Special: Pyrin


  • "Gleich vorweg: 'Psychonautik' ist gestört, deine Augen glauben, gut zu hör'n und deshalb erblinden deine Ohr'n" – wer Pyrin, ehemals Thomas Pyrin, kennt, der weiß, dass dessen Musik nicht gerade unter die Kategorie "leichte Kost für zwischendurch" fällt. Hochkomplexe, tiefgreifende und vor allem "andersartige" Lyriken, die laut eigener Aussage zur "Bewusstseinsveränderung" führen, sind das Markenzeichen des Stuttgarter Rappers, der seit einigen Jahren bereits den Untergrund unsicher macht und regelmäßig mit neuen Releases von sich hören lässt. So durften sich Pyrin'sche Anhänger allein in diesem Jahr bereits über zwei EP-Releases freuen. Aktuell arbeitet er gemeinsam mit Produzent Bromm an einem Nachfolger für sein 2010 erschienenes Album "Psychonautik". Wie es darum steht, inwiefern man als frisch dazugekommener Pyrin-Hörer dessen Musik durchaus als "anstrengend" ansehen darf und wie es um künftige Zusammenarbeiten mit VBT-Teilnehmer Smoke T aussieht, lest ihr in unserem Interview. Zusätzlich soll euch der Exclusive-Track "Das weiße Nichts" zum Kennenlernen dienlich sein.


    rappers.in: Stellen wir uns zu Beginn des Interviews mal folgende Situation vor: Wir betreten eine Apotheke und sehen dort verschiedene Medikamente, unter anderem auch Thomapyrin-Tabletten. Die sind ja bekanntermaßen ganz gut gegen Kopfschmerzen. Aber gegen was hilft denn das Einnehmen von "Thomas Pyrin" in musikalischen Dosen? Und was haben wir an Nebenwirkungen zu befürchten?


    Pyrin: Zunächst habe ich das "Thomas" aus meinem Namen gestrichen. Nur "Pyrin" finde ich mittlerweile bezeichnender. Um auf die Frage einzugehen: Das Einnehmen von "Pyrin" – Haare spalten sollte man, solange man noch welche hat – führt hoffentlich zu profunden und gesunden Denkanstößen und zu einer Öffnung des Bewusstseins, zu einem Bewusstwerden über das dritte Auge und zu einem besseren Verständnis jener Dinge, die man nicht sehen kann. Die Nebenwirkungen könnten nachhaltige Wahrnehmungsveränderungen und ein Abgleiten in gesellschaftliche Außenseiterrollen zur Folge haben.


    rappers.in: Zu einem "Bewusstwerden über das dritte Auge" ... kannst du das näher erläutern? Und wie kam's zu der Entscheidung, das "Thomas" aus dem Namen zu streichen?


    Pyrin: Das dritte Auge sieht die Dinge, die dem normalen Bewusstseinszustand verborgen bleiben. Dinge wie Bilder des Unbewussten, Schwingungen und Energien zwischen Menschen, Pflanzen und auch Dingen. Es nimmt andere geistige Sphären wahr, die sich zwischen Leben, Tod und Alltagswahrnehmung bewegen und all diese Dinge doch beinhalten. Es ist sensibler für die Welt, in der wir leben, als unsere gewohnten fünf Sinne. Meine Musik beschäftigt sich unter anderem mit dieser Form der Wahrnehmung. Was das Feuern meines Vornamens angeht ... Mir kam der Name mittlerweile einfach ein wenig albern vor. Pyrin klingt seriöser. Immerhin bin ich auch ein wenig älter geworden.


    rappers.in: In deiner Biografie heißt es unter anderem: "Warum ihr meine Musik hören solltet? Nun, ich habe mir sagen lassen, sie sei anstrengend, aber gut." Wer hat das denn so zu dir gesagt und inwiefern empfand derjenige sie als "anstrengend"?


    Pyrin: Viele haben das zu mir gesagt. Ich schätze, sie ist anstrengend, weil die Gedankengänge, die ich zu Papier bringe, recht verschachtelt und metaphorisiert sind ... Gibt es das Wort? Notfalls gilt es nun als erfunden. Viele meiner Hörer und auch Nichthörer, denen meine Musik zu anstrengend war, meinten, einmaliges Hören reiche nicht aus, um das Gesagte zu erfassen.


    rappers.in: Findest du nicht, dass man sich dadurch auch sehr auf eine bestimmte Zielgruppe beschränkt? Deine Musik ist ja zum Beispiel wirklich nichts zum Nebenbeihören. Da muss man sich schon in Ruhe hinsitzen und sich ihr voll und ganz widmen ... Glaubst du, das schreckt auch viele davon ab, sich näher mit ihr zu beschäftigen?


    Pyrin: Auf jeden Fall tut es das. Aber ich habe kein Zielgruppendenken im Hinterkopf, wenn ich Musik mache. Ich tue eben das, was am ehesten mir selbst entspricht und bin mir gegenüber ehrlich. Die meisten Menschen hören Musik zur Zerstreuung und verspüren kein Bedürfnis, etwas aus diesem Medium zu ziehen. Ist bei Filmen recht ähnlich. Schaut sich das breite Publikum lieber einen Spielberg-Film oder einen David Lynch an? Ich für meinen Teil mag Musik, die Tiefgang zu bieten hat. Selbstverständlich nicht ausschließlich. Ich glaube jedenfalls, kein einfacher Mensch zu sein. Warum sollte es meine Musik dann sein?



    rappers.in: Du hast in diesem Jahr bereits zwei Releases, die EPs "60" und "70", veröffentlicht, die eine jeweilige Hommage an diese Jahrzehnte darstellen und nur Samples aus ebendiesen Jahren in den Beats verwenden. Wirst du diese Reihe weiter fortsetzen? Und wenn ja: Wann ist sie beendet?


    Pyrin: Die Reihe ist beendet. Ich habe vor einigen Jahren sehr viel Psych- und Prog-Rock aus den 60ern und 70ern gehört. Das hat auch mein Hörverhalten nachhaltig geprägt. In diesem Sinne wollte ich mich gemeinsam mit Heitech vor dieser Musik verneigen. Das nächste Album ist bereits in Arbeit und knüpft eher wieder an "Psychonautik" an.


    rappers.in: Da nimmst du jetzt indirekt die nächste Frage vorweg. Wie gesagt, unterscheiden sich die beiden EPs sehr vom Sound deines letzten Albums "Psychonautik", auf dem du dich vor allem an Dubstep-Elementen bedient hast. Das neue Album wird also wieder mehr in diese Richtung gehen? Aber: Gibt es überhaupt eine für dich typische Stilrichtung im Soundbild?


    Pyrin: Ich habe mich lange Zeit ausprobiert, weil ich selbst Musik aus nahezu jedem Genre höre. Dubstep ist aus meinem Klangbild vollständig verschwunden. Der Hype ist mir doch zu groß geworden und hat mir die Freude daran verdorben. Außerdem bin ich auf ein Klangbild aus, bei dem man nicht in zwei Jahren sagt: Was haben die denn damals für einen Müll gehört? Das neue Album wird sich sowohl eingespielter Instrumente als auch Synthies und Samples bedienen und einen sehr eigenen Sound aufzeigen, auf den ich in Zukunft aufbauen werde. Und es wird nur einen Produzenten geben: Bromm.


    rappers.in: Bromm? Von dem hab' ich bisher ehrlich gesagt noch nie gehört. Wie habt ihr euch gefunden? Und wie kam's zu der Entscheidung, das komplette Album von einem einzigen Produzenten instrumentalisieren zu lassen?


    Pyrin: Zu viele Köche verderben den Brei. Arbeitet man für ein Werk nur mit einem Produzenten, ist es viel einfacher, einen roten Faden herzustellen. Bromm hat einige Tracks auf "Psychonautik" produziert, zum Beispiel "Dubios" und "Quantenselbstmord". Ich kenne ihn schon lange. Seine Beats waren die ersten, auf die ich gerappt habe. Nun haben wir lange nichts zusammen gemacht und haben uns beide enorm entwickelt. Es ist eine sehr spannende Zusammenarbeit. Da er in der Lage ist, ein sehr organisches, aber auch schmutziges und sphärisches Soundbild herzustellen, habe ich mich für das neue Werk für ihn entschieden.


    rappers.in: Okay, den roten Faden in der Instrumentalisierung hätten wir damit – wie schaut's mit dem roten Faden im textlichen Bereich aus? Was erwartet uns auf deinem neuen Album?


    Pyrin: Es ist ähnlich aufgebaut wie "Psychonautik" und aufgeteilt in drei Kapitel. "Auf dem Teppich", "Unter dem Teppich" und "Am Ende des Teppichs". Zum Verständnis: Albumtitel ist "Der rote Teppich zum Nichts". Wir bewegen uns hier also zunächst innerhalb der physischen Welt und der Gesellschaft mit all ihren Konflikten, tauchen anschließend in die nicht sichtbaren Welten ab, ebenfalls mit ihren Konflikten, und landen zu guter Letzt am Ende des Lebens. Der Handlungsstrang ist sehr analog zu "Psychonautik", doch mit anderen Thematiken und neuen Blickwinkeln.


    rappers.in: Hört man sich deine Texte an, wird auch immer wieder ein gewisses Interesse deinerseits für Autoren wie Nietzsche, Sartre oder Kafka sichtbar. Was genau fasziniert dich an dieser Art von Lyrik denn so?


    [B]Pyrin: Davon habe ich mich mittlerweile ein klein wenig entfernt. Auf "Der rote Teppich zum Nichts" wird es auch Anspielungen geben, insbesondere auf psychedelische Prominente wie Leary oder Phillip K. Dick, aber weniger innerhalb der Textpassagen als vielmehr in Form von Samples. Autoren wie Sartre oder Kafka mag ich natürlich immer noch. Ich mag ihre Art, Abstraktes in greifbare Worte und Bilder zu meißeln, ihre Art zu schreiben und sich mit Leben und Tod zu befassen.



    rappers.in: Oftmals geht es in deinen Texten vor allem darum, was für absurde Gedanken so in deinem Kopf rumschwirren und wie seltsam du manchmal drauf bist. Wir haben dir hier ein kleines Zitat von Nietzsche mitgebracht, das da lautet: "Viel von sich reden kann auch ein Mittel sein, sich zu verbergen." Kannst du das in irgendeiner Form persönlich auf deine Musik beziehen?


    Pyrin: Ich bin eigentlich gar nicht der Meinung, dass diese Gedanken so absurd sind. Womöglich nicht durch reine Logik zu erfassen, aber nicht unbedingt absurd. Zur Frage ... eine gute Frage. Da mag teilweise etwas dran sein. Insbesondere bei den nunmehr etwas angestaubteren Sachen, wo es mir mehr um Selbstdarstellung ging als heute, wo es mir eher um Selbstverwirklichung geht. Ich lade viel Seelenmüll in meiner Musik ab, ohne bereit zu sein, diesen vollkommen offen preiszugeben. Das ist für mich auch nicht die Aufgabe von Musik. Mittlerweile vergleiche ich es gerne mit Malerei. Ich möchte ein Bild malen. Oder besser: ganz viele kleine Bilder, die zu einem großen verschmelzen. Ich will nicht, dass meine Hörer mich durch meine Musik kennenlernen. Das können sie auch nicht. In dieser Hinsicht ist meine Musik verschlossen. Aber sie können in einen bestimmten Teil meiner Welt eintauchen. Insofern ist sie offen.


    rappers.in: Das ist jetzt praktisch wieder genau dieses Zwiespältige, das auch in deinen Texten immer wieder aufblitzt. Bleiben wir doch mal beim etwas komplexeren Denken. Wir würden jetzt gerne ein kleines Gedankenexperiment mit dir durchführen. In einigen deiner Tracks erwähnst du etwa "Schrödingers Katze" – wir setzen jetzt mal voraus, dass du mit diesem Experiment vertraut bist. Kannst du die Theorie von Schrödinger eventuell auf die aktuelle Deutschrapszene anwenden? Oder hast du mit der Szene hierzulande vielleicht gar nicht mal so viel am Hut?


    Pyrin: Das ist doch jetzt wieder die gute alte Frage, ob Rap in Deutschland tot ist, durch die Blume gestellt. Da ich ihn mir nicht angucke, ist er wohl beides, lebendig und tot. Spaß beiseite, Rap ist durchaus lebendig. Mit den oberflächlichen Entwicklungen kann ich nicht viel anfangen, das kann ich mit Popmusik grundsätzlich nicht. Mit ein paar Ausnahmen. Aber ich denke, es gibt für jeden Geschmack die passende Sorte Kaffee und alles ist sehr breit gefächert. Das halte ich für positiv. Man sollte ein Genre nicht darauf beschränken, was man daran nicht mag.


    rappers.in: Dein Crewkollege Smoke T hat sowohl bei der Splash!-Edition als auch bei den letzten normalen Videobattleturnieren auf rappers.in teilgenommen. Hast du diese Turniere auch verfolgt und könntest du es dir vorstellen, selbst mal bei einem VBT teilzunehmen – 2013 vielleicht?


    Pyrin: Dieses Jahr habe ich es mir überlegt, mich sogar dafür entschieden, aber es doch wieder verworfen. Das passt einfach nicht mehr zu mir und ist auch nicht das, was ich machen beziehungsweise womit ich mich präsentieren möchte. Mit Battlerap habe ich nichts mehr am Hut. Für Smoke die Hooks zu machen hat mir schon Spaß gemacht, aber das war dann auch genug.


    rappers.in: Wenn wir schon bei Smoke T sind – können wir in Zukunft mal wieder eine gemeinsame Platte von euch erwarten? Oder widmet ihr euch gerade mehr euren Soloprojekten? Beziehungsweise: Von dir wissen wir ja jetzt schon, dass du gerade an einem neuen Soloalbum arbeitest.


    Pyrin: Auch Smoke arbeitet an seinem Album, das wohl "Der Fluch" heißen wird. Darüber sage ich jetzt mal nichts, ich habe mir keine Absolution von ihm eingeholt. Jedenfalls wollen wir im Anschluss definitiv wieder ein gemeinsames Album schustern.


    rappers.in: Zu guter Letzt darfst du unseren Lesern jetzt noch eine besondere Weisheit aus deiner eigenen Feder mit auf den Weg geben – mit welcher deiner Lines willst du dieses Interview beenden?


    Pyrin: Planet Pyrin ist andersartig aber fein. Wenn du versprichst, die Schuhe auszuziehen, lad' ich dich mal ein.



    Pascal Ambros (ProRipper)



    Hier findet ihr nun das von L.U.I. produzierte rappers.in-Exclusive "Das weiße Nichts":


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    Wer Interesse an den aktuellen Werken Pyrins hat, kann diese allesamt auf Bandcamp erwerben. Weitere Informationen zu dem Künstler findet Ihr auf Facebook.



    Pascal Ambros (ProRipper)

  • Zitat

    Original von Bigsparrow
    Ist dasn Sample aus Herr der Ringe Die Rückkehr des Königs? Da wo der Hobbit singt


    schau dir den film doch nochmal an


    edit: ja...ok...gut...ja...es ist aus rückkehr des königs

  • Zitat

    Original von King Lui


    schau dir den film doch nochmal an


    edit: ja...ok...gut...ja...es ist aus rückkehr des königs


    Ernsthaft? Oder trollt ihr beide?


    Wollte mir jetzt nach Star Wars eh wieder die HdR-Filme geben, aber das da so nen Gesang drin vorkommen soll, hab ich wirklich nicht mehr in erinnerung...

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