Review: Tone – T.O.N.E.



  • 01. Intro
    02. Tone Time
    feat. Magic
    03. Nachtflug 808
    04. Phänomen
    05. Lächeln von Dir
    06. Gatling Gun
    07. Dreh den Bass tief
    08. Wahnsinn
    09. Nicht ohne Dich
    feat. Chima
    10. U.F.O. Flugshow
    11. Chickenshit
    12. Killer
    feat. Bintia
    13. Minen im Paradies
    14. Wertvoll
    feat. Sherita
    15. Mein Staub


    Abgesehen davon, dass dem Frankfurter Tone die knapp 40 Jahre kaum anzusehen sind, erscheint es reichlich spät, der bereits langen Musikkarriere nun endgültig den Startschuss zu geben, bedenkt man, dass er schon seit über 20 Jahren – zwei Rap-Karrieren also – in dieser Szene präsent ist. Tone war bis zum jetzigen Zeitpunkt lange mit seiner ehemaligen Crew "Konkret Finn" unterwegs, hat zwei Alben veröffentlicht, in der Zwischenzeit gejobbt und doch wurde ihm seine berufliche Zukunft erst im Entstehungsprozess des neuen Albums bewusst. Die Einsicht, Verantwortung übernehmen zu müssen, wenn er ein "Baby" in die Welt setzt, sei wegweisend gewesen, gab er zu Protokoll. Tone war bis vor Kurzem wenig angetan von der Arbeit, seine Musik zu vermarkten, sondern darauf bedacht, sich einzig und allein dem Rappen hinzugeben. Stellt sich die Frage, ob auf der aktuellen Erfolgswelle neben Konfetti-, Schlager-, Azzlack- und Pop-Rap sowie anderen Auswüchsen noch ein Plätzchen für "Rap-Urgesteine" ist. "The Orbit Never Ends", so der Titel seines neuen Albums, knüpft an die spät gereiften Ambitionen an, den Fokus nun ausschließlich auf die Musik zu richten – findet sich eine Nische in der Frankfurter Szene?


    Nach dem nicht erwähnenswerten, völlig standardisierten "Intro" ist "Tone Time" angesagt. Trapig hält der Frankfurter auf blechigen Drums und Synthie-Melodien seinen Namen hoch. Was sofort unangenehm aufstößt: unpassend tief verzogene Stimme plus hessischer Zungenschlag, der nach eigener Aussage unabsichtlich mit eingeflossen sei. Doch bei allem Unverständnis gegenüber dörflichen Dialekten verzeiht man es ihm dann doch augenzwinkernd wegen des sympathisch intonierten Anklangs. Leider tritt Tone nur kurz darauf endgültig in eines der größten Fettnäpfchen, in das ein Musiker treten kann. "Nachtflug 808" begrüßt uns mit einem einfallslosen, austauschbaren Clubbanger als Unterlage, reicht uns anschließend die Hand und offeriert eine "Reise durch die Nacht, mit dem Nachtflug 808". Der vorläufige Tiefpunkt ist unbestreitbar erreicht, wenn auf den Autotune-Effekt im Refrain gesetzt wird und dieser weder kreativ noch experimentell Verwendung findet. Ehrlich jetzt: Wie kann es einem zweifelsfrei gestandenen, angesehenen und erfahrenen Künstler 2013 noch immer passieren, dass er auf diesen flachen und ausgelutschten Effekt zurückgreifen muss? Ein Club-Song sollte es sein, der nicht wie einer klingt. Keine Frage, das ist gelungen; dass er dabei noch weit unter der Messlatte liegt, die ein herkömmlicher Club-Banger legt, ist höchstwahrscheinlich nicht das Ziel gewesen.


    "[...] Keine Angst, steig mit ein, denn wir heben jetzt ab/
    Fliegen kann man leicht lernen, wenn du willst/
    Nehm' ich dich mit auf meinen Stern/
    Es gibt niemanden, der uns halten kann/
    Komm wir fliegen und halten niemals an/
    "
    (Tone auf "Nachtflug 808")


    Der Fehlgriff, den gesungenen Refrain mit Autotune zu verkleiden, bleibt ein vergleichsweise kleiner Schönheitsfehler. Denn von so was wie pfiffigen Battle-Einlagen, einnehmenden Liebesgeständnissen, clever verpackter Sozialkritik oder schlicht der ein oder anderen punchenden Nummer ist Tone galaktisch weit entfernt. Wenn sich ausreichend auf die eine Schulter geklopft wurde, klopft man sich eben auf die andere. Das Huldigen der eigenen Person verläuft parallel zur Herabsetzung der "Drecks-MCs und anderen Neider". Im Rahmen von zwei Themenkomplexen legt Tone seine Eintönigkeit dar: Auf der einen Seite rechnet der 39-Jährige durch zahlreich aneinandergereihte Battle-Phrasen, in denen "Flowgewitter" aufziehen und "Rapverbote" für Kollegen erteilt werden, mit dem fiktiven "Du" ab. Auf der anderen erblicken aufgedunsene Philosophie-Stunden über das Leben, Beziehungsprobleme und andere Banalitäten das Licht des kleinen Kosmos', in dem Tone orientierungslos umherschwimmt. Hier Tone, der "das Rap-Niveau bewahrt", gefühlt hundert verschiedene Varianten beherrscht, zu sagen, dass er "der Meister im Flow" ist – und dort der nachdenkliche, der uns die Welt in Kitsch verkleidet, verspricht und erklärt. Die Battle-Einlagen folgen dem sehr simplen Prinzip: "Das, was du nicht hast, habe ich im Überfluss." Dass sich der Frankfurter alleine schon wegen seines Standings dafür qualifiziert sieht, seine Wenigkeit über seine Kollegen zu stellen, liegt wahrscheinlich in der Mentalität der Zeit, aus der Tone stammt. Bedauerlich nur, dass von keinen Ausrutschern gesprochen werden kann, hier nichts puncht, wehtut, aneckt oder anregt, sondern eine Ansage nach der anderen im luftleeren Raum auf plastischen Synthie-Vorlagen verpufft.


    "Verbale Bestrafung ist mein Spezialgebiet/
    Gib mir einfach 'n harten Beat/
    Und ich tu', was ich tun muss – wie 'n Soldat im Krieg/
    Emotionslos und pflichtbewusst/
    Schieß' ich dir meine Munition tief in die Brust/
    "
    (Tone auf "Gatling Gun")


    Gesättigt vom Eigenlob scheint die Zeit gekommen, der Liebsten das Versprechen zu trällern, sich zu ändern und bis ans Ende der Welt für ein Lächeln von ihr zu gehen, denn schließlich geht es "Nicht ohne dich". Der zartbesaitete Tone findet seinen klischeehaften Höhepunkt in Zusammenarbeit mit Chima, welcher mit einer an Kitsch kaum zu übertreffenden Hook die Herzensdame als lebensnotwendig besingt. Als satirische Persiflage auf so einige Liebesnummern wäre dem Song in einer anderen Galaxie vielleicht etwas abzugewinnen, da jedoch anzunehmen ist, das dem nicht so ist, bleibt zu sagen: Kitsch, lass nach! Und wer jetzt gedacht hat, so unatmosphärisch, spröde und verbraucht kann es nur einmal zugehen, täuscht sich gewaltig. Denn Tone stimmt schon die nächsten Nummern an ("Wertvoll", "Minen im Paradies"). Kaum zu glauben, doch Sherita zeigt auf "Wertvoll", dass sie das, was Chima leiert, noch eine Prise kitschiger und bedeutungsschwerer kann, denn "wenn du an dich glaubst, findest du raus: 'du bist wertvoll'". Danke, das habe ich jetzt gebraucht. In dieser Hinsicht rücken die zuvor genannten Battle-Tracks in ein weitaus besseres Licht, für feuchte Abende in Clubs reichen sie jedenfalls.


    "Nichts ist so wertvoll wie du/
    In dir schlummert ein Schatz – greif darauf zu/
    Es gehört alles dir – das alles bist du/
    Und wenn du an dich glaubst, findest du raus: 'Du bist wertvoll'/
    "
    (Sherita auf "Wertvoll")


    Ein MC, dessen Bekanntheitsgrad offenbar größtenteils in seiner zweifellos ruhmreichen Vergangenheit begründet ist, gibt dem Hörer wenig bis gar nichts an die Hand. "The Orbit Never Ends" scheitert bereits am einfachen Anspruch, zwei verschiedene Stilrichtungen auf 15 Tracks zu vereinen. Tone arbeitet sich zunächst am lyrischen "Du" ab, bevor er es wieder bedeutungsschwanger besingt – oder wahlweise auch besingen lässt – und aufrichtet. Es fällt schwer, dem Rap-Urgestein ein Merkmal zuzuschreiben, das er für sich exklusiv beanspruchen könnte. Zwar etikettiert er sich mit all dem, was einen MC im Allgemeinen und ihn im Besonderen außergewöhnlich werden lässt, den Beweis für die großspurigen Ansagen bleibt er jedoch über die gesamte Spielzeit schuldig. Ein bestenfalls durchschnittlicher Texter reimt sich von Track zu Track, um seine Stellung als Platzhirsch zu behaupten. Sollte die Luft dafür ausgehen, entfalten die Mut machenden, larmoyanten Tracks, die den Battle-Nummern gegenüberstehen, ihre Wirkung, indem sie den austeilenden Tone in ein besseres Licht rücken.



    (Die Robbe)

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  • Zitat

    Original von NateH8red
    Vorin wars noch 1 Stern weniger fürs Album.
    In letzter Zeit werden die Sterne hier echt viel zu großzügig verteilt. :rolleyes: :rolleyes:


    Das war keine nachträgliche Korrektur, sondern ein Fehler meinerseits.

  • Zitat

    Original von NateH8red
    In letzter Zeit werden die Sterne hier echt viel zu großzügig verteilt. :rolleyes: :rolleyes:


    :thumbup:
    Fänd's auch besser, wenn hier die Wertungsskala wie bei rap.de und hiphop.de erst bei 60% beginnen würde!

  • Zitat

    Original von Die Robbe


    Das war keine nachträgliche Korrektur, sondern ein Fehler meinerseits.


    Mir eigentlich egal.
    Das mit der Großzügigkeit der Punktevergabe, war ne Spitze gegen die Community, nich gegen dich.

  • Bin leider auch enttäuscht vom Album. Kein einziger Song, den ich wirklich fühlen kann. Beattechnisch finde ich vieles daneben, die Battle/Representer-Songs hängen mir leider auch zum Halse raus. Mehr Boombap und schöne akustische Samplebeats würden ihm so gut stehen, dieser Synthetikkram nervt. Die Pitcherei bei Tone Time ist sowas von kindisch.


    Hatte echt ziemlich Bock auf nen guten Tone, der gereift ist. Schade.



    Das hier hatte mir so viel Hoffnung gemacht:


    [YOUTUBE]Hlk-xYr6CBU[/YOUTUBE]

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