01. Du wirst sehen/Gespaltene Persönlichkeit
02. Schau nicht mehr zurück
03. Gegen die Freundschaft
04. Wenn es Nacht ist
05. Du bereicherst mich
06. Lass nicht los
07. Ich bin Ich
08. Form von Liebe
09. Die Zukunft trägt meinen Namen
10. Wage es zu glauben
11. X.A.V.A.S.
12. Mehr als sie feat. Olli Banjo
13. Abschiedsfluss
14. Satan weiche
15. Lied vom Leben
Sparen wir uns an dieser Stelle das übliche Aufzählen der Talente, bisherigen Erfolge und Standings der beiden Künstler Xavier Naidoo und Kool Savas und die dadurch nur natürlich entstandenen wahnsinnig hohen Hoffnungen und Erwartungen an das gemeinsame Projekt der beiden. So viel sei vorweggenommen: Ja, "Gespaltene Persönlichkeit" ist ein absolut amtliches Album geworden, neben dem sich der Großteil der Konkurrenz im direkten Vergleich schämen kann, alles andere wäre auch eine Überraschung gewesen. Was an den letzten Releases der Künstler als Soloartists zu würdigen war, ist auch an ihrem Kollaboalbum zu loben. Niemand wird es aus einem anderen Grund denn der Provokation und Aufmerksamkeitserregung – im äußersten Fall noch des Frusts über die verlorengegangenen "Lutsch mein Schwanz"-Lyrics des Rappers – wirklich schlechtreden. Für mich zeigt sich mit dem neuen Album wiederholt, dass es sich auch nach mittlerweile fast der Hälfte meines Lebens lohnt, immer Freund von Savas' Musik gewesen zu sein und dass Xavier Naidoo nicht zu Unrecht selbst ein popeliges Best of-Album mit Platin veredelt hat. Die beiden ergänzen sich ausgezeichnet, leicht die Hälfte der Songs läuft sofort im Dauerloop, und trotz der Vermischung zweier Musikgenres ist "Gespaltene Persönlichkeit" meilenweit vom Klang des meist gruseligen Mashups entfernt. Das XAVAS-Debüt kann neben der Namhaftigkeit also auch qualitativ getrost als Gipfeltreffen bezeichnet werden. Jammerschade eigentlich, dass es aufgrund einiger kleiner Fauxpas' dann doch nicht zu dem Meisterwerk geworden ist, für das beide Musiker eigentlich das Potenzial gehabt hätten.
"Und ich schau' nicht mehr zurück/
Aber wenn ich zurück schau', seh' ich nur mein Glück/
Alles andere hab' ich gerne zugeschüttet/
Und mit schönen Erinnerungen einfach überbrückt/"
(Xavier Naidoo auf "Schau nicht mehr zurück")
"Schau nicht mehr zurück", die erste Single, überaus erfolgreich. Unweigerlich macht sich bei dieser jedoch das Gefühl breit, deren "Geh deinen Weg, du schaffst es"-Inhalt bei weitem nicht das erste Mal zu hören; halbe Diskographien mancher Hardrock-Bands und Rapper bestehen schließlich aus kaum anderem. Und so ist der Song neben dem vollkommen laschen Representer "X.A.V.A.S." der einzige, auf den ich gut und gerne verzichtet hätte. Selbst der "Alle in einem"-Verweis auf zweiterem – die alte Hook wurde hier abgewandelt als Bridge verwendet – lässt den Wunsch auf Streichung von der Tracklist nicht verebben, meinetwegen ersatzlos. Kürzere Spieldauern sollte der geneigte Hörer von Kool Savas ja mittlerweile verschmerzen können. "Die Zukunft trägt meinen Namen" will zwar durch die elektronischen Sounds und von allen anderen Beats vollkommen unterschiedlichen Drums leider so überhaupt nicht in das weitgehend einheitliche Klangbild passen, dennoch gilt: Bis auf die zwei erwähnten Ausnahmen bleibt die Skip-Taste unberührt. Bei – inklusive Hiddentrack – 16 Anspielstationen ausgesprochen akzeptabel. Und so liegen die doch vorhandenen Mängel bei den restlichen 14 Songs eher im Detail. Es war fast zu befürchten: Auch dieses Mal greift Kool Savas bei einigen Vergleichen gut daneben. Wenn er gleich im einleitenden Song ernsthaft "Ihre Lügen stinken zum Himmel wie ein Eimer Käse" zum Besten gibt, geht der Angriff des "lyrische[n] Pokémon[s]" ("Die Zukunft trägt meinen Namen") gehörig daneben. Generell wäre es von Vorteil gewesen, hätte Savas für dieses eine Projekt komplett auf das Beschreiben seiner Fähigkeiten verzichtet. Das ewige Herumpochen auf den eigenen Skills und Errungenschaften hat bis heute noch aus niemandem einen besseren MC gemacht, einer seiner ehemaligen engen Weggefährten lässt grüßen. Auch Xavier Naidoo sorgt textlich für den ein oder anderen Aussetzer. So wirkt etwa seine Strophe in "Mehr als sie" eher wie eine platte Parole. Anstatt unschöne Wörter wie "Scheidungsquote" zu benutzen, wäre ein eleganterer Umgang mit der Sprache an manchen Stellen wünschenswert gewesen; smarter ausformuliert umschreiben und doch das Gleiche meinen.
"Wenn ich könnte, würd' ich dich tausendfach kopieren, in jedem Land und Kontinent verteilen/
Denn ein Lächeln von deinen Lippen gibt einem Freiheit und Heilung/
Glaub mir, selbst ein einfacher Satz von dir klingt wie ein Gedicht und/
Du bist mein Kompass, mein Weggefährte, weist mir die Richtung/
Legst deine Hand auf mein Gesicht und gibst mir Ruhe, lässt mich schlafen/
Du bereicherst mich, ohne dich bin ich bettelarm/"
(Kool Savas auf "Du bereicherst mich")
Besonders ärgerlich erscheinen die Kritikpunkte, bedenkt man, dass beide einfach ganz anders können und das auch zumeist zeigen. Alle Hoffnungen, die in das Album wohl gesetzt wurden, wurden auch erfüllt. Wir haben gerade mit "Abschiedsfluss" eine Nummer, die wie etwa Xaviers "Sie sieht mich nicht" auf nichts anderes aus ist, als Gefühle so groß und episch wie möglich zu beschreiben und auszudrücken. Das Instrumental von Milan Martelli, mehr Hymne als Beat, tut sein Übriges. Der Track ist ohnehin eines der Highlights des Albums. "Wenn es Nacht ist", ein Ohrwurm par excellence, ist in dieser Hinsicht Klassikern wie "Ich kenne nichts" absolut ebenbürtig. Savas beweist hingegen mit der Qualität seiner Parts, dass er mit Selbsteinschätzungen wie "Deutschlands 1" nach wie vor so falsch nicht liegen kann, ohne dass sein Rapstyle zu hektisch oder anstregend im direkten Vergleich zu Xaviers Vortrag ausfällt. Besonders zu loben sind außerdem die meisten Instrumentals. Diese leben großteils von trockenen, typischen HipHop-Drums, der nötigen Portion Soul, vielen live eingespielten Instrumenten, hin und wieder einiger Experimentierfreude (gerade "Wage es zu glauben", produziert von Maeckes, oder "Form von Liebe", produziert von Philippe van Eecke), einprägsamen Melodien und nur teilweise wirklich harten Sounds ("Satan weiche", produziert von Melbeatz). Vom Klangbild gleicht "Gespaltene Persönlichkeit" so wesentlich mehr Xavier Naidoos letztem Album "Alles kann besser werden" denn Kool Savas' "Aura".
Textlich ist das Album bis auf wenige Ausnahmen ("Mehr als sie" feat. Olli Banjo) weniger kritisch und fast genau das, was die Tracklist erwarten lässt. Große Überraschungen gibt es – auf der offiziellen Tracklist – weniger, wenn man davon absieht, dass man von Essah Texte über Liebe, Freundschaft und dergleichen bisher kaum gewohnt ist. Glücklicherweise wurde auf das Thema Glauben und Religion zwar verzichtet, der gemeinsame lyrische Nenner scheint sich aber trotzdem mehr in Richtung Xaviers bisherigem Schaffen gefunden zu haben. Songs wie "Wo willst du hin?" mit Rapparts von Savas wären nicht aus dem Rahmen gefallen. Und das ist auch gut so, denn wer mag seine Lieder dieser Richtung schon nicht und hätte lieber einen Xavier, der über Gesang und seinen Stimmeinsatz singt nach einer Strophe von Savas im Stil von "Der Beweis"?
"Dann, wenn es Nacht ist/
Werd' ich lebendig und wach/
Dann, wenn es Nacht ist/
Werden Träume auf Papier gebracht/"
(Xavier Naidoo auf "Wenn es Nacht ist")
Fazit:
Vielleicht hätte man sich vor der Albumproduktion gewisse Prinzipien setzen sollen. Ganz im Stile von Casper hätte der Verzicht auf Wie-Vergleiche und den HipHop-Kontext sicher zu einem besseren Ergebnis geführt. Technisches Gemetzel von King Kool Savas lässt Münder zwar immer und auch hier offen stehen, hätte er sie sich allerdings für das nächste Soloalbum aufgespart, wäre dies mehr in meinem Sinne gewesen. Die nachdenklicheren Töne ohne Rapbezug auf umfangreicherer Länge stehen ihm viel zu gut, als dass er sie nicht gleich auf die komplette Albumdauer hätte ausweiten können. Hilfreich für beide Künstler wären sicher einige wirklich kritische Stimmen während der Entstehung der Texte gewesen, sodass qualitativ äußerst abfallende Zeilen hätten vermieden werden können. Nichtsdestotrotz bleibt "Gespaltene Persönlichkeit" gerade durch die überragenden Rap- und Gesangsfähigkeiten von Savas und Xavier und die hervorragenden Instrumentals genau das erwartete astreine Album, dem beide Fanbases einiges abgewinnen werden können.
(TonySunshine)
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