01. MDMA
02. Tokio Drift
03. Papierflieger feat. Chakuza & RAF Camora
04. Insomnia
05. Ja ja
06. Zirkus
07. Fifa
08. Nicht mein Problem feat. Sierra Kidd
09. Treffpunkt Berlin feat. JokA
10. Ying Yang
11. Fuß vom Gas feat. Said & Greeny Tortellini
12. Irgendwann
13. Hassliebe
14. Glück
15. Tschüss & Ciao
Wahrscheinlich kennt jeder den Begriff "MDMA" – wenn schon nicht aus eigener Erfahrung, dann zumindest aus Film und Fernsehen. Dabei handelt es sich nämlich um eine chemisch veränderte Variante von Ecstasy, die zurzeit wohl zu den beliebtesten Partydrogen zählt und für ihre bewusstseinsverändernde Wirkung bekannt ist. Jetzt seid Ihr also nicht nur um diese Kenntnis reicher, sondern wisst auch, was sich hinter dem Albumtitel von Independenza-Artist Joshi Mizu verbirgt, oder? Falsch. Denn der in Berlin lebende Österreicher mit philippinischen Wurzeln meint mit den vier Buchstaben nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, die geichnamige Partydroge, sondern kürzt den Satz "Meine Dimension Mein Alltag" ab. Doch man muss kein rhetorisches Genie sein, um zu durchblicken, dass dieses Kürzel-Synonym kein unglücklicher Zufall ist. Also gilt es nun, herauszufinden, ob Joshi Mizu uns auf "MDMA" zu einem psychedelischen Höhenflug mitnimmt oder ob die Erfahrung zu einem Horrortrip ausartet.
"Und es gibt einen für den DJ, zwei für die Brüder/
Drei Gläser Henny machen Hype und nicht müder/
Vier Uhr morgens, fünf heiße Chicks/
Wollen Sex nach der Disco, Bruder isso/"
(Joshi Mizu auf "Tokio Drift")
Es gibt diese Alben, die allein schon durch das Niveau der Produktionen im höheren Bereich anzusiedeln sind. Und genau in diese Kategorie fällt auch Joshi Mizus Zweitwerk, das mit einem durchgängig hochwertigen und detailverliebten Instrumentalteppich zwischen fernöstlichen Samples und elektrischen Grundgerüsten aufwartet. Diese Beats passen wunderbar zum Rapper und stecken voller musikalischer Finessen – die stampfenden Drums, gepaart mit dem sphärischen, elektronischen Sound, werden durch die asiatischen Klänge zwar aufgehellt, liefern aber unterm Strich typischen Independenza-Sound. Einzig und allein fehlt mir eine letzte markante Note, die die technisch hervorragende Untermalung komplett aus der Masse hervorstechen lassen könnte, was dazu führt, dass das Album insbesondere gegen Ende durchaus seine Längen hat. Joshi selbst macht dabei eine souveräne Figur. Er spielt sein raptechnisches Potenzial auf den 15 Anspielstationen durchweg gekonnt aus, lässt ein paar interessante Flowvariationen aufblitzen und kann, insbesondere was Hooks und Bridges angeht, immer wieder überzeugen. Doch trotz des stimmigen Stils in Kombination mit dem Beat wirkt er insbesondere in den Parts oft zu abgeklärt und lässt das Quäntchen Druck vermissen, das dem Album die letzte Würze verliehen hätte. So bleibt "MDMA" auf musikalischer Ebene immer noch sehr gut, verschenkt aber die Möglichkeit, wirklich hervorragend zu sein.
Textlich gesehen liegt der Fokus zum großen Teil auf Storytellern zwischen Party, Drogenrausch und dem Verhältnis zu Mitmenschen. So nimmt der Rapper mal die Perspektive eines Problemkinds ein, das seine Playstation den Pflichten des Lebens vorzieht und bei den strengsten Eltern der Welt landet ("Fifa"), mal beschreibt er Konversationen im Club, die sich anders als erwartet entwickeln ("Ja ja") oder doppeldeutige Schilderungen des Drogenkonsums, die sich auf verschiedenste Arten verstehen lassen ("Insomnia"). Allgemein ist diese Doppeldeutigkeit ein dominierendes rhetorisches Motiv, das sich immer wieder finden lässt und auch einen der gravierenden persönlichen Bezüge zum Künstler darstellt. Doch auch hier muss man leider sagen, dass sich oftmals Formulierungen finden, die unausgereift erscheinen, nicht in die angestrebte Atmosphäre passen oder einfach plump wirken. Diese Ausreißer sind nicht zahlreich, aber fallen deswegen umso mehr auf. Zum Beispiel wird der rote Faden eines Texts öfters unliebsam unterbrochen; einzelne Wörter klingen im Gesamtkontext deplatziert und allen voran leiden viele Pointen an grausamem Timing. Oftmals bemerkt man die Quintessenz eines Tracks oder einer einzelnen Zeile nicht direkt und der Überraschungsmoment geht verloren. Das führt dazu, dass einige Tracks inhaltlich schlicht und einfach belanglos erscheinen, obwohl sie durchaus weiteres Potenzial geboten hätten. Sprich: Inhaltlich wird sich an einer kreativen Themenpalette bedient, interessante Songkonzepte ausgearbeitet; es fehlt nur an vielen Stellen ein letzter Schliff, der das Gesamtpaket abrundet. Und das zieht den Eindruck der Texte insgesamt doch sichtlich nach unten.
"Hab' eine Frau kennengelernt und ja, sie ist perfekt/
Will mich bessern, denn mit ihr bin ich ein ganz anderer Mensch/
Denn ich fühle mich geliebt und kann endlich mal umsonst bumsen/
Alles, was sie will: Ich soll nur gehen, mir einen Job suchen/"
(Joshi Mizu auf "Fifa")
Fazit:
"MDMA" macht zwar keinen gravierenden Fehler und Joshi Mizu offenbart auch keine fundamentalen Defizite, dennoch summieren sich auf dem Album eine Menge kleiner Kanten, die das Gesamtprodukt davon abhalten, wirklich aus der Masse hervorzustechen. Die Produktionen sind technisch großartig, könnten aber etwas markanter sein. Die Texte bedienen vielfältige Themen und sind dabei nicht unkreativ, wirken in der Formulierung aber nicht ausgereift genug. Man hört sich das Album an, nickt mit und es wirkt stimmig wie aus einem Guss und geht gut ins Ohr. Aber unterm Strich fehlt mir persönlich die letzte Schippe Einzigartigkeit, um aus einem grundsoliden Release ein wirklich gutes zu machen. So bleibt "MDMA" eine Platte, die einen interessanten Style präsentiert, musikalisch funktioniert und die man sich gerne anhören kann – aber unterm Strich verpasst man auch nichts, wenn man es nicht tut.
(Yannik Gölz)
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