Review: Maxat – Schwarzwälder Kirsch



  • 01. Schwarzwälder Kirsch
    02. King
    03. Kopfaufräum
    04. Erzähl mir nichts
    05. Ohne Kopf
    06. XY


    "Sie hören das und kriegen große Augen: Wer zum Henker ist das, wieso hab' ich nie von ihm gehört?!" ("Erzähl mir nichts") %uFFFD das trifft es schon sehr gut. Denn: Wer ist dieser Maxat eigentlich? Auch etwaige Suchmaschinen spucken nicht viel mehr über ihn aus, als man auch so schon wissen könnte. Anfang 30, Paderborner, ehemaliges Mitglied von Optik Russia, eine Kollaboplatte mit dem Bielefelder FiST %uFFFD und seit neuestem mit großem Stilbruch. Denn bereits die "Plastik"-EP von 2011 klang nicht nach üblichem Punchline-Massaker. Der jetzige Familienvater reflektierte mehr über sein eigenes Leben, seine Beweggründe. Rap als Sprachrohr für die Probleme, die in seinem Kopf hausen. "Kopfaufräum", wie er das selbst nennen würde. Und dennoch ist da immer das Verlangen. Das Verlangen, sich nicht ausschließlich selbst zu verwirklichen, sondern mehr Leute mit dem zu erreichen, was man sagt. Wenn also ein Farid Bang von Deutschrap als Kuchen spricht, will Maxat nun auch endlich das größte Stück seiner "Schwarzwälder Kirsch"-Torte.


    Das Merkwürdige ist: Maxat will ein Stück vom Kuchen der Deutschrap-Szene abhaben, den er selbst gar nicht zu mögen scheint. Anders gesagt: Er findet die Szene, gelinde gesagt, abstoßend. Der Frustration, dass heutzutage eben nicht mehr das beste Endprodukt die größten Lorbeeren absahnt, sondern der Rapper, der sich am besten vermarktet, verleiht er auf drei Tracks hintereinander Ausdruck. Bei "King" äußert sich die Kritik an der Vermarktung und dem System der Musikindustrie, die sich so lange nicht für dein Talent interessiert, bis die breite Masse es tut. Danach, wenn du potenziell Geld einbringst, behandelt man dich wie einen jahrelangen Freund, dem man früher, als der Hype noch nicht in Aussicht war, nicht einmal einen Händedruck geschenkt hätte. Und so fördern sie eine Kultur, die gute Musik im Tausch für Bares und fünf Minuten im Rampenlicht anbietet. Eine Kopie der Kopie wird wieder berühmt. Man hat das Gefühl, vor allem auf "Kopfaufräum" beleidigt er die Hälfte aller Rapper, die aktuell in den Charts herumhuschen, weil man bei jeder Zeile ein Bild zu dem fehlerhaften Image, was Maxat beschreibt, in den Gedanken aufploppen sieht. Doch anstatt hier das Massaker zu veranstalten, was andere an seiner Stelle und mit seiner Einstellung begehen würden, schlägt er sich nicht mit Namedropping herum. Ganz im Gegenteil. Um der Kommerzialisierung einer ganzen Kultur entgegenzuwirken, muss man nicht die Teufel beim Namen nennen. Man muss nur klarmachen, dass es sie gibt. Mit diesen dezenten, geläuterten Andeutungen wirkt Maxat als Rapper auf einen wie ein gestandener Mensch, der sich nicht über die Szene aufregt, weil er selbst nicht der bekannteste, reichste oder verehrteste Vertreter ist, sondern weil er die Kultur liebt: "Ich mach' immer noch HipHop, kein Plan, was ihr da versucht" ("Schwarzwälder Kirsch").


    "Und wenn Fame oder Cash der Grund wär' dafür, dass ich Mucke mach'/
    Dann hätt ich's schon vor Jahren eingetauscht für Backen oder Schach/
    Und vielleicht klingt's wie wirres Zeug von einem Burnout-Opfer/
    Das ist kein Song, ich räum' nur bisschen meinen Kopf auf/
    "
    (Maxat auf "Kopfaufräum")


    Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Maxat seine Prioritäten längst anderweitig gesetzt hat: "Ich hab' jetzt 'ne kleine Tochter, mein Leben hat 'nen Sinn" ("Kopfaufräum"). Da gibt es nämlich noch den ganz anderen Charakterzug des Paderborners. Auf der einen Seite der Szenekenner, der von außen die aktuelle Lage kritisch beäugt, auf der anderen der Familienvater, der seine Hörer tief ins Innere blicken lässt. So stellt er uns zuerst das doch recht abgenutzte Klischeebild der Frau seiner (Alb-)Träume vor, deren Beziehung auf der Art von Hassliebe aufbaut, die von den Streitereien des Pärchens lebt ("Ohne Kopf"). Jedoch nicht, ohne uns die Folgen später zu schildern: Die unweigerliche Flucht in die Arme der anderen, die nicht einmal einen Namen braucht, jedoch zumindest einen Abend frei vom Stress verspricht. Passenderweise ist dieser Track auch "XY" genannt, weil es jede X-Beliebige sein könnte, die er hier trifft. Schließlich ist seine wahre Liebe immer noch dort, wo er sie niemals in dieser Form finden wird und so "treff' ich mich morgen mit 'ner XY und stell' mir einfach vor, sie wär' du". Die Zeile trifft so direkt ins Schwarze eines jeden, der genau diese Sehnsucht nach einer unerreichbaren Liebe kennt, die in den Gedanken viel schöner ausgemalt ist als in der realen Welt. Maxat unterlegt diese melancholischen Gefühle auch noch perfekt mit Beats eines ähnlichen Grundtenors, die so perfekt abgestimmt klingen, wie man das von einem solch verträumten Thema als musikalische Umsetzung erwartet. Immer düster gehalten, doch so verhält sich auch Maxat. Den Storyteller beherrscht er hier ähnlich solide wie technisch schöne Andeutungen von Punches, die so gezielt gesetzt sind, dass sie statt aufdringlich und übertrieben wie eine Drohung an die Konkurrenz wirken. So auch auf "Erzähl mir nichts", einem weiteren Track gegen die Szene, was vielleicht auch das größte Manko der "Schwarzwälder Kirsch"-EP ist. Auf sechs Liedern fast vier Mal gegen Deutschrap an sich zu wettern, ist nicht unbedingt das, was man unter Themenvielfalt verstehen würde, auch wenn es mit Sicherheit grundehrlich gemeinte Kritik ist.


    "Universeller als der fucking T1000/
    Sie hören das und kriegen große Augen/
    'Wer zum Henker ist das, wieso hab' ich nie von ihm gehört?'/
    Ich wollt' nur kommen und hier kurz alles zerstören/
    "
    (Maxat auf "Erzähl mir nichts")


    Fazit:
    Wer ist dieser Maxat denn nun? Einfache Antwort: Jemand, von dem ich nach diesem Teaser definitiv ein Album kaufen würde. Der Paderborner beweist hier keinesfalls eine hohe, thematische Bandbreite. Allerdings formuliert er die Geschichten, die er erzählen möchte, so detailverliebt aus, dass man ihm einfach gerne dabei zuhört, wie er sich über unbeantwortete Liaisons und eine Szene, zu der er nicht dazugehört, in Rage redet. Das Ganze ist immer passend unterlegt und technisch solide verpackt mit Punchlines, die gezielt zwischen den Grundideen hervorstechen. Wer also will, sollte bei "Schwarzwälder Kirsch" definitiv zugreifen, denn dieser Maxat hört sich noch hungrig an.



    (Sven Aumiller)

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