Review: Witten Untouchable – Bei dir läuft, bei uns fliegt



  • 01. Sicherheitsinstruktion (Intro)
    02. Tee in England – Witten Untouchable
    03. Outsidaz Radio-Freestyle – Lakmann
    04. Witten Attitüde 2 – Mess & Kareem
    05. Raz-One Radio-Freestyle – Al Kareem
    06. Lakmann Medley
    07. Schampus & Garnelen – Plusmacher & Al Kareem
    08. J. Dilla Radio-Freestyle – Mess
    09. Breaking Bad – Buddi & Al Kareem
    10. Sean Price Radio-Freestyle – Lakmann
    11. Jetzt und heute – Witten Untouchable
    12. 4 Gewinnt – Lakmann, Al Kareem, Marvin Game & Rapsta
    13. 64 Bars (2009) – Mess
    14. Drop a Kareem on 'em Radio-Freestyle – Al Kareem
    15. Buchstabier meinen Namen – Lakmann
    16. Himmel berühren – MistahNice, Kareem & Mess
    17. Weed Break – Al Kareem & Lakmann
    18. Dreams Radio-Freestyle – Lakmann
    19. Mehr als nur Liebe – Sir Defekt
    20. That's my people Radio-Freestyle – Al Kareem
    21. Rano Part Radio-Freestlye – Lakmann
    22. Mess Medley
    23. Annen Alphabet – Al Kareem
    24. Was ich nicht mag – Witten Untouchable feat. MistahNice


    Heute ist mal wieder einer dieser Tage, die man sich getrost hätte sparen können. Der Regen prasselt unaufhörlich an die Fensterscheiben, im Haushalt warten etliche Aufgaben und zu allem Überfluss stelle ich bei einem Blick in den Kühlschrank fest, dass dieser mal wieder komplett leer ist. Glücklicherweise entdecke ich inmitten meiner getrübten Laune, dass die Crew Witten Untouchable, bestehend aus den drei Rappern Lakmann, Mess und Al Kareem sowie dem Produzenten Rooq, "jetzt und heute" eine Flugreise ins Glück anbietet. Kurz im Gedächtnis gekramt, erinnere ich mich an das Ende 2013 erschienene Album "It was Witten", auf dem die Jungs mit einem langgezogenem "Ahhhh" im Gepäck, fernab von neumodischen Stiltendenzen, die Deutschrap-Szene begeisterten. Nun stehen sie also mit ihrem Flugzeug vor meiner Haustür und wollen nicht nur die positiven Resonanzen auf das letzte Werk bestätigen, sondern im gleichen Atemzug ebenfalls noch beweisen, dass es bei anderen Rappern zwar laufen kann, bei ihnen hingegen aber geradezu fliegt. Beim Einsteigen bin ich gespannt, ob mich unser Trip in Form des Free-Mixtapes "Bei dir läuft, bei uns fliegt" tatsächlich auf Wolke sieben schweben lassen wird oder ob wir doch eher eine krachende Bruchlandung hinlegen werden.


    Nachdem ich im Flugzeug Platz genommen und den Sicherheitseinweisungen gelauscht habe, werden die Turbinen gestartet und die Maschine setzt sich in Bewegung – schnell fällt mir auf, dass dies kein ruhiger Flug werden wird. Die Künstler beziehungsweise Piloten manövrieren den Hörer gekonnt durch wahre Beat-Gewitter, Flow-Wirbelstürme und starke lyrische Regengüsse. Gleich der Opener "Tee in England" beweist, dass alle drei Rapper ihr Handwerk in sämtlichen Belangen mehr als nur beherrschen. Auf dem nach vorne gehenden, leicht hektischen Beat rappen die Wittener mit einer immensen Lockerheit durchdachte sowie flüssige Parts, wodurch Köpfe unweigerlich zu nicken beginnen und Beine im Takt auf- und abwippen. Diese Unbeschwertheit in ihrer Vortragsweise, stets verknüpft mit einer kleinen Nuance Ironie und ein paar Seitenhieben gegen die Szene, hebt sie deutlich von anderen Rappern ab. Wie Al Kareem selbst so treffend verkündet: "Wir haben den Dreh raus wie geglättete Locken".


    "Neben Rappern wie uns gibt's in der Szene Blender/
    Ich sehe klischeeerfüllende Gangster auf jedem Sender/
    Doch man darf sich nicht immer nur beschweren/
    Wenn, dann muss man schon zur Tat schreiten und das ganze Elend ändern/
    "
    (Al Kareem auf "Tee in England")


    Da immer wieder gegen die "Massenindustrie mit Vermarktungsstrategien von paar schwulen A&Rs" geschossen wird, ist es kaum verwunderlich, dass sich aktuell abzeichnende Trends weit umflogen und höchstens mit Spitzen bedacht werden. So rauschen wir mit dem Flugzeug starrsinnig an Pop-Einflüssen, überproduzierten Elektro-Sounds, plötzlichem Erwachsenengehabe oder Pseudo-Tiefgründigkeit vorbei, einzig und allein der Flugroute "unverkrampfter Rap" folgend. Immerzu ist wahrzunehmen, wie viel Liebe die Wittener in ihre Kunst stecken, gleichzeitig aber auch, wie desinteressiert sie an der Wertschätzung durch die breite Masse sind. Sowohl diese Liebe wie auch das Desinteresse spiegeln sich vor allem in den Texten wider, die auf der einen Seite extrem ausgeklügelt sind und auf der anderen Seite dem Mainstream ein riesiges "Ahhhh" vor die Schuhe spucken und "Schwanzlutscher-MCs" einen "Bambi fürs Penislecken" überreichen. Trotz teilweise drastischer Wortwahl bewegen sich die Künstler weit weg von "klischeeerfüllende[n] Gangster"-Phrasen und profilieren sich lieber über kreative Reimketten und ein mustergültiges Taktgefühl, als über kriminelle Machenschaften, fette Protzer-Karren oder ausgeprägte Sexualfähigkeiten. Bezüglich ihrer technischen sowie textlichen Veranlagungen muss eigentlich nicht viel mehr geschrieben werden, als folgende Zeilen von Mess aussagen – jegliche Kritik oder irgendein "Rumgedisse" daran wäre die reinste Zeitverschwendung.


    "Es nützt nichts, wenn du rumrappst und rumdisst/
    Weil jeder Part von mir sitzt wie ein gut dressierter Hund, Bitch/
    "
    (Mess auf "64 Bars (2009)")


    Zwischen luftig leicht geflowten Battle-Tracks wie "Was ich nicht mag" oder "Jetzt und heute" geben die drei Rapper regelmäßig Freestyles über die Bordsprechanlage zum Besten. Diese unterhalten zwar für den Moment, sind aber definitiv nichts, was ich mir öfter zu Gemüte führen müsste. Das Soundbild von "Bei dir läuft, bei uns fliegt" ist generell sehr minimalistisch und Oldschool-lastig gehalten, wodurch es konsequent an "It was Witten" anschließt. Neben stets scheppernden Drums sind gelegentlich auch noch andere Elemente zu vernehmen, beispielsweise einsetzende Bläser oder Vocals, weswegen letztendlich jeder Beat einzigartig klingt und für sich steht. Die Produzenten, allen voran das hauseigene Beatgenie der Crew, Rooq, liefern maßgeschneiderte Instrumentale ab, die die Rapper tadellos in Szene setzen. Lakmann, Mess und Al Kareem scheinen sich gegenseitig zu Höchstleistungen anzuspornen – denkt man im einen Moment noch: "Diese bizarren Zeilen sind kaum noch zu toppen", kommt ein anderer grinsend um die Ecke spaziert und beweist das Gegenteil. Die "Gastbeiträge" – die Anführungsstriche deshalb, da die Tracks mit externer Beteiligung größtenteils schon auf anderen Platten veröffentlicht wurden – sind diesbezüglich keineswegs abfallend und fügen sich passend ins Gesamtbild des Projekts ein.
    Der einzig prägnante, aber gleichzeitig ziemlich große Kritikpunkt ist, dass viele der Tracks schon seit längerer Zeit bekannt sind und, dass das Mixtape durch die vielen Freestyles und die extrem kurzen Songs nicht sehr langlebig ist. Aufgrund dessen ist "It was Witten" im Vergleich mindestens noch ein Level höher anzusiedeln.


    Fazit:
    Die Formation Witten Untouchable erschafft eine wunderschöne Rap-Collage, die aus einigen Tracks, Freestyles und Medleys zusammengefügt wurde. Durch die abwechslungsreiche Anordnung dieser Elemente entsteht ein durchgängig hörbares Mixtape, welches durch das eindrucksvolle Zusammenspiel der Rapper bestechen kann. Ganz nüchtern betrachtet bietet "Bei dir läuft, bei uns fliegt" dem Hörer einfach nur Rap ohne große Überraschungsmomente. Stellt sich also die Frage, was die Jungs aus Witten dennoch so besonders und außergewöhnlich macht. Die Antwort beziehungsweise das Erfolgsrezept ist sowohl simpel wie auch genial – es ist schlicht und ergreifend ihre unverkopfte Art und Weise, das zu rappen, was ihnen in den Sinn kommt, in Kombination mit freshen Oldschool-Beats und einwandfreien Rap-Fähigkeiten. Eine höhere Wertung verhindert lediglich der angesprochene Negativaspekt bezüglich der Kurzlebigkeit, welcher auf dem nächsten "richtigen" Album höchstwahrscheinlich wegfallen wird. Applaudierend erhebe ich mich nach geglückter Landung von meinem Sitz und appelliere an alle Freunde guten Musikgeschmacks:


    "Check Untouchable, diese Jungs aus Witten sind der Wahnsinn."



    Maximilian Lipp (Maxkulin)

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  • "Der einzig prägnante, aber gleichzeitig ziemlich große Kritikpunkt ist, dass viele der Tracks schon seit längerer Zeit bekannt sind und, dass das Mixtape durch die vielen Freestyles und die extrem kurzen Songs nicht sehr langlebig ist. Aufgrund dessen ist "It was Witten" im Vergleich mindestens noch ein Level höher anzusiedeln. "


    Dieses Mixtape (bzw. diese Art) mit dem Album zu vergleichen ist Schwachsinn, sollte dir bewusst sein.


    Zitieren wir doch einfach mal den lieben SSIO:
    "Für das was es ist, ist es gut."

  • Been there, done that, sorry.
    Lieferst allerdings ein prima Beispiel für das deutsch-dünne Fell, junger Mann. :^)


    Ach und... damit du auch deine Streicheleinheiten bekommmst (brauch heutzutage ja jeder):
    Ich habe deine Review (welches ich völlig in Ordnung finde) nicht an und für sich kritisiert, sondern lediglich diesen Vergleich.


    In diesem Sinne, lass uns noch einmal modern sein:
    NO FRONT HOMIE Y000

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