Review: Roger Rekless – Manifest

01. Babi (Germany Remix)
02. Hart auf hart
03. Spinner
04. Bis hier hin und viel weiter
05. Schlangen
06. Das schönste Mädchen
07. Goma
08. Revolucion
09. Mit dabei

Roger Rekless ist ja nicht nur Rapper. Er ist auch Pädagoge. Das ist die Sorte Mensch, die vorzugsweise in selbstgestrickten Schals, Gesundheitslatschen und Batikshirts auftritt, um bewaffnet mit Körnerbrot, Biokäse und Erdbeertee die Welt zu retten – natürlich nur, wenn die Welt das auch selber möchte. Um das herauszufinden, wirft man Sprechsäckchen im Kreis oder umarmt einen Baum. Wichtig ist dabei lediglich, dass sich alle total wohl fühlen und niemand ausgeschlossen wird. Rekless ist also Pädagoge. Und Rapper. Und als Zweiterer releast er via Goodbois und Bandcamp seine von ihm und den Goofiesmackerz produzierte "Manifest"-EP. Auf der soll es sich inhaltlich um die Probleme der modernen Gesellschaft drehen. Jetzt kann man Angst bekommen oder einfach mal mutig rein hören. Das Cover finde ich schon mal recht brutal mit all den Tätowierungen... Egal, eigentlich kennt man Rekless ja, kennt die 4zu1er, das Team Makasi, die Deckpackers, kennt vielleicht sogar die 089er. Man weiß, wie Rekless das Kind hoch hält. Eher charmant hinweisend, selten vorwerfend. Wäre auch blöd bei einem Kind.

"Manifest" ist auch weniger eine politische Proklamation denn Darstellung der verschiedenen Aspekte seines Lebens. Ein Teil davon ist das Goethe-Institut, für welches Rek um die Welt reist und Workshops abhält. Wie beispielsweise an der Elfenbeinküste, wo der erste Track der EP mit Specht, Nash, Nocc Dyl, Kairy und Ben entstand, und auf dem Rekless in schönstem Münchner Slang über seinen Werdegang rappt. Das Ganze auf einem verwirbelten, sehr drumlastigen Beat, beschwingt und doch tosend wie ein tanzender Elefant.

"An der Côte d'Ivoire, guck Papa, guck Mama/
In bin in Afrika, nur weil ich gut spuck', Mama/
Rap wie der Straßendreck in Cotonou/
Glaub mir, es ist wirklich besser, alles so zu tun/"
(Roger Rekless auf "Babi (Germany Remix)")

Ein anderer Hauptbestandteil seines Lebens ist das Sprühen. Mit "Spinner" liefert der 4zu1er eine Hommage an alle Sprayer, die heute noch zum Malen rausgehen, berichtet dabei, wie er selbst zur Dose kam und zeigt zugleich auf, dass er eigentlich selbst nicht genau weiß, warum er gerne urban künstelt – außer eben aus Leidenschaft. Das reicht aber. Der Beat ruckelt mit tiefer Drumline über Synthiegeklingel und Rekless flowt darauf kraftvoll emotional wie eh und je. Und Emotion ist das Stichwort. Denn Roger rappt auf der ganzen EP über seine persönlichen Erfahrungen und möchte diese weitergeben. Manchen vielleicht ein wenig zu neunmalklug. Zu aufmunternd. Positive Verstärkung würde der Pädagoge das nennen: Kopf hoch, jeder versagt doch mal, sagt "Hart auf hart". Kopf hoch, jeder kann sich selbst aus dem Dreck ziehen, sagt "Bis hier hin und viel weiter". Kopf hoch und aufpassen wenn man dir Böses will, sagt "Schlangen". Kopf hoch, Kopf runter sagen ein paar, weil sie den Kopf nicken wollen ohne Hab-Acht-Finger in der Nase. So klingt das manchmal überengagiert, aber zugleich eben auch ehrlich, das hört man, das spürt man. Das mag man oder auch nicht. Immer mag man die aufgeweckten Drums, die tiefen Basslines, die komplexen Hi-Hat-Konstruktionen, die vereinzelten Gitarrenriffs, in deren Mixtur sich der Münchner Rapper hervorragend einschmiegt, wenn auch nicht vollständig überzeugt. Zwar schwingt Leidenschaft in der Stimme mit, das reißt auch einiges raus, technisch ist Rekless aber noch nicht ausgereift. Zu sehr holpern die Doppelreimpassagen, zu unvariabel und glatt der Flow. Aber dann findet man dazwischen plötzlich noch einen Track wie die Sommerliebe. Der verplanteste Junge der Schule trifft "das schönste Mädchen" der Stadt und hält um ihre Hand an. Nein, nimmt sie einfach bei der Hand und rennt mit ihr über leicht verzerrte Akustikgitarren, bis beide nicht mehr können. So frisch, so ehrlich, so schön. Und auch so Rekless. Denn der Münchner achtet selten auf links und rechts, eher auf gradeaus. Eher auf sich und seine Message, was er im letzten Track auch explizit anspricht:

"Junge, laber über München und der Rek ist mit dabei/
Der Chef ist mit dabei und die Heads sind mit dabei/
Für das alles ist der Rekless bereit/
Und mir ist scheißegal, ob ihr nett zu mir seid/"
(Roger Rekless auf "Mit dabei")

Fazit:
Roger Rekless präsentiert "Manifest" und damit indirekt sich selbst. Eine ehrliche EP voller Politik und Persönlichem, Gefühl und Energie. Der Münchner sieht sich in einer Verantwortung und nimmt diese auch ernst. Das macht ihn zum sozialkritischen Storyteller mit Hang zu kantigen Beats und Gitarren. Über diese flowt er sehr kraftvoll und kaschiert durch solche Stärken seine technischen Mängel. Rekless ist ja Pädagoge. Aber vor allem Rapper. Trennen kann man das nicht, das hört man auch auf "Manifest". Und auch, wenn es manchmal so klingt, der Münchner will niemandem sagen, was er tun soll. Er möchte lediglich beschreiben wie es ist, Mängel aufzeigen und ein wenig darauf deuten. Das kann er gut, das hört man sich auch gerne an, denn selten werden einem Parolen vor den Latz geknallt. Knallen tut man als Pädagoge sowieso nicht. Fest streicheln vielleicht. Rekless kann beides. Er trägt ja auch keine selbstgestrickten Batikschaals und behält das Sprechsäckchen schön für sich, hat das Mic fest im Griff. Rek kriegt das Kind schon geschaukelt, hält es dann ab und zu mal hoch, sodass es jeder anschauen kann. Kann! Nicht muss.

(Benedikt Dirschl)

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