Born – Grautöne


  • 01. Intro
    02. Fremde
    03. Es wird hell
    feat. Marq Figuli
    04. Die Frau am Fenster
    05. Ich baller auf die Rapper
    06. Identität
    07. Komm her
    feat. Johnny Pepp
    08. Mama muss in Bau
    09. Nummer ziehen
    10. Sag mir
    11. Solo wie ne Band
    12. Vater
    feat. Samson Jones
    13. Outro


    Als Anfang 2014 mit "Seelenschrift" das Debütalbum des Frankfurter Rappers Born veröffentlicht wurde, folgte darauf nicht der große Durchbruch. Auch privat ging es beim Newcomer nicht aufwärts, denn es folgten eine schwere Trennung, der Jobverlust und die Auflösung des Labelvertrages. Mit "Grautöne" soll diese schwere Zeit musikalisch verarbeitet werden. Als neues Signing auf dem Vega-Label Über die Grenze hatte der Frankfurter gerade einmal drei Wochen Zeit, um das noch persönlichere zweite Release fertig zu stellen. Hat die kurze Zeit gereicht, um ein überzeugendes Album zu präsentieren?


    Den ausgeführten Abwärtstrend spricht Born im "Intro" an, lässt dabei aber seine Einstellung durchblicken, nicht aufzugeben und es mit dem aktuellen Release allen zu zeigen. Bereits im Intro wird die Instrumentierung des Albums zementiert. Sowohl Born als auch die Produzenten um Freshmaker und Johnny Pepp sind dabei der Ansicht, dass ein persönliches Album Pianobeats verlangt. Im Laufe des Albums werden diese um Streicher und einige "deepe" Synthesizer ergänzt. Die Stimmung von "Grautöne" bleibt somit durchgängig auf einem gedrückten Niveau und unterstreicht den Habitus des gebrannten Kindes optimal. Hierbei wird bereits die Inkonsistenz des Albums offenbart, denn die angesprochene Trotzigkeit im Intro, welche sich im Laufe des Albums immer wieder zeigen wird, passt so gar nicht zu den emotionalen Tiefflügen, zu denen Born auf "Grautöne" ansetzt. Oder bringt dieser Wechsel nur den Fatalismus einer geschädigten Seele zum Ausdruck? Wie dem auch sei, besagte Streicher eröffnen die zweite Anspielstation "Fremde", in der die Entfremdung von der Heimat beklagt wird. Diese Entfremdung findet dabei auf unterschiedlichen Ebenen statt. Neben den Menschen ändert sich die Umgebung an sich und auch Träume von gestern scheitern an der Gegenwart.


    Meine Emotion wird zur verdorbenen Frucht/
    Ich muss sehen, wie unser gestern im morgen verpufft/
    Gestorbene Kunst von Fremden missachtet/
    Schauen wir auf uns, wir ham's aus Händen gelassen/

    (Born auf "Fremde")


    Die Nutzung von Sprachbildern zur Untermalung tiefgründiger Gefühlszustände lässt dabei an Sierra Kidd erinnern, was durch die Wahl von breit ausproduzierten Piano-, String-, und Synthbeats noch verstärkt wird. Trotz des Altersunterschieds fällt es auch bei Born schwer, diese Art von Texten ernst zu nehmen. Es mag sein, dass Born auf "Grautöne" tatsächlich eine schwere Zeit verarbeitet und nicht nur den depressiven Phasen der Pubertät Ausdruck verleiht. Dennoch bedarf es als erwachsener Hörer definitiv einer gewissen Anstrengung, den mehr oder weniger schwerwiegenden Alltagsproblemen eines Fremden in blumiger Sprache zu lauschen. "Es wird Hell" ist dabei leider kein Hoffnungsschimmer. Vielmehr verkörpert Marq Figuil mit seiner Gesangshook das Leiden des Born, dem auf diesem Track der "Boden unter den Füßen wegbricht" und der vom "Schmerz zu Boden gezogen" wird. Eben diese bildhaften Formulierungen sind es, die "Grautöne" stellenweise schwer erträglich machen, denn sind die Übertragungen, Personifizierungen et cetera in der Regel bestenfalls passabel, erreicht die bildhafte Sprache auf dem vierten Track "Frau am Fenster" ihren Tiefpunkt:


    Meine Stimme bringt mich weit weg – Segelflug/
    Ein Mann der lieber schreibt, als dass er davon reden tut/

    (Born auf "Frau am Fenster")


    Dies ist dann auch der Moment, der bestätigt, dass hier kein komplexer Zwiespalt zwischen seelischen Tiefpunkten und Momenten des Aufbäumens gegen den psychischen Zustand beschrieben wird. Vielmehr verdichtet sich der Eindruck, dass mit aller Macht versucht wurde, durch eine Technik, die der Künstler nicht beherrscht, eine nachdenkliche, gedrückte und emotionale Stimmung zu erzeugen. Würde man Born etwas Böses wollen, könnte man sagen, dass er sein zweites Album vor allem durch die dauerhafte Imitation der Ultima Ratio zur Darstellung von Gefühlszuständen der Herren Griffey, Kautz und Jungclaussen gegen die Wand fährt. Aber es liegt viel näher, dass durch die kurze Zeit, in der die Katastrophe "Grautöne" zusammengeschustert wurde, den Sprachbildern à la "Schmetterlinge sterben so laut" nicht genügend Zeit gegeben wurde, sich angemessen zu entwickeln, um schließlich wohl dosiert den Weg auf die Platte zu finden. Somit wird der Hörer durch hohle Phrasen und Reime wie 'Segelflug' auf 'reden tut' erschlagen. Positiv kann gesagt werden, dass das Album hierdurch eine innere Konsistenz vorweist, die ihresgleichen sucht. Als Beispiel kann hierfür auch der Track, der sich hauptsächlich um Borns Liebe zu seiner Mutter und dem Rest der Familie dreht, genannt werden, denn hier wird der Grundstein für den Folgetitel gelegt. Die Hook "Denn Mama weiß, ihr Sohn ist kein Gangster" greift der Kritik an unrealen Gangsterrappern auf "Baller auf Rapper" vorweg. Hierbei wird die fehlende Authentizität vieler Kollegen angeprangert und die Message mit dem Bild eines Amoklaufs bei der nächsten Jam transportiert. Derartige Kritik liegt nahe, denn wie Born auf "Identität" selbst einleitend bekundet, hat er die "Flatrate für Echtheit" und spuckt daher als leuchtendes Vorbild für Realness auf Imagerapper. In diesem weiteren autobiografischen Track werden einmal mehr Stationen aus dem Leben Borns in bekannter Weise thematisiert.
    Als Lichtblick auf "Grautöne" kann "Mama muss in Bau" gewertet werden. Auf diesem Track widmet sich Born einem Thema, das beim besten Willen nicht mehr zu beliebig trivialen Problemen der westlichen Welt gezählt werden kann. Das Drama der inhaftierten Mutter wird hier recht nüchtern betrachtet. Auf tiefgründige Floskeln wird größtenteils verzichtet, dafür umso mehr auf Storytelling gesetzt. Hierbei wird auch deutlich, was aus "Grautöne" hätte werden können, wäre Born nicht bemüht, einen Stil zu kreieren, der letztlich die Imitation eines erwachsenen Sierra Kidd darstellt.


    Mom und Dad eingesperrt, zwei Kids zurückgeblieben/
    Jetzt hat Gott auf meine Briefe zurückgeschrieben/
    Wie soll man verstehen und wie der Oma erklären?/
    Denn sie hat doch schon seit kurzem unseren Opa nicht mehr/

    (Born auf "Mama muss in Bau")


    Ähnlich verhält es sich mit "Nummer ziehen". Der Track beschreibt, wie der Frankfurter wiederholt aufgrund seiner Bemühungen als Rapper entlassen wurde und gezwungen war, auf Jobsuche zu gehen. Es zeigt sich, dass Born seine durchaus passablen Fähigkeiten durch Storytelling wesentlich angenehmer zur Geltung bringt. Doch statt hieran anzuknüpfen, wird auf den letzten Anspielstationen erneut die bekannte Schiene gefahren und im "Outro" das Leiden noch einmal zusammengefasst.


    Fazit:
    Es darf angezweifelt werden, dass "Grautöne" zu den Releases gehört, die sich zum Jahresende in den Toplisten wiederfinden. Ob dies überhaupt die Absicht des Künstlers war, ist die Frage, denn fast durchweg hört sich "Grautöne" nach einem Tagebuch an. Ein Tagebuch, das ein Mensch mit wenig positiven Erfahrungen im Leben geschrieben hat. Neben Born selbst gehören zur Zielgruppe somit wohl vor allem Menschen, die einen Leidensgenossen brauchen, da sie vom Schicksal gebeutelt nach dem Soundtrack ihres Lebens suchen. Sind ebendiese Menschen nicht wählerisch im Hinblick auf Reimstrukturen und in der Lage, über die massenhafte Phrasendrescherei auf "Grautöne" hinwegzusehen, so wäre die Zielgruppe für das Release genauestens abgesteckt.



    (Claude Gable)


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