Beiträge von JXHVN

    Zitat

    Original von PlanA
    Du sprichst hier doch von zeitgemäße (...) wieso kann es nicht heute noch eine Hörerschicht geben, die diese Art pumpt. Hat doch genauso seine Daseinsberechtigung!


    Es ist eine Plattenkritik Eines(!) Autors, die dessen Meinung widerspiegelt und vielleicht auch noch die der Redaktion. Zumindest wurden Stellen, mit denen die Chefredaktion nicht einverstanden war umgeändert. Es gibt mehrere Menschen, die die Texte gegenlesen und gucken, was geht und was nicht. Wie in jeder Redaktion eben.


    Natürlich hat jeder die Berechtigung, diese Musik zu hören, diese Beats zu mögen und von mir aus auch das Recht dazu in Fard verliebt zu sein. Aber hier geht es um eine Subjektive Meinung, die begründet wurde.


    In den ganzen Kommentaren unter den aktuellsten Reviews bei rappers.in wird gegen die Redakteure geschossen und zwar nur deswegen, weil Meinungen nicht übereinstimmen. Und das stört! Entweder ihr begründet eure Kritik oder nehmt die Meinung eines anderen Menschen, der eine gewisse Ahnung von HipHop hat einfach hin. Ihr müsst sie ja nicht teilen.



    Und noch was. Wir sind definitiv nicht das einzige Medium, dass das Album weniger gut eingestuft hat. Was eigentlich aber gar nicht wichtig ist.


    Ich hoffe einige Menschen denken mal darüber nach, was sie so von sich geben. Nicht nur unter diesem Text, sondern generell unter journalistischer Arbeit auf rappers.in.

    Zitat

    Original von purplehaze..
    wenn diese "floskeln" sachlich und fundiert erklärt wurden, warum sind sie dann unfundiert? und warum ist der track dann grenzwertig?


    die review spiegelt mmn das album sehr unreflektiert wieder...


    e/ genauso frage ich mich wieso instrumentals "zeitgemäß" sein sollen? hahaha


    Ich denke du solltest dich zehn Minuten hinsetzen, den Text richtig(!) lesen, und versuchen das Geschriebene zu verstehen. Das hast du bisher anscheinend nicht. Und wenn man aus einem Text "zitiert", dann bitte auch das, was da wirklich steht.


    Kritik ja, aber dann auch konstruktiv. Auch wenn es sich um Kritik an einer Kritik handelt.



    01. Contraband
    02. Rapmilitär
    03. Astaghfirullah
    04. Kalashnikov
    05. Du hast Recht 2
    06. Stumme Zeugen
    07. La Rabia
    08. Das ist Talion
    09. Tag & Nacht
    10. Mitternacht
    11. Was soll das heißen???
    12. Made in Germany
    13. Carpe Diem
    14. Gesetz der Rache
    15. Sin City


    "Contra USA", "contra Politik", "contra Frieden", "contra Tel Aviv" und "pro Todesstrafe für Kinderschänder". Das klingt nach Provokation, nach Hetze – doch ist es das wirklich? All die Zitate stammen vom Intro "Contraband" aus dem Album "Talion 2" von Snaga und Fard. Besagter, vor Release erschienener Titel machte in den Medien die Runde und sorgte für lange Diskussionen und heftige Kritik an den beiden Rappern. "Viel zu unreflektiert!", "Viel zu hetzerisch!" oder "rechtspopulistisches Gedankengut" – all das waren Stimmen von Gegnern derartiger Aussagen. Und tatsächlich: Bei "Contraband" ist auch in meinen Augen einiges falsch gelaufen. Klar, unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit darf man vieles sagen und natürlich ist politisches Engagement im Rap prinzipiell keine schlechte Sache. Wenn man in einem Track, dessen Haupthörerschaft etwa zwischen 13 und 20 Jahren alt ist, jedoch mit so vielen unfundierten Floskeln um sich wirft, die auch von Rechten und Islamisten genutzt werden, ohne die einzelnen Aussagen auch zu begründen, ist das schlichtweg nicht in Ordnung. Ein gewisses Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Hörern sollte immer im Hinterkopf walten. Und die beiden Künstler haben, ob sie wollen oder nicht, einen direkten Einfluss auf die Jugend. Auch wenn in nachfolgenden Interviews mit den beiden alle kontroversen Textstellen relativ sachlich und reflektiert erklärt wurden, bleibt der Track eine grenzwertige Angelegenheit und sorgt für ein flaues Gefühl im Magen, bevor "Talion 2" überhaupt das erste Mal angespielt wird. Doch eigentlich geht es um Musik, um Rap, um das neue Werk zweier gestandener Rapgrößen.


    "In meiner Welt bringt dich Blaulicht zum Kotzen/
    Eintausend Gegner, eintausend Fotzen/
    Ein Dutzend Feinde, ein Dutzend Freunde/
    Dreh' den Sound auf für den Tanz mit dem Teufel/
    "
    (Snaga auf "Rapmilitär")


    Dunkelheit. Depression. Desillusion. "Talion 2" beginnt düster. Unzufriedenheit macht auch nach "Contraband" den Großteil des lyrischen Inhalts aus. Unzufriedenheit über das deutsche System und die Politik Merkels. Unzufriedenheit über die geldgierigen Finanzhaie und Banker. Verständnis gibt es dagegen für die Brüder auf den "Straßen", die verlorenen Seelen, die im Stich Gelassenen. Diejenigen, die für ihre Rechte kämpfen. Schon immer war Fard ein Mann der starken Worte und strahlte eine große Authentizität aus. Snaga dagegen ist ein König der Vergleiche. Das wird auch auf dem neuen Album der beiden fortgesetzt, jedoch ohne dabei mit allzu viel Witz an die Sache heranzugehen. Es wird verbissen geschimpft und viele Tracks versprühen, das kann man wirklich so sagen, einen ehrlichen Hass. Wozu auch der Stimmeinsatz der beiden Ruhrpott-Repräsentanten beiträgt. Die Formulierung "Reime spucken" trifft im Fall von "Talion 2" voll und ganz zu und manchmal artet das Ganze in ein regelrechtes Brüllen aus, so beispielsweise auf Fards Solo "Stumme Zeugen", bei dem das angesprochene Geschrei bis ins Unerträgliche ausgereizt wird. Das Konzept der schizophrenen Unterhaltung zweier Charaktere im Kopf ist dabei sicherlich nicht falsch, nur an der Umsetzung hapert es. Authentizität ja, Harmonie nein. Straßenrap in seiner rohsten Form und das auf insgesamt 17 Titeln. Dabei gibt es ab und zu auch ein paar einprägsame Überraschungen im positiven Sinne. Dann nämlich, wenn auf "Tag & Nacht" auf einen marschähnlichen Beat ordentlich geflowt wird. Und mit ordentlich ist überdurchschnittlich gut gemeint. Schnell, in diesem Fall angenehm aggressiv und mit schönen Betonungen. Dieser Track stellt eines der Highlights des Albums dar und erinnert an die Frühzeit der beiden Hauptprotagonisten. Die Zeit, als sie noch jung und unbekannt die ersten Schritte ins Game unternahmen. Ohne dabei kontroverse Meinungen zu parolieren.


    "Bewegen uns hier zwischen Häuserfassaden/
    Die Sehnsüchte wecken und Träume begraben/
    Die Taschen sind leer und der Magen genauso/
    Der Führerschein weg, trotzdem fahr' ich das Auto/
    "
    (Fard auf "Tag & Nacht")


    Neben melancholischer und hasserfüllter Lyrik erzeugen auch die Instrumentale Stimmung. Negative Stimmung. "Talion 2" ist gespickt mit vielen orchestralen Sequenzen und melancholischen Streichern à la Gangsterrap aus dem Jahr 2005. Dazu die typischen, mit einfachen Synthesizermelodien untersetzten "Bretter", wie sie ebenfalls noch bis vor einigen Jahren handelsüblich waren, jetzt aber weniger relevant sind. Insgesamt ist das Soundbild trotz einer Vielzahl an Produzenten, unter ihnen M3, Undercover Molotow und Joshimixu, relativ einheitlich, aber auch unspektakulär. Mal hat eine Snare mehr Hall, mal wird der traurige Piano-Loop durch ein ebenso trauriges Vocal-Sample ersetzt. Sonst passiert wenig. Vielleicht hätte man doch ein wenig über den eigenen Tellerrand schauen und eine etwas zeitgemäßere Instrumentierung zulassen sollen. Doch dieses Album birgt auch Ausnahmen. "Das ist Talion" überzeugt mit einem experimentellen, etwas abstrakten Beat, auf dem arroganter und selbstüberzeugter Rap in seiner gnadenlosesten Form zelebriert wird. Und auch "Gesetz der Rache" kommt mit einem großartigen, von flächigen Pads dominierten Instrumental daher, das entspannt auflockert. Der "Laid back"-Moment auf "Talion 2". Aber immer wenn man denkt: "Das Album gefällt mir eigentlich doch", folgt wieder beliebiges Füllmaterial. Dann leiert der uninteressante Beat vor sich hin und Aussagen wie "Stark wie ein Bär, stolz wie ein Löwe" bleiben (leider) keine Ausnahme.


    "Sieh', gespaltene Zungen reden von Erfolg/
    Versteckt hinter Mauern, in Käfigen aus Gold/
    Mit Herzen aus Stein, Köpfen aus Holz/
    Kauft euch was ihr wollt, ihr kauft euch kein' Stolz/
    "
    (Snaga auf "La Rabia")


    Fazit:
    Fard und Snaga wollten politisch sein. Sie waren es, aber auf eine oberflächliche und populistische Art und Weise. Rap entstand aufgrund von Missständen und war ein Ventil der Unterdrückten, deswegen ist es meiner Meinung nach gut, wenn neben aller Prunksucht im Spiel auch heute wieder vermehrt politische Themen angesprochen werden. Hiob und Dilemma bewiesen in diesem Jahr, wie man das richtig macht. Celo & Abdi nehmen sich auf eine sympathische Art und Weise den Problemen der Welt an. "Talion 2" aber bewegt sich in die falsche Richtung. Neben diesen Tatsachen muss man auch klar anmerken, dass in musikalischer Hinsicht wenig Innovativität an den Tag gelegt wurde. Sonderlich zeitgemäß klingt der Sound leider nicht. Was bleibt, ist die Erinnerung an zwei Rapper, die zu den besten in Deutschland zählen, sich mit diesem Album aber keinen Gefallen getan haben. Das werden viele Anhänger der beiden anders sehen und man hofft gerade deswegen, dass nicht alle Aussagen wortwörtlich genommen werden.



    Johann Voigt



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    01. Das Ziel
    02. Durcheinander
    feat. Z.a.K. & Jay Delicious
    03. Aufregend feat. Chima Ede & Dieser Morten
    04. Bleiben feat. Wanja Janeva
    05. Kein Zweifel
    06. Stunna


    HipHop kommt aus den USA. Das weiß heutzutage selbst die Musikantenstadl schauende Großmutter und dem sind sich natürlich auch die hiesigen Rapper bewusst. Deswegen wird gerne mal über den großen Teich gespäht und sich an aktuellen Trends bedient, treu nach dem Motto: "Wenn es drüben funktioniert, dann sicher auch bei uns". Es war also kein Wunder, dass früher oder später eine Menge Künstler auf den südstaatentypischen Trapfilm aufspringen würden. Das Problem ist dabei nur, dass das Beschränken des Texts auf zwei Wörter pro Zeile, die wahllose Verwendung von "Birdcall" und anderen Absurditäten und das Lobpreisen von Chicken, Chains und Chicks nicht automatisch auf Deutsch funktioniert. Beispiele findet man dafür genügend, auch im benachbarten Österreich. Der deutschsprachige Raum ist nicht Amerika. Weißen Mittelstandkids, die weder jeden Tag "Syzzurrp" trinken noch Sportwagen oder Echtgoldketten ihr Eigen nennen können, geschweige denn jemals in ihrem Leben eine Trap, also einen Drogenumschlagplatz, betreten haben, fehlt es meist stark an Authentizität und vor allem an Delivery. Leider zählen jedoch genau sie zu den größten Befürwortern dieser Ausuferung unseres Lieblingsgenres. Wie gesagt: Deutschland ist nicht Amerika. Somit war die Nachricht, dass der Berliner MarvinGame zusammen mit dem Produzententeam MRJAH eine neue EP namens "MJMG" auf "Trapbeats" veröffentlicht hat, nicht unbedingt der Auslöser eines Freudentanzes. Man sollte jedoch allem eine Chance geben. Zumal MarvinGame diese Schiene schon weitaus länger fährt als die meisten seiner Kollegen in der Bundesrepublik. Darum Play.


    "Alles, was ich mache, ist mit hübschen Frauen Weed rauchen/
    Das ist der Grund, warum ich meistens kreativ drauf bin/
    Ich brauchte noch nie Pausen, doch seh' aus, wie keiner aussieht/
    Mit Frauen, die für mich selbstverständlich pur bauen/
    "
    (MarvinGame auf "Das Ziel")


    Nach den ersten Tönen macht sich Erleichterung breit – zum Glück kein weiterer peinlicher Gucci Mane-Verschnitt in anderer Sprache. Denn MarvinGame legt auf dem Opener "Das Ziel" ordentlich los, flowt großartig auf einem basslastigen Instrumental und versucht gar nicht erst, mit "Ich nutze so wenig Wörter wie möglich"-Spielereien zu experimentieren. Klar, die Lyrics sind weit entfernt von Tiefsinn, bewegen sich eher in Richtung hedonistischem Konsumwahn und leichtfüßigem Lebensstil mit schönen Damen und einem riesigen Berg Weed. Dennoch hört man gerne auf die ausschweifenden Erzählungen. Grund dafür sind vor allem die Instrumentale. MRJAH wissen, wie man die Hi-Hats zum Rollen bringt, kreieren die monströsesten Basslines und schaffen trotz kaum vorhandener Melodien und Harmonien einen Sound, der ins Ohr geht. Und so setzt sich das Ganze weiter fort. Der Subwoofer wird auf instrumentaler Ebene ordentlich beansprucht, während MarvinGame die Vorlagen gekonnt mit seiner Stimme schmückt. Selbst mit Autotune verzerrte, gesungene Passagen stechen nicht negativ heraus. Im Gegenteil. Auf "MJMG" wird immer wieder gezeigt, dass der so verhasste Effekt ab und zu eine sinnvolle Verwendung findet und als konsonanter Klang wahrgenommen wird. Nebst des konsequenten Bassgewitters und dem absoluten Gegenteil von inhaltsbeladenenr Lyrik hat diese EP ab und zu dennoch ihre ruhigen Momente. So sorgt eine gesungene Hook von Sängerin und Violinistin Wanja Janeva in Kombination mit melodiösen Synthie-Flächen auf "Bleiben" für eine kurze Erholung vom vorherigen Lärm. Dazu wird man am Ende des Werks mit dem letzten Titel "Stunna" nach Euphorie und Exzess wieder ganz sanft auf den Boden gebracht. Der einzige Tune, der sich ein wenig weg vom harten Clubsound seiner Vorgänger und hin in die tiefen Sphären des Cloud Rap bewegt. Die spacige Melodie und der zurückgelehnte Flow von MarvinGame beginnen genau an dem Punkt, an dem man sich denkt: "Jetzt ist aber mal genug mit dieser 'In-die-Fresse-Musik'!" Was auf "MJMG" eher langweilig bis belanglos ausfällt, sind die eingerappten Gastparts, die sich zwar in den Sound einfügen, aber absolut keinen Kontrast zu dem bilden, was der Hauptptotagonist macht. Sie scheinen ihm eher im Weg zu sein. Aber genau wie in den USA muss die Gang nun mal representet werden und so bekommen Babba Music-Kollegen wie Z.a.K oder Jay Delicious ihre Minuten. Man hätte jedoch getrost darauf verzichten können. Und auch die Parts des Hauptakteurs beginnen spätestens nach einem weiteren Hördurchlauf, ein wenig anstrengend und langweilig zu werden. Die kurzweilige, schnelle Unterhaltung bedient die EP aber trotzdem und darauf ist ein derartiger Sound auch ausgelegt.


    "Ich genieße einen Luxus, den nicht viele sich leisten können/
    Habe selbst in meinen eigenen Taschen leider keinen Cent/
    Trotzdem kann ich's mir leisten, mir rauszunehmen, was ich will/
    Mit der Bonzenbraut ein' auf wichtig machen, aber dann werde ich mit der Bitch chillen/
    "
    (MarvinGame auf "Stunna")


    Fazit:
    "MJMG" lebt von den großartigen Produktion aus den Maschinen von MRJAH, die sich mit ihrem Können vor Kollegen aus den USA wie Lex Luger oder der 808Mafia garantiert nicht verstecken müssen. MarvinGame nimmt die Instrumentale dankend an und übersetzt den Trap-Sound auf gelungene Art und Weise ins Deutsche. Wer aber anspruchsvolle Lyrik oder schöne Melodien sucht, ist bei dieser EP falsch. Zum Ausrasten und Konsumieren bunter Flüssigkeit aus Doublecups ist es jedoch genau das Richtige. Und auch wenn das alles nach dem dritten Hören ziemlich anstrengend wird, ist es für den schnellen Spaß geeignet und einer der besseren Versuche, den Südstaatensound in hiesige Gefilde zu übertragen. Und vielleicht würden auch die Jungs in der Trap irgendwo in Atlanta hellhörig werden, wenn diese EP lautstark aus einem roten "Rarri" tönen würde.



    (Johann Voigt)

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    01. Mainifest (Intro)
    02. City Code
    feat. Haftbefehl, Celo & Abdi
    03. Ben Life Interlude (Skit)
    04. Ben Life
    05. Straßenreport
    feat. Veysel
    06. Block Roman
    07. Nicht normal
    feat. Hanybal
    08. Brief – Treue
    09. 9mm Futter
    10. Meine Kunst
    feat. Celo & Abdi
    11. Schule des Lebens
    12. 385injektion
    feat. Olexesh
    13. Tijara Flow
    14. Kings
    feat. Azad
    15. Nako
    16. Mit dir
    feat. Jeyz & Amir
    17. Brief – Hoffnung
    18. HipHop don't stop


    Auch in 2014 scheint sich Frankfurt als Hauptschauplatz deutscher Rapmusik der härteren Gangart zu festigen. Es gibt Neuigkeiten aus der Mainmetropole: 385i hat mal wieder Zuwachs bekommen. Chaker heißt das neueste Signing bei Celo & Abdis Label. "Noch so ein Straßenrapper?", mag der ein oder andere da vielleicht gähnend nachhaken, doch mit einem Newcomer hat man es in diesem Falle absolut nicht zu tun. Über zehn Jahre Raperfahrung hat der Künstler schon auf dem Buckel, zierte Seiten in Magazinen wie JUICE und Backspin und platzierte zu der Zeit Musik in den Charts, als Rap dort kaum stattfand. 2007 nämlich erschien das Album "Betonklassik" der Formation Warheit. Sie bestand aus Azad, Sezai und eben ChakerJeyz, Jonesman und Real Jay gehörten am Anfang ebenfalls dazu, wendeten sich aber relativ schnell wieder von dem Projekt ab. Wie schon angesprochen, wurde man von den Medien mehr als nur beachtet und das Album der Gruppe fand eine Menge Abnehmer. Dennoch konnten die hoch gesteckten Erwartungen der Künstler nicht erfüllt werden. Einzige Konsequenz: Schluss mit Warheit und für Chaker vorerst sogar Schluss mit Rap. Dabei blieb es jedoch nicht. Auf Soloalben von Azad und Haftbefehl tauchten immer wieder Parts des meist melancholischen Straßenpoeten auf. Jetzt folgt sein Solo-Debüt "Ben Life". Dass einen keine Gute Laune-Musik erwartet, ist sicher.


    "Du kannst machen, was du willst, am Mic fick' ich dich weg/
    Und auf der Straße jag' ich dich Hase und bretter' dich Depp/
    Deine Crew klär' ich komplett, diese Fotzen sind wack/
    Ich schick' jeden zu Bett – BO Straßenrap/
    "
    (Chaker auf "9mm Futter")


    Beginnt man damit, den Erzählungen von Chaker zu folgen, kristallisieren sich schnell zwei bevorzugte Themengebiete heraus. Zum einen hat der Rapper eine ziemliche Wut auf seine auserkorenen Feindbilder, die jedoch nicht näher beschrieben werden. Er beleidigt, zerreißt, zerstört das im Rap oft so unbeliebte "Du" sowie dessen Gang, Familie, Lebensstil und alles drumherum. Er ist schlecht gelaunt, hasserfüllt – oder, um es in seinem Jargon zu formulieren, "mies drauf". Zum anderen wieder Anflüge von Melancholie, Enttäuschung und Traurigkeit. Das ist die zweite Art von Songs, die auf "Ben Life" dominieren. Ein tristes Stimmungsbild, grauer Beton, Depression und Perspektivlosigkeit in der Nordweststadt. Es wird von "verrauchten Träumen" und "verheizten Seelen" (Chaker auf "Brief – Treue") gesprochen und manchmal schafft es Chaker tatsächlich sehr gut, im Kopf des Konsumenten ein passendes Bild zu kreieren. Ein Bild zwischen Casino und Wettbüro, zwischen weißem Pulver und Dealerei im Bahnhofsviertel. Die Instrumentale, geschmiedet von m3, Brisk Fingaz, Sti und Benny Blanco, tragen ihr Übriges zur düsteren Stimmung bei. Dabei gibt es leider eine ganze Menge Mittelmaß und nur wenige Beats stechen wirklich heraus. Zu oft erklingen durchschnittliche Pianopassagen oder werden Synthesizer eingespielt, wie sie bis vor einigen Jahren bei Straßenraptracks gängig waren. Zeitgemäß klingt das nur bedingt, doch für den Rap von Chaker und dem, was er vermitteln möchte, erfüllt die Instrumentierung ihren Zweck. Nicht mehr und nicht weniger. Natürlich bestimmen auch hier Ausnahmen die Regel. Das "Mainifest (Intro)" weist eine großartige musikalische Untermalung mit euphorischen Bläsern auf, was einen erst mal hellhörig werden lässt. Auch der Folgetitel gehört zu den musikalischen Lichtblicken. "City Code", produziert von Benny Blanco, lebt vor allem von der hingespuckten Haftbefehl-Hook und den gewohnt gelungenen Parts von Celo & Abdi. Leider geht es nach dem erwartungsschaffenden Einstieg stetig bergab.


    "Ben-Life, kein Psi, Depp – Tijara-Street-Rap/
    Weed brennt, Cheese-Haze, kiff' dreißig G's weg/
    Piraterie des Finanzmarkts, Speed, Flex/
    Piranha-Fischbecken, Wiesbaden, six cinq/
    "
    (Celo auf "City Code")


    Ein weiteres Manko an diesem Album sind die begrenzten technischen Fähigkeiten von Chaker. Es wird auf allen 17 Tracks ein und dasselbe Betonungsschema beibehalten und die lyrische Qualität bewegt sich zudem auf einem eher durchschnittlichen Niveau. Eine Menge "Haus-Maus"-Reime durchziehen das gesamte Werk. Während seine Kollegen mit den abstrusesten Wortneuschöpfungen daherkommen, begrenzt er seine Texte auf gängige Phrasen wie "Am Mic fick' ich dich weg". Man hat das Gefühl, alles in ähnlicher Form schon mal gehört zu haben. Im Kontrast zu diesen Punkten steht unter anderem die hohe Authentizität des Rappers. Man nimmt ihm zu hundert Prozent ab, was er erzählt. Und das ist ein klarer Vorteil. Dazu kommt die heisere, tiefe Stimme, deren Melodie man interessiert und gerne folgt. Glücklicherweise retten diese Faktoren das Album größtenteils. Ein weiterer Grund, warum man in "Ben Life" reinhören sollte, sind die mehr als gelungenen Gastparts. Gleichgesinnte wie die schon erwähnten Haftbefehl, Celo & Abdi oder Olexesh und Veysel zeigen, wie man Straßenrap durch ausgefallene Lyrik und Flows abseits der gängigen Schemata interessanter gestalten kann, als es der Hauptprotagonist macht. Man muss ehrlich sagen, dass sie ihn dadurch ziemlich in den Schatten stellen und einmal mehr die raptechnichen Grenzen in den Vordergrund gedrängt werden.


    Fazit:
    "Ben Life" ist kein schlechtes Album, aber absolute Durchschnittsware. Am Ende hat man es hier leider wirklich nur mit "noch so einem Straßenrapper" zu tun. Abgesehen von einigen sehr gelungen Beats, der Glaubwürdigkeit des Künstlers und den durchweg positiv herausstechenden Features bleibt dieses Werk das bisher schwächste Release aus dem 385i-Umfeld. Zugegeben, das Maß wurde in den letzen zwei Jahren ziemlich hochgesteckt, doch das ist keine Entschuldigung. Mit Sicherheit wird es dennoch einige Menschen geben, die auf melancholische Betonlyrik im Stile Chakers stehen. Für alle anderen und insbesondere den gemeinen Rapfan gibt das Album jedoch nicht sonderlich viel her und man sollte doch lieber auf den Katalog der deutlich interessanteren Labelkollegen des Protagonisten blicken.



    Johann Voigt



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    Ich denke was Schrott ist und was nicht liegt im Ermessen eines jeden Hörers. Zu sagen ICH inde es scheiße", ist ok. Aber etwas gegen andere Leute zu sagen und deren Meinung nicht zu akzeptieren ist einfach Schwachsinn. Lass gut sein, finde es eben schlecht, aber jeder andere ist nicht gezwungen sich deiner Sichtweise anzuschließen. Denn ob sie wirklich die Richtige ist...?



    01. Intro
    02. An alle Banlieus
    feat. Hanybal
    03. Treppenhaus Authentic
    04. Hokus Pokus
    feat. Abdi
    05. Ivan Drago
    06. Gewaltmonopol
    07. Was hast du vor
    feat. Veysel
    08. Franky Town
    09. Was wird aus uns
    feat. Eko Fresh
    10. Nächster Halt Top Ten
    11. Purple Haze
    12. City Gangs
    feat. Celo
    13. Unter der Brücke feat. Gzuz und BK
    14. Lebendig begraben
    15. Bruder wenn ich reich bin
    feat. Fard
    16. 385international feat. Chaker, Celo & Abdi
    17. Nu Pagadi
    18. Bum Fights
    feat. Karate Andi
    19. Outro


    Es ist schön, das sagen zu können: "Straßenrap ist wieder salonfähig." Vorbei sind die Zeiten, in denen es ausreichte, die Wörter "Hurensohn" und "ficken" inflationär oft aneinanderzureihen, Stichwaffen zu zücken und seine 50 grimmig dreinblickenden Cousins in einem Musikvideo posieren zu lassen, um Erfolg zu haben. Rap aus den dunklen Ecken der Republik vermittelt seit einiger Zeit wieder Inhalte; Das Erlebte wird reflektiert, anstatt dass ein kleinkrimineller Lebensstil glorifiziert wird und auch auf Technik und Style besinnt sich der heutige Rapper bei seiner Straßenpoesie vermehrt. Einen großen Anteil daran haben Künstler wie Xatar, Haftbefehl oder Celo & Abdi, die nicht nur großartige Musik machen, sondern auch noch darauf bedacht sind, mit ihren jeweiligen Labels neue Talente zu fördern.


    385i heißt die Kaderschmiede der beiden Letztgenannten und einer der dort unter Vertrag stehenden, aufstrebenden Nachwuchshoffnungen ist Olexesh. Spätestens seit dem ansehnlichen Erfolg seines kostenlosen Download-Mixtapes "Authentic Athletic" – es wurde über 200.000 Mal heruntergeladen – mischt dieser junge Herr ordentlich mit im Deutschrapzirkus. Die einzige logische Konsequenz war ein Album. "Nu eta da" nennt sich der jetzt erschienene, erste Langspieler des aus der Ukraine stammenden Darmstädters. Als "G-Funk" titulierte Olexesh im Vorfeld den Sound seines Albums und kündigte großspurig an, dass sein Debüt definitiv in die Top 10 der Charts einsteigen wird. Grund genug also, mal reinzuhören und die Welt eines hungrigen Mannes zu ergründen, der es nicht immer leicht hatte in unserer spießbürgerlichen, von Bürokratie dominierten Gesellschaft.


    "Dawai, hajde jetzt, schnapp' dir die Taler weg/
    Der Ukrainer führt ein Internationalgespräch/
    Das ist Level eins, box' mich durch ohne Cheats/
    Und noch was: Seit wann tragen Rapper Röhrenjeans/
    "
    (Olexesh auf "An alle Banlieus")


    Schon im "Intro" deutet sich an, worum es auf "Nu eta da" gehen wird. Raus aus dem versifften Einzimmer-Loch im Plattenbau, rein in die Charts und hin zu einem sorglosen Alltag, die Taschen voller "Parra". Weg vom Milieu, von Diebestouren in der Innenstadt und Hungern am Monatsende. Olexesh hat, um seine Ziele zu realisieren, nicht den schlechtesten Weg gewählt – die Musik. Doch wer glaubt, materielle Werte stehen bei diesem aufstrebenden Künstler an erster Stelle, der täuscht sich. Natürlich, wenn man nichts hat, strebt man nach Höherem und schielt zu jenen mit den teuren Autos und der schicken Kleidung. Am Ende sind ihm Loyalität und Freundschaft jedoch wichtiger als aller Materialismus. Solange er seine Seiten geschnitten bekommt und sich ein paar neue Nike Free leisten kann, ist er zumindest ansatzweise zufrieden. Heißt nicht, dass nicht mehr geht. Genau diese Tatsache, nämlich eine aufrichtige Ehrlichkeit, gepaart mit einem gewissen Humor, bringen Sympathiepunkte. Im Gegensatz zu anderen Rappern dieser Sparte glaubt man Olexesh, was er erzählt und fühlt sich prächtig unterhalten. Sehr punktuell und treffend erzählt der Künstler vom täglichen Struggle auf den Straßen. Ob nun das "Flex" an den Mann und die Frau gebracht werden muss, Damen ihren Körper für Geld hergeben oder eine kleine Streiterei in Gewalt ausartet: Diese Geschehnisse sind beziehungsweise waren allgegenwärtig in seinem Leben. Doch auch Zweifel plagen den Protagonisten. Auf "Hokus Pokus" werden gemeinsam mit Abdi etwas nachdenklichere Töne angeschlagen. Während der Zögling paroliert: "Vom ersten Tag an war ich ein Fan, brauchte nur Rap ... ", und hoffnungsvoll in die Zukunft blickt, hängt dem Ganzen dennoch ein wenig Frustration an. Warum klappt es erst jetzt, erst mit 26? Aber Mentor Abdi macht Mut und motiviert dazu, am Ball zu bleiben.


    "Hier gewinnt nur, wer weise handelt/
    Nach dem Tief folgt das Hoch, keine Bange/
    Meine Chance habe ich in Rap gesehen/
    Ficken oder gefickt werden – that's the game/
    "
    (Abdi auf "Hokus Pokus")


    Auf "Nu eta Da" gibt es zusammengefasst zwei Arten von Tracks. Zum einen die optimistischen, großspurig überheblichen Stücke, auf denen in eine rosige Zukunft geblickt wird und der Spaß am Musikmachen deutlich spürbar ist. Battlerap mit Anfeindungen, Punchlines und allem, was dazu gehört. Olexesh rappt dabei mit interessanten Betonungen, technisch versiert und auf den Punkt. Auch wirft er mit vielen russischen Wortfetzen und Redewendungen um sich, was seinen Texten eine interessante Note verleiht. Und so bieten Titel wie "Bum Fights", mit einem authentisch asozialen Karate Andi als Gast, gute Unterhaltung. Auf der anderen Seite stehen die schon angesprochenen Erzählungen von Geschichten aus dem Viertel und die Auseinandersetzung mit der inneren Gefühlswelt. Das Erzeugen von Bildern liegt dem jungen Mann und so wird die düstere Realität gut verpackt aufgearbeitet, ohne dass dabei etwas beschönigt wird. Eine leise anklingende Gesellschaftskritik ist der Unterton, den man nach genauem Hinhören erfassen kann. Eine Brücke zwischen beiden Richtungen bietet dabei der wohl beste Titel der LP, "Purple Haze", der von einem heißeren, kratzigen Stimmeneinsatz des Rappers und vor allem durch den verstrahlten Beat lebt. Übliche Verdächtige wie KD Beats oder Brisk Fingaz sorgen auf "Nu eta da" für eine Instrumentierung zwischen gechoppten Vocalsamples, gelungenem Synthesizereinsatz, harten Drums und ab und zu tatsächlich auch einer funkigen Note – wie vorher angekündigt. Wirklich schlechte Beats kennt dieses Album nicht. Leider sucht man klassisches Material, das bei "Authentic Athletic" noch gang und gäbe war, vergebens. Das hätte das Album jedoch sicher noch eine Spur interessanter gemacht. Durch die lyrische Versiertheit des Rappers fällt diese Tatsache jedoch gar nicht so groß ins Gewicht.
    Das Einzige, was Olexesh definitiv nicht kann, ist singen. Die auf diese Weise vorgetragene Hook auf "Nächster Halt Top 10" verreißt deswegen den eigentlich gelungen Song völlig. Auf anderen Stücken sorgen die Features nach Ende des Titels für einen faden Beigeschmack. So hätte man auf die Parts von Chaker oder Gzuz getrost verzichten können. Alle anderen Gäste wissen dafür glücklicherweise, was sich gehört und ergänzen das Album zum Positiven.


    Fazit:
    Ja, auch Olexesh ist eine Bereicherung für deutschen Rap. Das wurde auf diesem Debütalbum bewiesen. Interessante Texte, eine authentische Ausstrahlung und der gewisse Grad an Coolness sind genauso gegeben, wie die Zusammenarbeit mit den richtigen Produzenten und Kollegen aus der Rapszene. Klar, er und das 385i-Kollektiv passen ja auch zusammen wie die Faust aufs Auge. Viel gemäkelt werden kann an diesem Stück Musik daher nicht. Vielleicht hätte man sich auf ein paar Tracks weniger beschränken können, vielleicht hätte dem Album etwas klassisches Beatmaterial gut getan und vielleicht wären einige Gastparts nicht nötig gewesen. Hätte, sollte, könnte ... Nun ist "Nu eta da" das geworden, was es ist: Ein gutes, unterhaltsames Straßenrapalbum, was sich von anderen Releases aus dieser Richtung aufgrund der technischen Fähigkeiten und der interessanten, bildhaften Sprache abhebt, aber immer noch ein wenig Luft nach oben lässt. Das ist jedoch nicht schlimm, wir sprechen hier wie gesagt von einem Debüt. Der Nachfolger könnte daher eine große Sache werden.



    (Johann Voigt)



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    01. Intro
    02. Delirium Tremens
    03. Kapitalismus Jetzt
    04. Gevatter
    05. Kettenbrief
    06. Heutzutage
    07. Mutterliebe
    08. Eskapaden
    09. Papierflieger
    feat. Retrogott und Sylabil Spill
    10. Tag ein Tag aus
    11. Weltenbrand
    12. Gottesfurcht
    13. Lächel nochmal für mich
    feat. Flo Mega
    14. Nur ein Stift
    15. Notarzt
    16. Fenster zur Welt
    17. Sekt
    18. Mojow Air
    19. Zur Sonne zur Freiheit


    Vor nunmehr fünf Jahren prophezeiten Hiob und Morlockk Dilemma resigniert und wütend die Apokalypse. Entrüsteter Pessimismus und ein gewisser Hang zur Misanthropie, gepaart mit dreckigen, düsteren Beats, zeichnete die damalige LP "Apokalypse Jetzt" aus. Damit trafen die beiden den Nerv so mancher Liebhaber und Kritiker, da ein solcher Sound in dieser Deutschrap-Epoche neu war. Posierte man damals doch viel lieber vorm geliehenen 7er BMW, präsentierte seine Weißgoldkette und zelebrierte seinen vermeintlichen Reichtum – erlangt durch Straßengeschäfte. Mittlerweile ist Rap in Deutschland wieder offener und vielseitiger geworden; progressive und experimentelle Werke stoßen auf immer mehr Verständnis, samplelastiger Sound erlebt seinen zweiten Frühling und man mag fast glauben, alle Rapper koexistieren friedlich nebeneinander. Zudem bekommen durch das Internet auch jene Gehör, die keine großen Labels und riesige Promomaschinerien im Rücken haben. All das könnte eigentlich ein Ansporn dafür sein, etwas positivere Töne anzuschlagen. Hiob & Dilemma jucken solche banalen Fakten jedoch wenig, denn in unserer Gesellschaft gibt es immer noch genügend Abgründe, genug Dreck und schleimige Oberflächlichkeit, die es anzuprangern gilt. Auf der neuen LP der beiden, "Kapitalismus Jetzt", wird daher kompromisslos wie eh und je gereimt. Das der Titel eher ironisch gemeint ist, dürfte dabei schon vor dem ersten Hördurchgang klar sein.


    "So sehr sich tausend Professoren ihren Kopf zerbrechen/
    Bleibt Humanisten nur das Jammern in die Stoffservietten/
    Auch, wenn sie kistenweise Kaviar nach Simbabwe schicken/
    Hungern Bitches weiterhin für neue Plastiktitten/
    "
    (Hiob auf "Schöne neue Welt")


    So beginnt das Album auch gleich mit einer waschechten Kritik an den negativen Seiten des Kapitalismus sowie den daraus resultierenden Missständen und Ungerechtigkeiten. Die vermeintlich "Schöne neue Welt" ist aus Sicht der beiden Hauptprotagonisten gar nicht so glanzvoll, wie man meinen mag. Man orientiert sich eher am dystopischen Gedankengut von George Orwells Roman "1984", als am Gerede von immer positiv gestimmten Gutmenschen. Auch im weiteren Verlauf merkt man: Hiob & Dilemma sind angeekelt von der Oberflächlichkeit und Schmierigkeit gewisser, nach Reichtum schmachtender Personengruppen. Stumpfes Glorifizieren des Hab und Guts, Geprotze, Prunksucht – mit diesen Dingen können die beiden absolut nichts anfangen und thematisieren derartige Szenerien zum Beispiel wunderbar sarkastisch auf dem Titeltrack "Kapitalismus Jetzt".
    Wer nun jedoch glaubt, dass nur an der Gesellschaft gemäkelt wird und man auf den trivialen Lebensstil sowie den grenzenlosen Egoismus gewisser Menschen – die das kapitalistische System im negativen Sinne für ihre Zwecke missbrauchen – geschimpft wird, liegt falsch. Die beiden Rapper reflektieren genauso ihre eigenen Probleme, arbeiten das bisher Erlebte in lyrischer Form auf und erinnern sich an die Tristesse der Plattenbausiedlung und das Grau der DDR. Auch der Großstadtdschungel Berlins, wo beide mittlerweile ansässig sind, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Inspirationsquelle für die LP gewesen. Und manchmal wird neben aller Inhaltsfülle auch ganz einfach mit einer ungemeinen Aggression gebattlet, zerrissen, zerstört.


    "Ihr seid Hippies, die sich auf Festivals 'nen Tripper teilen/
    Kifferleichen, die sich selbst im Rettungszelt noch Pilze schmeißen/
    Und Witze reißen – ich muss dem Rest der Welt den Ficker zeigen/
    Und ziehe euch Hipstern mit 'nem Drecksskalpell 'nen Hitlerscheitel/
    "
    (Morlockk Dilemma auf "Kettenbrief")


    Die Soundästhetik und das Gesamtkonzept der Platte wurden von den beiden Hauptprotagonisten im Vorfeld mehrfach als retro-futuristisch bezeichnet und das bringt es sehr treffend auf den Punkt. Für die musikalische Untermalung zeigen sich ausschließlich Morlockko Plus und Hieronymuz, die Produzenten-Alter Egos von Hiob & Dilemma, verantwortlich. Um schon erwähnten Retro-Futurismus zu realisieren, wurde tief in der Plattenkiste gekramt. Tracks aus den '70ern, in denen Synthesizer eine große Rolle spielten, nahm man sich zur Hilfe und auch eine analoge Moog Maschine fand ihre Verwendung. Damit wurde eine einzigartige Klangwelt entwickelt. Auf der einen Seite meditativ, mystisch anmutend, nach einer von Psychedelika geschwängerten Realität klingend. Auf der anderen Seite dann wieder roh und düster. Und manchmal wird es sogar funky. Zum Beispiel auf dem Titel "Papierflieger", wo zudem Retrogott und Sylabil Spill zum Zuge kommen, die sich, angelehnt an den Albumtitel, ebenfalls sehr kritisch gegenüber der Musikindustrie und der teils verkorksten Gesellschaft äußern. Insgesamt vermittelten die Instrumentals, genau wie die Texte, eine pessimistische Sicht auf die Welt, Aggression und ab und zu sogar Trauer.
    Dazu kommen die einzigartigen Reibeisenstimmen der beiden Rapper und eine technische Versiertheit, die nicht oft zu finden ist. An diesem 19 Titel umfassenden Monstrum eines Rapalbums stimmt also so gut wie alles. Eine großartige Abwechslung zum ganzen seichten, radioaffinen "Gute Laune"-Rap der letzten Monate und vor allem ein unglaublich intelligentes und erwachsenes Stück Musik, das einen krassen Kontrast zum leider immer noch existierenden Bild von Rap bildet, das Massenmedien, Politiker und besorgte Mittelstandsmütter gerne aufrechterhalten. Denn übertriebener Hedonismus und die Zurschaustellung des teuren Lebensstils sind genau die Dinge, die auf "Kapitalismus Jetzt" kritisiert werden.


    "Seitdem aus deinem Horoskop ein wenig Wohlstand glanzt/
    So lamentierst du provokant aus jedem Hochglanzblatt/
    Du mimst den Popanz für den nächsten Facebookpost/
    Es ist schon komisch, wie du jetzt den großen Gestus probst/
    "
    (Hiob auf "Nur ein Stift")


    Fazit:
    Morlockk Dilemma und Hiob haben ein lyrisches Meisterwerk geschaffen, das kann man durchaus so sagen. Ein sehr innovatives Stück Musik, dessen Sound man in dieser Form wahrscheinlich noch nicht gehört haben wird. Trotz oder gerade wegen des anhaltenden Pessimismus und einer schier unerschöpflichen Wut ist man von diesem Werk gefesselt. Die beiden schaffen es, mit ihren Texten klare Bilder zu erzeugen; sie bringen die dunklen Seiten ans Licht und verfügen dabei über einen weitgefächerten Wortschatz. Das hat zur Folge, dass wahrscheinlich weder der Gangsterrap-Fan, der dir gerne mal dein Geld und dein Handy abzieht, noch Gina aus Castrop-Rauxel, die Casper und Cro irgendwie "voll süß" findet, dieses Album verstehen werden. Eine gewisse Erfahrung und etwas Sicherheit in der deutschen Sprache setzt die LP nämlich voraus. Und das ist auch fast der einzige "Kritikpunkt". Die Gruppe derer, die diesen Langspieler zu schätzen wissen, wird sich leider auf ein gewisses Klientel beschränken. Aber vielleicht ist genau das auch so gewollt. Dass hier keine Wohlfühlmusik geboten wird und "Kapitalismus Jetzt" einem einiges abverlangt, war von vornherein klar. Am Ende bleibt deswegen nur zu sagen: Es ist ein verdammt gutes (Rap-)Album, das auch in einigen Jahren noch Bestand haben wird.



    Johann Voigt

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    01. Einschlag
    02. Klatschen
    03. Entweder oder
    04. Schrittlauf
    05. Batoteiro
    06. Panorama
    07. Langer Punkt II
    08. Zeigerlauf
    09. Entschluss
    10. Augenblick

    11. Zwei Mc's feat. Retrogott
    12. Megatron
    13. Steinigen
    14. Grillen
    15. Mundwasser
    16. Unmessbar
    feat. Lakmann
    17. 5-5
    18. Skit
    19. Mitmacher
    20. Stacheldrahtnudel
    feat. Morlockk Dilemma
    21. Keiner Freund
    22. Ding zum Album


    Die Künstler rund um das Kölner Label Entourage Business haben schon immer eine etwas andere Herangehensweise an Musik als der Rest der sogenannten Szene. Es wird sich weder um Massenkompatibilität, noch um Vermarktung einen Kopf gemacht. Die Releases klingen oft roh, tragen einen amateurhaften Kellerstudiocharme und es wird, gelinde gesagt, ein großer Fick auf alles gegeben, was gegenwärtig im Trend liegt. Jeder macht genau den Sound, den er machen möchte – ohne Rücksicht auf Verluste, dafür mit umso mehr Herzblut. Sylabil Spill ist einer der ENTBS-Jünger. Nach seinem Erstlingswerk "Negative Energie" von 2009 kam der Kölner Rapper und Produzent nicht zur Ruhe. Ein Album zusammen mit Retrogott unter dem Pseudonym "Die Beleidiger", mehrere 12''-Singles sowie EPs mit Morlockk Dilemma und DJ Ara ergänzten in den vergangen Jahren die Diskografie des Radiras, wie er sich auch manchmal nennt. Nun folgt sein zweiter Langspieler, "Steine und Zwiebeln". Der Titel ist ein Sprichwort aus dem Heimatland des Künstlers, dem Kongo. Es bedeutet soviel wie "Schmerz oder Leid". Wenn also jemand etwas Schlechtes getan hat, kann er sich aussuchen: Möchte er als Strafe Schmerz oder Leid erdulden müssen? Eine ziemlich harte Ansicht. Doch eben diese Härte ist man von der Musik des Domstädters gewohnt. Dass es auch auf dem neuesten Album des Rappers mit der prägnanten Stimme erbarmungslos zugehen wird, ist zu erwarten.


    "Du sagst, ich sollte anständig Deutsch sprechen/
    Kannst du dich als Rheinländer in 'nem schwäbischen Stammtisch artikulieren?/
    Hä? – Du Hurensohn, ich glaube nicht/
    Also sei leise, du überbewertetes Stück Scheiße
    /"
    (Sylabil Spill auf "Steinigen")


    Sylabill Spill ist schlecht gelaunt, empört über die Verdummung der Bevölkerung, genervt vom ständigen Streben einer Vielzahl an Menschen nach Macht und Geld. Er mag keine Wack-MCs, keine Manager, keine Trends – kritisiert, dass in unserer Gesellschaft oft weggeschaut wird, die Medien dafür manipulativ auf der einen, reißerisch auf der anderen Seite agieren. Auch die Musikindustrie bekommt ihr Fett weg – kurz gesagt: Es gibt nicht viele Dinge, mit denen der Protagonist derzeit zufrieden ist und das verdeutlicht er auch genauso in seiner Musik. Dabei wird kein Blatt vor den Mund genommen; bitterböse schreitet die druckvolle Stimme des Kölners über rohes, ungeschöntes Beatmaterial. Die Instrumentals bestehen meist aus nur einigen wenigen Loops und staubigen, fast dreckigen Drums. Außerdem wird immer wieder gescratcht und gecuttet, wofür sich hauptsächlich Chinch 33 verantwortlich zeigt. "Selbst ist der Mann", dachte sich Sylabil Spill wohl und ist deswegen für einen Großteil der musikalischen Untermalung seiner Raps eigenverantwortlich. Leider wird es dadurch bei einer so großen Anzahl an Tracks manchmal etwas eintönig. Natürlich passen die minimalistischen Produktionen mit wenig Melodie und rarem Samplematerial sehr gut zu dem, was verkörpert und wiedergegeben werden soll. Manchmal sehnt man sich jedoch während des Hörens auch einfach nach ein paar ruhigeren Tönen, vielleicht ein paar Harmonien und einer kurzen Entspannungsphase, bevor alles und jeder, mit dem Spill nicht einverstanden ist, weiter lyrisch zerstört wird. "Zeigerlauf" ist eines der wenigen Stücke, bei denen sich der Kopf ein wenig erholen kann. Regen die ruhigen Strophen und das Instrumental mit angenehmen Jazz-Sample doch so schön zum Zurücklehnen an. Ansonsten bleibt es die meiste Zeit über laut und düster.


    Ein wenig Abwechslung gibt es dann aber schon. Mitverantwortlich dafür sind vor allem die mit Bedacht gewählten Gäste. Zusammen mit Retrogott wird mit "Zwei Mc's" ein typischer Beleidiger-Track abgeliefert, auf dem der Gefährte des Radiras mit den abstrusesten Rhymes auf Konsumwahn und überzogene kapitalistische Vorstellungen schimpft – äußerst unterhaltsam. Genauso der großartige Part von Lakmann auf "Unmessbar", der momentan scheinbar seinen zweiten Frühling erlebt und rappt wie ein junger, hungriger Szeneneuling. Auch Morlockk Dilemma tritt in Hochform auf. Sein Gastpart kurz vor Ende des Albums kommt, wie nicht anders zu erwarten, ebenfalls äußerst pessimistisch und grimmig daher, fügt sich so aber perfekt in die Stimmung des Albums ein. Leider muss man in diesem Fall zugeben, dass er die eigentliche Hauptperson der LP ein wenig in den Schatten stellt. Nichtsdestotrotz ist Sylabil Spill ein begnadeter Rapper mit einem Flow, der durchaus in der oberen Liga mitspielt. Er nimmt die gebotenen Beats im wahrsten Sinne des Wortes auseinander; mit besonderer Betonung und kraftvoller, aber lässiger Vortragsweise. Die lyrische Kreativität des Künstlers sei ebenfalls lobend zu erwähnen. So bietet er dank seines unerschöpflichen Vokabulars eine Menge Schmankerl für diverse Zitatsammlungen.


    "In deiner Suite rieselt der Kalk von den Wänden/
    Du wärmst dich im Blitzlichtgewitter und schüttelst salzige Hände/
    Hüte dich, denn mit dem Geld kommt der Neid/
    Kommen missgünstige Blicke deiner Helden von einst/
    "
    (Morlockk Dilemma auf "Stacheldrahtnudel")


    Fazit:
    Entwarnung: Auf "Steine und Zwiebeln" gibt es keinen einzigen schlechten Track, das Gegenteil ist der Fall. Sowohl Reime und Technik als auch die Instrumentals sind durchwegs auf einem hohen Niveau. Das Problem ist nur, dass hier keine Musik geboten wird, die man mal eben an einem entspannten Sommerabend nebenbei laufen lässt. Es wird durchgehend lyrisch zerstört, getötet, gepöbelt. Genau das macht dieses Album zu einer extrem anstrengenden Angelegenheit, denn: 22 Tracks dieser Art sind ganz einfach zu viel des Guten. Und das ist auch der Hauptkritikpunkt. Dass hier weder etwas Neues ausprobiert wird, noch irgendein Nerv der Zeit getroffen werden soll, war von vornherein klar. Doch die lange Laufzeit lässt das Hören am Stück zu einem Kraftakt werden. Eingefleischte Fans von kompromisslosem, rohen Untergrundrap werden diese LP trotzdem lieben und auf die Meinung aller anderen gibt Sylabil Spill sowieso nicht viel. Somit hat er mit diesem Album wieder ordentlich abgeliefert und die Nische, die er bedienen möchte, auch bedient. Nur Deine 13-jährige Schwester mit Jutebeutel, Inkamuster-Leggings und Vans Authentics wird sich dieses Werk mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben.



    Johann Voigt



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    01. Weltall
    02. Lichtwesen
    03. Perfekte Fusion
    04. Jurassic Park
    05. Fliegen


    Julian Williams, ehemals bekannt unter dem Künstlernamen J-Luv, ist nicht erst seit gestern musikalisch aktiv. Über zehn Jahre ist die Veröffentlichung seines Debütalbums "Kontraste" nun schon her. Stationen bei 3P, Amadea Records und eine Ausbildung zum Frisör in New York – der Künstler ging seitdem immer wieder neue Wege, um sich selbst zu finden und kam dabei auch des Öfteren mit Rapmusik in Berührung. So wurden unter anderem Titel mit Deutschrap-Hochkarätern wie Bushido, Kool Savas, Samy Deluxe und den Beginnern aufgenommen, um nur einen Bruchteil zu nennen. Immer konnte Julian Williams dabei mit seiner großartigen Stimme überzeugen.


    Dass er es auch Solo noch kann, möchte der mittlerweile 34-jährige Sänger mit seiner neuen EP "5" beweisen. Wie der Name schon vermuten lässt, enthält besagte EP exakt fünf Tracks und zeigt eine Neuausrichtung in Sachen Instrumentierung seitens des Musikers. Thematisch wollte Julian Williams ins "Weltall", wie er in einem Interview betonte. Wie sich das "Weltall" in diesem Fall anhört, gilt es anhand folgender Veröffentlichung herauszufinden.


    "Ich muss hier raus, ich bau' ein Raumschiff/
    Ein gelbes Ufo, in meinem Hangar/
    Antimaterie, unglaublich/
    Ich ruf' dich an, wenn ich fertig bin/
    "
    (Julian Williams auf "Weltall")


    Die ersten Klänge der "5"-EP wirken verträumt, verspult und sorgen für eine beinahe mystische Stimmung – Julian Williams singt auf "Weltall" dabei sehr angenehm über Liebe und die Weite des Universums. Eigentlich könnte alles so schön sein, doch plötzlich wechselt die Stimmung des Liedes und nichts ist mehr von der anfänglichen Behaglichkeit zu spüren. Der Track wandelt sich zu einem Stück Musik, welches mehr nach aktuellem deutschen Schlager als nach innovativem Sound klingt. Das liegt vor allem an der Veränderung des Instrumentals und an teils unglaublich kitschigen Reimen. Und so stellt sich schon im ersten Track der EP ein Problem heraus, was sich auch im weiteren Verlauf dieses Releases fortsetzen wird: Die Beats sollen durch den Einsatz von Synthesizersounds und reduzierten Drums anders, modern und experimentell wirken. Oft überzeugen sie aber nur bis zu einer gewissen Stelle, an der dann beinahe schon billige House-Einflüsse oder aufgesetzte Poppigkeit alles zunichte machen. Und auch, was die Texte angeht, ist Julian Williams leider nicht immer auf der guten Seite. Die EP weist seichte Kopf-hoch-Lyrik auf; alles ist zu schaffen, positive Energie, Liebe ist stark und ähnliche lebensbejahende Punkte werden angesprochen. Leider sind die Reime jedoch oft nicht unbedingt aussagekräftig oder sonderlich kreativ. So fallen beispielsweise beim musikalisch positiv herausstechenden "Lichtwesen" wenigsagende Zeilen wie "Kodein, Morphium, Meskalin, Endorphine – Waffen und Kriege".


    Produziert hat der Hauptprotagonist selbst und auch Biztram, der sich vor allem durch die Arbeit mit Prinz Pi einen Namen machen konnte, hatte seine Finger mit im Spiel. Dadurch wirkt alles sehr glatt und ausproduziert. Wie aber schon angemerkt, an vielen Stellen auch absolut austauschbar. Positiv festzuhalten ist jedoch, dass durch das schon erwähnte Einspielen verschiedener Synthesizer-Passagen sowie dem Einsatz sphärischer, elektronischer Klänge eine gewisse "spacige" Stimmung aufgebaut wird und man so wie versprochen die "Weltraum"-Thematik geliefert bekommt. Außerdem kann Julian Williams durch seine grandiose Stimme einiges wettmachen – die teils angenehm heißer klingt, aber ebenso erstaunliche hohe Oktaven erreicht – und gesanglich die meiste Zeit überzeugen. Auf Gastparts von befreundeten Rappern wurde im Übrigen komplett verzichtet – die hätten der EP in Sachen Vielfältigkeit aber sicher nicht geschadet. So richtet sich das Hauptaugenmerk also komplett auf den Sänger mit den US-amerikanischen Wurzeln, was seine Stärken, aber vor allem auch seine Schwächen besonders hervorhebt.


    "So tauchst du auf in meiner Welt/
    Uhhhh – X-Chromosom/
    Ich bin die Brandung, du mein Fels/
    Du wirkst unnahbar – Megafon/
    "
    (Julian Williams auf "Jurassic Park")


    Fazit:
    Zusammenfassend kann man sagen: Julian Williams ist nach wie vor ein begnadeter Sänger, was er auch auf seiner "5"-EP wieder mit Bravour unter Beweis stellt. Leider wirkt die Musik ansonsten nicht wirklich spannend, sondern eher beliebig, wodurch nach dem Hören nur sehr wenig des Wahrgenommenen hängen bleibt. Natürlich kann man nicht sagen, dass Produktionen und Lyrics richtig schlecht sind. Aber man hat das Gefühl, Musik dieser Art schon tausendfach gehört zu haben.
    Wer jedoch poppigen Breitwandsound sucht und keinen allzu hohen Anspruch auf Innovation legt, wird sicher Gefallen an dieser EP finden und auch zum nebenbei Hören eignet sich dieses Stück Musik allemal. Alle anderen sollten lieber auf das für dieses Jahr angekündigte Album warten. Es kann nur besser werden.



    Johann Voigt

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    CD 01:
    01. Intro
    02. Jetzt bin ich dran
    03. Der letzte Überlebende
    04. Drück auf Play
    05. 101 Bars
    06. Der wahre Weg
    07. E.K.O.
    08. Läuft/Reicht
    09. Abgabe Skit
    10. 3 in 1
    11. Quotentürke
    12. Trooper Skit

    13. Guten Morgen feat. Julian Williams
    14. Yoah
    15. Kein Plan
    16. Schöner Tag
    feat. Ado Kojo
    17. Meine Krone
    18. Money on my Mind
    19. Ek to the Future
    20. Raptutorial 2
    21. Alte Zeit


    CD 02 ("Jetzt kommen wir auf die Sachen – zusammen"):
    01. Der blutige Pfad 2 feat. Farid Bang
    02. Freakshow feat. Ferris MC & Nine
    03. Tango & Cash feat. Bushido
    04. Feuer & Flamme feat. Azad
    05. Mein Kleiderschrank feat. Pillath & Cassidy
    06. Pelikan flieg feat. SSIO & Cuban Link
    07. Hier verliert nur der der sich nicht wehrt feat. Caput
    08. Echos in my Head feat. Krayzie Bone, Summer Cem, Serc & Ado Kojo
    09. Freund oder Feind feat. Lil Eazy-E, Brutos Brutaloz & Serious Sam
    10. Rapper wissen nicht wer sie sind feat. Massiv & Hussein Fatal
    11. Ich bin im Reinen mit mir feat. Frauenarzt & Capkekz
    12. Gangsta Squad feat. MoTrip, Ali As, Shindy, Jeyz & Tatwaffe


    Auftritte im Privatfernsehen, eigene Kopfhörer, grenzwertige Musikvideos mit Vampirstory à la "Twilight" ... aber auch ein Song, der politische Debatten anregte, geschichtsträchtige Streitereien mit dem King of Rap und das Agieren als Talentscout für sein Label German DreamEko Fresh hat schon so einiges geleistet in diesem Gebilde namens "Rapgame". Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne stand das mittlerweile 30-jährige, lange unterschätzte Talent immer wieder im Mittelpunkt. All seine Nebeneinnahmequellen seien mal dahingestellt: Was dieser Ekrem Bora vor allem kann und schon immer konnte, ist rappen. Das bewies er bisher auf jedem seiner Releases. Nachdem der große kommerzielle Erfolg trotz Optik-Records- und ersguterjunge-Deals lange Zeit ausblieb, bekam Eko für seine letzten beiden Langspieler "Ekrem" und "Ek to the roots" endlich die Anerkennung und den Erfolg, den er sich schon lange verdient hatte. Nun folgt das Doppelalbum "Eksodus". Was genau einen auf einem Tonträger des selbst ernannten Königs von Deutschland erwartet, weiß man nie genau. Doch fest steht, eine CD mit Musik von Ekrem Bora ist immer etwas Besonderes – deswegen halte ich das Doppelalbum "Eksodus" gespannt in den Händen.

    Zuerst einmal fällt eine lange Liste an Gästen auf. Es kommt einem so vor, als wäre halb Rapdeutschland auf dem zweiten Teil des Albums versammelt. Von Bushido über Azad bis hin zu den schon verschollen geglaubten Seperate und Pillath sind sie alle dabei. Natürlich kommt Ekos Faible für Musik auf der anderen Seite des großen Teichs zum Vorschein. Er hat mal wieder ordentlich Kontakte spielen lassen und konnte so mit Cassidy, Nine und Cuban Link, um nur einige zu nennen, wieder Idole aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten für sich gewinnen. "Eksodus" – zwei CDs, 33 Tracks – kann das gut gehen? Ist das nicht zu viel? Und sind die ganzen Gäste denn wirklich nötig? All das sind Fragen, die sich mir vor dem ersten Hördurchgang stellen.


    "'Ist das dein letztes Album?' – Kann schon sein/
    Auf jeden Fall fahre ich nie wieder einen anderen Style/
    Denn seit 2001 sind die Lines, die ich schreibe/
    Unvergleichlich am Mic, Nummer eins weit und breit/
    "
    (Eko Fresh auf "Intro")


    Schon das "Intro" überzeugt durch ein wunderbar erfrischendes Instrumental mit fröhlichen Bläsern. Über den Flow braucht man nicht zu reden, denn dass der Kölner rappen kann, sollte bekannt sein. Ein sehr gelungener Einstieg, der Lust auf mehr macht. Es folgen einige Tracks mit sehr klassischem bis souligem Klanggewand – man könnte auch Boom-bap sagen. "Jetzt bin ich dran" ist ein Rückblick auf sein bewegtes Leben rund um Rap-Musik, Streitereien mit Kollegen und Plattenbauten. "20 ist das neue 30" skandiert er optimistisch und ist sichtlich zufrieden mit seinen bisherigen Erfolgen. "Der letzte Überlebende" und "Drück auf Play", weitere Tracks im Stile der "Jetzt kommen wir wieder auf die Sachen"-EP. Klingt nach der guten, alten Zeit mit Savas. Eko blickt weiter zurück – es scheint, als möchte er mit dieser Platte sein gesamtes Leben aufarbeiten – und versinkt teilweise im Selbstlob. Doch das ist kein Problem, denn alles wird mit einem sehr ausgereiften Flow vorgetragen, in Vergleiche und Wortspiele verpackt, die nicht jeder beliebige Rapper XY in petto hat. Sprich: Die ersten Minuten von "Eksodus" gehen wie im Fluge vorbei. Denn auch die folgenden Titel inklusive dem großartigen "101 Bars " – allesamt klassisch gehalten – sind kurzatmige Oden an die Vergangenheit, Tipps für das Überleben in der Industrie und Liebesbekundungen an HipHop. Manchmal belehrt Eko auch einfach seine Nachfolger, wie das denn so funktioniert mit Rap-Musik ("Raptutorial 2"). Und das großartige, schon vorab als Video-Single erschienene "Kein Plan" sorgt für den ein oder anderen Schmunzler. Drei Minuten und 23 Sekunden lang gibt es lustig verpackte sexuelle Anspielungen, die die humoristische Seite des Künstlers zeigen.
    Auf CD Nummer eins stechen aus schon erklärtem Soundbild drei Tracks heraus. Zum einen das mit technoiden, orientalisch angehauchten Melodien unterlegte "Quotentürke", das in der deutschen Gesellschaft herrschende Vorurteile gegen Migranten allgemein und Türken im Speziellen thematisiert. Außerdem noch das entspannte "Guten Morgen", bei dem Julian Williams für die Hook verantwortlich ist. Falls tatsächlich als Weckton eingestellt, beschert dieser Track auch wirklich einen "guten Morgen". Ado Kojo unterstützt Eko bei "Schöner Tag" tatkräftig mit seinem Gesang. Das zweite und letzte Feature auf der ersten Albumhälfte.


    "Ich will Sex von dir – sechs Minuten Raucherpause/
    Also drück beim DVD-Player auf die Pause/
    Früher fragtest du: 'Warum ist er so steif?'/
    Mit der Zeit merktest du, es war nur Schüchternheit/
    "
    (Eko Fresh auf "Kein Plan")


    Der erste Part des Albums ist zu Ende und rückblickend stellt man fest: Eko arbeitet hier seine Vergangenheit auf. Bis auf die vorher genannten zwei Ausnahmen findet man nur Solotracks auf klassischen Instrumentals, für die unter anderem Joshimixu und Reaf, die Haus-und-Hof-Produzenten von Alles oder Nix Records, verantwortlich sind. Sehr persönliche und ehrliche Texte und Technik auf hohem Niveau überzeugen den geneigten Liebhaber des Sprechgesangs. Auf der zweiten CD erwartet einen dann noch einmal ein ganz anderer Sound. Das liegt an andersartigen Instrumentals, aber auch an den unglaublich vielen Gastparts. Den Beginn macht "Der blutige Pfad 2" mit dem ehemaligen Zögling Farid Bang. Ganz anders als auf der harmonisch, fröhlich und entspannt klingenden ersten Albumhälfte zeigt sich Eko hier schlecht gelaunt und mit einem etwas härteren Vokabular auf einem böse klingenden Beat – stilecht mit Chor-Sample. Farid beglückt in gewohnter Manier Groupies und Mütter – macht also das, was er am besten kann. Auch der nachfolgende Titel "Freakshow" mit einem bitterbösen Ferris MC und Nine klingt dunkel und eher nach Keller als der Sonnenseite des Lebens.


    "Jeder pubertäre Spast bricht die Kuhkafflehre ab/
    Tut, als wäre er krass, wenn er einen auf 2Pac-Ehre macht/"
    (Eko Fresh auf "Freakshow")


    Diese Stimmung wird auch in den folgenden Tracks beibehalten, wenn zunächst Bushido ("Tango & Cash") – dieses Mal ohne Lines gegen die deutsche Politelite – und auf "Feuer & Flamme" dann Azad vorbeischauen. Beides keine schlechten Tracks, doch mit zeitgenössischer Rap-Musik hat das eher wenig zu tun und klingt mehr nach alten egj- und Bozz Music-Hochzeiten. Und das, obwohl der Flow Eko Freshs auf "Tango & Cash" den der meisten deutschen Rapper in den Schatten stellt. Auch "Mein Kleiderschrank" mit Cassidy und Pillath ist eher Füllmaterial als ernst zu nehmende und innovative Musik. Vor allem Letzterer enttäuscht mit seinem Part im Dipset-Style und hätte das Ganze wohl doch lieber lassen sollen. Die Alteingesessenen können hier größtenteils nicht überzeugen – beispielsweise liefern auch Frauenarzt, Caput, Capkekz und Seperate eher mittelmäßige Parts ab –, dafür aber neue Talente. Der großartige SSIO legt einen sehr netten Gastpart auf "Pelikan flieg" hin, Massiv weist in gewohnter lyrischer Brutalität darauf hin, dass mit ihm nicht zu spaßen sei ("Rapper wissen nicht wer sie sind ") und die Floskel "Das Beste kommt zum Schluss" bewahrheitet sich in diesem Falle wirklich: Einer der besten Tracks des Albums, "Gangsta Squad", sorgt für ein versöhnliches Ende. Ein souliger Beat, über den unter anderem MoTrip und Shindy, aber auch Die Firma-Mitglied Tatwaffe rappen und so zeigen, warum deutscher Rap gerade wieder so interessant ist. Bei diesem Lied kann man sich bildlich vorstellen, wie besagte Rapper in Anzügen in einem noblen Café sitzen und Geschäfte regeln. Auch der in letzter Zeit eher selten in Erscheinung getretene Jeyz fällt hier sehr positiv auf. Und so hat man nach Ende des Albums ein Lächeln im Gesicht. HipHop kann manchmal so schön sein. Warum nicht immer so?


    Fazit:
    "Eksodus" ist zu Recht das erste Nummer-eins-Album von Eko Fresh. Großen Anteil daran hat die wunderbar musikalische, ehrliche und vielfältige erste CD. Ekrem Bora ist erwachsen geworden und das merkt man den Titeln hier sowohl auf instrumentaler als auch auf textlicher Ebene deutlich an. Die Bonus-CD "Jetzt kommen wir auf die Sachen – zusammen" fällt dagegen etwas durchwachsener aus. Die Beats können nicht ganz so sehr überzeugen wie auf der ersten Hälfte und viele Stars und Talente von früher haben heute irgendwie nicht mehr viel zu erzählen. Ekos Parts sind alle gut und unterhaltsam, was Kollegen wie Pillath oder Caput da fabrizieren, ist jedoch dieses Mal leider einfach nicht der Rede wert. Kleine Abstriche gibt es also bei der Qualität der Gastparts und der Beatauswahl auf der zweiten Hälfte des Doppelabums. Ansonsten kann man "Eksodus" jedoch durchaus als eines der besten Alben von Eko Fresh bezeichnen, die bisher erschienen sind. Trotz Anspielungen darauf, dass dies sein letztes Release gewesen sein soll, hofft man deswegen auf einen Nachfolger. Denn ob man es will oder nicht: Dieser Eko Fresh bleibt eines der größten Talente, die der deutsche Rap bisher hervorgebracht hat. Daran gibt es nichts zu rütteln.



    Johann Voigt (JXHVN)




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    01. Haargenau
    02. Nebenan
    03. Relaxte Erektion
    04. Ruhrpott State of Mind
    05. Papa sagt


    Es ist ein lauwarmer Frühlingsabend, irgendwo im Ruhrpott. Karsten Stieneke, den meisten wohl besser bekannt als Aphroe, sitzt mit einigen langjährigen Freunden gemütlich bei Bratwurst und Bier zusammen. Es wird sinniert über das Leben, Anekdoten aus der bewegten Jugend werden zum Besten gegeben und im Hintergrund laufen die Lieblings-Classics der Golden Era. Irgendwann löst sich die Runde nach und nach auf, bis nur noch das ehemalige Mitglied der legendären Rapcrew RAG im Garten sitzt. Aphroe denkt an seine vor kurzem erschienene "90"-Platte, an eine schöne Zeit im Studio, die viele Liebe für sein Werk. Warum diese Rezeptur nicht einfach weiterführen? Warum nicht an den Erfolg anknüpfen? Im Hintergrund läuft die Instrumental-Vinyl von "Illmatic". Bei den Tönen von "New York State of Mind" beginnt er zu schreiben. Einige Wochen später sind fünf Tracks fertig. Mal eben Olski angeklingelt, Lob abgestaubt, Master gepresst und schon einige Monate später hält man eine wunderbar nostalgische, aber ebenso zeitgemäße Schallplatte in der Hand, die bald über Melting Pot Music veröffentlicht werden wird ...


    So oder so ähnlich könnte es sich abgespielt haben. Fakt ist: "2x45", der Nachfolger von "90", ist nun erhältlich. Einfach einen Beat schnappen, der schon mal funktioniert hat, und dann darauf rappen? So leicht hat es sich Aphroe nicht gemacht. Jedes der fünf Instrumentals wurde von einem befreundeten Produzenten nachgebaut. Schon das ist etwas Besonderes, hätte man sich die Mühe doch ebenso sparen können. Und auch Aphroe rappt nicht einfach nur: Er versucht, Text, Flow, Betonung und Stimmlage seiner Idole ins Deutsche zu übertragen. Dies gelingt ihm die meiste Zeit sehr gut.


    "Ihr habt es jetzt begriffen, in dem Film bleibt ihr sitzen/
    Wollt Rap entwischen, nun bedauert's das Gewissen/
    "
    (Aphroe auf "Nebenan")


    "Nebenan", stilecht mit I.L.L Will-Shoutout beginnend, ist Rap über die Liebe zu Rap, aber auch ein Erfahrungsbericht und Rückblick. Mirko Machine ist verantwortlich für ein sehr erfrischendes Remake von D.I.T.C's "Day One"-Instrumental. Vor allem die Saxophonpassagen in der Hook geben dem ursprünglichen Beat eine angenehme neue Note. Ein Track mit einem solchen Inhalt kann schnell langweilig und nichtssagend werden. Nicht so bei Aphroe. Er war von Anfang an dabei, hat die Hochs und Tiefs im deutschen HipHop miterlebt und diesen mit RAG maßgeblich geprägt. Wenn also jemand über Rap rappen darf, dann er. Es folgt eine etwas ruhigere Anspielstation, "Relaxte Erektion", basierend auf "Electric Relaxation" von A Tribe Called Quest. Die Vorzüge des weiblichen Geschlechts werden aufgezeigt, aber auch der Makel des Älterwerdens. Aphroe erzählt ungeniert, dass irgendwann auch mal Schluss ist mit der Vitalität und Offenheit der Jugend. Eine sehr gelungene Neuinterpretation des Klassikers von Q-Tip, Phife Dawg und Jarobi White. Hier kommt Aphroe sehr nahe heran an das Original, vor allem was die Betonung angeht. Und auch die Stimmlage imitiert er ziemlich eindeutig. Danach folgt der wahrscheinlich beste Track des Albums, "Ruhrpott State of Mind".


    "Mein täglich Brot: da vorne zwischen Fans und der Eloquenz/
    Wochenend-Stagetrips, reisen zu den großen Jams/
    "
    (Aphroe auf "Ruhrpott State of Mind")


    Aphroe rappt wirklich wie ein junger Nas: Hungrig und mit einem großartigen Flow beschreibt er seine Entwicklung vom kleinen Jungen aus dem Pott zum angesehenen Künstler. Die Vortragsweise hört sich ganz einfach flüssig an und die Geschwindigkeit ist optimal. Man versteht alles, nickt dabei mit dem Kopf zum Beat und freut sich darüber, dass eine Persönlichkeit der älteren Garde noch so einen hörbaren Spaß an unser aller Lieblingsgenre findet. I.L.L Will hat das Ganze auch noch ziemlich gut reproduziert und man vergisst beim Hören für kurze Zeit sogar, wer eigentlich für das Original des Tracks verantwortlich ist. Zum Abschluss wird es bei "Papa sagt" noch einmal etwas lauter und schneller. Der Titel klingt wie ein Freestyle auf hohem Niveau: Lange Reimketten, viele Aussagen und so weiter regen zum genauen Zuhören an. Ein gelungener Abschluss eines gelungenen Tonträgers.


    Fazit:
    Aphroe lässt mit diesem Werk ein Golden Era-Feeling aufkommen. Er hat es andererseits trotzdem geschafft, eine absolut zeitgemäße EP zu kreieren. Seine wandelbare Stimme, sein sehr entspannter Flow und der Fakt, dass hier wirklich mal ein Künstler spricht, der etwas zu erzählen hat, tun "2x45" sehr gut. Auch muss er sich vor den Idolen auf der anderen Seite des großen Teiches definitiv nicht verstecken. Zwar gab es das Konzept schon mal, aber die Umsetzung ist hier gelungen. Boom Bap-Beats sind wieder im Trend, somit wird das Werk einigen Anklang finden, wohl auch bei einem etwas jüngeren Publikum. Und das hat Aphroe doch gewollt: den HipHop-Gedanken an andere weiterzugeben. Es ist ihm gelungen.



    Johann Voigt (JXHVN)



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    01. Intro
    02. Zum Erlenborn
    03. Just want to know
    04. Happiness only real when shared
    05. 90er Kinder
    06. Bahnsteig (Skit)
    07. Supertramp
    08. Schöner Tag 2

    09. The Rain feat. YU
    10. Wenn die Welt
    11. Der Wackste macht das Licht aus feat. Davido
    12. Traumwelt 2012


    Da ist er nun also, der zweite Langspieler von Jephza, so richtig zum In-der-Hand-Halten auf CD oder Vinyl. Ursprünglich angekündigt für 2012, erscheint er nun mit knapp einjähriger Verspätung über das kleine Label Feine Kreise. "Supertramp" nennt sich das neue Werk des jungen Mannes aus dem schönen Westerwald. Nach dem vielversprechenden, vorab erschienenen Track "Zum Erlenborn", der außerdem mit einem interessanten Video bedacht wurde, war die Vorfreude ziemlich groß. Zumal Jephza schon auf vorangegangenen Releases sowohl mit einer guten Technik als auch mit einer sehr angenehmen Stimme zu überzeugen wusste. Außerdem ist er Teil der Westwood Connection, ein Kollektiv von sehr fähigen, jungen Produzenten und Rappern. Optimale Voraussetzungen also für ein Album über dem deutschen Rap-Durchschnitt.
    Nun halte ich endlich die CD in meinen Händen – nettes Artwork. Mal eben die Tracklist unter die Lupe genommen. Die erste Enttäuschung folgt prompt. Nur zwölf Anspielstationen und nicht einmal 40 Minuten Spielzeit? Na gut, manchmal ist weniger vielleicht mehr. Tonträger eingelegt, Play gedrückt und los geht es auch schon mit einem sehr netten "Intro".


    "Ein MC mit Herz, du erkennst in jedem Lied/
    Dieser Jephza und Musik leben streng in Monogamie/
    "
    (Jephza auf "Intro")


    Der leider sehr kurze, erste Track macht ziemlichen Spaß; er ist gut geflowt auf einen zum Kopfnicken anregenden Beat mit gängigem Flöten-Sample. Man will ihn am liebsten noch ein oder zwei weitere Male anhören, bevor sich mit gesteigerten Erwartungen den folgenden Titeln von "Supertramp" zugewandt wird. So folgt dann das schon erwähnte "Zum Erlenborn". Jephza blickt in einem melancholischen Grundton etwas unzufrieden auf sein bisheriges Leben zurück. Ungeniert und ehrlich spricht er über Probleme mit Frauen und Freunden, eine verkorkste Schulkarriere und falsch getroffene Entscheidungen. Man fühlt sich dem Künstler in diesem Musikstück sehr nahe und es kommt einem so vor, als würde er sich dem Hörer voll und ganz öffnen – ohne unnötige Übertreibungen, ohne Ironie und Sarkasmus und ohne dabei weinerlich zu wirken.


    "Ich lauf' dreckige Waldwege entlang, von denen mich jeder nur zum Scheitern führt/
    Und das schon jahrelang – ich bin kein dummer Kerl/
    Doch weiß, dass das bei meinem Schulabschluss keiner erahnen kann/
    "
    (Jephza auf "Zum Erlenborn")


    Es folgen der technisch sehr stark gerappte Track "Just want to know" mit einem musikalisch experimentellen Mantel von Plukk.Inn, eine Ode an die Kindheit auf dem Skateboard ("90er Kinder"), in der sehr detailgetreu das Leben zwischen Skatepark, unfreundlichen Nachbarn, der Freude über ein neues Setup und gestandene Tricks wiedergespiegelt wird. Auch der angenehme Titeltrack "Supertramp" ist äußerst hörbar, wegen seiner entspannten instrumentale Untermalung und den lässig geflowten Parts. So viel zu den wirklich starken Momenten dieser Veröffentlichung. Die folgenden Tracks sind natürlich alle keinesfalls schlecht. Der Protagonist versteht es gut, mit seiner prägnanten Stimme zu spielen. Auch an Technik und Flow gibt es kaum etwas zu bemängeln. Das Problem aber sind die lyrischen Aspekte. Vieles klingt so, als wäre es in ähnlicher Form schon einmal da gewesen und man vermisst auch bei einigen Beats etwas mehr Experimentierfreude und Innovation seitens der Produzenten. Natürlich funktionieren seichte Drums, ruhige Gitarren und das ein oder andere Vocalsample immer irgendwie. Blickt man aber auf aktuell angesagte, trappige 808-Banger auf der einen und souligen bis roughen Neo-Boom bap auf der anderen Seite, wirken die hier gebotenen Produktionen teilweise eher lasch, etwas langweilig und nicht wirklich zeitgemäß.


    Wenn dann kurz vor Ende des Albums auf "Der Wackste macht das Licht aus" mit Kumpane Davido versucht wird, mal so richtig auf die Kacke zu hauen, geht der Schuss eher nach hinten los. Jephza wettert gegen Standardphrasen, benutzt im Track aber ebendiese viel zu oft. Und auch seine von Gewaltfantasien geprägten Lines auf "Bahnsteig (Skit)" wirken unpassend. Zwar hängt dieser Track mit einem der wohl tragischsten Erlebnisse des Rappers zusammen, einer beinahe tödlichen Messerattacke, in das Gesamtkonzept von diesem eher ruhigen und nihilistischen Langspieler passt eine solche Ausschweifung jedoch einfach nicht rein.


    "Ich spring' über die Gasse und verdecke/
    Mit dem Rücken meine Flasche und klatsch' sie ihm in die Fresse/
    Dieser Bastard – sein Nasenbein gibt nach, aber ich nicht/
    "
    (Jephza auf "Bahnsteig (Skit)")


    Alles in allem wird gute Kost geliefert, als schlecht oder vollkommen daneben kann man jedenfalls keinen der Tracks bezeichnen. Nur passiert einfach nichts, was es bisher noch nicht gab. Das hat zur Folge, dass der Tonträger sich wenig von anderen Deutschrap-Releases abheben kann. Einige überdurchschnittlich starke Momente hat "Supertramp" definitiv. Vor allem die melancholischen Flashback-Erzählungen beherrscht Jephza besser als viele seiner Kollegen. Jedoch macht die zweite Hälfte nicht mehr ganz so viel her und es bleiben relativ wenige Textstellen und Melodien hängen. Außerdem hätten ein paar Produzenten weniger, dafür aber vielleicht der eine oder andere Beat von Tufu, dem Soundbild sicherlich gut getan. Denn auf instrumentaler Ebene wurde, wie schon erwähnt, größtenteils allenfalls gehobene Durchschnittsware geliefert. Sicher werden eine Menge Menschen Freude an diesem Album haben, aber ob es sich in einem Jahr dann wirklich noch auf den iPods dieser Welt befinden wird, mag man bezweifeln.



    JXHVN (Johann Voigt)

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    Mal eben das beste Deutschrap Album in 2013 gemacht, diese Genetikk Menschen. Aber das mit RZA hätte man auch bleiben lassen können. Irgendwie haben diese Amis nicht so wirklich Lust auf Featureparts mit ausländischen Nummer 1 Künstlern was?!