ist ein Freestyle")


    Die Dynamik des Freestylens, den Moment zu improvisieren, einen Reim durch einen anderen abzulösen, ist Renés Steckenpferd und wird stets sehnsüchtig erwartet, sieht man ihn durch den viereckigen Rahmen oder live auf der Bühne. Deswegen funktionierte er auf einem Tonträger nie so, wie wenn er seine Fantasie bemühen musste. Dass sich in dieser Beziehung nicht viel geändert hat, aber die jugendliche Unbekümmertheit früherer Tage erhalten blieb, verdeutlicht das in Zusammenarbeit mit Carl Crinx vorab veröffentlichte Video zu "Mein Leben ist ein Freestyle", in dem sich an seinen rollenden Tisch die Heidelberger Größen Torch, Toni-L, Boulevard Bou und die Stieber Twins einfanden und ihn mit ihren Cameo-Auftritten unterstützten. Neben latent abgenutzten, austauschbaren Zeilen geben solche pathetischen wie "Ich besitze nicht viel – nur ein Selbstwertgefühl" und "die Freiheit existiert nur, wenn du sie siehst" den letzten drei Jahren, aber auch den letzten 20 Jahren, eine Pointe. Das Trainman-Image findet so auf fast jedem Track ein Plätzchen. Der lockeren Freestyle-Atmosphäre auf smoothen Bumm Bumm Tschack-Beats von Carl Crinx lässt sich auf "Nur der Planet" dann aber doch noch eine weitere Facette gutschreiben: Der melodiöse, sehnsuchtsvolle Chorus von Max K.ring ist die beruhigende Tempobremse dieser jugendlich-flotten Fahrt.


    Fazit:
    Viel Häme musste der gebürtige Braunschweiger einstecken und auch wenn es den Anschein hatte, René wurde durch despektierliche Tracks selbsternannter Kings zur HipHop'schen Unperson erklärt, hat er nichts an der Leichtigkeit alter Zeiten eingebüßt. Das beweisen nicht zuletzt die exklusiven Songs seiner "USBcard100", die seine bisherige Reise resümieren; davon berichten, wie ein junger Mensch seinen Lebensinhalt sucht und dabei ständig unterwegs sein muss. Vielleicht geht es auch nur darum, in Bewegung zu sein, neue Herausforderungen zu suchen und mit einer breit geschwellten Brust ebenjenen gegenüber zu stehen. Zurecht fordert er auf "Mein Leben ist ein Freestyle" mit erhobenem Zeigefinger dazu auf, seinen Vorlieben nachzustreben, sich nicht zu verkaufen und sich dem hinzugeben, wozu man sich berufen fühlt. René geht schon mal mit einem Koffer und einem beeindruckenden Selbstbewusstsein voraus.



    (Die Robbe)

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  • ja das ist der rene
    von dem gibts ein paar ganz gute tracks auf uraltcompilations und der hat mal mixery oder irgend eine andere hip hop sendung moderiert, wenn ich mich recht erinnere.
    ist aber alles schon unendlich lange her. scheint ein sympathischer typ zu sein, aber die tracks von dem haben mir persönlich nie was gegeben.


    an den menschen der den review geschrieben hat. irgendwas erwähnenswertes über den track mit immo und spax? das ist der einzige der mich wirklich interessiert

  • Der hat was releast? Mal so gar nix von mitbekommen..


    Live gut, auf EP Länge allerdings nichts für mich.

  • Zitat

    Original von Tollpatsch
    uff... wenn hier leute schreiben, dass sie mc rene nicht kennen, fühle ich mich schon ein bisschen alt mit meinen gerade mal 25 jährchen.


    Rene sollte man schon kennen, wenn man man sich nur ansatzweise für deutschen Hip-Hop interessiert.

  • Zitat

    Original von ElSeto


    Rene sollte man schon kennen, wenn man man sich nur ansatzweise für deutschen Hip-Hop interessiert.


    Naja, ich finde jetzt nicht, dass er den deutschen Hip-Hop so sehr geprägt hat. Er war präsent, aber mehr auch nicht in meinen Augen.

  • Zitat

    Original von EinAndererGordon


    Naja, ich finde jetzt nicht, dass er den deutschen Hip-Hop so sehr geprägt hat. Er war präsent, aber mehr auch nicht in meinen Augen.


    Geprägt wie ein KKS sicherlich nicht, aber der Name sollte einem wiegesagt bekannt sein.

  • Zitat

    Original von Tollpatsch
    uff... wenn hier leute schreiben, dass sie mc rene nicht kennen, fühle ich mich schon ein bisschen alt mit meinen gerade mal 25 jährchen.


    :D

  • Zitat

    Original von AirMax68
    sehr schön das er wieder was raushaut, hoffe die Stiebers ziehen irgendwann nach.


    Das letzte was ich von denen wahrgenommen hab, war die Produktion auf
    dem SD Album ("21 Gramm"). Der zweite Song wurde von denen produziert.
    Aber ansonsten nichts von denen gehört, naja. Das waren noch Zeiten..haha..

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