Beiträge von Florginal



    01. Julius Caesar
    02. Safe
    03. JFK (Album-Edit)
    04. Steve Blowjobs
    05. Bang Bang
    feat. Bushido
    06. Venedig
    07. Pancakes
    08. No Joke
    feat. Ali
    09. Alle meine Fans feat. Kollegah
    10. Thriller
    11. Sterne
    feat. Bushido
    12. #BITCHICHBINFAME
    13. Standing Ovations
    14. Steve Urkel


    Wenn man den Namen Shindy hört, gibt es vieles, an das man sofort denken muss: den Beef mit Kay One, den Skandal-Track "Stress ohne Grund" mit Bushido oder die überraschende Platzierung seines Debütalbums "NWA" auf Platz 1 der Charts im vergangenen Jahr. Woran ich aber am liebsten denke, ist, dass mit Shindy ein extrem talentierter und interessanter Rapper seine verdiente Aufmerksamkeit in der Szene bekommt. Denn "NWA" ist nicht nur gut gechartet, es war auch ein gutes Album. Das ersguterjunge-Mitglied bewies mit einem frischen Sound und viel Gefühl für Style, dass er mehr ist als nur Kay Ones Ex-Kollege und Bushidos neuester Protegé. Er ist auch ein verdammt starker Rapper. Dementsprechend hoch waren nun die Erwartungen an sein zweites Album, das einen ähnlich schönen Titel wie sein vorheriges aufweist: "FVCKB!TCHE$GETMONE¥". Höchste Zeit, zu erörtern, ob das Werk diesem Erwartungsdruck auch standhalten kann.


    "Ihr seid alle Absturz – Windows/
    Ich will, dass sich deutsche Rapper schäm'n für ihre Intros/
    Mein zweites Album klingt, als wär's 'n 'Greatest Hits'/
    Du bist Berlusconi, ich bin Julius Caesar, Bitch/
    "
    (Shindy auf "Julius Caesar")


    Selbstbewusst wie eh und je macht Shindy direkt zu Beginn klar, was er mit der Rapszene vor hat. Deutsche Rapper sollen "sich schämen für ihre Intros". Zu diesem Zwecke setzt er ihnen auf "Julius Caesar" einen kraftvollen Auftakt entgegen, auf dem gleichzeitig gewohnt stilsicher gerappt und die Linie für das Album abgesteckt wird. Shindy sieht sich über den anderen stehend, ist mehr HipHop, aber will dennoch lieber in die Vouge statt in die JUICE. Auf "FVCKB!TCHE$GETMONE¥" geht es thematisch eigentlich um kaum mehr. Shindys Kunst besteht nun darin, dieses limitierte Themenspektrum unterhaltsam und überzeugend rüberzubringen. Und dank der fast immer richtigen Mischung aus Stimmlage, Flow und Timing gelingt ihm das auch zumeist. Da können dann sogar mal die Jordans als "weiß, wie Samenergüsse" beschrieben werden, ohne dass es peinlich klingt.


    "Digga, fick' auf meine Instagram-Posts/
    Check' mal mein' WhatsApp-Verlauf, du denkst, du bist bei Bang Bros/
    Million-Dollar-Smile, weil ich herausragend verdiene/
    Kleiderschrank begehbar wie die Aufnahmekabine/
    "
    (Shindy auf "Pancakes")


    Wie schon auf "NWA" geht es auch auf "FVCKB!TCHE$GETMONE¥" hauptsächlich um das Zelebrieren eines Lebensstils. Es ist der nächste Schritt: Erst wurde auf dem Debütalbum dafür gesorgt, dass man nie mehr arbeiten muss und man sich jetzt den schönen Dingen des Lebens zuwenden kann. Für Shindy bestehen diese aus Luxus und Überfluss. Er verkehrt mit Topmodels in "Venedig", wobei der Sex "französisch, die Mode italienisch [ist]" ("Steve Blowjobs"). Am Morgen danach weckt ihn der Paketdienst, um die per Expressversand bestellten, hoch limitierten Jordans abzuliefern. Und wenn man schon mal wach ist, werden direkt noch ein paar "Pancakes" beim Zimmerservice geordert. Shindy gelingt es, seinen schmackhaften Lifestyle authentisch und ansprechend zu vermitteln. Der Mann weiß, wovon er spricht, droppt Modemarken im Minutentakt und umschreibt ein so stimmiges Bild von sich, dass man als Hörer gerne seinen Geschichten lauscht. Der Hauptgrund hierfür liegt wahrscheinlich nicht einmal im Inhalt seiner Texte, sondern in der Vortragsweise. Denn was sofort auffällt, ist, dass neben Mode, Frauen und Geld Shindys größte Liebe der Rap ist. Technisch ist "FVCKB!TCHE$GETMONE¥" wirklich ein herausragendes Album. Es finden sich auf jedem Track unzählige einfallsreiche Reime, ellenlange Reimketten werden gebildet und Flows geswitcht, dass das Zuhören eine Freude ist. Das ersguterjunge-Mitglied passt sich dem Beat an und macht ihn sich gleichzeitig Untertan wie kaum ein anderer. Es soll am Ende halt einfach geil klingen. Diese Herangehensweise mit dem Anspruch an das Ästhetische passt gleichzeitig super zum Programm in Shindys Texten, wodurch sich letztendlich ein stimmiges Gesamtbild aus Sound und Inhalt ergibt.


    "Bitch, ich bin fame, gib mir Champagne/
    Finger weg von meiner Jacke, die is' handmade/
    Schwarze Sonnenbrille wie ein Blues Brother/
    Ich will meine Fresse auf dem JUICE-Cover/
    Sie sprechen meine Sprache nicht wie Chewbacca/
    Erst Ferrari, dann Mercedes, so wie Schumacher/
    "
    (Shindy auf "Safe")


    Leider scheint Shindys Liebe zum Rap auf "FVCKB!TCHE$GETMONE¥" etwas überhand genommen zu haben, denn dem routinierten Rapfan fällt schnell auf, dass sich an vielen Stellen mehr als offensichtlich an Ideen aus dem amerikanischen HipHop bedient wurde. Dies betrifft vor allem die trotzdem sehr gut produzierten und abwechslungsreichen Beats des Albums. So klingt beispielsweise "No Joke" komplett nach einem Beat von DJ Mustard. Doch die größte Inspiration sieht Shindy wohl in Rapsuperstar Drake. "Safe", "Bang Bang" oder "Sterne" zum Beispiel ließen sich spontan direkt ihren amerikanischen Counterparts zuordnen. Und nicht nur die Instrumentals lassen eine gewisse Eigenständigkeit vermissen. Auch bei den Flows bedient sich Shindy gerne und oft am in den Staaten zelebrierten Migos-Flow, wobei auch hier seine größte Inspirationsquelle wahrscheinlich Drake gewesen sein dürfte. So zeigt sich doch ein relativ großer Wermutstropfen auf dem sonst so kreativen Projekt "FVCKB!TCHE$GETMONE¥", der einen leider zwingt, die Innovation des Albums zu hinterfragen und zu kritisieren.


    Fazit:
    "FVCKB!TCHE$GETMONE¥" hat sehr viele Qualitäten. Trotz des simplen Themenbereichs, in dem es sich abspielt, wird es an keiner Stelle langweilig. Shindy schafft es, durch Wortwahl, Stimmeinsatz und nicht zuletzt seine starke Raptechnik stets ein ästhetisches Soundbild und eine von Coolness durchzogene Atmosphäre zu schaffen. Hiermit gelingt es ihm, sich deutlich vom Deutschrap-Standard abzuheben, am Balanceakt zwischen bloßer Inspiration oder direkter Kopie seiner amerikanischen Vorbilder aber scheitert er zu oft. Die Beats und Ideen klingen für Deutschrap frisch und neuartig, bewegen sich hierbei aber zu nah am jeweiligen Original, um als komplett eigenständig und innovativ angenommen zu werden. Und das ist fast ein bisschen schade. Denn würde hinter Shindys eigenem Style wirklich so viel stecken, wie er für sich propagiert, oder hätte man sich einfach nicht so offensichtlich woanders bedient, wäre er mit Sicherheit einer der besten Rapper zurzeit. So aber bleibt "FVCKB!TCHE$GETMONE¥" "nur" ein überdurchschnittlich gutes Deutschrapalbum mit einem negativen Nebeneffekt.



    Florian Peking (Florginal)

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    [azlink]Shindy – FVCKB!TCHE$GETMONE¥[/azlink]



    01. Weißer Tupac
    02. Hipster Hass
    03. Stabiler Deutscher
    04. Zurück aus Bonnys Ranch
    05. Ihr habt uns so gemacht
    feat. Silla
    06. Gangster Rap 2.0 feat. Silla
    07. Schutzengel
    08. Businessmann
    feat. G-Hot
    09. Junge mit Charakter
    10. Drogen, Nutten und Cash
    feat. Sentence
    11. Level
    12. Im Auge des Sturms
    feat. G-Hot & Shizoe
    13. Im Ghetto kennt mich jeder
    14. Vermischt mit dem Betong
    15. Ein kugelsicherer Jugendlicher


    "Früher war alles besser" – dieser Satz ging sicherlich schon jedem einmal über die Lippen. Auch die deutsche Raplandschaft war früher ziemlich reizvoll. Manche mögen vielleicht sogar sagen, sie war reizvoller als heutzutage. Möglicherweise ist das der Grund, weshalb Fler nun nach fast zehn Jahren den zweiten Teil seines Debütalbums "Neue Deutsche Welle" veröffentlicht. Nach einer so langen Zeit stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, ob die Fortsetzung unmittelbar an den ersten Teil anknüpft. Und falls ja, funktioniert dies heute überhaupt noch so gut wie vor fast einem Jahrzehnt? Zeit, diese Fragen zu klären.


    "Wie ein weißer Tupac im Auto, das schwarz ist/
    Laufe hier im Rotlicht im Leben, das hart ist/
    Meine Kette glänzt, denn ich male sie gold an/
    Schwarz-Rot-Gold, Junge, denn ich bin Deutschland/
    "
    (Fler auf "Weißer Tupac")


    So steigt Fler in "Neue Deutsche Welle 2" ein. Damit wird das Themenspektrum des Albums schon in etwa vorgegeben: Das Leben ist hart, aber die Kette dafür golden. Harter Straßenrap trifft auf proletenhafte Beschreibung des eigenen Reichtums. Früher war der Berliner ein Straßenjunge, jetzt ist er ein Star – gehasst von vielen, aber dafür mit dicken Geldbündeln in der Designerhose. Hinzu kommt noch die nationale Identität als Deutscher, was bei Fler ja nicht selten ein wichtiges Thema darstellt. So auch bei "Stabiler Deutscher". Hier reflektiert der Maskulin-Chef seine Vergangenheit als Deutscher in der Minderheit unter vielen Ausländern. Und auch wenn der Titel des Tracks bereits etwas anderes vermuten lässt: Die Ambition des Songs ist durchaus lobenswert. Denn im Grunde steht Fler hier dafür ein, seine Mitmenschen gleich und gerecht zu behandeln, wenngleich sie auch eine andere Nationalität haben. Leider geht diese positive Message unter zwischen hohlen Phrasen über Straßenkredibilität und Stammtischparolen wie "Bei mir hängt die Fahne nicht nur bei der Fußball-WM".


    "Welle schieben war ein Ausländerding/
    Meine Träume waren im Schaufenster drin/
    Als Berliner wirst du farbenblind als Straßenkind/
    Deswegen ist egal, wie dunkel deine Haare sind/
    "
    (Fler auf "Stabiler Deutscher")


    Zwischen depressivem Straßensound und Selbstbeweihräucherung lässt sich auf "Neue Deutsche Welle 2" nicht allzu viel anderes finden. Fler hat seine Vorliebe für Trap etwas zurückgeschraubt und so soll das Album an vielen Stellen an die frühere Diskografie des Berliners erinnern. Doch der Flavour und die Atmosphäre früherer Tage können leider nicht erreicht werden. Zu viele stupide Lines, bei denen man sich an den Kopf fassen muss, zerstören in regelmäßigen Abständen jegliche Stimmung, die aufkommen soll. Und nur, weil ein paar legendäre Lines von vor zehn Jahren wiederholt werden, haben sie noch lange nicht denselben Effekt wie früher. Paradebeispiel hierfür ist der Track "Hipster Hass". Mal abgesehen davon, dass dieser Song fast nur aus verbittertem, unangebrachtem Gehetze gegen halb Rapdeutschland besteht und weit über die Kategorie des "Hipsters" hinausgeht, lassen sich hier die Grundprobleme von Flers Rap beobachten. Raptechnisch ist das alles so simpel aufgebaut, dass es billig klingt – und inhaltlich so einfältig, dass man es kaum ernst nehmen kann. Als Beispiel können die folgenden Zeilen herangezogen werden: Erst wird am Prenzlauer Berg falsch geparkt, weil er ja Gangsterfler ist, dann noch im Vorbeigehen Casper gedisst, weil der ja gar keinen Rap macht, und am Ende noch mal eine Line aus "Carlo Cokxxx Nutten" rezitiert, weil es ja so hart sein muss wie früher.


    "Falschparken, Prenzelberg/
    Schieße auf Veganer nach dem Yoga – Gangsterfler/
    Das hier ist Rap und kein Dubstep/
    Ich bin nicht Casper, denn ich mach' Rap/
    Sag, warum sieht jeder Rapper wie ein Punker aus/
    Ich bange jetzt den Sound, dass sogar deine Mama bounct/
    "
    (Fler auf "Hipster Hass")


    Sehr viel mehr hat "Neue Deutsche Welle 2" auch nicht zu bieten. Auf beinahe jedem Track wird gnadenlos der Maskulin-Style repräsentiert. Sprich: Fler macht klar, dass er immer noch der harte, deutsche Straßenjunge von früher ist. Thematisch stechen da nur Tracks wie "Schutzengel" heraus. Auf diesem "deepen" Track widmet sich der Rapper seiner Angebeteten und seiner Rolle als ihr Beschützer. Aber auch hier zerstören dümmliche Zeilen wie "Ich bin dein Schutzengel, ich nehm' dich in Schutz, Engel" die komplette Atmosphäre. Und während Flers letztes Album "Blaues Blut" noch in einer modernen Soundkulisse daherkam und wirklich gute und frische Trap-Instrumentals mitbrachte, kann das neue Werk des Berliners auch nicht durch seine Produktionen glänzen. Durch die Rückbesinnung auf die älteren Styles wirken auch die Beats wie schon einmal gehört. Es gibt jedoch auch Tracks, die positiv auffallen, so zum Beispiel "Junge mit Charakter". Diese Abrechnung Flers mit alten Weggefährten kann durch einen stimmungsvollen Beat und die emotionale Vortragsart punkten. Trotz des technisch simplen Textes schafft es der Maskulin-Boss überzeugend, seine Position darzustellen, da es so scheint, als gäbe er hier ehrliche Gefühle preis. Und bereichert wird das Ganze zusätzlich durch ein paar wirklich unterhaltsame Lines.


    Fazit:
    Auch wenn er es wirklich versucht hat, schafft es Fler mit "Neue Deutsche Welle 2" nicht, an den Flavour und das Gefühl des ersten Teils und allgemein der alten Tage heranzukommen. Raptechnisch kann er so heute nicht mehr überzeugen, inhaltlich wirkt es wie eine einzige Wiederholung. Hinzu kommen dämliche Zeilen, die keinen Effekt außer Fremdscham haben, und Tracks wie "Hipster Hass", die dermaßen unnötig sind und gewollt zu provozieren versuchen. "Gewollt" ist im Allgemeinen eine gute Umschreibung für "Neue Deutsche Welle 2", denn was versucht wurde, kann man durchaus nachvollziehen. Doch die Wirkung bleibt leider aus. Früher war vielleicht wirklich alles besser – aber dieses "Früher" ganz einfach ins Heute zu holen, funktioniert nicht.



    Florian Peking (Florginal)

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    [azlink]B00J0LQLRG[/azlink]



    01. Intro
    02. Wohlstand
    feat. Josof Abed
    03. Überkopf feat. JokA
    04. Beutetour
    05. Das Produkt
    feat. Herzog
    06. M.O.N.E.Y.
    07. Dagobert
    feat. Veli
    08. Für dich
    09. Alles klar
    feat. Disarstar
    10. Playboy
    11. Nie wieder
    12. Hörst du drauf?
    feat. Olexesh
    13. El Fantastico
    14. Ich weiß noch
    15. V.I.P. 3
    feat. Doktor Best
    16. Roze' Party feat. Fyahbwoy
    17. Die Crowd


    Wenn es ein vorherrschendes Motiv moderner Rapmusik gibt, dann dürfte das, neben anderen, vor allem das Streben nach Besitz und Reichtum sein. Über das Geld machen wird dabei genauso gern geredet, wie über das Geld haben. Prädestiniert dafür ist natürlich das Genre des Gangster- oder Straßenraps, wo mithilfe der Musik versucht wird, aus der misslichen Lage, in der man sich befindet, zu entkommen. Das neue Album des Hamburger Rappers AchtVier scheint, wie man schon von seinem Titel "Wohlstand" schließen kann, in eine ähnliche Kerbe zu schlagen. Diese Thematik kann, auch wenn sie schon sehr häufig behandelt wurde, durchaus spannend sein. Grund genug zu erörtern, ob AchtVier dieses Ziel mit "Wohlstand" erreichen kann.


    "Ich will den mattschwarzen Wagen parken/
    Will Versace in fast allen Farben tragen/
    Ich will es jetzt, ich will nicht noch paar Jahre warten/
    Eigener Chef, ich will aus meiner Garage fahren/
    "
    (AchtVier auf "Wohlstand")


    Der Titeltrack "Wohlstand" verdeutlicht, um was es AchtVier geht: Er will ausbrechen, aus dem Leben, das aus Rechnungen, Arbeitsamtbesuchen und Tiefkühlpizza besteht. Deshalb muss nun mit Rap Geld gemacht werden, damit "Mama mit auf Weltreise" genommen werden kann. Unterstützt wird Fizzle von Sänger Josof Abed, dessen Gesangshook jedoch nicht wirklich harmonisch auf den Beat passt und deshalb etwas fehlplatziert wirkt. Ganz anders der Rapper selbst. Der wiederum schafft es seinen sympathischen Text ideal über den Beat zu bringen und das Ganze mit ein paar witzigen Adlibs abzurunden. Anders sieht das im vorangegangenen "Intro" des Albums aus: Hier wurde ein schnellerer Beat gewählt, was sich für AchtViers Stimmbild als nicht besonders optimal herausstellt. Denn auch wenn anständig gereimt wird, scheint sich der Hamburger zu oft zu verhaspeln, worunter der Hörgenuss extrem leidet. Viele Zeilen des Tracks kann man beim ersten Durchhören akustisch nicht verstehen und ein harmonisches Klangbild ergibt sich überhaupt nicht.


    "In den Tag reinleben, sie teilen sich ein' Döner zu dritt/
    Schön ist es nicht, denn Zuhause gibt's für gewöhnlich nichts/
    Nur ein Vater, der von seinem Frust zerfressen ist/
    Der seine Mutter schlägt bis das Blut an die Decke spritzt/
    Das sind Ghettokids, von Hamburg bis nach Kreuzberg rein/
    Perspektive: aussichtslos, Werdegang: Teufelskreis/
    "
    (AchtVier auf "Das Produkt")


    Diese Ambivalenz von AchtViers Rapskills scheint sich durch das gesamte Album zu ziehen. Mal flowt er durchgehend souverän über den Beat, in der nächsten Sekunde aber wieder scheint er relativ unsicher zu sein. Dann lassen sich auch besonders die Cuts, die Fizzle nach spätestens jeder vierten Zeile zu machen scheint, nicht mehr überhören. Als Beispiel sei hier "Das Produkt" genannt, wo man stets hören kann, wann AchtVier die Aufnahme nach der Zeile beendet und neu angesetzt hat. Dies lässt die betreffenden Tracks nicht nur produktionstechnisch minderwertiger wirken, sondern unterbricht auch den Fluss der Musik ungemein. Und auch textlich kann der Hamburger Rapper selten auftrumpfen. Reimtechnisch durchaus auf der Höhe der Zeit, schafft es AchtVier thematisch nur an wenigen Stellen zu überzeugen. Die Tracks ähneln sich zu sehr, um für sich selbst zu stehen und es scheint auf dem gesamten Werk fast nur zwei Themenbereiche zu geben: Erzählungen aus dem harten Straßenleben und Rap über das Geld, das man braucht, um aus ebenjenem Leben zu entkommen. Und selbst bei diesen schon so oft behandelten Themen gibt es selten Zeilen, die sich hervorheben und nicht wie schon einmal gehört klingen.


    Willkommene Abwechslung in diesen Brei aus Gangster- und Geldrap bringt der Song "Für dich", den AchtVier für seinen verstorbenen Vater geschrieben hat. Dieser Track weiß durch den feinfühligen Text durchaus zu berühren, allerdings hätte etwas mehr Zeit und Aufwand in die Hook fließen sollen. Die Betonungen der Reime wirken nämlich so unnatürlich und gewollt, dass man als Hörer komplett aus der nachdenklichen Atmosphäre gezogen wird und angesichts dieses unharmonischen Refrains am liebsten direkt zum nächsten Part skippen würde.


    "Heute bist du tot, Papa, ich verfluche diesen Tag/
    Ich versuch' ein guter Mensch zu sein, doch siehst du das?/
    Wie gehabt warst du da, wenn ich in den Spiegel sah/
    Du bist so fern, weit weg, doch alles schien so nah/
    "
    (AchtVier auf "Für dich")


    Ein weiterer Grund für die Austauschbarkeit der Tracks auf "Wohlstand" sind wohl auch die Beats. Vorwiegend von Jambeats produziert, scheint ein Großteil des Releases aus düsteren Synthiebangern oder gepitchten Chören, unterlegt mit klatschenden Drums, zu bestehen. Die Beats wirken wie beliebig aus dem Baukasten gefischt und verschmelzen deshalb zu keinem Zeitpunkt mit dem Rap von Fizzle zu einem Gesamtprodukt mit eigener Identität. Ähnlich ist es mit den Features. Keiner der Gastbeiträge stellt ein wirkliches Highlight dar, da angesichts der unspannenden Thematiken der Tracks meist lediglich generische Straßenrap-16er abgeliefert wurden.


    Fazit:
    Was "Wohlstand" wohl am meisten fehlt, ist eine eigene Identität. AchtVier kann durchaus gut rappen. Jedoch schafft er es nur selten, Zeilen auf das Textblatt zu bekommen, bei denen man aufhorchen muss oder so speziell über einen Beat zu flowen, wie man es selten gehört hat. Angesichts des Überflusses an Straßenrappern scheint dies auch schwierig, doch etwas mehr Kreativität beim Schreibprozess und Beatpicken könnten schon einiges bewirken. "Wohlstand" ist gewiss kein schlechtes Album, doch verliert es sich in der Austauschbarkeit und wirkt nur wie eine Wiederholung anderer großer Straßenrap-Alben der letzten Jahre.



    Florian Peking (Florginal)

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    [azlink]AchtVier+%96+Wohlstand [/azlink]



    Cosmo Gang Member Tim Taler veröffentlichte am gestrigen Sonntag sein Debüt-Mixtape "Taler I". Das elf Titel starke Release kann ab sofort auf der Soundcloud-Präsenz der Gang heruntergeladen werden.


    Tracklist:
    01. Playboy
    02. Kleine Bitch
    03. Ai, Ai!
    04. FFP feat. Holy Modee
    05. Yam, Yam
    06. LSD feat. Johny Space & Adi Space
    07. Yaman
    08. Wie dick sind die Buds? feat. Johny Space
    09. Lila Kush


    Bonus:
    10. Papierflieger
    11. Reefer Gourmets (Maniac-RMX) feat. Albert Parisien & Johny Space


    Quelle


    [pushit]14761 [/pushit]



    "FFP" lautet der Titel des neuesten Tracks der Cosmo Gang-Mitglieder Tim Taler und Holy Modee. Der Song dient als Appetithappen auf Tim Talers Debütalbum "Taler I" welches bereits kommenden Sonntag erscheint. Anhören könnt ihr Euch das Ganze ab sofort auf Soundcloud.


    Für das angekündigte Release sollte man am 24. August die Soundcloud-Präsenz der Jungs im Auge behalten.


    Quelle


    [pushit]14718 [/pushit]



    01. Das ist erst der Anfang
    02. Sektor 6-0
    feat. Hanybal
    03. Akupunktur (Interlude)
    04. Akupunktur
    05. Undergroundchiefs
    06. Zurück in die Zeit
    feat. Yasha
    07. Duo Numero Uno
    08. Es ist wie es ist
    feat. Azad
    09. Renaissance
    10. Generation Tschö!
    11. Neuro Linguale Programmierung
    feat. Haftbefehl
    12. Chivato feat. Capo
    13. Fifa Street
    14. Nur noch 60 Sekunden
    feat. SSIO
    15. Top10rapper feat. MoTrip
    16. Ratten & Füchse
    17. Hadouken
    feat. Veysel
    18. Finito Bandito


    "Der Jugo und Arab – auf der Street wie Classics" – noch gut kann ich mich erinnern, wie ich das "Intro" von Celo & Abdis letztem Album "Hinterhofjargon" gehört habe. Nach dem überzeugenden "Mietwagentape" konnte das Debütalbum noch einen drauf setzen und Deutschraps wohl sympathischstes Duo endgültig in der Szene etablieren. Alles war "rrrrasiert", wie Celo sagen würde. Zwei Jahre später wird statt zum Rasierer zur Nadel gegriffen: "Akupunktur" heißt das neue Album der beiden Azzlackz. Zeit, zu überprüfen, ob der starke Vorgänger getoppt werden kann oder ob der Style, den die beiden fahren, langsam überholt ist.


    "Track eins, step' rein, Intro-Part/
    Guck, es geht, mit 'nem Tape, was bewegt – GIF-Format/
    Nicht normal, wie wir in die Charts krachen/
    Mietwagen, Piece-Platten auf der Digitalwaage/
    "
    (Celo & Abdi auf "Das ist erst der Anfang")


    Schon die ersten Zeilen, die man auf "Akupunktur" zu hören bekommt, machen unmissverständlich klar, dass sich die beiden Jungs treu bleiben. Trotz des Rufs als Spaßvögel wirkt ihr Rap hart wie eh und je. Die Themen bleiben klassisch: Drogenvertickerei, Stress auf der Straße und Geld stapeln stehen an der Tagesordnung. Doch etwas anderes möchte man von den beiden Frankfurtern auch nicht hören, vermögen es doch nicht viele Rapper, die klassischen Straßenrapthemen so unterhaltsam, aber auch authentisch zu verpacken, wie Celo & Abdi es tun. Dies zeigt beispielsweise auch eindrucksvoll "Sektor 6-0", der zweite Track des Albums, auf dem die beiden von Azzlackz-Kumpane Hanybal unterstützt werden. Eine düstere Piano-Melodie im Hintergrund und knallende Drums bilden die Kulisse, die von den drei Rappern gekonnt durch harte Texte mit Atmosphäre gefüllt wird.


    "Scheiß' auf die Rechtslage/
    Reich werden, Cash stapeln, Ekstase/
    Cokeboys verbreiten Viren/
    Frankfurt Main, der Wirt, so läuft's in mei'm Bezirk/
    "
    (Abdi auf "Sektor 6-0")


    Apropos "düster": Die bedrohlichste Stimmung des gesamten Albums hat wohl der Track "Es ist wie es ist" inne, auf dem Altmeister Azad gefeaturet wird. Eine finstere Orgelmelodie bildet die Grundlage des Beats, Celo & Abdi "rrrasieren" den Takt und wenn dann Azad mit seiner betonharten Stimme einsetzt, ist die bedrückende Straßenhymne perfekt. Doch "Akupunktur" hat auch hellere Seiten zu bieten. Das wohl beste Beispiel hierfür ist "Zurück in die Zeit", das durch seinen leichtfüßigen, fast Reggae-artigen Beat und die Ohrwurm-verursachende Hook von Featuregast Yasha locker als Sommerhit durchgehen könnte. Neben dem Sound ist aber auch das Thema interessant: Wie der Titel schon vermuten lässt, behandeln die Rapper hier ihre Kindheit und Jugend und dürften damit bei so manchem für ein nettes Flashback in die '90er sorgen.


    Doch egal, ob Celo & Abdi nun auf "Nur noch 60 Sekunden" mit SSIO Autos klauen, auf "Chivato" mit Capo Verräter an den Pranger stellen oder auf "Generation Tschö!" Geschichten einer gescheiterten Jugend erzählen – sie bleiben stets ihrem einzigartigen Style treu: Verrückte Substantiv-Aufzählungen als Reimketten, ein regelrechtes Arsenal an Schlagwörtern aus allen möglichen Sprachen der Welt und ausgefuchste Flows, die sich an den Takt schmiegen. Celo & Abdi haben Rap verstanden und benutzen den Sprechgesang so gekonnt, dass sie ihm einiges an Facetten hinzufügen können.


    "Blockstyle-Musik, du siehst mich mit Hipstern auf MTV/
    Bring' die Street wieder auf VIVA, Lyrics bleiben explizit/
    Fick' den Markt, 16 Bars, Kameras, Entertainment/
    Geld, Para, Haze Buster, sag mir: Was hat sich verändert?/
    Trendsetter, Genre Gangster, Backyard-Slang, A-Doppel-Z'er/
    Eova, auch ohne Major skalpier' ich die komplette Szene/
    "
    (Celo auf "Undergroundchiefs")


    Ein weiterer Faktor, der Celo & Abdi als Duo so besonders macht, ist die Stimmigkeit, die sie auf den Liedern beweisen. Sie funktionieren als Team sowohl flowlich als auch textlich einfach harmonisch und ergänzen sich nahezu perfekt. Wenn beispielsweise Celo auf "Undergroundchiefs" mit einem schnellen, fast hektischen Flow einsteigt und nach acht Zeilen von Abdi mit einem langsam gestyleten "Aw yeah, was geht'n" abgelöst wird, dann passt das einfach einwandfrei. Und auch Beats und Features sind so gewählt, dass sie diesen stimmigen Eindruck an fast keiner Stelle untergraben. Die Azzlackz-Kollegen Haftbefehl, Veysel, Capo und Hanybal liefern alle überzeugend ab, wer allerdings etwas vermisst wird, ist 385i-Zögling Olexesh. MoTrips Part beziehungsweise der gesamte Track "Top10rapper" allerdings wirkt auf dem Album etwas wie ein Fremdkörper. Weder Trip, noch Celo & Abdi selbst schaffen es, hier mit der Kreativität des Restalbums – was Sprache, Stimmeinsatz und Flows angeht – mitzuhalten. Ebenfalls etwas deplatziert wirkt das "Akupunktur (Interlude)", für das man wohl einen ganz speziellen Humor besitzen muss. Und auch der Titeltrack "Akupunktur" kann sich wegen des Vocoder-Effekts in der Hook als zu anorganisch nicht in den restlichen Sound des Albums einfügen. Instrumentell gibt es kaum Schwächen, wofür hochkarätige Produzenten wie m3 und Abaz Sorge tragen.


    Fazit:
    "Akupunktur" reiht sich nahtlos in die überzeugende Diskographie der beiden Azzlackz-Member ein. Sie fahren weiterhin ihren eigens etablierten Style und meistern so ein weiteres Mal den schwierigen Spagat zwischen Sympathie und Härte. Ihre Individualität können sie durchgehend erhalten und weiter ausbauen: Keiner textet so wie die beiden Frankfurter und keiner flowt wie sie. An Eigenständigkeit und Kreativität fehlt es ebenso wenig wie an Rapskills und Humor. Das alles macht Celo & Abdi in meinen Augen zum besten Deutschrap-Tag-Team der letzten Jahre. Zum Meisterwerk fehlt es bei "Akupunktur" noch an ein paar Ecken. Doch sie sind auf einem sehr guten Weg dorthin.



    Florian Peking (Florginal)

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    01. Intro
    02. Scheiß Tag
    feat. Olexesh
    03. Geld
    04. Wer wir sind
    feat. Sa4
    05. Krass
    06. Guck mich um
    07. Mit uns
    feat. Maxwell & Sa4
    08. Klack 1830
    09. Immer noch
    10. Auf Tour
    11. Ferrari
    12. Dagegen
    13. Hektik
    feat. Omik K.
    14. Leggaschmegga feat. Maxwell
    15. Dieses Boot feat. Capuz


    Die 187 Strassenbande konnte sich in den letzten Jahren durch ihren überzeugenden Straßensound eine recht große Fanbase im deutschen Sprechgesang erschließen, insbesondere durch einige klickstarke Musikvideos auf YouTube. Die Authentizität der Bande kommt aber nicht nur vom bösen Blick in die Kamera. 187-Member Gzuz saß sogar im Gefängnis ein, ist nun aber wieder auf freiem Fuß und veröffentlicht mit seinem Kumpel und 187-Chef Bonez MC ein erstes Kollabo-Album namens "High & Hungrig". Das Rezept lautet wie eh und je: beinharte Raps auf drückenden Beats. Ob sie es damit schaffen, im gerade florierenden Straßenrap-Genre herauszustechen und ein Zeichen zu setzen?


    "2010 in meinem Anwaltsbüro/
    Der Scheiß war am Kochen, merk' das an seinem Ton/
    Wie 'ne Lawine, 'ne Anzeigenflut/
    Da wurd' der Gazi plötzlich ganz klein mit Hut/
    "
    (Gzuz auf "Intro")


    Schon im "Intro" des Albums wird klar, dass Ex-Knacki Gzuz seine Zeit im Gefängnis nicht einfach hinter sich lassen kann. In acht Zeilen lässt er Revue passieren, wie er im Jahre 2010 die Nachricht über seine Haftstrafe bekam. Gleich zu Beginn des darauffolgenden Tracks hört man den Schlüsselbund klirren, als die Zellentür von Gzuz geöffnet wird. Das Thema des Tracks ist aufgrund seines Titels "Scheiß Tag" nicht schwer zu erraten. Während also Gzuz den Knastfraß nicht mehr sehen will, geht es in den Parts von Bonez MC und Featuregast Olexesh um die Probleme von "draußen": Geldnot, Familienstress und Stress auf der Straße. "Gute Laune"-Musik sieht anders aus, doch wirkt das Gesamtpaket durchaus. Überzeugend berichten die Rapper von ihren Nöten und durch den verbissenen Stimmeinsatz und die harten Betonungen wird die Unterwelt-Thematik abgerundet.


    "Meine Tochter ist seit zwei Wochen krank/
    Meine Frau ist überfordert und wir schreien uns nur an/
    Keine Karte für den Bus – ich fahr' schwarz, weil ich muss/
    Und mein Kopf ist am Arsch – die ganzen Tage nur Suff/
    "
    (Bonez MC auf "Scheiß Tag")


    Die Authentizität von Gzuz und Bonez MC ist die wohl größte Stärke der beiden Hamburger. Denn die Themen, die auf "High & Hungrig" behandelt werden, sind nicht neu: Mit hartem Gangsterrap auf deutsch ist der gemeine Rapfan in letzter Zeit regelrecht überhäuft worden. Doch die beiden 187er können sich trotzdem von der grauen Masse abheben. Die Gewalt, die ihren Alltag bestimmt, spürt man auch als Hörer, wenn sie ihre Ghettostorys und Knastgeschichten mit aller Härte auf den Beat pressen. Auf "Hektik" etwa findet sich neben den üblichen Drogen- und Gewaltschilderungen nicht viel, doch die Art, wie die Thematik vorgetragen wird, ist dennoch mitreißend. Neben ihren stimmlichen Vorzügen, welche dafür sorgen, dass man das Gefühl hat, die beiden würden die Straße geradezu ausatmen, ist auch der Rap selbst technisch gesehen auf einem hohen Level. So werden die Hoodstorys in fesselnden Flows und nicht enden wollende Reimketten verpackt, sodass am Ende die meisten Tracks eine beeindruckende Power innehaben, die das Prädikat "hungrig" aus dem Albumtitel durchaus treffend beschreibt. Etwa auf "Mit uns", bei dem Bonez und Gzuz noch von den beiden 187 Strassenbande-Kollegen Maxwell und Sa4 unterstützt werden. Hier schaffen es alle vier Rapper, mit ihrer Verbindung von Rapskills und Glaubwürdigkeit technisch versierten Straßenrap mit reichlich Punchlines in den Takt zu drücken und so einen regelrechten Banger zu schaffen. "Hungrig" sind die Hamburger also allemal. Wer aber aufgrund des Albumtitels gleichermaßen entspannten Stonerrap erwartet, kommt nicht auf seine Kosten. Fast alle Tracks auf "High & Hungrig" sind entweder straighter Straßenrap oder selbstreflektierendes Storytelling. Lediglich auf "Leggaschmegga" wird dem gepflegten Graskonsum gefröhnt. Dafür aber dann so richtig – inklusive einer Hook, die man nicht anders als "total verplant" beschreiben kann. Die Atmosphäre wird trotzdem – oder gerade deswegen – auch hier gut getroffen und eine willkommene Abwechslung zum sonst so betongrauen Streetrap geschaffen.


    "Jeden Tag auf der Jagd nach dem Hasen, so wie bei 'Alice im Wunderland'/
    Jeden Tag high, sonst kann ich nicht schlafen – unter meinem Bett liegen 100 Gramm/
    Nicht mehr witzig, ich muss kiffen, sonst schwitz' ich/
    Diese Knollen sind giftig – Digga, voll überzüchtet/
    "
    (Bonez MC auf "Leggaschmegga")


    Leider gesellen sich zu diesem positiven Ersteindruck schnell auch negative Seiten. Da wären zum einen die schiefen Gesangshooks von Bonez MC, insbesondere jene auf "Ferrari" und "Dagegen". Diese klingen unroutiniert und reißen einen als Hörer komplett aus dem Track – mit der Tendenz in Richtung Fremdscham. Die Diskrepanz zwischen der Güte der Raps und diesen Hooks ist so groß, dass es den Hörgenuss kaputtmachen kann. Ein weiteres Manko an "High & Hungrig" ist die fehlende Abwechslung. Thematisch fügt das Album dem Feld des Straßenraps keine weitere Facette hinzu, der Stoff der Tracks wirkt meist wie schon einmal gehört. Hier ein Banger für die Hood, dort ein etwas deeperer Track mit einem Hauch Gesellschaftskritik und dieses Muster zieht sich fast komplett durch das Album. Auch die Beats haben ein ähnliches Problem. Das Album wurde komplett von jambeatz produziert, was dem Ganzen zwar einen einheitlichen Sound verleiht, aber auch einen großen Mangel an Abwechslung. Die Beats klingen wenig individuell und stechen kaum aus dem Gesamtwerk hervor. Düstere Synthie-Banger, hohe Pitch-Samples – auch instrumentell wirkt "High & Hungrig" ein bisschen wie schon einmal gehört.


    Fazit:
    "High & Hungrig" mag für viele Rap-Hörer auf den ersten Blick nicht viel richtig machen: Die Beats klingen wie von vor ein paar Jahren, die Themen wirken wie schon einmal gehört. Doch Bonez MC und Gzuz schaffen es trotzdem irgendwie, dem Gangstarap ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Dies liegt zum einen an ihren durchaus ordentlichen Rapskills, zum anderen aber auch daran, dass sie als Team einfach gut funktionieren. Ihre Stimmen und Flows harmonieren miteinander, was meistens zu einem stimmigen Gesamteindruck führt. Zum Schluss kommt dann noch der Sympathiefaktor hinzu. Denn auch wenn die beiden MCs meist sehr gefährlich rüberkommen, fühlt man sich beim Hören oft wie ein Teil der Gang und kann sich sicher Schlechteres vorstellen, als mal einen Tag mit der Strassenbande am Block zu chillen.



    Florian Peking (Florginal)

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    01. AMG
    02. Auf der Flucht
    03. Geschäft ist Geschäft
    04. GSD
    05. Risiko
    feat. Capo
    06. Bleib mal locker, Lan feat. Haftbefehl & Hanybal
    07. Ballermann feat. Haftbefehl
    08. Globaler Handel feat. Capo, Celo & Abdi
    09. Jiffen feat. Harris
    10. Köfte feat. Mosh36
    11. Helal & Haram
    12. Moin Digga feat. Nazar
    13. Azzlack Harami feat. Hamad 45
    14. Dadash is' so feat. Doe & 60/60
    15. Sinn gehabt feat. Emo33
    16. Hör gut zu feat. Fard
    17. Freund oder Feind
    18. Jagd
    feat. Hulibabo
    19. Outro


    Er passt gut an die Seite von Haftbefehl: Milonair, der sympathische Hamburger, zeigt sich in Interviews meist Sonnenbrille tragend und stets mit einem lässigen Grinsen auf den Lippen, ähnlich wie sein Labelboss. Doch noch lieber präsentiert er seine teuren Uhren oder die dicken Geldbündel, die er in den Hosentaschen trägt. Kein Wunder also, dass das Debütalbum des Azzlackz-Members den Namen "AMG" trägt. Offensichtlich angelehnt an die High-Performance-Marke von Mercedes Benz steht die Abkürzung in Milos Auslegung allerdings für "Ausländer mit Geld". Es stellt sich nun also die Frage, ob auch dieser "AMG" ordentlich Gas geben kann.


    "A, B oder C/
    Ich nahm A – Azzlackz, danke Haftbefehl/
    Stadtgespräch, bewahre die Haltung, geh' den graden Weg/
    Mein Album fickt alles weg – AMG/
    "
    (Milonair auf "Moin Digga")


    Was nach den bisherigen Features und Tracks zu erwarten war, bestätigt sich nun auch im ersten Track von "AMG", der zugleich die Titelnummer des Albums ist: Milonair benutzt nicht das typische Azzlackz-Merkmal, sich die Sprache zu eigen zu machen. Hier gibt es weniger Dialekt, aber genauso viel auf die Fresse. Als Einstimmung auf den Rest des Albums wird beinahe alles gefickt, was nicht bei drei auf dem Baum ist: Hater, Verräter, deren Mütter und auch ihre Väter. Und das macht durchaus Spaß. Milonair flowt angenehm straight über den Beat und schafft es, seinen Style mit gelegentlichen Addlips zwischen den Zeilen stimmig abzurunden. Doch auch fällt sofort auf, was man textlich und reimtechnisch nicht zu erwarten hat. Da wird beispielsweise schon mal "Fenster" auf "Gangster" gereimt wie bei "Auf der Flucht". Entweder scheint der Hamburger weniger Wert auf die Technik zu legen oder nicht besonders versiert zu sein. So wirkt der eigentlich runde Style Milonairs durch wiederholte textliche Schnitzer leider oft ziemlich holprig und unroutiniert.


    "Ich kauf' mir eine Ranch in Südamerika/
    Fahr' einen weißen Benz und mache meine Träume wahr/
    Ich chill' mit Models, Schlampen, Ocean Drive, Miami/
    Glaubst du nicht? Komm, ich zeig' dir Bilder auf meinem Handy/
    "
    (Milonair auf "Geschäft ist Geschäft")


    Textlich gibt es auf "AMG" erwartungsgemäß vor allem viel Prollrap über das Anhäufen von Geld und Luxusgütern und zu gleichen Teilen genretypische Straßenstorys. Milonair hat "im Großstadtdschungel [s]eine Lehre gemacht" ("GSD"), chillt nun in Luxusimmobilien und isst Kaviar. So ganz authentisch wirkt das Ganze natürlich nicht, aber Milos Storys sind trotzdem ziemlich unterhaltsam. Was des Weiteren an dem Album auffällt, ist die außergewöhnlich lange Liste der Features. So hat Milonair auf seiner Debütplatte mehr Lieder mit Gastauftritten als ohne. Neben dem fast vollständigen Azzlackz-Camp findet man Beiträge von Harris, Mosh36, Nazar, Hamad 45, Doe, 60/60, Emo33, Fard und Hulibabo auf "AMG". Doch besonders negativ fällt es zunächst nicht auf, dass sich auf dem Album so viele Fremdbeiträge tummeln, denn wegen der abwechslungsreichen Produktionen steht jeder Track für sich. Dadurch bildet "AMG" zwar kein schlüssiges Gesamtwerk, aber ein paar richtig gute Einzeltracks. Beispielsweise "Ballermann", ein von m3 produzierter Oriental-Banger, auf dem Milonair straighte Parts wie aus der Pistole liefert. Aber ein richtiger "Ballermann" wird der Track erst durch die grandiose Hook von Haftbefehl, der mit gewohnt aggressiver Energie über den Beat brettert. Demgegenüber stehen Tracks wie "Jiffen" mit Harris. Die Stoner-Hymne weiß mit einem lockeren Instrumental und einer Ohrwurm verursachenden Hook des Featuregasts zu überzeugen. Relativ schnell wird aber auch die Schattenseite der vielen Featureparts klar: Milonair geht auf vielen Tracks neben den routinierten Kollegen unter. Wenn zum Beispiel Capo auf "Risiko" mit stylischem Doubletime-Geflexe vorlegt, dann wird es schwer für Milo, mitzuhalten. Und auf einem Track neben der Power eines Haftbefehls zu bestehen ist ebenfalls ein sehr schwieriges Unterfangen. Somit werden so manche Gäste auf "AMG" von Unterstützern zu den heimlichen Stars – und das sollte auf einem Debütalbum eher nicht geschehen. Vielleicht hätte man das ein oder andere Feature doch weglassen sollen, denn aufgrund der durchweg guten Produktionen wird trackmäßig schon genug Abwechslung geboten.


    "Am Morgen ein Joint und der Tag ist dein Freund/
    Früher noch im Park mit meinem Zeug/
    0,9, Haze 10er/
    Damals auf den Straßen Thema/
    "
    (Milonair auf "Jiffen")


    Kein Wunder, ist doch die Liste der namhaften Produzenten ähnlich lang wie die der Features. Die Beats werden neben dem schon genannten m3 von Joshimixu, Farhot, Benny Blanco, DarkoBeats, Undercover Molotov, P.S und Abaz beigesteuert. Von modernem Trap-Sound über verspielte Elektro-Einflüsse bis hin zu harten Bangern mit Oriental-Samples wird überraschend viel aufgefahren. Da wäre zum Beispiel die bereits erwähnte Video-Auskopplung "Auf der Flucht", die von DarkoBeats produziert wurde. Dieser kitzelt mit dem experimentellen Elektro-Instrumental verschiedenste Flowvariationen und Reimschemata aus Milonair heraus. Auch wenn Milo dabei an einzelnen Stellen flowtechnisch etwas stolpert, ergibt das Ganze einen frischen Sound und es macht Spaß, zuzuhören.


    Fazit:
    Der "Ausländer mit Geld" macht auf seinem Debüt viel richtig: Es gibt zeitgemäße und abwechslungsreiche Instrumentals von Produzenten, die ihr Handwerk verstehen. Des Weiteren fährt Milonair löblicherweise seinen eigenen Style, der ihn von anderen unterscheidet und deshalb immer wieder unterhaltsam ist. Genauso häufig aber gibt es Stellen, die man schon zu oft woanders gehört hat oder bei denen man sich einfach nur an den Kopf fassen möchte, angesichts der Einfach- oder Beschränktheit des Textes. Deshalb geht der Hamburger Rapper auch oftmals neben seinen zahlreichen Featuregästen unter, was dazu führt, dass man Milos eigene Stärken weniger wahrnimmt. Ein paar Kürzungen in der Feature- und Tracklist hätten dem Album also gut getan. Dennoch liefert Milonair mit "AMG" ein solides Debüt ab, das hier und da ein paar richtig starke Momente hat.



    Florian Peking (Florginal)

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    01. Intro
    02. Ghetto
    03. Unzensiert
    04. Slumdog
    05. Trainingsraum
    06. Schocktherapie
    07. Rapterrorist
    08. Panama
    09. Heimweh
    10. Paranoid
    11. Riberystyle
    12. Läuft
    13. Lydia
    14. Vermisse dich
    feat. Niqo Nuevo
    15. Angst
    16. Traditionell
    feat. KC Rebell
    17. Habibi feat. Nazar
    18. Illegal feat. Mosh36
    19. Scheriff feat. Eko Fresh
    20. Ich hab meinen Spaß feat. Kontra K


    Ich bin Straßenrap-Fan. Ich liebe Haftbefehl, feiere jeden einzelnen Azzlack und betitele, ohne mit der Wimper zu zucken, SSIOs "BB.U.M.SS.N" als mein Album des Jahres 2013. Dennoch habe ich immer wieder meine Schwierigkeiten mit dem Genre. Zu viele Acts klingen so, als würden sie seit Jahren auf der Stelle treten. Wirklich frischer Wind ist zwar vorhanden, aber selten. Dementsprechend skeptisch gehe ich an jedes neue Release aus diesen Gefilden heran. Ich will überzeugt werden. Also Wiedergabe drücken und ab in die Slums von Kurdo.


    "Scheiß auf Unterricht, ich rappe aus dem Schulfenster Strophen/
    Ärmel hoch, ich such' Stress in der Fußgängerzone/
    Was, Hausarrest? Was für Schulpädagogen?/
    Vom Vater mit der Gürtelschnalle zu streng erzogen/
    "
    (Kurdo auf "Intro")


    Zu Beginn von "Slum Dog Millionaer" hält Kurdo es klassisch. Auf einem Beat mit klatschenden Drums und gepitchtem Orient-Sample gibt es im "Intro" erstmal direkt auf die Fresse. Kurdo ist Straße durch und durch und will daran überhaupt keinen Zweifel aufkommen lassen. Thematisch ähnlich geht es auch auf "Ghetto" weiter. Der Titel ist Programm: Kurdo hat keine Lust, sich zu ändern; er bleibt, wie und wo er ist – "Ghetto" eben. Gewalt und Provokation stehen an der Tagesordnung, der Lebensstil wird zusätzlich durch Lederjacken und Nike-Schuhe zum Ausdruck gebracht und der beschriebene Alltag passenderweise durch ein düsteres Instrumental unterstrichen. Der selbsternannte "Slum Dog Millionaer" zieht diese Atmosphäre mit einer beeindruckenden Ernsthaftigkeit und Härte durch, sodass man seine Authentizität kaum infrage stellen kann. Lustige Punchlines oder Selbstironie werden bewusst vermieden, vielmehr wird die Realität so beschrieben, wie Kurdo sie kennt: "unzensiert" und direkt. Durch den Aufzählungscharakter in seinem Rapstil bekommt "Ghetto" eine besondere Bildlichkeit. Beim Hören blitzen einem vor dem inneren Auge immer wieder Schnipsel aus dem Leben des Heidelbergers auf, was seine authentische Art noch zusätzlich verstärkt und zu einem unterhaltsamen Hörerlebnis verhilft.


    "Wir lieben den Geruch von Benzin/
    Boxe zu aggressiv, Kopf kaputt – Aspirin/
    Dein Beruf ist mit deinem Aussehen verbunden/
    Raubtäterkumpel oder Schaufensterkunden/
    "
    (Kurdo auf "Ghetto")


    Besonders neu ist diese Art von Rap jedoch nicht. Trotz Kurdos steinharter Glaubwürdigkeit kommen einem viele seiner Texte wie schon einmal gehört vor. Rapsongs über die vermeintliche Realität auf den deutschen Straßen gibt es wie Sand am Meer und der Heidelberger ist nicht der erste Künstler, der sich als "Deutschraps Al Pacino" ("Riberystyle") bezeichnet hat. Und auch Beleidigungsfloskeln wie "Fick deine Mutter" und "Du bist schwul" ("Rapterrorist") haben schon seit einigen Jahren an Wirksamkeit verloren und wirken mittlerweile eher primitiv und langweilig statt kontrovers und schockierend. So scheint "Slum Dog Millionaer" auf den ersten Blick wie ein durchschnittliches Straßenrap-Album, das nicht gerade auf der Höhe der Zeit operiert. Bei näherem Zuhören ergibt sich jedoch eine viel interessantere zweite Ebene in Kurdos Texten, die sich weniger mit seinem grauen Alltag beschäftigen, sondern mit seiner tragischen Vergangenheit. Der Rapper musste mit acht Jahren aus seiner Heimat, dem Nordirak, nach Deutschland fliehen, was er immer wieder in einigen Textzeilen und Tracks reflektiert. Am Eindrucksvollsten geschieht das wohl auf "Heimweh". Hier wird nicht nur die titelgebende Sehnsucht nach der verlassenen Heimat verarbeitet, sondern auch die mit der Flucht verbundene, neue Angst vor Abschiebung. Mithilfe eines fernöstlichen Instrumentals und einer passenden Hook wird das Ganze zu einem sehr stimmigen Gesamtpaket geschnürt, das durchaus zu berühren weiß. Noch näher beleuchtet Kurdo seine Vergangenheit auf "Slumdog". Auch hier unterstützt der Beat wieder adäquat die Atmosphäre der Erzählungen. Der Flüchtling rappt von seiner Kindheit, die geprägt war von Armut und Krieg, aber auch von kindlicher Unschuld und Glück. Es sind ungewohnte und beeindruckende Thematiken, die das Album sehr bereichern und eine emotionale Seite des sonst so harten und unnahbaren Kurdo aufzeigen. Da verzeiht man auch Tracks wie "Trainingsraum", auf dem der Heidelberger seine negative Meinung zur Schule kundtut, was allein auf primitive Provokation ausgelegt zu sein scheint.


    "Pyjamahose, Unterhemd – scheiß drauf, ich muss weiter sparen/
    Gutes Essen, schicke Kleider gab es nur an Feiertagen/
    Und wir sahen, wie Helikopter übers Land fliegen/
    Man, wir taten so, als würden wir sie abschießen/
    "
    (Kurdo auf "Slumdog")


    Weiterhin positiv zu erwähnen sind die gut gewählten Features auf "Slum Dog Millionaer". Starke Beiträge von KC Rebell, Nazar, Mosh36, Eko Fresh und Kontra K bringen eine gelungene Abwechslung in das Werk und ergänzen sich passend mit Kurdos Parts. Auch auf Soundebene bringen die Featuretracks eine neue Facette in das Album. So wird hier die bisher gefahrene Orientschiene etwas aufgebrochen und auf moderne Beats gesetzt. Dementsprechend gewinnt das letzte Drittel von "Slum Dog Millionaer" fast einen eigenen Charakter und schafft es, das Album als kleines Highlight würdig zu beenden.


    Fazit:
    Nach dem ersten Eindruck hätte ich "Slum Dog Millionaer" beinahe als langweiligen Standard abgestempelt. Oberflächlich gesehen, scheint Kurdo auf dem Stand von vor ein paar Jahren zu sein, sowohl soundtechnisch als auch thematisch. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch einige Dinge, die das Album zu viel mehr machen: Da wäre zunächst Kurdos interessante und ergreifende Vergangenheit, die er kunstvoll und glaubwürdig zu erzählen vermag. Und dieses Wissen wiederum gibt seinen harten Texten, die vor Ablehnung der Gesellschaft strotzen, eine ganz neue Sichtweise und ein gewisses Verständnis dafür. Somit lässt Kurdo auf "Slum Dog Millionaer" viel tiefer blicken, als man es je erwartet hätte, was dem Album eine besondere Qualität gibt. Hinzu kommen gute Features, eine saubere Raptechnik und ein immer passendes Soundbild. Das alles macht "Slum Dog Millionaer" vielleicht nicht zum innovativsten Rapalbum der letzten Jahre, aber dennoch zu weit mehr als nur Einheitsbrei.



    Florian Peking (Florginal)

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    01. Hallo Monaco
    02. Champagner für alle
    feat. Haftbefehl
    03. Mein Film
    04. Rohdiamant
    feat. Cro
    05. Was geht heute Nacht
    06. Wenn du willst
    feat. Chima
    07. Engel der Nacht
    08. Bis ich frei bin
    09. Tief in die Nacht
    feat. Bausa
    10. Ritz Carlton feat. Shindy
    11. Geburtstag
    12. In Paris
    feat. Haftbefehl
    13. Venus & Mars feat. Rola
    14. Body Language
    15. Ich zeig dir die Welt
    16. Schwere Zeit


    Wenn sich ein Musiker entschließt, seine bisherige stilistische Richtung komplett umzukrempeln, dann wird das vor allem im Rapgenre meist sehr kritisch beäugt. Ein Aufschrei innerhalb der eigenen Fanbase ist genauso zu erwarten wie einige, mehr oder minder qualifizierte, Prognosen in Richtung "Sellout" des Künstlers in diversen YouTube-Kommentaren. So erging es auch Capo, seines Zeichens Azzlackz-Mitglied und der jüngere Bruder von Haftbefehl. Nachdem die ersten hörbaren Ergüsse von Capos neuem Style verfügbar wurden, blickte man mit geteilter Meinung auf das Ganze. Die einen fanden das neue Gewand interessant und innovativ, die anderen wünschten sich sehnlichst den alten Capo zurück, der mit seinem "Atomflow" die Beats zerlegt. Ob der neue Sound wirklich etwas kann, zeigt sich nun auf Capos Debütalbum "Hallo Monaco" und soll im Folgenden erschlossen werden.


    "Bye bye Deutschland, hallo Monaco/
    Capo hebt ab jetzt mit Champus das Glas hoch/
    Was los? Bald kommt noch mein Lambo/
    Dazu noch ein brandneuer Hugo-Boss-Anzug/
    "
    (Capo auf "Hallo Monaco")


    Die ersten Zeilen auf "Hallo Monaco" machen eines direkt klar: Bedrohliche Gangstergeschichten wird es auf diesem Album wenig bis gar nicht geben. Stattdessen wird das "Good Life" zelebriert. Teure Autos, noch teurere Autos und natürlich Champagner bis die Blase platzt. Ob das Aufzählen von Luxusgütern wirklich interessanter ist als düstere Geschichten aus der Hood, muss sich erst noch zeigen, aber soundtechnisch trifft der Titeltrack direkt ins Schwarze. Der locker-sommerlich klingende Beat schafft eine äußerst passende Atmosphäre. Man sieht vor seinem inneren Auge direkt bildschöne Sandstrände, gigantische Champagnerflaschen und diverse Topmodels. Etwas weniger gechillt geht es auf dem nächsten Track zu. Auf "Champagner für alle" bekommt Capo tatkräftige Unterstützung von Azzlackz-Labelchef Haftbefehl. Der Beat wird etwas dunkler, doch die Themen bleiben dieselben: Es geht um Geld und Partys. Deshalb gibt's ja auch "Champagner für alle". In der Hook benutzt Capo den so oft verhassten Autotune-Effekt, der aber zu diesem basslastigen Clubbanger sogar recht gut passt. Was da eher stört, ist der gigantische grammatische Schnitzer, den sich der Offenbacher mit der Zeile "Willkommen zu Capo seiner Show" leistet, die stellvertretend für einige befremdliche Formulierungen auf dem Album zu sehen ist. Auch flowtechnisch kann Capo nicht mit seinem Bruder mithalten, da Hafti den Beat in gewohnter Manier dermaßen mit seinem kraftvollen Flow zerlegt, dass einem wieder in Erinnerung gerufen wird, wer der Babo ist.


    "Yeah, heute glaub' ich dran, dass Zeiten sich ändern/
    Ich zeig' euch, wie das geht, also bleibt auf meinem Sender/
    Vorbei die Zeit als Gangster, ich hab' immer noch keinen Abschluss/
    Meine Stimme wie 'ne Magnum und jetzt mach' ich den Startschuss/
    "
    (Capo auf "Mein Film")


    Es ist leicht festzustellen, dass die Hauptinspirationen für Capos neuen Style aus Amerika stammen. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Track "Mein Film". Hier klingt vom Beat über den Flow und Stimmeinsatz bis hin zur Hook einfach alles nach Drake. Ganz dem Vorbild entsprechend wird hier an die dunkle Vergangenheit erinnert, in der niemand an Capo geglaubt hat, und gleichzeitig die schillernde Zukunft prophezeit. Der effektüberladene, gesungene Refrain vervollständigt den Eindruck der offensichtlichen Inspiration. Natürlich ist es nicht unbedingt schlecht, sich künstlerisch etwas von anderen beeinflussen zu lassen, aber stellenweise kommt einem ein Großteil von "Hallo Monaco" doch ziemlich kalkuliert vor. Man will den Nerv der Zeit treffen, in Clubs laufen und so den Erfolg maximieren. So wirkt es zumindest und verleiht dem Album einen negativen Beigeschmack. Beispielsweise wird dann "Rohdiamant", was im Grunde ein Liebeslied ist, zu einem textlich sehr oberflächlichen und austauschbaren Werk, welches aber durch simple Phrasendrescherei und einer Hook vom aktuell wohl größten deutschen Teeniestar Cro bei der jugendlichen Zielgruppe ankommen soll. Natürlich ist auch das erst einmal nichts Negatives, so muss aber "Hallo Monaco" und vor allem der Richtungswechsel Capos einiges an Ernsthaftigkeit einbüßen. Auch erscheint diese Richtung nicht wirklich vielschichtig oder innovativ und schafft es oft nicht mehr als zu langweilen. Denn der Großteil der Tracks auf "Hallo Monaco" sind entweder Clubsongs mit etwas Prollerei, wie "Ritz Carlton", auf dem Capo von ersguterjunge-Mitglied Shindy gefeaturet wird, oder deepe Songs, die aber eher erzwungen als emotional klingen und auch textlich nur an der Oberfläche kratzen. Ein Beispiel ist da "Engel der Nacht", das zwar mit einem tollen minimalistischen Beat daherkommt, aber textlich so uninspiriert ist, dass man kaum etwas vom Inhalt mitnimmt oder gar mitfühlt.


    "Ab heute ist Sense mit uns, ich erkenne/
    Die Kunst, dich für immer zu vergessen, ist mein Wunsch/
    Doch es geht nicht/
    Ich kämpfe tagtäglich für den Rest meines Lebens/
    "
    (Capo auf "Engel der Nacht")

    Es ist noch festzuhalten, dass der angepeilte amerikanische Sound von "Hallo Monaco" auf jeden Fall getroffen wurde. Vor allem die toll produzierten Instrumentals, aber auch Capos neuer Stimmeinsatz klingen, bis auf die gesprochene Sprache natürlich, nur noch wenig nach konventionellem Deutschrap. Jedoch kommt damit eben auch die gewisse Eigenständigkeit des Albums abhanden. Die Clubsongs könnten auch von Tyga sein, die Banger von Drake und "Ich zeig dir die Welt" erinnert wohl auch nicht nur aus Versehen sehr stark an Cros "Einmal um die Welt".


    Fazit:
    "Hallo Monaco" möchte so viel sein: Es will deutschen Rap clubtauglich machen, sich in die kommerziellen Dimensionen von Amirap hieven und auch ein kleines bisschen "Raop" für die Straße sein. Erreicht wird hiervon leider nichts so richtig. Auch, wenn der Sound in eine richtige Richtung geht, klingt alles mehr nach "schon mal gehört" als nach Eigeninterpretation. Der im Vorfeld angekündigte, völlig neue Kurs, den es bisher nie gab, wird also nicht eingeschlagen. So wirkt "Hallo Monaco" sehr gekünstelt und konstruiert, was dem Album eine gewisse Oberflächlichkeit und Sterilität verleiht. Fast ist man gewillt zu sagen, dass Capos erstem Album das Herz fehlt, aber das wäre dann vielleicht doch etwas zu theatralisch. Stattdessen lauscht man einem modernen, aber etwas zu gewollten Klang, der jedoch sicherlich seine Hörer finden wird.



    Florian Peking (Florginal)

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    01. Auch wenns dauert
    02. Niemals
    03. Alles für die Gang
    04. Geld liegt auf der Straße
    05. Immer wenn ich raus will
    feat. Kalusha
    06. Gabriel
    07. Log mich aus
    feat. Ufo361 & Greeny
    08. Leggins
    09. Hater
    feat. Kalusha, Ufo361 & Greeny
    10. So einfach
    11. Tot sehen
    feat. Harris
    12. Schätze das Leben


    Said? Moment mal, da war doch was. Hatte der nicht ein Album bei Aggro Berlin, kurz bevor die am Abnippeln waren? Mal eben den Namen in die YouTube-Suchleiste eingegeben ... "Halt die Fresse"-Videos hat er auch. Er wirkt wie ein äußerst gefährlicher Zeitgenosse. "Zum Leben verurteilt" klingt jetzt auch eher nach grauer Ghettoromantik, statt nach frischen Vibes. All diese Assoziationen kamen mir in den Sinn. Zeit, die Wiedergabe zu starten, um zu überprüfen, ob der Ersteindruck der Wahrheit entspricht.


    Den musikalischen Eingang in "Zum Leben verurteilt" bildet "Auch wenns dauert". Auf einem sehr ruhigen Instrumental eröffnet Said die Platte mit einem selbstreflektierenden und nachdenklichen Track. Wo andere Rapper auf Teufel komm raus ihr Album mit einem Knall beginnen wollen, vermittelt Saids Herangehensweise direkt eine gewisse Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit. Doch wer nun ein langsames und ruhiges Gesamtwerk erwartet, liegt weit daneben. Denn schon im darauffolgenden Titel "Niemals" wird die noch zuvor geäußerte Ruhe eingetauscht gegen Energie. Diesmal geht der Beat nach vorne, wird mit kraftvollen Parts und einer Hook, die nur so zum Mitschreien auffordert, berappt. Wieder erzählt Said von seiner durchwachsenen Vergangenheit, um dann als gutes Beispiel weiter seinen Weg zu gehen und zu motivieren. Auch wenn man zunächst vermuten könnte, dass es sich bei "Niemals" um einen dieser 0815-Kopf-hoch-Raptracks handelt, muss man doch erkennen, dass es bei Said etwas Besonderes ist. Er wirkt unfassbar authentisch, man kauft ihm jede seiner Storys ab. Das liegt nicht zuletzt auch an seinem verbissenen Stimmeinsatz und dem rauen Flow, die perfekt die gewünschte Hood-Atmosphäre übertragen.


    "Die Last, die ich hab', kann ich grad' so tragen/
    Knast geschafft, meine Mum begraben/
    Was für Fragen? Es gibt keine Antwort/
    Da, wo heute nichts ist, da waren mal Farben/
    "
    (Said auf "Niemals")


    Auch der nächste Banger lässt nicht lange auf sich warten. Mit "Alles für die Gang" liefert Said eine stimmige Ganghymne ab. Auf einem Beat, bei dem Kopfnicken eigentlich Pflicht ist, wird die Liebe zur eigenen Bande ausführlich erläutert. Neben einer eingängigen Hook gibt es Parts mit schönen Reimketten und einem Flow, der sich perfekt an den ohnehin schon super produzierten Beat anschmiegt. So rund sind leider nicht alle Titel des Albums. "Gabriel" etwa bricht komplett mit der Authentizität und Ehrlichkeit, die Said sonst in seinen Texten verkörpert. Es findet sich hier pure Gewaltfantasie auf einem apokalyptischen Beat, was überhaupt nicht in das Gesamtbild passt und auch von der Thematik an sich eher langweilt als schockt. Zum Glück haben die meisten anderen Tracks einen weniger befremdlichen Inhalt. Oftmals wird man sogar überrascht: Scheint "Zum Leben verurteilt" zunächst wie eine reine Straßenrap-Platte, finden sich auch einige Tracks abseits von Gangs und Hustle. Auf "Log mich aus" wird sich beispielsweise entschleunigend mit Social Media beschäftigt und auf "Hater" kriegen gleich die Nervensägen auf die Nase, die dort vorzufinden sind. Gefeaturet wird Said auf beiden Tracks von seinen Hoodrich-Kollegen Greeny und Ufo361, auf "Hater" gesellt sich noch Kalusha in die Runde. Die Gäste fügen sich gut mit ein, klingen aber lange nicht so routiniert und sicher wie ihr Labelchef.


    "Du lachst mir ins Gesicht, redest hinter meinem Rücken/
    Du Stück Scheiße, nicht mal deine Mutter will dich drücken/
    Du solltest dich mal lieber pflegen, nicht nörgeln/
    Ich hab' gehört, sogar die Huren geben dir Körbe/
    "
    (Said auf "Log mich aus")


    Ein weiterer erfrischender Track ist "Leggins" – und das in zweierlei Hinsicht. Einerseits fängt Said perfekt die Sicht der meisten Männer zurzeit ein und schreibt eine regelrechte Ode an die aktuell wohl meistgetragene Beinbekleidung der modernen Frau. Andererseits ist der Track auch soundtechnisch echt frisch. Das lockere, jazzig klingende Instrumental untermalt die sommerliche "Leggings-hinterherguck-Atmosphäre" optimal. Allgemein sind die Produktionen, für die hauptsächlich KD Supier verantwortlich zeichnet, überraschend smooth und abwechslungsreich und bilden eine besondere Stärke des Releases.


    Fazit:
    "Zum Leben verurteilt" ist lange nicht so böse und grau, wie sein Titel und Cover es vermuten lassen. Klar, Said ist ernst und authentisch und das ist auch eine seiner großen Stärken. Dennoch besteht sein Album nicht nur aus düsteren Ghettoballaden – und das ist gut so. Die Soundkulisse ist genau das, was moderner Straßenrap braucht und die Themenvielfalt lässt wenig Wünsche offen. Lediglich Features und einige textliche Schnitzer, die an der Atmosphäre kratzen, stören das Gesamtbild. Dennoch hat Said mit "Zum Leben verurteilt" ein rundes Produkt geschaffen, das trotz bodenständiger Straßenrap-Ausrichtung zeitgemäß und interessant klingt.



    Florian Peking (Florginal)

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