Beiträge von WoboSolagl

    Im Jahr 2013 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach, den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so Einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...



    Bavarian Blast – Jumptime EP


    Während andernorts rund um den Azzlackrap ein ganz eigener kleiner Sprachkosmos floriert und "Babo" gar zum Jugendwort des Jahres gekürt wird, finden traditionsreichere, teilweise sogar als "altbacken" abgetane Dialekte wesentlich schwerer Einzug in dem Deutschrap zugeneigte Ohren. Nichtsdestotrotz schießen hin und wieder auch kleine Gewächse dieser Art aus dem Boden, wobei Teekanne (Echorausch), Weeh 78 (EMF/Feinkost Paranoia), Grämsn, Spliff (beide Teil der Crew "Doppel D") sowie die L’egojazzer Franz Spencer und Sam Irl alles andere als Jungpflanzen sind und als "Bavarian Blast" jede Menge HipHop-Erfahrung vereinen. Die Gruppe, die nach eigenen Angaben geradezu natürlich zusammenwuchs und den Zusammenschluss dann letztlich mit dem gemeinsamen Auftritt auf einem Festival besiegelte, ist hauptsächlich in und um München beheimatet. Das erklärt nicht nur den Namen des Kollektivs, sondern deutet auch die sprachliche Orientierung an: Auf den vier Titeln der "Jumptime EP" wird bayrisch gerappt und sich beattechnisch vor allem im Oldschool-Bereich bewegt. Plattenknacken und Rauschen, dreckiger Boom bap und ein Hauch von Nostalgie beherrschen das Klangbild, wobei schon auf "Oide Radl", das dem Sprichwort "man lerne auf alten Rädern das Fahren" gewidmet ist, betont wird, dass man selbst nicht "wieder", sondern "immer noch" Freund des Oldschoolsounds sei. Der Titeltrack "Jumptime" besitzt eine jazzige Note und einen deutlichen Cypher-Charakter und kann (sofern das Publikum mitspielt) vor allem durch die Hook wohl auch problemlos live überzeugen. "Phunkdowerbrenna" und "Spiritus Rector" befassen sich zum Schluss hauptsächlich mit Kritik an oberflächlichen Yolo-, SWAG- und Hashtagtrends und einer Szene, die den Schein dem Sein vorzieht oder sich durch Technikbessenheit und Gangster-Attitüde am Inhalt vorbeischummelt. Als Bonus gibt es die vier Instrumentals obendrauf, die auch eigenständig funktionieren und zum Mitnicken einladen.




    Pyro One – Ausgezogen aus Nimmerland


    Pyro One macht Zeckenrap. Auch wenn der Berliner, wie die meisten anderen Künstler auch, lieber einen Bogen um einschränkende Schubladen macht, beugte man sich dem Versuch der Medien, Pyros Musik zu kategorisieren oder findet sich zumindest mit einer möglichst treffenden, wenn auch durchaus kontroversen Bezeichnung ab. In jedem Fall ist das, was er tut – egal ob allein oder beispielsweise als Teil des TickTickBoom-Kollektivs – politisch orientiert. So ist nach den Soloalben "Tränen eines Harlekins" und "Irrlicht" auch das neue Werk "Ausgezogen aus Nimmerland" deutlich von derartigen Aussagen geprägt, gibt sich vor allem musikalisch jedoch deutlich vielfältiger als seine Vorgänger. Hauptthematik des Werks ist die Kindheit beziehungsweise der Wandel vom Kind zum Erwachsenen, der nach Pyros Ansicht teilweise viel zu früh und schnell vonstatten geht oder gar von der Gesellschaft erzwungen wird. Auf "P. Pan" und dem Titeltrack "Ausgezogen aus Nimmerland" nutzt er die "verlorenen Kinder" Nimmerlands aus der Geschichte von Peter Pan als Metapher, um sich spielerisch mit der Problematik auseinanderzusetzen und das, was er sagt, in kindliche Bahnen zu leiten. Andererseits beweist er aber auf "Fensterplatz" und "Endhaltestelle", dass er ebenso die harte Realität von alten Damen, die wegen Eigenbedarf des Vermieters aus ihrer Wohnung geworfen werden oder einer von unkontrollierter Wut und Sinnkrisen zerfressenen Jugend widerspiegeln kann. Musikalisch ist das Ganze breitgefächert untermalt, sodass das Klangbild von sphärischen Synthiesounds über dubstepartige Elemente bis hin zu harten Punkrocktönen reicht, während Pyros stimmlicher Einsatz mit erzählerischem, aber auch technisch versiertem Flow und sogar gelungenen Gesangseinlagen überzeugt. Egal, ob man das Ganze nun als "Zeckenrap", frei von jeglichen Kategorien oder sonstwie bezeichnen möchte, hörenswert ist das sehr vielseitige Album "Ausgezogen aus Nimmerland" allemal.




    Captain Gips – 20.000 Meilen unter dem Yeah


    Kapitän wird man nicht von heute auf morgen und so kann auch Captain Gips, mit dem wir uns tief hinab zu einem Ort "20.000 Meilen unter dem Yeah" begeben, auf einige Jahre an HipHop-Erfahrungen zurückblicken. Diese Erfahrungen beinhalten unter anderem ein indiziertes Album und einen Vertrag beim Hamburger Indie-Label Audiolith. Doch auch, wenn man den Hamburger zuhause kennt, sein Name an die ein oder andere Wand des Gängeviertels getaggt wurde und er sowohl Solo als auch unter anderem mit der Gruppe "Neonschwarz" diverse Platten veröffentlichte, blieb die ganz große Aufmerksamkeit bisher aus. Ob Abtauchen da nun Abhilfe schaffen könnte, ist mehr als fraglich, doch zumindest der Soundtrack dieses Tauchgangs kann sich hören lassen. Das Album ist klanglich ausgefeilt, jazzige Elemente fließen in Boom bap- und Sample-Beats, die melodiösen Klänge von "Gutes Gewissen" unterscheiden sich deutlich von "Fernweh"s wummerndem Sound, bleiben letztlich aber auf einer Wellenlänge. Sein Können als Rapper beweist der Captain bereits auf "Faust in der Tasche" und zeigt, dass man nahezu perfekt angepasst auf einem Beat rappen kann, ohne dass das Ganze ge- oder erzwungen wirkt und leistet sich auch auf dem restlichen Album so gut wie keine flowtechnischen Fehltritte. Inhaltlich ist das Werk ebenfalls vielseitig, auch wenn die ein oder andere Thematik mittlerweile doch etwas sehr ausgelutscht wirkt. Widmungen an Freunde wie "Ohne Euch" oder den eigenen Sohn, den "Lil' Captain", gab es so oder so ähnlich teilweise einfach schon zu oft, wobei der Vergleich des Gangsterraps und seiner Klischees mit den Erlebnissen auf einem Spielplatz als "Sandkastenbusiness" durchaus amüsant ist. So ist der kreative Wortwitz eine der großen Stärken von Gips, egal ob es ihm "zu deutsch in Kaltland" ist und er ein Sammelsurium von Problemen in Land und Gesellschaft erstellt oder er statt des Klick-Klack-Gangstatums des "Thug Life" lieber dem Friede-Freude-Hippietum des "Hug Life" frönt. Neben einer ganzen Reihe witziger Wortspiele ist ebenfalls für eine ordentliche Portion politischer und gesellschaftskritischer Aussagen Platz, welche durch grandiose Highlights wie die Neuauflage von "Dance in the Rain" mit Ira Atari abgerundet werden. Wenn der Captain den Anker lichtet, sollte man also durchaus mal an Deck kommen, um ihm zu lauschen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Zunächst mal danke ich jedem, der sich die Zeit nimmt, das zu lesen, was ich hier fabriziert habe. Insbesondere jenen, die sich dazu noch äußern (sei es nun positiv oder negativ) denn das hilft mir natürlich auch die nächsten Reviews dann dementsprechend besser machen zu können. Ich bin stets bemüht, mir jegliche konstruktive Kritik zu Herzen zu nehmen und sie auch umsetzen zu können.


    Allerdings möchte ich dann doch einem gewissen Punkt widersprechen, welcher gegenüber dessen geäußert wurde, was ich da geschrieben habe. Es geht da jetzt auch gar nicht allgemein um Künstler, die zu wenig Aufmerksamkeit kriegen, dass ist, bedingt durch die schiere Masse an Künstlern leider viel zu oft so und dann passiert es durchaus auch mal, dass jemand der es in den Augen einiger vielleicht weniger verdient hätte, in den Fokus gerückt wird, während andere keine Erwähnung finden. Aber wie gesagt, dass ist nochmal ein ganz anderes Thema, über das man sich stundenlang unterhalten könnte.
    Mir geht es speziell um den Vorwurf, ich würde rappers.in da irgendwie rausnehmen, wenn ich sage, dass NMZS zu wenig Aufmerksamkeit erhalten hat. Das ist schlicht und ergreifend falsch, weil ich mit keinem Wort erwähne, dass das bei uns anders war. Darum geht es bei einer Review auch nicht und ich werde mich hüten, die Rezession irgendeines Werkes dazu zu verwenden, rappers.in besser als andere Seiten, Magazine, Foren, etc. dastehen zu lassen, in dem ich behaupte, dass wir diesen oder jenen Künstler ja schon viel länger im Fokus hätten. Ich erwähne einfach nur den Fakt, dass NMZS zu Lebzeiten nunmal zu wenig Aufmerksamkeit erhalten hat und da denke ich sind wir auch einer Meinung. Dass dies nicht hätte sein müssen, dass man zuvor auch schon über Releases der Antilopen Gang hätte schreiben können/sollen steht auf einem ganz anderen Blatt.


    Wenn ich allerdings lese, dass Leute sich aufgrund dieser Review "Der Ekelhafte" angehört haben, dann habe ich mit damit genau das erreicht, was ich wollte, und was auch einer der primären Zwecke einer Review sein sollte, nämlich Leser auf einen Künstler oder ein Werk aufmerksam zu machen, dass sie ansonsten vielleicht völlig übersehen hätten, einfach weil es so wahnsinnig viele Alben, EPs, was auch immer gibt, die Monat für Monat veröffentlicht werden und es da nicht immer ganz leicht ist, alle herauszufiltern, die es wert wären, gehört zu werden.



    01. Intro
    02. Der Ekelhafte
    03. Düsseldorf Skit
    04. 1984 I
    05. Frag mich nicht
    06. Amok Amok
    07. Tik Tok
    08. Nie so wie ihr
    09. 1984 II
    10. Siegen
    11. Zimmer aus Papier
    12. NMZS Skit
    13. NMZS 2
    14. Gazellenbande
    feat Panik Panzer, Danger Dan & Koljah
    15. 1984 III
    16. Sarkophag
    17. Trance
    feat. Illoyal
    18. Jetzt ist es vorbei


    NMZS (gesprochen Nemesis) ist tot. Als die Antilopen Gang mit der Nachricht vom Suizid ihres Mitglieds am 20. März dieses Jahres an die Öffentlichkeit geht, sitzt der Schock in Rapdeutschland tief. Obwohl dem Künstler zu Lebzeiten nie die Aufmerksamkeit zuteil wurde, welche er verdiente, berichten zahllose Medien vom Freitod Jakob Wichs (so NMZS bürgerlich), während die YouTube-Videos der Antilopen mit hunderten Beileidsbekundungen kommentiert werden. Gemäß Jakobs Wunschs bleibt die Antilopen Gang als solche bestehen und gibt bekannt, dass das Album "Der Ekelhafte" ihres verstorbenen Freundes posthum veröffentlicht werden wird. Seit dem 28. November 2013, dem Tag, an dem NMZS 29 Jahre alt geworden wäre, steht das Album nun zum Verkauf und Gratis-Download zur Verfügung. Sowohl dem Künstler als auch seinem Werk würde Unrecht getan werden, reduzierte man sie nur auf den tragischen Umstand seines Ablebens, sodass man sich bemüht sieht, dies beim Hören von "Der Ekelhafte" möglichst außen vor zu lassen.


    "Thermohose, Regenjacke – yup, ich bin der Ekelhafte/
    Telepizza, Käsenuggets – yup, ich bin der Ekelhafte/
    Tabak in der Federmappe – yup, ich bin der Ekelhafte/
    Der Fehlerhafte, der Ekelhafte/
    "
    (NMZS auf "Der Ekelhafte")


    Der Einstieg in das Album verläuft ruhig. Helle Synthieklänge bauen sich langsam aus dem Hintergrund auf, Basstöne setzen gemeinsam mit NMZS' Stimme ein, welche vor dem geistigen Auge ein einleitendes Szenario entstehen lässt. Passend zum langsamen Flow wankt der Düsseldorfer gemächlich zwischen leeren Flaschen und überquellenden Aschenbechern, Stapeln von Comicheften und angeschimmelten Instantnudeln hindurch. Bis hierhin könnte das Album ebensogut die Fortsetzung des Kollaboalbums "Aschenbecher" mit Danger Dan sein. Doch "Der Ekelhafte" ist weit mehr als der Mikrokosmos einer versifften Wohnung und verschlägt uns an unterschiedlichste Orte und in verschiedenste Stimmungslagen. So fußt der Titeltrack, wie viele Anspielstationen des von Pitlab produzierten Albums, auf Synthieklängen und hartem Bass, ist jedoch mit einer besonders euphorischen, energiegeladenen Note versehen. Stolz schmettert uns Jakob in der Hook den selbstverliehenen Titel "der Ekelhafte" entgegen, treibt die Gedanken an Unordnung und Schimmel per kraftvollem Flow hinaus auf die Straßen Düsseldorfs und schlendert mit uns durch sein teils geliebtes, teils verhasstes Königreich. Nebenbei erfahren wir, wie aus dem "1984" geborenen Jakob Wich "der Ekelhafte" werden konnte, indem wir drei kurzen Intermezzi lauschen. Zunächst als ein vollständiger Track geplant, wurde "1984" in drei knappe Titel gespalten, als NMZS von der vorgesehenen Hook nicht mehr allzu angetan schien, dem Inhalt jedoch zuviel Relevanz beimaß, um ihn völlig verloren gehen zu lassen. Der Beat jedes Drittels basiert auf einem Sample von Jimi Hendrix' "All Along the Watchtower", welches NMZS nutzt, um stichpunktartig, teils erzählerisch, teils exakt auf dem Beat, prägende Aspekte seines Lebens zu erwähnen. Einschulung und Videospiele, die durch ein Fanta4-Tape entfachte Faszination für deutschen Rap, fortgeführt auf Open Mic-Sessions und die sowohl äußerliche als auch innerliche Entwicklung vom Kind zum Mann werden aufgezählt. Wobei man nicht umhin kommt, dem offenen Ende des selbstskizzierten Lebens – "Aber bin gespannt, was noch alles in ihm steckt/ Raupe, Kokon – Butterfly Effect" – nur mit einem Kloß im Hals lauschen zu können.


    "Ich hatte keine Freunde dort, ich wollte keine haben/
    Ich hab' so gut wie nie jemand' zu mir eingeladen/
    Ich saß nur vorm Computer, den ganzen Tag vorm Computer/
    Und machte im Grunde gar nichts – no future/
    "
    (NMZS auf "Siegen")


    Neben "Gute-Laune-Sound" und kratzigen Gitarrenriffs wartet das Album jedoch ebenso mit düsteren Klängen und dementsprechenden Texten auf. So handelt es sich bei "Siegen" etwa um das drastische Resümee der Studienzeit des Antilopen Gang-Mitglieds. Wo andere von durchzechten Unipartys und Ähnlichem erzählen würden, spricht NMZS über Vereinsamung und Isolation. Die Entfremdung von seinem Umfeld wird dabei instrumental von hartem Bass, sanften Streichinstrumenten und düsteren Pianoklängen bestens unterstrichen. Um der immer auswegloser scheinenden Situation seines Eremitendaseins einen besonders drastischen Charakter zu verleihen, steigert sich der zunächst leise, erzählerische Flow des Rappers unauffällig bis zum Ende hin in fast hysterische Stimmlagen und veranschaulicht auf großartige Weise, wie sich in einer nach außen hin vermeintlich leisen Lebensphase innerlich jede Menge Verzweiflung und Wut anstaute. Die Interaktion von Flow, Text und Beat spielt auch auf "Tik Tok" eine wesentliche Rolle und verdeutlicht hier besonders den kollektiven Zeitdruck, welchem sich die Gesellschaft unterwirft. Wo "Amok Amok" beispielsweise durch sehr langsame Rapparts an Nachdruck zunimmt, beweist NMZS auf erstgenanntem Track, dass ihm auch die andere Seite des Spektrums, schneller Rap auf schnellem Beat, hervorragend liegt und er den Text exakt auf den Takt des Instrumentals rappen kann. Die Symbiose dessen veranschaulicht das stete Gefühl nahezu perfekt, von der inneren Uhr ebenso wie von der am Handgelenk durchs Leben gehetzt zu werden, ohne dabei Abstriche bezüglich seines Klangbilds machen zu müssen. Während hier also passende, harmonisierende Einzelteile zu einem großen Ganzen vereint wurden, geschieht im "Zimmer aus Papier" etwas Gegenteiliges, jedoch mit ebenso gelungenem Ergebnis. Die fast schon poppige Rocknummer, die in der Hook sogar Gesangselemente vorweisen kann, scheint dem textlichen Inhalt zunächst zu widersprechen, wenn NMZS das Arbeitszimmer seines Vaters fast schon im Singsang umschreibt. So könnte die schiere Masse an Gegenständen und Kuriositäten, welche sich hier sammelt, beängstigend und überfordernd wirken, wird von Beat und Hook jedoch eher in eine Art Abenteuerspielplatz statt eines heillosen Durcheinanders verwandelt. Jakob verdeutlicht die Wertschätzung, welche er seinem Vater entgegenbringt, indem er Zeile um Zeile neue Papierberge vor dem geistigen Auge des Zuhörers erscheinen lässt und diesen geradezu biblische Ausmaße verleiht, als er sie mit dem Turmbau zu Babel in Verbindung setzt.


    "Rap ist deine Bitch? Wie lächerlich ist dis?/
    Rap ist deine Mama, junger Mann, Hände auf den Tisch/
    Hände vors Gesicht, kein Ende ist in Sicht/
    Sogar deine Lehrerin mit Hängetitten spricht nur noch über mich/
    "
    (NMZS auf "NMZS 2")


    "NMZS 2" bildet das Sequel zum 2007 auf der "Trash"-EP veröffentlichten Track "N-M-Z-S" und verdeutlicht die Entwicklung des Künstlers wie kaum ein anderer Titel. Zwar bewies Jakob schon damals durch schnellen, akkuraten Flow und eine geknurrte Hook sein Talent für aggressive Battletracks, kann mit der Fortsetzung aber noch wesentlich mehr Können aufzeigen. Auch wenn ein wenig des damals vorhandenen jugendlichen Bisses auf dem neuen Stück vermisst werden könnte, besticht "NMZS 2" durch ein wesentlich besseres Klangbild und einen deutlich ausgefeilteren Text, der sich auch inhaltlich wohldurchdacht und technisch versiert zeigt. Doch auch den lyrischen Aspekt sucht man auf "Der Ekelhafte" keinesfalls vergebens. "Sarkophag" und "Trance" mit Illoyal befassen sich mit obskuren, mystischen Themen in Verbindung mit Comic- und Sci-Fi-Elementen, immer wieder großartig von der beattechnischen Arbeit Pitlabs unterstützt. Auf ersterem Track prasselt ein regelrechter Platzregen aus schrillen Synthieklängen auf den Hörer nieder, während dunkle Basswolken über ihn hinwegziehen und die Nacht als omnipräsentes, übermachtiges Wesen dargestellt wird. Das verzerrte Gesangssample, welches das instrumentale Fundament liefert, um uns in "Trance" zu versetzen, erreicht besonders durch Illoyals sehr eigenen Flow eine hypnotische Tendenz, die den Featurepart mehr als legitimiert. Die einzigen anderen Gastbeiträge des Albums stammen selbstverständlich von der Antilopen Gang ("Nee, Dings hier, Gazellenbande"), die sich in einigen ihrer Paradedisziplinen beweist. Dreckiger Humor, schonungslose Kampfansagen gegen alles und jeden (einschließlich sich selbst) und eine Hook, die man gefühltermaßen schon beim erstmaligen Hören mitgrölen kann, sorgen für ein absolutes Highlight des Albums. Dass die Parts von Panik Panzer und Danger Dan erst nach NMZS' Ableben entstanden sind, kann man den Zeilen "NMZS sucht 2Pac, gute Reise" sowie "Es wartet N mit der Axt am Ende dieses Tunnels" entnehmen, lassen den traurigen Umstand jedoch nur angedeutet, um der angriffslustigen, energiegeladenen Stimmung des Tracks nicht zu schaden. Denn letztlich kann man den tragischen Hintergrund beim Hören des Albums nie ganz außen vor lassen, was besonders beim Schlusstitel "Jetzt ist es vorbei" der Fall ist. Ruhige Gitarrenklänge und eingestreute Pianotöne sorgen für einen angenehmen Sound, auf dem Jakob davon berichtet, über eine vergangene Beziehung allmählich hinweg zu sein. Dass sich hier im Nachhinein einige neue, unangenehme Ebenen erschließen, steht außer Frage, sollte aber nicht von dem ablenken, was "Jetzt ist es vorbei" ist: ein wunderbarer Song, in dem sich Hoffnung, doch auch eine Prise Verzweiflung wiederspiegeln. Genau so wie der Umstand, verletzt zu sein, aber auch eine langsam beginnende Heilung. Der Track rundet nicht nur das Album in seinem Verlauf, sondern auch die Vielfältigkeit seines Klangbilds ab.


    Fazit:
    Was sich auf Werken wie "Trash", "Aschenbecher" und "Motto Mobbing" bereits abzeichnete, wurde hier auf 18 Anspielpunkten (zuzüglich einem Bonustrack auf der CD) letztlich in vollem Ausmaße klar: NMZS strotzte nur so vor Facettenreichtum und musikalischer Vielfältigkeit, war nicht nur ein Freestyle-Genie, sondern wusste auch auf Albumlänge mit comichaftem Humor wie auch analytischer Ernsthaftigkeit zu überzeugen. "Der Ekelhafte" ist ein Album, das sich einerseits um die Welt des "Ekelhaften" rankt, andererseits aber auch Einblicke in das Innenleben von Jakob Wich gewährt und sich dabei klanglich wie auch textlich keine Makel erlaubt. Synthiesound, wummernder Bass und 68er-Gitarrenriffs werden mit energiegeladenen Battletexten, kritscher Selbstwahrnehmung und okkulten Horrorszenarien vereint und bilden so das Meisterwerk eines Mannes, dem es stets gelang, auch im Ekel noch Schönheit zu finden. "Der Ekelhafte" einen "Abschluss" zu nennen, wäre wohl mehr als falsch und sollte stattdessen als Meilenstein auf dem Schaffensweg eines Künstlers gesehen werden, der viel zu früh von uns schied.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Im Jahr 2013 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach, den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so Einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...



    grim104 – grim104


    Zugezogen Maskulin stehen seit Kurzem bei Buback Tonträger unter Vertrag, weswegen das Hamburger Indie-Label die Hörerschaft im November gleich doppelt beliefert. Neben dem Re-Release von Testos "Töte deine Helden"-EP meldet sich auch die andere Hälfte des Duos zu Wort. grim104 veröffentlicht eine nach ihm benannte EP, die nicht nur die bisherigen ZM-Fans begeistern dürfte. Mit ordentlich Wut im Bauch, welche sich in fast schon geschrienen Strophen manifestiert, steigert er den omnipräsenten Kloß im Hals der Gesellschaft zu horrorfilmähnlichen Szenarien und macht überdeutlich, was ihm an der Welt nicht passt. Sphärische Beats wabern unauffällig im Hintergrund, während grim104 die kollektive Aufbruchs- und Revolutionsstimmung auf "Der kommende Aufstand" in drastischste Ausmaße wachsen lässt oder gemeinsam mit Partner Testo die Fehlentwicklungen der Rapszene hin zu Bodybuilderrap und Instagram-Pseudokultur als "Dreck Scheisse Pisse" anprangert. Zwischen den ruhigen Klavierklängen von "Ich töte Anders Breivik" und dem finsteren Sound des Anti-Hinterlands "Crystal Meth in Brandenburg" herrscht eine durchweg bedrückende Grundatmosphäre, auf der grim104 desillusionierte Ansichten mit fiktiven Gruselbildern vereint. "grim104" ist experimenteller Flow und atmosphärischer Sound als personifzierte Symbiose aus Hass und Nihilismus, verpackt in aggressiven und doch irgendwie humorvollen Texten. Definitiv mehr als hörenswert.




    Testo – Töte deine Helden


    Die zweite ZM-Veröffentlichung im November ist das Re-Release von Testos "Töte deine Helden"-EP, welche vor circa einem Jahr erstmals das Licht der Welt erblickte. Die neue Version weist eine leicht abgeänderte Tracklist auf, beschränkt sich jedoch weiterhin auf 6 Titel. Während sowohl das Feature mit grim104, "Diktatur der Gegenwart", als auch "Shawn Carter Syndrom" ersetzt wurden, erhielt "Champagner für alle" schlicht ein neues Gewand und wirkt im Vergleich zum fast schon euphorischen Sound des Originals deutlich enttäuschter und finsterer. Allgemein ist das Klangbild der EP sehr düster und dumpf, seien es nun die ruhigen, von Meeresrauschen umspielten Töne auf "Yolo" oder der wummernde Bass samt hartem Schlagzeug auf "Töte deine Helden". Mit Gesellschaftsanalyse samt ernüchternden Ergebnissen als Leitfaden bewegt sich Testo im Alleingang durch dröhnende Bässe, während er mit tiefer, kraftvoller Stimme die Anfänge seines Lebens skizziert, die destruktiven Facetten von Liebe und Eifersucht beschreibt oder sich in die durchgeknallten Gedanken eines Groupies hineinversetzt. Testo wirkt wie der ruhige, düstere Gegenpol zu grim104, bedient sich einer weniger bildhaften, metaphorischen Sprache, bleibt dabei jedoch ebenso analytisch nüchtern und verfügt zudem über einen deutlich konstanteren Flow. Durch die Unterschiede zur 2012 releaseten Version sollte die "Töte deine Helden"-EP nicht nur für ZM-Neulinge, sondern ebenfalls für Fans des Originals mehr als interessant sein.




    Zarte Lust – Zärtlich währt am längsten


    Die Federballklikke wird von jenen, die mit dem Namen überhaupt etwas anfangen können, zunächst wohl vor allem mit Persteasy und Naya Isso assoziiert. In zweiter Reihe fällt einem dann aber sicher auch dieser bärtige Typ ein, der besonders nach seinem Auftritt in der VBT-Splash!-Runde des Federball-Kollegen Persteasy gegen Akne von einer breiteren Masse wahrgenommen wurde. Nach dieser kleinen Acapella-Einlage stellte Zarte Lust dann im regulären VBT '13 im Alleingang sein Können unter Beweis, bevor er zu Gunsten eines Indonesienurlaubs vorzeitig aus dem Turnier schied. All jene, die nun mehr Lust auf Lust verspüren, können sich eine Portion Zärtlichkeit im Internet abholen und sich die vier Tracks plus Intro starke EP "Zärtlich währt am längsten" downloaden. Von Anfang an wird hier klar, dass der Rapper auch ohne Gegner eine gute Figur macht und ihm themenbasierte Texte ebenso liegen wie der Zweikampf mit anderen Künstlern. Sehr ruhige Töne, die hauptsächlich aus der Feder des Australiers Allan McConnell stammen, dominieren das Klangbild der EP und bilden eine entspannte Kulisse für Zarte Lust selbst. Die Klavierklänge von "Wolpertinger im Orbit" etwa bleiben konstant simpel, um dem Rapper den Platz zu bieten, den er benötigt, wenn er von Kindheitserinnerungen, dem Reisen durch Zeit und Raum und dem Fliegen durch Luft und Weltall erzählt. Mit ruhigem, klar verständlichen Flow schildert er uns seine Ansichten zu "Nationalstolz" und historischer Kollektivschuld, gibt eine ganze Reihe von Anekdoten rund ums runde Leder und Fußballspieler wie "Uwe Gospodarek" zum besten oder erzählt uns von Clubs und Bars in Kiel. Wer weniger Interesse an Fußball oder dem Kieler Nachtleben hat, kann sich immer noch an sanften bis energiegeladenen Beats erfreuen und dem durchweg angenehmem Flow mit der ein oder anderen Gesangshook lauschen, wodurch "Zärtlich währt am längsten" ein kleines, aber vielseitiges Schmuckstück darstellt.




    Stoney Styles – Höchstprofessionell


    Wenn mehr als ein dutzend Menschen gemeinsam Musik machen und dies dann auch noch unter dem Namen "Stoney Styles" stattfindet, liegt zunächst wohl die Vermutung nahe, dass das Endprodukt meist eher chaotisch und wirr, als wirklich professionell ausfallen dürfte. Doch genau diese Meinung wollen die Stoneys nun Lüge strafen und betiteln die neueste Mixtapeveröffentlichung sogar als "Höchstprofessionell". Dass hier von durchaus begabten Künstlern die Rede ist, wurde bereits von Leuten wie DJ Matsimum anhand einer Vielzahl von Liveauftritten und Produktionen oder durch den Einzug des Rappers Tamo-Flage ins Finale des VBTs 2011 bewiesen, sodass man dem neuen, zwölf Titel starken Werk durchaus Gehör schenken sollte. Tatsächlich stellt sich die große Mitgliederzahl, die sich neben Producern, Rappern und DJs auch aus Tontechnikern, Sängern und Rockmusikern zusammensetzt, als Vorteil heraus, denn sie ermöglicht es, in Sachen Vielfältigkeit aus dem Vollen zu schöpfen. Oldschool-Boom-bap ertönt hier neben fast schon rockigen Beats oder wird mit Klängen asiatischer Musik bereichert, während unterschiedlichste Stimmlagen, Flowarten und Gesangseinlagen ihr Übriges tun. Auch thematisch lässt sich ein breites Spektrum abstecken und man gibt Lobeshymnen an jeden "Medizinmann" dieser Welt zum Besten, nimmt den Zuhörer auf eine Reise rund um den Planeten mit oder feiert einfach eine riesige "Party" samt lallender Unterhaltung auf dem "Heimweg". Der Titeltrack stellt sich hierbei als absolutes Juwel des Tapes heraus und liefert knalligen Sound samt eingängiger Hook sowie amüsantem Textinhalt. Egal, ob das versendete Merch ein wenig streng riecht oder das Finanzamt den Status eines Brieffreundes verliehen bekommt, die Stoney Styles zeigen sich hier von ihrer "professionellsten" Seite. Auch, wenn der Name also mit einem großen Augenzwinkern zu verstehen ist, bedeutet "Höchstprofessionell" jede Menge Abwechslung und Vielseitigkeit, verpackt in großartigem Sound.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    01. Ich liebe meinen Flow
    02. Komm wir rappen
    03. Giraffenrap
    04. Arbeitstitel: Neidesliste
    05. Linke Seite/Rechte Seite
    06. Triff mich
    feat. Döll
    07. Samstag halb 4
    08. Ich und meine Jogger
    09. ... als Arbeitsamt
    10. Schicht don't kill my Vibe
    11. Free


    "Hoes, Flows, Moneytoes" – drei Wörter, die einen essenziellen Grundstein für die in Deutschland präsente Battlerap-Kultur bildeten, als Westberlin Maskulin 1997 unter diesem Titel ihr Debütwerk veröffentlichten. Die Trennung des Duos erfolgte 2000 und während Taktlo$$ sich in den Folgejahren als eine der kontroversesten und polarisierendsten Kultfiguren im Untergrund etablierte, stieg Kool Savas zum "King of Rap" in Deutschland auf. Eine Anlehnung an diesen Meilenstein kann also sowohl Zeichen absoluter Selbstüberschätzung als auch eine Hommage an die alten Tagen des deutschen Raps sein. Im Falle von Marz liegt wohl die Tendenz zu Letzterem näher, handelt es sich bei dem Stuttgarter doch keinesfalls um einen übereifrigen Jungspund, sondern um einen Künstler, der vor allem als Gründungsmitglied und Teil der Crew Black'n'Proud mit ein paar Releases und jeder Menge Live-Erfahrung als Vorgruppe von großen Namen wie Masta Ace, KRS-One und Taktlo$$ selbst aufwarten kann. Da mit einem Mixtape zum kostenlosen Download zunächst aber wohl nur wenig "Moneytoes" eingefahren werden können, wurden diese kurzerhand gestrichen. Und so lautet Marz' Devise nun: "Hoes. Flows. Tomatoes.".


    "Es ist Zweitausend und Marz, scheiß' auf den Umsatz/
    Ja, ich rappe nur in meiner Freizeit und zum Spaß/
    Bleib' high vom Kush, ja, höre zu viel Kendrick/
    Bin wie Jordan 81 – cool, doch keiner kennt mich/
    "
    (Marz auf "Ich liebe meinen Flow")


    "Der beste Rapper der Welt" sind die ersten Worte, welche wir von Marz auf "Hoes. Flows. Tomatoes." zu hören bekommen, bevor sie nach einer kurzen Pause durch "Ist leider tot, also versuch' ich's mal" ergänzt werden. Der Stuttgarter bleibt, abgesehen von der einen oder anderen scherzhaft gemeinten Aussage, stets bodenständig, sei es nun in Sachen Representing auf "Giraffenrap" oder beim gemeinsamen Aus-dem-Nähkästchen-Plaudern mit Döll auf "Triff mich". Fernab von "Ich bin das nächste große Ding"-Gerede gibt er sich realistisch, fordert aber durchaus das Gehör der Szene ein, wenn er mal etwas zu sagen hat. Die Szene dürfte wohl auch durchaus gerne lauschen, wenn auf oldschooligen, samplelastigen Boom bap-Beats entspannter Flow zum Besten gegeben wird. Schon "Ich liebe meinen Flow" lädt zum sofortigen Mitnicken ein, wenn auf der von Lord Finesse "geliehenen", jazzigen Sampleunterlage Base und Drums einsetzen und Marz zwischen eingescratchten Lines von Big L, Manuellsen, Savas oder Mobb Deep loslegt. Die Thematik beschränkt sich auf ein paar kurze, nicht großartig aussagekräftige Worte aus Marz' Leben sowie auf seine Liebe zum HipHop, was auf den folgenden Liedern zunächst auch so fortgesetzt wird. An diesen wie auch an anderen Stellen des Tapes, welche keinem speziellen Hauptthema folgen, lässt sich jedoch auch eine gewisse inhaltliche Schwammigkeit ausmachen, die dem Hörer das Gefühl mangelnder Substanz vermittelt. Denn auch wenn etwa "Komm wir rappen" oder "Giraffenrap" jeweils mit Gute-Laune-Sound und Oldschooleinfluss per Freunde-der-Sonne-Hook beziehungsweise Klimperbeat und Dendemann-Scratches klanglich zu überzeugen weiß, bleibt dem Gesamteindruck doch eine gewisse Leere anhaften. Während hier also vor allem die Arbeit von Produzenten wie den Patchworks oder Sterio überzeugen muss, sind es speziell die Titel mit inhaltlichem roten Faden, beispielsweise die Fußballhymne "Samstag halb 4" oder "Arbeitstitel: Neidesliste", auf denen Marz sein Können unter Beweis stellt.


    "Also gib mir mal Patte oder Pillaths alten Flow/
    Wollte immer Sidos Maske, heute will ich sie von Cro/
    Ich will, dass ihr votet, ich will seine Quote/
    Bei Vergleichen muss man jetzt das 'Wie' weglassen – MoTrip/
    "
    (Marz auf "Arbeitstitel: Neidesliste")


    Dass der Stuttgarter trotz der deutlich vorhandenen Note Rapnostalgie, welche dem gesamten Mixtape innewohnt, keineswegs ein verkrampfter Oldschooler ist, zeigt sich spätestens bei "Arbeitstitel: Neidesliste", wenn Marz sich auf einem energiegeladenen Patchworks-Beat durch die halbe Szene rappt. Er findet bei so ziemlich jedem Künstler etwas, um das er ihn beneidet – seien es nun Kollegahs Vergleiche, die Handzeichen von Kraftklub oder gar der Tanz von KAAS. Zudem ist er der Meinung, auch der größte Dende-Fan müsse mal beim Haftbefehl-Konzert ganz vorne stehen. Das Thema "Liveauftritt" spielt auch auf "Linke Seite/Rechte Seite" eine große Rolle. Marz beschreibt den Mikrokosmos "Livepublikum" und gibt die ein oder andere Konzerterfahrung, von denen er wohl zu Genüge gesammelt haben dürfte, von sich, während Dexter ihm dafür eine wundervolle Symbiose aus melodischem Sound und klassischem Boom bap gezaubert hat. Auch hier folgt Marz zwar einer Hauptthematik, bleibt dabei leider aber zu oberflächlich und irgendwie undetailliert. Auch wenn er sich meist abseits der Phrasendrescherei bewegt, sind dennoch wirklich innovative, hervorstechende Zeilen oftmals Mangelware.
    Wo man bei knapp sieben verschiedenen Beatproducern ansonsten eine unkonstante Stimmung des Klangbilds befürchten könnte, ist der Sound auf "Hoes. Flows. Tomatoes." sehr einheitlich, wirkt trotz deutlicher Konzentration auf Elemente und Klänge der Alten Schule dazu auch noch frisch und klar. Zwischen der beattechnisch deepen Liebeserklärung ans Lieblingsoutfit "Ich und meine Jogger" von Kollege Schnürschuh und The Gunnas harten, knackigen Snares auf "Schicht don't kill my Vibe" sucht man vergebens nach Plastikbeats für das Mainstream-Ohr. Denn besonders letzterer Titel stellt noch einmal klar, dass Rap für Marz aktuell noch eher Freizeitbeschäftigung ist und dass die Kohle eben vom Malochen kommt, nicht vom Versuch, Nutznießer eines aktuellen Hypes zu sein. Andererseits hätten gewisse Ambitionen in Richtung Hit dem Mixtape jedoch nicht geschadet, denn letztlich bleibt trotz der ein oder anderen eingängigen Hook und jeder Menge Kopfnick-Faktor der eine große Track aus, der stellvertretend für das gesamte Mixtape stehen könnte. Vom Grunde her solide, aber das Glanzstück fehlt dabei leider auch. Alles in allem kommt das Ganze trotzdem ohne Zugpferd aus und kann sich als Mixtape durchaus behaupten.


    Fazit:
    "Hoes. Flows. Tomatoes." steht genau wie Marz selbst für kompromisslosen, dreckigen Sound und viel Liebe zu HipHop. Samplebeats und Plattenkratzen, Scratches und Anekdoten aus diversen Zeiten des Deutschraps werden mit der nötigen Frische zum Besten gegeben und zwischen FDS- und Dendemann-Zeilen findet man auch noch Freude an der Musik von Fler und Cro. Obwohl nicht jede Zeile hängen bleibt und ein, zwei Titel allzu schnell wieder vergessen sind, machen vor allem die themenfokussierten Tracks den Reiz dieses Mixtapes aus und verdeutlichen, dass Marz das, was er sagt, auch so meint und lebt. "Hoes. Flows. Tomatoes." ist nicht nur eine legitime Hommage an WBM, sondern Deutschrap in all seinen Facetten, sodass man ihm nur wünschen kann, dass das Ganze bald auch ein paar "Moneytoes" mit sich bringt.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Nissenkamm
    02. Herberge
    03. Kein Foto
    04. Wunschland
    feat. Me$$age
    05. Träume von Liebe


    Wer sich schon länger mit dem seit 2010 existenten Duo Illoyal & BassDeaph beschäftigt, hat bereits so einiges mit ihm erleben dürfen. Zu Anfang gab es "Lieder kurz vor Schluss", woraufhin alles "zu Bruch" ging und wir in einem unendlichen Krankenhaus landeten, wo wir letztlich einige "Räuberpistolen" der beiden zu hören bekamen. Seit jeher steht die MC-Producer-Kombo für BassDeaphs recht eigensinnige, teils merkwürdige Beats in Verbindung mit den recht eigensinnigen, teils merkwürdigen Texten von Illoyal und wird von jenen, welche ihre Werke zu Ohren kommen, entweder zu widerlichem Müll oder grandioser Kunst erklärt. Auch jetzt, wo ein Boxer zu Grabe getragen werden soll, lässt sich wohl schon zuvor sagen, dass die Musik, der es dabei zu lauschen gilt, alles andere als einstimmig aufgenommen werden wird ...


    "Nutte, das ist Marx – Menschen werden einander zu Sachen/
    Ich liebe dich, also deine Konturen, das Fassungsvermögen deines Rachens/
    Und den Lebensstil, in den ich mich einkaufen möchte/
    Die Doppelhaushälfte bedarf noch einiger Gliedmaßen als Bauklötze/
    "
    (Illoyal auf "Herberge")


    Als Einführung in das Begräbnis in fünf Akten gibt es einen Ausschnitt aus Helmut Dietls "Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" zu hören. Die Symbiose aus verspielten Metaphern ("Du, der Riese im Land der tödlichen Leidenschaften") und schmerzhaft direkten Aussagen ("Seit ich euch kenne, bin ich verstopft. Ich will wieder scheißen können wie früher auch!") geht hervorragend mit Illoyals Texten einher, welche zwischen philosophischen Andeutungen und ekelerregenden Bildern schwanken. Auf dem fast schon disharmonisch wirkenden Geschepper von BassDeaphs Base und Drums packt der Rapper den "Nissenkamm" aus und frönt zeitgleich ästhetischem Kunstanspruch wie bitterem Fäkalhumor. Während sich im Hintergrund leise ein düsteres Surren in den Beat schleicht, wird uns beschrieben, wie das in den Brunnen gefallene Kind zu einer Art Amphibienwesen mutierte und im Anhang das bürokratische Bestreben, einen Menschen in Akten und Dokumente zu spalten, kritisiert. Schauermärchen und Gesellschaftskritik gehen Hand in Hand. Im Grunde kann der Hörer bereits hier festmachen, wie er zum gesamten Werk steht und ob er dem, was das Duo von sich gibt, etwas abgewinnen kann oder nicht. Ob er sich durch ein oberflächliches Begutachten abschrecken lässt oder seine Freude an der tieferliegenden, kreativen Ader hat. Denn trotz der ein oder anderen Variation innerhalb der Titel weichen weder Illoyal noch BassDeaph vom begonnenen Schema ab. So hört sich der Beat zu "Herberge" zunächst schon fast zu konstant und "normal" an, erhält durch Illoyals eher gesprochene Vortragsweise und verzerrte Auszüge aus alten Bushido- und WBM-Texten dann jedoch schnell die typische, groteske Note des Duos. Die zweite Hälfte des Liedes wird von einer schnellen Snare in Kombination mit einem sirenenartigen Jaulen untermalt, während textlich die Reihenhaussiedlung samt vermeintlich gesichertem, gut situiertem Leben gestürmt wird.


    "Um die Klarheit von Wasser zu bewahren, schütten wir Chlor hinein/
    Und suchen in dem von uns vergifteten Liquid nach Geborgenheit/
    Egal, wie klar das Wasser ist, wer darin das Weite sucht/
    Tief genug bersten wir alle unter seinem Druck/
    "
    (Me$$age auf "Wunschland")


    "Wunschland", welches in Zusammenarbeit mit Me$$age entstand, gibt sich vor allem beattechnisch wieder deutlich kompromissloser: Hier wird der Track mit einem scheppernden Schlagzeugsolo eröffnet und mit scheinbar rückwärtslaufenden Klängen ergänzt, um eine recht bedrückende Grundatmosphäre zu schaffen. Auch wenn sich Me$$age, der bereits auf "Räuberpistolen" zu hören war, eines ähnlich sprechlastigen Flows bedient, orientiert er sich doch deutlich eher am Beat sowie einer festen Thematik. Zwar ist auch er darauf bedacht, die Aussage seiner Zeilen leicht diffus wirken zu lassen und viel Platz für Interpretationen zu bieten, bezieht vieles aber auf den Kontext "Wasser", um einen roten Faden anzulegen. Wer ähnliche, klar ausgelegte Strophen von Illoyal selbst hören möchte, sollte sich vor allem "Kein Foto" zu Gemüte führen ... Obwohl es selbst für die hartgesottensten Hörer, die auch die widerlichsten Ekelbilder und grausigsten Metaphern sonst mit einem Grinsen quittieren, kein leichter Weg dorthin sein sollte. Zunächst tauchen wir nämlich in die Abgründe des abendlichen Fernsehprogramms, wo wir den Teilnehmerinnen einer Modelcastingshow lauschen, die uns unter görenhaftem Geschnatter erklären, welchen monetären und sozialen Wert Schuhe mit roter Sohle haben. Nachdem dies, mit leicht flauem Gefühl im Magen, überstanden ist, prangert Illoyal Oberflächlichkeit, Jugend- und Schönheitswahn sowie den aufgezwungenen Sexismus der Gesellschaft an, ohne diesmal in allzu verworrene, konstruierte Metaphern und Bilder zu verfallen. Dadurch ist "Kein Foto" der für das Kollektivverständnis wohl am leichtesten zu verdauende Text. Den Abschluss von "Der Tod eines Boxers" bildet das im Vergleich zum sonst recht wirren Klangbild fast schon melodiös anmutende "Träume von Liebe", welches uns mit Drums, Wasserplätschern und sanften Klimpereien überladen um die Ohren rauscht. Zwischen Erläuterungen Illoyals, welche Körperflüssigkeiten sich des Nachts in sein Bett ergießen, und einer kleinen Anspielung an NMZS und Danger Dan ("Ich komme aus dem Nichts, ich gehe in das Nichts und dazwischen liegen nasse Betten, nasse Betten") lässt er sich hier sogar zu einer gesungenen Hook hinreißen. Sein gesangliches Talent ist dabei jedoch, wie so ziemlich jeder andere Aspekt des Albums, Geschmackssache.


    Fazit:
    Auch wenn es für jemanden, der Gefallen an der Musik von Illoyal & BassDeaph findet, wohl einfacher zu verstehen ist, warum andere Menschen keinen Hörgenuss darin sehen, als andersherum, ist das Duo ohne Zweifel Meister seines Fachs. Kompromissloser Sound mit passend unpassendem Text, bewusst jenseits des allgemeinen Geschmacks angesetzt und doch angereichert mit künstlerischem Streben und wohldurchdachtem Inhalt. Teilweise bis zur Schmerzgrenze disharmonische, verzerrte und überladene Beats von BassDeaph dienen als Unterlage für Illoyals Sprechgesang, bei dem "Sprech-" definitiv überwiegt und der an vielen Stellen komplett ignorant gegenüber Timing oder Taktgefühl zu sein scheint. Doch genau das ist es, was die Faszination hierbei ausmacht: Die Ästhetik in ihrem Innersten bewusst verzerren und verdrehen können, dabei dennoch einem eigenen Anspruch an Kunst und Aussage gerecht zu werden. "Der Tod eines Boxers" ist sicher nicht jedermanns Sache, aber für Fans definitiv ein Goldstück.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Im Jahr 2013 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach, den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Toomb – Perspektivenwechsel


    Während die meisten Rapper den Einsatz ihres mehr oder minder vorhandenen, schauspielerischen Könnens auf Musikvideos beschränken, kann Toomb in seiner Vita neben einer ganzen Reihe an VBT-Videos mit einer Rolle in der Verfilmung des Buches "B-Side – wenn das Leben dich f***t!" sowie dem Protagonistenpart in einem HipHop-Musical aufwarten. Auch in seiner Diskografie ist bereits von ein paar EPs und Alben zu lesen, welche er meist als Teil des Duos Complex und Toomb veröffentlichte. Nun wagt sich der Rendsburger an ein erstes großes Soloprojekt mit dem Titel "Perspektivenwechsel". Der Name ist Programm und so schlüpft Toomb in vielen der 13 Lieder in eine Rolle, um aus der Perspektive verschiedener Akteure zu berichten und mit schauspielerischem Geschick zu erzählen. "Atmen, Bluten" etwa handelt vom fatalen Ende einer Beziehung, welches er durch den Mord an seiner Freundin besiegelte, bis Schuld und Verzweiflung ihn letztlich in den Suizid treiben, während sich Toomb auf "Candyman" an die Psychoanalyse eines RTL-Redakteurs wagt und dessen Charakter auf originelle Weise beleuchtet. Wer den Rapper bisher also nur von seinen VBT-Teilnahmen her kannte, wird sich hier nun auch von dessen erzählerischen Fähigkeiten überzeugen lassen können. Meist recht flüssiger Rap sowie schnelle Tempowechsel zeugen dabei sowohl vom lyrischen, als auch vom raptechnischen Geschick Toombs. Textlich wird er auf "Perspektivenwechsel" unter anderem von Partner Complex unterstützt, während für das meist recht düstere, hauptsächlich synthiebasierte Klangbild in erster Linie Daniel Baseline verantwortlich zeichnet. Wer den "Perspektivenwechsel" mit eigenen Augen sehen will, kann getrost einen Blick auf die Website von Complex und Toomb wagen und das Ganze selbst unter die Lupe nehmen.





    Shawn The Savage Kid – Kennen wir uns?


    Kennt ihr Shawn The Savage Kid? Nein? Wenn ihr bisher nichts von dem MC mit namibisch-deutschen Wurzeln gehört habt und auch noch nicht auf sein Video zu "Fußball" gestoßen seid, habt ihr jetzt die Möglichkeit, in die Debüt-EP "Kennen wir uns?" zu schnuppern, die im November mit zwei zusätzlichen Bonustracks in digitaler und sogar Vinylform zu erwerben sein wird. Wiedererkennungswert hat der Regensburger allemal, zeichnet er sich doch durch eine angenehm leichte Stimmfarbe, ein gewisses, gesangliches Talent und detailverliebte Texte aus. "Polizist" etwa erzählt die Geschichte eines übergewichtigen Gesetzeshüters, der die Flucht aus seiner Lebens- und Joblethargie wagt, als er eine Stripperin kennenlernt und sich in sie verliebt. Ohne viele Worte gelingt es Shawn, ein detailiertes Bild der Szenerie und der darin befindlichen Charaktere aufzubauen, während seine leise Gesangshook das Wiederfinden der Lebensfreude beschreibt, ohne übertriebene Euphorie erzwingen zu wollen. Die meist sphärischen, ruhigen Sounds und gelungenen Texte wirken nie aufdringlich und lassen dem Zuhörer stets die Wahl, ob er der erzählten Geschichte folgen oder nur dem angenehmen Klangbild lauschen möchte. Shawn kann auf leisen, raumfüllenden Synthie-/Jazz-Nummern wie "Kennen wir uns?" ebenso wie auf den härteren Synthieklängen von "Clubhass" überzeugen, sodass alle vier Titel der Gratis-EP ein einheitliches, doch zugleich vielfältiges Bild zeichnen. Ein Bild, welches dafür sorgt, dass man den EP-Titel gerne mit einem "Ja" beantwortet.





    Partizan – Atemlos


    Partisanen sind für gewöhnlich Kämpfer, die im Herrschaftsgebiet einer anderen Gewalt handeln. So gesehen passt Andrej Murašovs Künstlername Partizan zunächst also ganz gut, ist er doch ein Rapper, der versucht, sich in einer von anderen Künstlern dominierten Szene wacker zu schlagen. Allerdings würde diese Bezeichnung auf einen Großteil der Deutschrapkünstler zutreffen, sodass der Titel wohl nicht ganz individuell erscheint und einzig ihm zustünde. Für das neue Album Partizans, "Atemlos", gilt Ähnliches: Vieles, was uns der Rapper mit deutsch-slowenisch-russischen Wurzeln zu hören gibt, gab es so oder so ähnlich schon und könnte auch von einer ganzen Reihe anderer Künstler stammen. Weder thematisch, noch flow-, rap- oder beattechnisch scheint das Werk sonderlich innovativ, wobei zumindest hinsichtlich der instrumentalen Auswahl sehr viel Sorgfalt an den Tag gelegt wurde. Schlichte, einfache, aber nichtsdestotrotz gute Beats geben "Atemlos" ein Klangbild, dass ganz ohne Effekthascherei und künstliche Sounds auskommt. Die dafür verantwortlichen Produzenten stammen neben Deutschland auch aus Bosnien, Slowenien und Ungarn, Rap- und Gesangsfeatures sind des Öfteren mit fremdsprachigen Einlagen vertreten, wodurch das Album eine gewisse internationale Note verliehen bekommt. Hätte Partizan diese Note auch als thematischen roten Faden verwendet, könnte die Platte wohl durchaus mehr sein als eine LP, die ihr Potenzial schon im Ansatz zu wenig ausreizt, um sich vom Durchschnitt abheben zu können.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    01. Der rote Teppich im Nichts (Prolog)
    02. Revolver
    03. Ein Cyborg unter vielen
    04. Erinnerungen aus zweiter Hand
    05. Eine Pille zu vergessen
    06. Pixelschamane
    07. Staubgalerie
    08. Koboldmaki
    09. Ein und Alles
    10. Metalepse
    11. Antichrist
    12. Ein bisschen Sonne
    13. Die letzte Substanz
    14. Fibonacci
    15. Zeitinfarkt
    16. Die Tür im Nichts (Der verlorene Schlüssel)
    17. Zurück
    18. Jetzt (Epilog)


    Ein roter Teppich ist stets Sinnbild für ein hohes Amt, Macht oder sonstige Errungenschaften. Einst war das Betreten nur den Mächtigen vorbehalten und galt als Privileg von Königen und höchsten Würdenträgern. Schon in der "Orestie" des griechischen Dichters Aischylos wagt sich der Protagonist Agamemnon nicht auf den für ihn bereiteten purpurnen Teppich, aus Furcht, vor den Göttern überheblich zu wirken. Heutzutage bewegt sich selbst die Pseudoprominenz furchtlos darüber hinweg, um von den Massen bestaunt und begafft zu werden. Denn zu jeder Zeit hatte der rote Läufer vor allem eine Wirkung: Alle Aufmerksamkeit auf sich und jene, die sich auf ihm tummeln, zu ziehen, während die weitere Umgebung zu verblassen scheint und im Vergleich geradezu unbedeutend wirkt. Auf dem neuen Album von Thomas Pyrin wird "der rote Teppich im Nichts" ausgerollt, und wir machen uns gemeinsam mit dem Rapper auf eine Reise. Wohin wir kommen ist unklar, doch der Weg ist das Ziel. Und eines sei jetzt schon gesagt: Dieses Ziel ist eine Symbiose aus wahnwitzigen Fieberträumen und kühler Realitätsdarstellung. Aus nüchternen Wahrheiten und verspielten Metaphern. Aus einem roten Teppich und dem Nichts.


    "Willkommen im Verein der akrophoben Giraffen/
    Wir können reich werden und gleichzeitig im Lotussitz kacken/
    Zwischen zahllosen Variablen rechne ich mit allem/
    Echte Engel feiern Feste wie sie fallen/
    "
    (Pyrin auf "Der rote Teppich im Nichts (Prolog)")


    Die ersten Schritte wagen wir zu surrenden Synthieklängen, bevor Pyrin zusammen mit donnernden Drums beginnt zu rappen. Wobei "zu sprechen" dem Ganzen wohl näher kommen würde. Denn ein sehr markantes Merkmal des Stuttgarters ist seine meist eher gesprochene Vortragsweise ohne melodiöse Betonungen, die zunächst reichlich gewöhnungsbedürftig ist, mit der Zeit aber immer weniger negativ auffällt. Textliche Andeutungen bezüglich des Schlafens und Träumens legen nahe, dass unsere Reise auch als Traum verstanden werden kann, was durch ein Füllhorn an Surrealitäten zunehmend wahrscheinlicher wird. Den Ausklang des Prologs bilden kreischende E-Gitarren, ein schreiender Pyrin und eine etwas fragwürdig anmutende Growling-Einlage, sodass wir bereits eine große, mehr oder minder wohlklingende Vielfalt zu hören bekamen, als wir in den ersten Akt des Albums einstiegen.
    Denn nun befinden wir uns auf dem Teppich. Mit ihm als rotem Faden zu unseren Füßen blicken wir uns um und erhalten einen Blick auf die Gesellschaft sowie ihre Probleme und Missstände. Mit gezücktem "Revolver", lauter Stimme und großen Schritten schreitet der Rapper voran. Wir folgen ihm geradezu mechanisch, was uns laut Pyrin im Blut liegt, sei jeder von uns doch letztlich nur "ein Cyborg unter vielen". Kratzender Sound und dumpfer Bass, begleitet von einem konstanten "Schrittgeräusch", erzeugen das Bild tausender künstlicher Wesen im Gleichschritt, die von einer gefühllosen, zielorientieren Gesellschaft zu willenlosen Maschinen gemacht werden und sich stetig im Zwiespalt zwischen dem Streben nach Individualität und der Sicherheit und Akzeptanz innerhalb der anonymen grauen Masse gefangen sehen. Unser Reisebegleiter bietet uns "eine Pille zu vergessen" an, unter deren Einfluss wir schrille, sphärische Klänge und harten Boom-bap-Sound wahrnehmen und uns mit der Frage konfrontiert sehen, ob Vergessen tatsächlich Heilung bedeuten kann, oder doch nur einen Teil der Verdrängung darstellt. Doch noch während wir mit der Suche nach einer Antwort beschäftigt sind, nimmt die Wirkung der Pille zu, was uns eine verzerrte, düstere Klangwelt eröffnet, in der Pyrin als unser persönlicher "Pixelschamane" fungiert. Mit einem teilweise etwas seltsamen, da sehr exakt an den Takt angepassten Flow, grübelt er mit uns darüber, ob Drogenkonsum die Wahrnehmung verzerrt und alles verschwommener erscheinen lässt, oder die Realität dadurch nur umso klarer für uns erkennbar wird. Der Sound klingt langsam aus und allmählich kommen auch wir von unserem kurzen Drogentrip wieder herunter. So weit herunter sogar, dass wir nun unter dem Teppich landen. Dort, wo der zweite Akt stattfindet.


    "Schön, dass wir soviel lernen, schön, dass wir Moral erfahren/
    Es beruhigt, zu wissen, dass man 'Endlösung' nicht sagen darf/
    Wir glauben, wir hätten die Gabe, Lügner zu erkennen/
    Vielleicht hilft es, prophylaktisch ihre Bücher zu verbrennen/
    "
    (Pyrin auf "Staubgalerie")


    Nur wenig Licht dringt durch das dichte Geflecht des Teppichs, weswegen es hier unten, während des zweiten Akts, nur wenig zu sehen gibt. Stattdessen befassen wir uns mit dem eigenen Ich, unserem seelischen Innenleben und den vielen Persönlichkeiten, welche innerhalb der Hülle eines einzelnen Menschen verborgen sein können. Allerdings ist es hier nicht nur dunkel, sondern auch staubig. Eine regelrechte "Staubgalerie" kratzt im Hals und brennt in den Augen, als wir uns mit dem geschichtlichen Dreck, der sonst allzu gern unter den Teppich gekehrt wurde, befassen müssen. Die Geräusche der Außenwelt wabern nur dumpf und leise zu uns hinab, während Pyrin, der direkt neben uns steht, klar und deutlich zu hören ist. Gerade deshalb fällt uns auf, wie seine Stimme gemeinsam mit ihm auf- und abhüpft und in ihrer Betonung geradezu spielerisch auf dem Beat tänzelt, als er uns "mit Augen wie ein Koboldmaki" vorausleuchtet. Seine langsamen, weiten Schritte, exakt der gestreckten Erzählweise angepasst, bringen uns in surreale Situationen, in denen Wirklichkeit und Traum ineinander verlaufen.
    Wo Träume sind, ist auch der Sandmann nicht weit. Hier tritt er in Form von Auszügen aus der gleichnamigen Erzählung E.T.A. Hoffmanns in Erscheinung, die uns von einem sich drehenden Holzpüppchen, einer leblosen Puppe erzählen. Pyrin führt dies auf "Ein und Alles" und dessen düsteren Beat aus unheilvollem Bass im Hintergrund, schrillem Klirren im Vordergrund und ruhigen Klängen als harmonische Überleitung weiter aus. Er erzählt uns von einem imaginären Wesen, welches aus Einsamkeit von seinem geistigen Vater erdacht wurde und sich in einer Art Liebesbeziehung mit ihm befindet. Mit der Zeit scheint die fiktive Figur jedoch ein Eigenleben zu entwickeln, da ihr Erfinder sich fast schon bedroht fühlt und nicht mehr sicher zu sein scheint, ob nur sie nicht ohne ihn oder auch er nicht ohne sie weiterexistieren kann. Der Abschluss dieser Reisen ins Innere führt uns in Pyrin selbst. Langsamer, entspannter Sound, rauschend und kratzig wie von einer alten Jazzplatte gesamplet, begleitet uns, als der Rapper von innerer Zerrissenheit und Zwiespalt spricht. Der Beat reduziert sich auf einzelne, leise Klänge, bevor sich die zweite Persönlichkeit, der "Antichrist", zu Wort meldet und eine Art Zwiegespräch stattfindet. Im dritten Part des Tracks beweist Pyrin, dass er durchaus des gewohnten Sprechgesangs fähig ist, passt seine Stimme dem schneller werdenden Beat an, wodurch das Soundbild wesentlich dynamischer und energiegeladener wirkt. Die kurze Metalbeat-Einlage samt erneutem Growling am Ende wirkt dann jedoch leider etwas störend und fehl am Platz, weshalb es wohl das Beste für uns wäre, an dieser Stelle unter dem Teppich hervorzukommen und uns dem dritten und somit letzten Akt zu widmen.


    "Fünf vor zwölf, ich rundete zur nächsten halben Stunde auf/
    Schaut mich an, ich hatte dem Tod den Galgen abgekauft/
    Ich hörte die schleichenden Krankheit aus dem Halse meiner Frau/
    Meine Zeit stand, ich sah Freunde altern und ergrau'n/
    "
    (Pyrin auf "Die letzte Substanz")


    Eine kleine instrumentale Bridge aus euphorischen, leichten Klängen führt uns durch die roten Fasern ans Ende des Teppichs und schon erblicken wir "ein bisschen Sonne". Nun, da wir uns mit den Problemen von außen und innen befasst haben, ist auf dem letzten Stück des Weges, an dessen Ende wir eine Tür erkennen können, nur noch die Zeit relevant. In verschiedenen Facetten wird sie und die mit ihr verbundenen Fragen nach Leben und Sterblichkeit analysiert, sodass wir, nachdem "die letzte Substanz" eingenommen wurde, erkennen müssen, dass ewiges Leben zu Entfremdung und Einsamkeit führt. Unermüdlich gehen wir voran und das Ende ist zum Greifen nah, als ein stechender Schmerz in unserer inneren Uhr sich bemerkbar macht und wir einen "Zeitinfarkt" erleiden. Infolgedessen erleben wir einen Pyrin, der geradezu schauspielerisch durch verstellte Stimme verschiedene Personifizierungen der Zeit darstellt. Einmal ein verworrenes Geflecht aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das mit sehr hoher Stimme paradoxe, zeitbezogene Dinge von sich gibt, einmal eine knurrende, finstere Stimme als Verkörperung der Zeit selbst. Als das künstlerische Ich des Tracks stirbt, erwachen wir wieder, um unsere Reise endlich abschließen zu können. Als wir "die Tür im Nichts" jedoch erreichen, müssen wir unter leisen, angenehmen Tönen feststellen, dass sie verschlossen ist, weswegen Pyrin mit uns "zurück" geht. Sphärische Klänge wabern um uns und im Zeitraffer bewegen wir uns nicht nur zurück auf dem Teppich, sondern auch in der Zeit, erleben die Evolution allen Lebens rückwärts, bis zum Anfang der Existenz, an dem ebenfalls der rote Teppich samt Tür im Nichts wartet. "Jetzt" endet unsere Reise. E-Gitarrensound und der wohl privateste Pyrin des Albums beschreiben die Umstände und Motivationen, welche den Rapper zur Musik führten und wie er sich darum bemüht, eine gescheiterte Beziehung zu verkraften. Hierbei kommt er ganz ohne Metaphern oder lyrische Bilder aus, wodurch wir am Ende des Albums sagen können, dass wir nicht nur den roten Teppich im Nichts, sondern auch uns und Pyrin selbst besser kennenlernen durften.


    Fazit:
    Nach einer erschöpfenden Wanderung, als welche sich "der rote Teppich im Nichts" herausstellte, können wir auf eine Reise komplexer Wortgebilde und verworrener Metaphern zurückblicken, die sich stets um einen gewissen Kontext ranken, und doch von jedem Hörer anders interpretiert werden können. Die instrumentale Begleitung unseres Pfades war meist sehr schlicht und einfach gehalten, um in Kombination mit dem textlichen Inhalt nicht zu überfordern, konnte damit nur leider auch nie wirklich hervorstechen und glänzen. Die ersten Schritte mit Pyrin waren aufgrund seines sehr "sprechlastigen" Flows etwas holprig, doch mit der Zeit harmonisierten unsere Gangarten, sodass wir uns schnell an seine markante Rapart gewöhnten. Wirkliche Stolpersteine waren die musikalischen Experimente, die uns etwa in gutturale Growl-Ebenen führten und einen unangenehm verstörenden Eindruck hinterließen. Dennoch ist das Album alles in allem durchaus eine Legitimation für Pyrins Platz auf dem roten Teppich der Deutschrapszene.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Ich erklär dir das feat. DJ Yesta
    02. Du trägst mich feat. Marcella Mc Crae
    03. Wir kenn dich nicht feat. Olexesh
    04. Wenn die Welt schläft feat. Marcella Mc Crae
    05. Du bist nicht Michael
    06. Sommer, der bleibt
    feat. CJ Taylor
    07. Endstation


    Für gewöhnlich ergibt sich ein gemeinsames Werk zweier Deutschrap-Künstler durch häufige Zusammenarbeit, ein sich überschneidendes Umfeld oder sonstige verbindende Faktoren. Dementsprechend ähneln sich die beteiligten Interpreten dann auch meist, was etwa Stil, Genre oder den Bekanntheitsgrad angeht. Dass vor allem letzterer Aspekt aber natürlich nicht zwingend gegeben sein muss, beweist die EP "Endstation", welche das Ergebnis der Kollaboration eines Urgesteins des deutschen Rap mit einem noch recht unbeschriebenen Blatt darstellt. Der Frankfurter Born, Sohn eines US-amerikanischen Bassisten und einer Deutschen, begann seine Karriere im Jahr 2005, als sein EP-Partner Tatwaffe als Teil der Gruppe Die Firma bereits einige Chartplatzierungen sowie eine Echo-Nominierung vorweisen konnte. Mittlerweile hat sich auch Born die ersten Sporen verdient, war 2009 als Teil des Duos "Zuhboes" auf dem Sampler des ehemaligen Labels "Echte Musik" und als Supportact auf der Tour von Snaga & Pillath vertreten. Dennoch wirkt der Zusammenschluss mit dem Firma-Mitglied, dessen Single "Die Eine 2005" im Jahr 2008 Platin-Status erreichte, zunächst wie das Aufeinandertreffen von Altmeister und Newcomer. Ob die beiden von der Frische beziehungsweise der Erfahrung des jeweils anderen profitieren können, wird die "Endstation"-EP zeigen.


    "Ich erklär' dir das, ich hab den Scheiß studiert/
    Irgendwann ha'm sich Erfahrung und Talent summiert/
    Und egal, ob du seit gestern oder heute rappst/
    Hauptsache, das Zeug ist echt/
    "
    (Tatwaffe auf "Ich erklär dir das")


    Das über Ambivalenz-Music erschienene Werk wird von leisen Pianoklängen eingeleitet, auf welche eine Welle aus Bass und Drums folgt, die in Kombination mit sanftem Synthiesound im Hintergrund einen kraftvollen und doch sphärisch angehauchten Beat ergeben. Tatwaffe und Born beschreiben, was HipHop für sie bedeutet, erzählen von Selbstverwirklichung, der Möglichkeit, sich auszudrücken und szeneinternem Wettbewerbscharakter, aber auch von Neid, Missgunst und Hass aus diversen Richtungen. Abgesehen von einer kurzen Erklärung, worum es sich bei "Hashtag-Rap" handelt – wobei auch dadurch Zeilen wie "Du lebst was du rappst und bleibst der Shit – Wickeltisch" nicht besser oder sinnvoller werden – also nichts wirklich Neues. Recht schnell kristallisiert sich dieser Mangel an Innovation auf der gesamten EP als schwerwiegendes Manko heraus. So gut wie alles, was das Duo thematisiert, wurde bereits von verschiedenen Künstlern durch diverse Aspekte auf unterschiedlichste Art und Weise dargestellt, sodass die thematische Ebene stets legitim, aber nie wirklich herausragend wirkt. Tracks wie "Du trägst mich" werden daher weniger vom textlichen Inhalt, als vielmehr vom Klang selbst getragen, was hier vor allem durch die von Marcella McCrae, Tochter des US-Sängers George McCrae, gesungene Hook geschieht. Deutlich wird hier auch ein gewisser Unterschied zwischen den beiden Rappern, kann Tatwaffe doch durch mehr Erfahrung und Routine hinsichtlich seiner Technik punkten, während Born sich hin und wieder zu einfallslosen, viel zu simplen Reimen ("Du bist mehr als ein Wort, nein, mehr als ein Ort, ich lass' dich nicht fort") hinreißen lässt.
    Eine Eigenheit der CD, welche am Ende des zweiten Titels erstmals zum Tragen kommt, hier jedoch noch nicht so sehr auffällt wie im späteren Verlauf, ist vermutlich ein kleiner Produktionsfehler, durch welchen jedes Lied eine Länge von 4 Minuten 8 Sekunden aufweist. Da die eigentliche Laufzeit der Tracks meist jedoch kürzer ist, führt dies zu einigen Sekunden Stille am Ende einiger Anspielstationen. Die erste "Pause" dieser Art lässt sich eventuell noch mit einem leichten Stilwechsel erklären, da der Beat von "Wir kenn dich nicht" wesentlich aggressiver und im Hinblick auf Bass & Drum ein ganzes Stück drückender wirkt. Passend dazu wechseln Tatwaffe und Born aus dem bisher recht erzählenden Flow in einen battlelastigeren, um einen Representertitel zum Besten zu geben, auf dem sie vom 385ideal-Rapper Olexesh unterstützt werden. Dieser kann zwar durch einen gewissen "Azzlackcharme" bestechen, ist ansonsten aber genauso schnell wieder vergessen wie die recht standardisierten Texte der Hauptakteure.


    "Ich kann riechen wie die Szene stinkt, Gegenwind/
    Und ich bleib' so lange echt, wie ich am Leben bin/
    Jeder deiner Movies wird ein Flop, keiner pumpt dich an mei'm Block/
    Also mach hier nicht auf Gott, stopp!/
    "
    (Born auf "Du bist nicht Michael")


    "Wenn die Welt schläft" und "Du bist nicht Michael" muten ein wenig wie die Wiederholung der ersten Titel der EP an, zeichnen sich entweder durch eine McCrae-Hook oder einen härteren Beat aus, während inhaltlich vor allem Szene- und Gesellschaftskritik zum Tragen kommen. Der zunächst etwas sehr aufdringliche Synthiebeat von "Wenn die Welt schläft" dient als Unterlage für einen gewöhnlichen "Dies und jenes läuft auf der Welt schief"-Track. Born und Tatwaffe prangern den verantwortungslosen Umgang mit der Jugend und der Natur an, wobei auch hier wieder gilt, dass das Gesagte durchaus seine Berechtigung hat, auf diese Weise aber einfach schon zu oft thematisiert wurde. Wo hierbei die Stimme von Marcella McCrae erneut dafür sorgt, dem Track zumindest ein gewisses Potenzial zu verleihen, versucht sich Tatwaffe auf "Du bist nicht Michael" selbst an einer angedeutet gesungenen Bridge. Abgesehen davon ist die Kritik an der seelenlosen Musikindustrie und zu sehr auf kommerziellen Erfolg ausgerichteten Rap das Thema, welches auf einem finsteren Beat und durch entsprechend aggressiven Flow vermittelt wird.


    Hinsichtlich der Tatsache, dass alle sonstigen Themen bereits abgearbeitet wurden, die auf einer durchschnittlichen Deutschrapplatte vorkommen, welche unbedingt mit Message glänzen will, fehlt natürlich noch der obligatorische "Kopf hoch"-Track, den wir mit "Sommer, der bleibt" erhalten. Piano und Gitarre verschmelzen mit Synthiesound zu einem ruhigen, angenehmen Klangbild. Flowtechnisch befinden wir uns wieder auf einer "erzählenderen" Ebene und erhalten die Abrundung des Liedes durch eine Gesangshook, welche diesmal von CJ Taylor, ehemals Mitglied der Gruppe Rapsoul, stammt. Erneut gilt, dass die inhaltliche Materie eher anspruchslos wirkt, der Hörgenuss in gewisser Weise dennoch vorhanden ist. "Endstation" selbst erhält durch leise Chorgesänge im Hintergrund zunächst einen leicht orchestralen Klang, verläuft anschließend in eine Mischung aus Streichinstrumenten und snarelastigem Beat, ohne sich allzu sehr aus dem bisherigen Soundbild der EP zu wagen. Wo man normalerweise erwarten würde, dass der Titeltrack herausstechen müsste, handelt dieser erneut von einer zu hektischen, geldorientierten Welt, in der die Jugend zu oft zu kurz kommt. Einzig die Hook, die diesmal von Tatwaffe selbst gesungen wird, unterscheidet das Lied von der restlichen Titelliste, verblasst aber in Hinblick auf die gesanglichen Talente von Taylor und McCrae zuvor. Daher gilt sowohl für das Lied, als auch die EP "Endstation", dass sie zu sehr wie eine von vielen klingt, ohne sich wirklich mit herausstechenden Aspekten schmücken zu können.


    Fazit:
    Die "Ambivalenz" im Labelnamen findet insofern keine Wiederholung in der Zusammenarbeit von Tatwaffe und Born, dass die beiden durchaus eine gute Symbiose bilden. Gut reicht nur leider nicht immer aus und so leidet die "Endstation"-EP in erster Linie darunter, dass kein Titel wirklich hängen bleibt. Keiner der sieben Tracks ist schlecht oder schadet dem Hörgenuss, gerät durch mangelnde Innovationen hinsichtlich der Thematik beziehungsweise der Herangehensweise an die Themen aber zu schnell wieder in Vergessenheit. Flow- und beattechnisch bewegt sich das Ganze auf einem soliden Level, auch Gesang und Atmosphäre wirken nie fehl am Platz – und doch lassen sich dadurch die inhaltichen Mängel nur spärlich ausgleichen. Vielleicht sind sich die beiden Rapper zu einig, zu ähnlich gewesen, während der ein oder andere Reibungspunkt, ein thematisches oder musikalisches Experiment, dem Gesamtwerk einen wichtigen Wiedererkennungswert verliehen hätte.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Zitat

    Original von TonySunshine
    Robbe geht kritischer und mit meistens mehr Hintergrundwissen als die restlichen gut schreibenden Redakteure hier an die Alben ran, sehr gut. Für mich mittlerweile deshalb wohl der fähigste im Team. Wobo hat sich aber auch gemacht, finde ich.
    Habe nur die Hörproben gehört und vielleicht ein oder zwei Videos angesehen, aber die zweite Review liest sich für mich überzeugender und scheint sich mehr mit meiner (nicht wirklich festen) Meinung dazu zu decken.
    Was mich interessieren würde: Was sagt Weekend über Massiv auf dem Album? Kann jemand vielleicht die Zeilen hier reinkopieren oder ähnliches?


    Erstmal vielen Dank undso :D (genau wie allen anderen Lesern, mögen sie meine Meinung teilen oder nicht :) )
    Die Lines über/gegen/für/what ever Massiv sind zunächst auf"Life is a bitch" die letzten Zeilen:


    "Leider werde ich nie reich/
    Vorher findest du Arbeit, wenn deine Bewerbung Massiv schreibt/
    "


    Und zum anderen auf "Z.B":


    "Irgendwann kam ich dann beim Massiv hören darauf/
    Dass deutscher Rap einen Streetworker braucht/
    "


    Edit: Was die Meinung angeht, dass Robbes Review zu subjektiv wäre; würde in eine Review nicht auch die persönliche Meinung des jeweiligen Autors einfließen, wäre die Sache doch relativ sinnlos. Der eine Teil einer Review ist immerhin die Dar- oder Offenlegung der Fakten, der Andere deren Bewertung. Das dabei der eigene Geschmack ein wichtiger Maßstab ist, ist ja wohl selbstverständlich.
    Und wenn ich mir zu Schluß noch anmaßen darf, eine Vermutung über einen Kritikpunkt von Robbes Bewertung äußern zu dürfen, denke ich, dass es noch gar nicht mal nur der Humor an sich ist, der ihm über Kurz oder Lang auf die Nerven gegangen ist, sondern der Vergleich zu den alten Sachen, die er von Weekend gewohnt war. Ich denk selbst auch, dass auf dem neuen Album keine Zeile á la "zieh die Konsequenzen, so wie Robert Enke" zu finden ist, er sich viel mehr eines "leichteren" Humors bedient. Wie man das schlußendlich wertet liegt allein beim Autoren und seiner eigenen Meinung, und die ist nunmal immer subjektiv.



    01. Luftblasen feat. Ali H
    02. Dieses Haus
    03. Die Berge
    04. Die Lippen, die die Welt bedeuten
    05. Die Gunz (Interlude)
    06. Zu kool
    07. Mein Job
    08. N69
    09. Sturmgewehr
    10. Felsenfest
    11. Der letzte Ton
    12. Trau mir


    Bonustracks:
    13. Glücksrad
    14. Dein Weg
    15. Sturmgewehr (Remix)
    feat. KAAS



    Neue Wege zu beschreiten ist essenzieller Teil einer Weiterentwicklung. So findet sich auch deutscher Rap des Öfteren auf frischen, teils ungewohnten Pfaden wieder. Nicht selten enden solche Reisen schnell in einer Sackgasse oder erweisen sich als Irrweg seitens Erfolg oder der Aufnahme innerhalb der Szene. Andere wiederum werden zu festen Bestandteilen und prägenden Elementen der Musik. Ein nicht allzu neuer und experimenteller, aber dennoch oder vielleicht gerade deshalb immer häufiger eingeschlagener Pfad ist der, Rap und Gesang zu kombinieren. So ist es mittlerweile schon lange kein Einzelfall mehr, wenn ein Künstler seine Hooks selbst einsingt oder sich in einer Bridge zum Gesangspart hinreißen lässt. Noch einen Schritt weiter geht da ein junger Mann namens Teesy, dessen musikalische Werke fast immer eine Symbiose aus Rap und RnB darstellen, wie sie im deutschen Raum noch nicht allzu häufig zu hören war. Bei ihm gehen Gesang und Rap Hand in Hand, wobei die Übergänge innerhalb seiner Musik teils so fließend sind, dass eine klare Trennung schwer fällt. Sein Auftritt in der Chimperator Cypher und sein Feature auf Cros Mixtape "Sunny" deuteten bereits etwas an, was sich Ende Juli dann bewahrheitete, als der Wahl-Kieler bei Chimperator gesignt wurde. Um der Hörerschaft die Möglichkeit zu bieten, den Neuzuwachs des Stuttgarter Independent-Labels kennenzulernen, wurde sein bereits 2012 erschienenes Mixtape "Fernweh" mit zwei zusätzlichen Titeln und einem Remix re-released und zum kostenlosen Download auf seiner Internetseite angeboten. Also lassen wir uns gemeinsam mit Teesy vom "Fernweh" treiben.


    "Du kannst's nicht und ich kann nicht erwarten, dass du's kannst/
    Was ich mach'? Ich geh' mit Bruno Mars Granaten für dich fang'/
    Es fing alles an mit dieser 'Fremdwerden'-Hürde/
    Und 'nem 'Hi, ich würd' mich freu'n, wenn du mich kennenlernen würdest'/
    "
    (Teesy auf "Luftblasen")


    Den naheliegenden Vergleich mit dem Kanadier Drake scheint Teesy weder zu scheuen, noch scheint er ihn zu stören, tauchen wir zur Einleitung doch in die sphärischen Klänge von "Lust for Life" ein, welche den instrumentalen Untergrund für "Luftblasen" bilden. Der Track, der zusammen mit Ali H aus Teesys Berliner Kollektiv "Juno" entstand, ist ein sehr ruhiger, leiser Einstieg, auf dem die Verschmelzung aus Rap und Gesang bereits zu erahnen ist. Die teils fast schon etwas quäkige Stimme des Künstlers drängt sich durch die ruhige, im leichten Singsang vorgetragene Art nie auf, lässt sich dennoch aber nicht vom Beat übertönen oder verschlucken. Textlich drückt Teesy sich meist sehr lyrisch aus, auch wenn der Inhalt selbst oft dann doch etwas trivial ausfällt und so der Tiefgang auf der Strecke bleibt. Liebe, Sehnsucht und das Reifen durch inneres und äußeres Reisen sind die hauptsächlichen Aspekte auf "Fernweh". Und so verlässt der Sänger "dieses Haus" und streift in die Ferne, um bei seiner Rückkehr auch die alltäglichen Dinge wieder schätzen zu lernen. Hier beweist er vor allem sein gesangliches Talent, wobei von weiteren Ausflügen in die Welt autotuneähnlicher Effekte dringlichst abzuraten wäre, da die in Bridge und Hook im Grunde gut gesungenen Parts unangenehm verzerrt klingen, statt die vermutlich beabsichtigte Variation einzubringen. Neben Rap und Gesang versucht Teesy sich auch selbst als Produzent und so erklimmt er "die Berge" sowie "die Lippen, die die Welt bedeuten" komplett in Eigenregie. Ersteres ist ein eher leises Stück über die Hürden des Lebens mit dumpfem Bass, auf dem Teesys Stimme unauffällig mit dem Beat einhergeht, während das zweite Lied nicht nur vom Instrumental, sondern auch vom Stimmeinsatz des Künstlers her kräftiger und energiegeladener wirkt. Teesy singt laut und klar über den Umstand, dass aus platonischer Freundschaft plötzlich mehr wird, während schnelle Streich- und Snaretöne dem Ganzen eine fast schon euphorische Note verleihen. Als er dann "die Gunz" zückt, wird es sogar noch dynamischer und der Rapper in Teesy kommt vollends zum Vorschein. Ohne Singsang-Spielerei rappt er einen sehr schnellen Part, der statt malerischer Lyrik auf direkte, unverschnörkelte "ich bin der Geilste"-Texte setzt. Besonders interessant ist hier aber nicht nur die völlig andere Seite, von der sich der Künstler zeigt, sondern auch die Tatsache, dass er mitten im Text stoppt und nach einer kurzen Bridge noch mal neu ansetzt. Statt die Aufnahme wie gewöhnlich zu wiederholen, kriegen wir den Part samt "Patzer" zu hören, was eher den Eindruck eines Skits anstelle eines richtigen Tracks verleiht. Ungewöhnlich, aber nicht unbedingt negativ auffallend.


    "Und dieses Lied hier dreht sich ganz um mich selbst/
    Nenn mich 'Firefox', ich wickel mein' Schwanz um die Welt/
    Und jetzt spiel' ich an 'nem Strand um die Welt/
    Und bin am Verlieren, doch hab' schon den Schampus bestellt/
    "
    (Teesy auf "Die Gunz (Interlude)")


    Die Idee, Musik zu personifizieren, ist alles andere als neu und kreativ – und doch wagt sich auch Teesy daran, sie als seine Geliebte und gleichzeitige Berufung zu beschreiben. So fällt "Mein Job" textlich nicht sonderlich originell aus, auch wenn sich hinsichtlich des Sounds ein wenig darüber hinwegsehen lässt. Tempiwechsel, kurze, basslastige Bridges und andere Variationen im Beat können so ein wenig über den recht banalen Inhalt hinwegtrösten und verleihen dem Track trotz fadem Thema noch etwas Interessantes. So wie "Mein Job" wurden unter Anderem auch "Dein Weg", "Trau mir" und "Felsenfest" von T-No, seines Zeichens Mitglied der Hamburger Tracksetters und Teesys Stammproduzent, musikalisch untermalt. Wo das Zusammenspiel von Stimme und Beat meist problemlos verläuft und angenehm klingt, fällt nur "Felsenfest" hier etwas deutlicher aus dem Rahmen. Der durch die kurze, aber auffällige Pause innerhalb des Loops abgehackt wirkende Beat enthält einen sich kontinuierlich wiederholenden, schrillen Ton, der es oftmals schwer macht, sich auf Teesys sanfte Gesangsstimme zu konzentrieren. Im Gegensatz dazu dominiert der Künstler das selbstproduzierte "Glücksrad" trotz rückwärts laufendem Sample und hartem, ab und an etwas aus dem Takt geratenen Bass durch ordentlich Druck und Kraft in Rap und Gesang. Insgesamt zeigt sich das Mixtape durchaus musikalisch vielfältig und wenn mal nicht Teesy oder T-No den instrumentalen Beitrag eines Tracks leisten, wird zum Beispiel der Beat von Kanye Wests "Blame Game" verwendet. Wir steigen in die "N69" und Teesy philosophiert über Vergangenes und die Zukunft, wobei hier, wie an einigen anderen Stellen auch, der Eindruck von Tiefgründigkeit immer ein wenig am regelmäßigen Einsatz von Teesys Lieblingswort "Diggi" – wohl ein Diminutiv von "Digger" – zu scheitern scheint. Zumindest auf den an Frauen gerichteten Tracks verzichtet er darauf, sodass etwa "Sturmgewehr" "diggifreien" Text verspricht. Stattdessen stellt Teesy sich als eine Art Retter in der Not dar, der seiner Freundin zu Hilfe eilt. Wie sehr er hier in Eile zu sein scheint, spiegelt sich auch im Taktgefühl wieder, harmonieren Beat und Rap/Gesang teilweise nur schwer bis gar nicht. Auch auf dem Remix des Tracks ändert sich daran nicht viel, allerdings klingt der Beat deutlich lauter und klarer, wohingegen Featuregast Kaas alles andere als klar, an einigen Stellen sogar absolut unverständlich rappt. Dennoch gibt sich der Ausklang des Mixtapes insgesamt sehr vielseitig, sodass ruhige Gesangs-, schnelle Rapparts und ein abwechslungsreicher Beat noch einmal die verschiedenen Facetten von "Fernweh" verinnerlichen.


    Fazit:
    Dass die Kombination von Rap und Gesang durchaus funktionieren kann, wurde schon des Öfteren bewiesen. So ist es auch keine wirklich große Überraschung, dass "Fernweh" kein gescheitertes Experiment, sondern das Produkt eines Künstlers mit vielen Fähigkeiten und Leidenschaften ist. Zwar fallen die lyrisch großen Worte seiner Texte meist etwas inhaltslos aus, doch stört dies eher die Aussage als den vielfältigen, meist angenehmen Klang der Tracks. So liefert das Mixtape nicht unbedingt eine tiefgründige Botschaft, ist aber allemal der Beweis dafür, dass der in Kiel studierende Teesy sowohl des Singens, als auch des Rappens und sogar des Producens mächtig ist. "Fernweh" treibt Teesy also durchaus zurecht nach draußen und auf einen Weg, den er mit dem Signing bei Chimperator und der Wiederveröffentlichung dieses Mixtapes gerade erst betreten hat.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Intro
    02. Transparent
    03. Ein Märchen
    04. Schwarz Weiss
    05. Traumfänger
    06. Wir sind die
    07. Dreh durch
    08. Atem
    09. Drama
    10. Wie Feuer
    11. Was ist...?
    12. Bruder
    13. Berlin Crime & Die Posse
    feat. Frauenarzt, Boss Aro, Mehty, Manny Marc, MC Bogy, Smoky & Medizin Mann
    14. Mein Reich
    15. Diese Waffen
    feat. Vork
    16. HaHaHaHaaa
    17. Stumme Zeugen
    feat. 4.9.0. Friedhofchiller
    18. 2012 Apokalypse feat. Dystrust, Medizin Mann & Orgi
    19. Weiss (Rock-Version)
    20. Outro


    Fast scheint es, als wäre der Grundgedanke hinter den "Zwiespalt"-Alben von Basstard, die Zerrissenheit des Geistes in Gut und Böse, so alt wie seine Karriere selbst. Bereits zu "Fegefeuer"-Zeiten kündigte er, damals noch als MC Basstard, ein Projekt für 2004 an, welches den Titel "Zwiespalt (Schwarz & Weiss)" tragen sollte. Mit späteren Releases wie der Neuauflage von "Rap Dämon" schien dann schon die Trennung von Schwarz und Weiß klar, doch Handfestes dazu lag noch immer in weiter Ferne. In der Zwischenzeit war "der kleine Mann" jedoch alles andere als faul. Er veröffentlichte das "Dogma"-Projekt in Zusammenarbeit mit Taktlo$$, förderte den Karrierestart Massivs inklusive eines gemeinsamen Mixtapes und kollaborierte mit DJ Korxx auf "Verdammt", sowie mit Kaisa auf "Das Omen". Im Juni 2008 war es dann aber endlich soweit: Nima Najafi-Hashemi, so Basstard bürgerlich, veröffentlichte "Zwiespalt Grau", welches den ersten Teil einer Trilogie darstellen sollte und aus Titeln bestand, die ursprünglich für "Schwarz" und "Weiss" entstanden waren, aber keinem der beiden so recht zugeordnet werden konnten. Im Folgejahr erschien das Doppelalbum "Zwiespalt Schwarz", auf welchem sich der Rapper, der als Mitbegründer des Horrorcores in Deutschland gilt, auf seine finstere Seite besann und hauptsächlich mit okkulten Themen aufwartete. Das bisher wohl "Mainstream-tauglichste" Release seiner Karriere, das 2011 erschienene "Zwiespalt Weiss", welches für Basstard ungewöhnlich positive, aber auch sozialkritische Themen behandelte, sollte die Trilogie dann beenden. So mag es zunächst etwas verwundern, dass im Jahr 2013 nun "Zwiespalt Transparent", der vierte Teil der Trilogie, folgt. Bedenkt man jedoch dabei den Umstand, dass schon vor Release von "Schwarz" und "Weiss" genug Tracks fertig waren, um sie auf "Grau" zu veröffentlichen, erscheint es fast schon logisch, dass nach Fertigstellung der Alben noch mehr Lieder übrig blieben. Ob dies bedeutet, dass das neue Album nur mit B-Ware gefüllt ist, wird sich zeigen.


    "Das Schwarze hat mir alles genommen/
    Im weißen Licht sah ich alles verschwommen/
    Die Welt um dich wird trist und grau/
    Denn was du denkst, das bist du auch/
    "
    (Basstard auf "Transparent")


    Nach einleitenden Worten Basstards im "Intro" führen uns sanfte Pianoklänge in das Album und den Titeltrack "Transparent". Dröhnender Bass und die "Erzählstimme" des Rappers setzen ein. Ruhig rappt er davon, wie er, hin- und hergerissen von Schwarz, Weiß und Grau, wieder nach klarer, transparenter Sicht sucht. Kratzende Snare und die orchestrale Hook runden das Klangbild ab, sodass die Hoffnung einer adäquaten Fortsetzung der "Zwiespalt"-Reihe zunächst zunimmt. Das "Märchen", welches uns daraufhin erzählt wird, steigert diese weiter, werden hier doch sozialkritische Inhalte mit mythischen Horrorgeschichten verwoben, so wie es schon auf anderen Liedern der Reihe der Fall war. Der Beat, der stark an den Klang einer Spieluhr erinnert, passt perfekt zu Basstards Text, auf dem er von der Erkenntnis berichtet, dass das Akzeptieren von Lügen zum Prozess des Erwachsenwerdens gehört. Während die Hook dazu eher ein sanftes Brummen ist und Basstard den Stimmeinsatz bis hier nur wenig variierte, beginnt er auf "Schwarz Weiss" eines seiner größten Talente anzuwenden. Egal, ob langgezogenes Jaulen, abgehackter, feixender Flow, rollendes "R" oder gehauchtes Flüstern, allein im ersten Part beweist der Rapdämon eine unglaubliche Vielfalt an Stimmlagen, zwischen denen er so schnell und geschickt wechselt, dass man beinahe glauben könnte, dass er für jede Strophe eine andere Facette seiner Stimme verwendet. Die Hook aus quängelndem "Zwiespalt" und geschrienem "Schwarz Weiss" brennt sich unangenehm ins Trommelfell, verschwindet dort dann aber auch nicht mehr so schnell und bleibt im Gedächtnis hängen. So wie beim eben erwähnten Titel stammen auch eine ganze Reihe anderer Beats des Albums aus der Feder des Producers Mehty, der schon auf "Zwiespalt Grau" diverse Male beteiligt war und dort sogar die Hook für "Puff Puff" rappte. Sowohl "Traumfänger" als auch "Wir sind die" wurden von ihm produziert, wobei erstgenannter Track ein orientalisch angehauchter Beat ist, auf dem Basstard in die Rolle eines manifestierten Alptraums schlüpft, während er auf zweitem hauptsächlich seine Verbindung zur "Berlin Crime"-Crew thematisiert. Im Grunde also nichts Neues, wäre nicht der letzte Teil von "Wir sind die" in Gedenken an den 2000 verstorbenen DJ Screw "chopped & screwed", also extrem verlangsamt und teilweise zerscratcht. Was als kurzer Einschub durchaus eine gewisse Abwechslung bringen könnte, erstreckt sich dann jedoch bis zum Ende des Liedes, wodurch das Ganze dann eher nervig als unterhaltsam wird. Wem diese Mix-Technik also von vornherein nicht zusagt, bleibt nichts anderes übrig, als weiterzuskippen und/oder durchzudrehen. "Dreh durch", der obligatorische Partytitel, der auf so gut wie jedem Basstard-Release zu finden ist, fällt recht fade aus und auch die Hook ist eher langweilig als ohrwurmtauglich.


    "Wer hat die gottverfickten Cops geholt/
    Ich wähle 1-1-0 und schreie 'Kommt mich hol'n!'/
    Wenn ihr glaubt, ihr haltet's nicht mehr aus in eurer Haut/
    Geht auf die Straßen raus/
    "
    (Basstard auf "Dreh durch")


    Nach dem "chopped & screwed"-Debakel, dem öden Partytrack und dem auf Dauer recht monotonen Beat von "Atem", der zudem noch mit einer nervigen, langgezogenen Gesangseinlage alle paar Zeilen und in der Hook versehen wurde, kriegen wir noch mehr "Drama" zu hören. Was zunächst nach einem typischen "Berlin ist ein hartes Pflaster"-Track klingt, stellt sich fast als eine Art Motivationslied heraus, verweist Basstard doch darauf, dass man gemeinsam gegen Ghettoisierung, Gewalt und Rassismus kämpfen sollte. "Wie Feuer" überrascht dann genau in die andere Richtung, als der ruhige Beat von Basstard sanft berappt wird, inhaltlich aber vor allem von Verachtung und Mord handelt. Der Track erhält durch die Kombination des fast schon zarten Stimmeinsatzes mit der gewalttätigen Thematik einen sehr seltsamen Charakter, sodass man dem euphorischen Synthiesound von "Bruder" dann zunächst skeptisch gegenübersteht. Diesmal passen Atmosphäre und Inhalt jedoch zusammen, da das Lied Basstards "Bruder" Felix gewidmet ist. Wo er mit einer Widmung schon eher Neuland betritt, bewegt sich der Rapper mit "Berlin Crime & die Posse" auf einen mehr als ausgetretenen Pfad. Wie bei jeglichen BC-Tracks ist gefühltermaßen ganz Berlin vertreten, annehmbarer reiht sich an schlechten Part und wird regelmäßig von der Hook unterbrochen, was auf Dauer ebenso langweilig wird wie der stets gleichbleibende Beat.
    Aber auch eine deutlich kleinere Anzahl an Featuregästen ist nicht unbedingt Garant für ein gutes Lied, da die Zusammenarbeit mit Vork auf "Diese Waffen" ebenfalls mehr schlecht als recht ausfällt. Die hektische Rapart Vorks, dem es teilweise sogar an Taktgefühl mangelt, stört den Hörgenuss immens, und der Inhalt scheint sich, ähnlich wie bei "Stumme Zeugen" mit den 4.9.0. Friedhofchillern, auf das Aneinanderreihen möglichst düsterer und blutiger Bilder zu beschränken. Zugutezuhalten ist "Stumme Zeugen" jedoch der Beat aus dunklem Bass, finsteren Synthieklängen und einem dumpfen Gitarrenriff, wodurch der Titel zumindest klanglich einen rockigen Charakter erhält. Wo ein einzelner Riff also schon zu einem interessanten Beat beitragen kann, muss eine Metal-Band wohl noch umso besser klingen, sollte man zumindest meinen. Tatsächlich ist "2012 Apokalypse" aber die schwächste Zusammenarbeit Basstards mit der labeleigenen Metal-Band Dystrust. Der Sound wirkt viel zu leise und schwach, sodass die Schreieinlagen des Sängers sehr alleine stehen, während Medizin Manns Part absolut nichtssagend erscheint und Orgi nur wieder einen schwammigen, teilweise fast schon peinlichen Spagat zwischen Porno- und Horrorrap zum Besten gibt. Selbst ist der (kleine) Mann, denn die Alleingänge "Mein Reich" und "HaHaHaHaaa" hören sich um einiges gelungener an. Basstard kombiniert düstere Beats mit Horrorgeschichten, denen er durch den Einsatz seiner facettenreichen Stimme Leben einhaucht, und kann an einer Stelle auf "Mein Reich", als der Beat fast vollständig aussetzt, sogar acapella überzeugen. Das Schlusslicht des Albums, die Rockversion von "Weiss", stellt sich sogar als das Juwel von "Zwiespalt Transparent" heraus. Klarer und sauberer als das Original rappt Basstard auf den sanften Einstiegsklängen zunächst von Liebe, Vertrauen und Dankbarkeit, bevor der Track in der energiegeladenen Hook regelrecht explodiert und dem Album ein grandioses, vielseitiges Ende liefert, das ebenso wie der Eindruck des "Zwiespalt"-Gesamtwerks noch lange nachhallt.


    "Weiß ist die Liebe, weiß ist das Licht/
    Weiß ist der Sternenstaub auf dei'm Gesicht/
    Weißt du wohin der Wind uns tragen wird/
    Ich lass mich treiben, ich weiß es nicht/
    "
    (Basstard auf "Weiss")


    Fazit:
    2003 deutete Basstard "Zwiespalt" erstmals an. Zehn Jahre später scheint das Werk nun vollkommen und endgültig abgeschlossen. Eine Dekade, in der ein finsterer, kleiner Mann zu einem stattlichen Künstler heranwachsen konnte, der seine Stärken kennt, auf seinen Liedern jedoch noch zu oft an seinen Schwächen scheitert. Im Gesamtbild der "Zwiespalt"-Trilogie überwiegen die positiven Eindrücke deutlich, doch "Transparent" ist zweifellos das schwächste Glied der Kette. Zu verworren, nicht annähernd so geradlinig wie "Grau", "Schwarz" und "Weiss" und vergleichsweise zu makelbehaftet bleibt die Vermutung, dass die meisten Tracks des Albums nicht gut genug für die Trilogie, aber eben auch nicht schlecht genug waren, um sie nie zu veröffentlichen. Keines der Lieder scheint ein Totalausfall, doch nagen oft kleine, äußerst störende Fehler am Hörgenuss, sodass zwei Dinge zu hoffen bleiben: dass Basstard hauptsächlich die gelungenen Aspekte der Trilogie für sein nächstes Werk verinnerlicht und dass wir nicht erst wieder zehn Jahre darauf warten müssen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    [REDBEW]1248 [/REDBEW]

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    01. Kopfnicker (21 Edition)
    02. Hammerhart (21 Edition)
    03. Leben (21 Edition)
    04. 6meter90 (21 Edition)
    05. Spektakulär (21 Edition)
    06. Mein Leben (21 Edition)


    Für Uchenna van Capelleveen war 2013 das zweifelsohne erfolgreichste Jahr der bisherigen Karriere. Als Megaloh veröffentlichte er sein zweites Album "Endlich Unendlich", welches acht Jahre nach seinem Debüt "Im Game" erschien und dessen Platz neun in den deutschen Albumcharts einen regelrechten Quantensprung für seinen Erfolg bedeutete. Kurz vor der Veröffentlichung besagten Albums beschenkte er seine Fans mit dem Free-Download-Mixtape "Auf Ewig", auf welchem er es sich zur Aufgabe machte, die Beats diverser Deutschrapklassiker mit eigenen Texten zu versehen und die Tracks so neu zu interpretieren. Hierbei wagte er sich an Titel von Creutzfeld & Jakob, den Stieber Twins, Eins Zwo, Curse und dem Gründer seiner aktuellen Labelheimat Nesola, Max Herre. Ein knappes halbes Jahr später folgt nun das Sequel dieses Projektes: "Auf Ewig 2".


    "Ich bin im Haus, schick' alle nun auf ihr Zimmer/
    Rapper offenbaren sich als absolute Beginner/
    Ich zoll' Respekt an die, die mir voranging'n/
    Willst du wissen, was es ist, musst du wissen wie's anfing/
    "
    (Megaloh auf "Hammerhart")


    Die Beats sind selbstverständlich andere, das Konzept blieb jedoch das gleiche. Statt mehrerer Einzeltracks haben Megas Live-DJ Ghanaian Stallion und der Produzent Kingsize von TrueBusyness eine 15-minütige Audiodatei gemixt, innerhalb derer sich die Titel nicht nur aneinander reihen, sondern teilweise ineinander übergehen. Das Mixtape beginnt mit einem Shoutout von DJ Fünfter Ton, Mitglied der Massiven Töne, und dem Beat ihres Klassikers "Kopfnicker". Der recht eintönige, aber nichtsdestoweniger eingängige Sound wird von Megalohs kraftvoller Stimme problemlos dominiert – auch wenn sein Flow etwas monoton erscheint, was aber wohl eher daher rührt, dass der Moabiter seinen Rap möglichst exakt an den Beat anpassen wollte. Im Vergleich zum sechsminütigen Original erweist sich der Text hier als wesentlich aggressiverer Representer von nur etwas über zwei Minuten Spielzeit, was jedoch mehr als genug ist, um Megas Können unter Beweis zu stellen. Nach einem nicht unbedingt fließenden, aber durchaus angenehm unauffälligen Übergang zum nächsten Titel rappt der "Absolute Beginner" Denyo ein paar einleitende Zeilen auf einer Kombination aus ruhigen Tönen mit hartem Bass und Drums. Megaloh wandelt das "Ist ja hammer-hammerhart" aus der ursprünglichen Hook von Jan Delay in "Mr. Kamehameha" und die "Hier kommt Denyo"-Bridge in "ich bin aus M O" um. Er bedient sich so also nicht nur des Instrumentals, sondern teilweise sogar des Stimmeinsatzes aus dem Original, ohne dabei den Klang des Reims zu verändern. Der Klang der musikalischen Untermalung allerdings ändert sich schlagartig, als die harten Drums von sanften Pianoklängen und "Hammerhart" von "Leben" abgelöst wird, welches ursprünglich bei Azad Verwendung fand, der als einziger nicht mit eigenen Worten auf dem Werk vertreten ist. Wo der "Bozz" 2001 mit Erzählungen aus seinem Leben im sozialen Brennpunkt und seiner Liebe zum HipHop aufwartete, ist diese Neuinterpretation nicht ganz so persönlich, da mehr auf allgemeine statt private Probleme bezogen, durch ihre gesellschaftskritischen Elemente jedoch nicht weniger aussagekräftig gehalten. Megaloh prangert mit ruhiger, doch kräftiger Stimme an, dass der Staat in unserer ziel- und gewinnorientierten Welt den kleinen Mann zugunsten großer Konzerne im Stich lässt, was im Volk zu Hoffnungslosigkeit und Lethargie führt.


    "Das ist 'n bisschen was über mein Leben/
    Charnell hat gekillt, was soll ich dir noch erzählen/
    4 4 da Mess, geh und zieh dir das Video rein/
    Deutscher Rap begann Street zu sein – gib Respekt, man/
    "
    (Megaloh auf "Mein Leben")


    Das Mixtape dagegen führt uns 16 Jahre und "6meter90" weit zurück. Auf dem entspannten Boombap-Beat erzählten "Blumentopf" schon 1997 davon, wie die Trennung der Boyband "Take That" zu hysterischen Anfällen bei ihren weiblichen Fans führte und es vereinzelt sogar zu Suiziden kam. Die "6meter90", welche das Mädchen im von der Münchner Gruppe gerappten Beispiel aus ihrem Fenster hinab springt, nutzt Mega im ersten Part, um die seichte, oberflächliche Lebensart vieler Menschen zu beschreiben, indem er darauf hinweist, dass das Leben eigentlich tiefer als "6meter90" sei. Zeitgleich fordert er damit, dass man sich der Tatsache bewusst werden muss, dass das Leben wie ein zu tiefer Sturz mit dem Tod endet und man daher jeden Tag nutzen sollte. Im zweiten Part bezieht er sich erneut auf den Titel des Tracks, wenn er davon berichtet, wie sein Rap nicht nur für ihn selbst Hoffnung bedeutete, als Max Herre ihm einen Vertrag bei Nesola gab ("ich hab' es auch schon anders geseh'n/ doch dann holte mich der Exfreund von Anna ins Game"), sondern er auch anderen Menschen damit Freude machen will ("ich hab' den Schein im Gepäck, jeder bräunt sich/ die Aura hat 'nen Radius von 6 Meter 90"). Dieser Freude verleiht er auf dem Instrumental von Afrobs zweiteiligem "Spektakulär" sogleich auch Ausdruck. Der mit schrillen Flötentönen eingeläutete Beat, gepaart mit energiegeladenem Flow, gibt den Inhalt des Tracks perfekt wieder, in dem Megaloh das Gefühl eines Liveauftritts beschreibt, bei dem er mindestens genauso viel Spaß hat wie jeder Zuschauer. Auch wenn er sich hier weiter als bei jedem anderen Titel vom ursprünglichen Inhalt entfernt, ist auch seine Version von "Spektakulär" eine gelungene Hommage an das 1999 auf Afrobs "Rolle mit Hip Hop" erschienene Lied. Die letzten Minuten des Mixtapes sind der Gruppe "4 4 da Mess" gewidmet, deren Mitglied Charnell hier nicht nur das Vorwort, sondern zum Schluss auch noch eine neu eingerappte Version der Hook von "Mein Leben" liefert. Die sanften Klänge und den ruhigen Boombap-Sound nutzt Megaloh ähnlich wie einst Charnell, indem er beschreibt, wie jugendlicher Leichtsinn ihn oft auf die schiefe Bahn brachte, er aus Liebe zu seiner Mutter aber immer wieder darum kämpfte, ein geordnetes Leben zu meistern und sie nicht zu enttäuschen. Die letzten Zeilen hat Charnell noch einmal allein für sich. Die zuvor schon erwähnte "frischere" Hook und ein paar von Ghanaian Stallion eingearbeiteten Zeilen aus dem Original runden das Mixtape ab, indem sie noch einmal den besonderen Oldschool-Charakter von "Auf Ewig 2" betonen.


    Fazit:
    Wie schon beim ersten Teil ist Megaloh auch mit "Auf Ewig 2" der Versuch geglückt, den Sound diverser Deutschrapklassiker ins Heute zu transportieren. Auch wenn die Übergänge diesmal nicht immer ganz so flüssig – aber dennoch zusammenhängend und durch die Vorworte der jeweiligen Künstler (abgesehen von Azad) gekonnt miteinander verbunden – sind, haben die vereinzelten, kurzen Featureparts die Fortsetzung sogar noch um eine Facette bereichert. So wird es auch verkraftbarer, dass die Bezüge auf die Originaltexte diesmal nicht ganz so häufig sind, was zwar dem Nostalgiegefühl ein wenig, nicht aber dem Klang- und Hörgenuss Abbruch tut. Ruhige Klänge sind ebenso vertreten wie euphorische, scheppernde Drums, nachdenkliche, kritische Texte sind genauso vorzufinden wie kampflustige Representer. Alles in allem nicht ganz so großartig wie der Vorgänger, ist "Auf Ewig 2" dennoch ein empfehlenswertes Mixtape, eine weitere Sprosse, die Megaloh 2013 auf seiner Karriereleiter erklimmt und ein Release, welches dieses Jahr noch ein Stück wichtiger für ihn und seinen Erfolg macht.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. September
    02. Nougat
    feat. Illoyal & DJ Jefkoe
    03. Trotzdem
    04. Laut gedacht
    feat. Elsta
    05. Colonoel Kurtz


    Man kann davon halten, was man möchte, doch Fakt ist, dass deutscher Rap mittlerweile eine feste Größe in den obersten Rängen der Charts hierzulande darstellt. Nicht selten erhalten Künstler und Alben, die innerhalb der Szene hohen Absatz finden, allgemein medial große Aufmerksamkeit, welche sich folglich auch in den entsprechenden Hitlisten manifestiert. Zum einen liegt das sicherlich an einer, zumindest teilweise existenten Empfänglichkeit des Otto Normal-Musikhörers gegenüber deutschem Rap, welche sich in den letzten Jahren immer stärker entwickelte, zum anderen an der mehr oder minder beabsichtigten Adaption massentauglicher Elemente und Eigenschaften seitens der Künstler in ihrer Musik. Eine Sparte, die jedoch wohl immer relativ autark von diesen Veränderungen bleiben wird, ist der Untergrundrap. Künstler, bei denen man sich aus den unterschiedlichsten Gründen eine solche mediale Überpräsenz einfach nicht vorstellen kann oder will, egal, ob es nun an der Haltung des ab und an etwas fragwürdigen, kollektiven Musikgeschmacks, der Einstellung des Künstlers selbst, oder schlicht und ergreifend der vorherrschenden Untergrundattitüde scheitert. Beispielhaft hierfür ist etwa Viktor Bertemann alias Prezident, bei dem wohl jeder der genannten Aspekte seinen Teil dazu beiträgt, dass er trotz enormen Talents nie ganz die Aufmerksamkeit erhielt, welche ihm eigentlich zustünde. Der Wuppertaler veröffentlicht demnächst sein drittes Album "Kunst ist eine besitzergreifende Geliebte", lässt zuvor aber noch einmal in Form einer Gratis-EP mit dem Titel "Colonoel Kurtz" von sich hören.


    "Was machste so September rum? Ich sach' et dir, nichts machste/
    Du sitzt nur da, die Visage eine Gipsmaske/
    Kalkweiß und ab und zu ein paar Gesichtsfaxen/
    Album auf Repeat – Staub liegt auf der Skiptaste/
    "
    (Prezident auf "September")


    Die EP, die in Kollaboration mit dem Produzenten Dubios entstand, beginnt damit, dass Prezident dem Hörer zunächst einmal nahelegt, dass zuvor erwähntes Album im "September" erscheint. Auf dumpfem Dröhnen und hellen Glockenklängen generiert er ein Szenario aus naher Zukunft, bei dem der Hörer seines Albums nach dessen Erscheinen in eine Art Suchtzustand verfällt, unfähig, sich dem Bann der Musik zu entziehen. Vor dem geistigen Auge baut sich die Kulisse eines verfallenden Raumes auf, in dessen Mitte der ausgemergelte Hörer in einer Mischung aus Trance und Rauschzustand immer tiefer in das Album eintaucht. Bereits hier erschließt sich die Quintessenz der EP: teils ruhige, teils verstörende, größtenteils leider immer in einem ähnlichen Klangspekturm befindliche Beats, die als dumpfes, düsteres Fundament für die lyrisch hochwertigen und reimtechnisch ausgefeilten Geflechte dienen, welche Prezident Zeile um Zeile aufbaut. So wird auch mit "Nougat" ein ganz ähnliches Konzept verfolgt, auf dem der Whiskeyrapper gemeinsam mit dem Kölner Illoyal beschreibt, wie monetär lukrativer Rap meist nur durch den Verrat der Kunst an sich entsteht und dadurch in massentauglichem Müll verendet. So, wie sich Dubios' Instrumental hierzu irgendwo in der Schwebe zwischen geruhsamem Boom Bap, verzerrten Gitarrensounds und schrillem Geklirre bewegt, springt auch Illoyals Rappart teilweise innerhalb einer einzigen Zeile von gekonnt auf den Takt gelegten, wohlformulierten Pointen zu den Beat scheinbar vollkommen ignorierenden Ekelbildern – eben ganz so, wie man es von ihm gewohnt ist. Für den zweiten Featuretrack auf der EP wird "laut gedacht", was Elsta, der zwar nicht ganz auf dem Level von Prezident rappt, aber dennoch ähnlich Bildhaftes und Gehaltvolles zum Besten gibt, in gesellschafts- sowie selbstkritische Worte fasst. Dass hierbei einer der "normalsten" Beats der EP Verwendung fand, tut Elstas ruhiger Stimme gut, die auf den sonst teilweise etwas hektisch wirkenden Instrumentals vielleicht zu sehr untergegangen wäre.


    "Nimm 'nen kleinen Schluck, wenn du mit ihr fertig bist/
    Und zwei, wenn du noch immer glaubst, die Hoffnung stirbt zuletzt/
    Und drei, wenn du glaubst, du hast dich lächerlich gemacht/
    Ach, nimm fünf, denn es hat dir ja am Ende nichts gebracht/
    "
    (Prezident auf "Trotzdem")


    "Trotzdem" schien für Prezident auf der EP noch genug Platz, um auch im Alleingang eine teilweise Selbstreflexion zu wagen. Hier dient eine verlorene oder verschmähte Liebe als ursprüngliche Motivation für ein Besäufnis, welches den Schmerz lindern soll. Stattdessen aber, fast schon in einem Akt der Selbstgeißelung, schlägt der Trinker den diametralen Gedankenweg ein, sodass ihm jedes weitere Glas nur immer neue Probleme ins Gedächtnis ruft und der nächste Schluck die daraus folgende Konsequenz wird. Dies gipfelt im zweiten Part darin, dass der ruhige, jazzige Beat durch einen aggressiven Loop aus den zwei immer gleichen Klaviertasten und hartem Bass ersetzt wird, was auf Dauer doch etwas nervig wird. Passend dazu wird aus dem teilweise fast selbstmitleidig klingenden Text der Ratschlag Prezidents, jedweden Ratschlägen mit ablehnend nihilistischer Haltung gegenüberzutreten. Innerhalb dieser Disparität widerspricht sich der Text dann gleich noch einmal, wenn er rät, Frauen ebenso wenig zu trauen wie jedem, der schlecht über Frauen spräche, sowie man auch niemandem trauen dürfe, der sich selbst widerspräche. Was hier etwas zu komplex oder verstrickt klingt, spiegelt auf den zweiten Blick in Text und Beat die Wut und Verwirrung wider, welche der Trinker nach all dem eingeflößten Alkohol durchlebt.
    Titeltrack und zugleich Ende der EP bildet "Colonoel Kurtz", dessen Name eine Anlehnung an den abtrünnigen Colonel Walter E. Kurtz aus dem Film "Apokalypse Now" ist. So, wie dieser sich gegen etwas wandte, an das er einst glaubte, verdeutlicht Prezident hier noch einmal den szenekritischen Beigeschmack, der der gesamten EP anhaftet, und wettert gegen Rap, wie er ihn heute nur allzu oft vorfindet: ein Lügengeflecht, welches standhält, so lange jeder bereit ist, die Lügen der anderen zu schlucken. Er prangert hohle Phrasendrescherei und inhaltslose Selbstdarstellung, den fragwürdigen Glauben daran, dass die richtige Technik über eine fehlende Botschaft hinwegtäuschen könne und die Unfähigkeit der einzelnen Künstler, zu dem stehen zu können, was sie in ihren Texten sagen, an. Abgerundet wird all dies noch einmal mit dem Hinweis auf das bald erscheinende Album, für das die "Colonoel Kurtz"-EP in jedem Fall als vielversprechende, aussagekräftige Promotion dient.


    Fazit:
    Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nah beieinander. Im Fall von "Colonoel Kurtz" gilt selbiges wohl auch für angenehm klingende Instrumentalkompositionen und verstörende Beatexperimente, sowie für lyrische Feingeistigkeiten und aberwitzige Reimkonstrukte. Zwischen Filmzitaten von unter anderem Walter White ("Breaking Bad"), Simon Adebisi ("Oz") und Bunk Moreland ("The Wire") wandelt das Werk von Track zu Track auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und Wahnwitz, ohne jemals zu sehr in eine Richtung zu driften. Prezident und Dubios haben gemeinsam eine recht kurze, aber trotzdem nicht weniger hörenswerte EP erschaffen, die beispielhaft für die Fähigkeiten des Wuppertalers, seines Producers und der Featuregäste steht. Musikalisch ebenso wie inhaltlich teilweise doch sehr gewagt, aber gerade dadurch nie langweilig, lässt diese EP bereits ahnen, dass das im September erscheinende Album "Kunst ist eine besitzergreifende Geliebte" Beweis dafür sein wird, dass Chartplatzierungen und mediale Wirksamkeit eines Künstlers noch lange nichts über dessen Qualität aussagen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Deutschraps Wolverine
    02. Popcornkerne
    feat. GeOT & Tumor der Atze
    03. Blind vor Liebe Pt. 2
    04. Scheiß Business
    feat. Tumor der Atze
    05. Durch Dunkelheit feat. Bella Bita


    Im Laufe eines VBTs gelingt es manch einem Teilnehmer, durch ein paar Zeilen oder einen einzelnen Satz eine Art Running Gag zu kreieren. Egal, ob der Gegner etwa gefragt wird, ob er Eis habe, oder eine beliebige Frage mit "Drei" beantwortet wird, finden besagte Sprüche sich schnell in diversen Runden und vor allem in den Kommentaren zu den Rappern und ihren Videos wieder. Einer, dem das – vor allem innerhalb seiner Fangemeinde – gleich mehrfach gelang, ist Punch Arogunz. Viele seiner Fans sehen sich geradezu bis zum Erbrechen genötigt, unter jedem Video und Facebookpost zu bitten, dass "Benjamin doch mal das Geld in Ruhe lassen" solle, zu erwähnen, "dass man da zu viel kriege", oder sich zu vergewissern, ob "Punch nun wirklich blind sei". Da der 111er sich nun also in der Position sieht, eine ganze Reihe an Fans zu haben, die gerne und viel von dem verinnerlichen, was er in Sachen Rap so von sich gibt, ist der nächste logische Schritt wohl der in das kommerzielle Rapgeschäft. Zwar kann er bereits auf ein paar kleinere Releases zurückblicken, doch wird "Carnivora" sein wohl bisher größtes Projekt werden. Da sich das Erscheinen des Albums nun aber um unbestimmte Zeit verzögert, beschenkt Punch seine Fans in der Zwischenzeit mit der Gratis-EP "Mora".


    "Arogunz macht euch unbeliebt/
    Deutschraps Wolverine/
    Ich wär' bereit, diese Szene zu rasieren/
    Doch dafür müsste diese erstmal pubertieren/
    "
    (Punch Arogunz auf "Deutschraps Wolverine")


    Das fünf Tracks starke Werk, dessen Titel auf Deutsch so viel wie "Verzögerung" oder "Redepause" bedeutet, soll also die Wartezeit überbrücken, bevor es für Benjamin Posern wirklich ernst wird. Und mit "ernst" sind wir auch schon genau beim richtigen Thema, denn der Rapper, der sonst immer recht unbeschwert wirkt und in dessen Rap eine deutlich hörbare Heiterkeit mitschwingt, gibt sich hier wesentlich trockener. Schon der Einstiegstrack "Deutschraps Wolverine", welcher bereits seit Juni durch die HDF-Reihe auf Youtube bekannt ist, dient in erster Linie als ein nüchterner Representertitel ohne wirklich tiefgehenden Inhalt oder den Punch Arogunz-typischen Humor. Der vom Berliner Ayfa Music produzierte Beat wird durch recht düstere Klänge eingeleitet, auf denen Punch seine ersten Zeilen relativ ruhig und langsam rappt, Tempo und Intensität seines Stimmeinsatzes jedoch schnell ansteigen lässt. Er beansprucht für sich einen Platz an der Spitze der Szene als "Deutschraps Wolverine" in Bezug auf seinen Bart, wobei dies wohl noch am ehesten als selbstironisch verstanden werden kann. Die Anspielung auf seine angebliche Blindheit – ein (wohl eher minder glaubhaftes) Gerücht, entstanden durch die Kontaktlinsen, welche Punch in diversen Videos trägt –, der Einäugige sei der König unter den Blinden, mutet dagegen deutlich ernster an, als es zu VBT-Zeiten der Fall war. Raptechnisch zeigt er sich gewohnt fähig und auch, wenn oftmals nur verwendet, um genügend Worte in eine Zeile packen zu können, beherrscht er abrupte Tempowechsel ebenso flüssig wie eingängige Gesangshooks.
    Was in einem Punch Arogunz-Track mindestens genauso häufig im Refrain zu hören ist, wie sein eigener Gesang, ist das Gegröle und Geschrei von 111er-Kollege Tumor der Atze. So wird Punch nicht nur von diesem, sondern auch von GeOT unterstützt, um für den wohl aggressivsten und kraftvollsten Titel der EP zu sorgen. Mit harter Baseline und knallender Snare werden Rapper in Tüten gesteckt und dann wie "Popcornkerne" zum Platzen gebracht. Folglich wird auch hier mehr Selbstdarstellung als inhaltlicher Tiefgang geliefert, wenn TF-Member GeOT – teils etwas neben dem Takt wirkend – genervt von der Szene und Punch Arogunz durch seinen Flow alles und jedem überlegen ist, während Tumor dem Hörer ein gutturales "Pop-Pop-Pop-Popcornkerne!" entgegenbrüllt. Die Energie, die ansonsten teilweise auf "Mora" zu fehlen scheint, lässt sich hierbei zumindest ein wenig heraushören.


    "Ich habe damals wunderbare Zeilen geschrieben/
    Über dich und dabei über meine Liebe/
    Weil ich nicht gerne über meine Gefühle rede/
    Und sie deshalb immer wieder auf die Seite schiebe/
    "
    (Punch Arogunz auf "Blind vor Liebe Pt. 2")


    Anfang des Jahres veröffentlichte Punch Arogunz den Track "Blind vor Liebe" als Liebeserklärung an Federballklikke-Mitglied Naya Isso. Die liebeskranke Schwärmerei, die vor pathetischen und pseudoromantischen Inhalten nur so triefte und bei der ein großes Augenzwinkern mitschwang, bekommt auf "Mora" ein Sequel, das aber leider kaum an die Qualität des Vorgängers herankommt. Technisch einwandfrei gelingt es Punch, schnell und dennoch so deutlich zu rappen, dass der überzogen gefühlsbetonte Inhalt gut rüberkommt. Er schafft es jedoch gleichzeitig nicht ganz, an den Witz heranzukommen, der dem ersten Teil der Liebesbotschaft innewohnte. Ebenso weniger witzig, als man erwarten könnte, hört sich "Scheiß Business" an, auf dem auch Tumor der Atze noch einmal vertreten ist. Denn wer erwartet, auf einem Arogunz-Lied, welches sich mit Geld beschäftigt, einen sich selbst als maßlos reich oder einfach nur überspitzt geldgierig darstellenden Rapper zu hören, der sich weigert, "das Geld in Ruhe zu lassen", wird hier enttäuscht. Nüchtern beschreibt er, wie schnell verdientes Geld ihm als Motivation diente, der Musik Vorrang vor seiner schulischen Laufbahn zu geben, wie eine Freundschaft daran zerbrach und dass das Verdiente ebenso schnell wieder weg sein kann, wie es kam. Tumor der Atze geht das Ganze sogar noch ein Stück finsterer an und erzählt davon, dass er sich in seiner Jugend gezwungen sah, an das fehlende Geld durch kriminelle Machenschaften und das Ausnutzen von Freunden zu gelangen, wofür die sehr düsteren Klänge der von Stay on the beat produzierten Musik eine perfekt geeignete Atmosphäre bilden. Auch für "Durch Dunkelheit", den Schlusspunkt der EP, zeichnet dieser als Producer verantwortlich. Ebenso ruhig, aber weniger düster entsteht aus einigen wenigen minimalistischen Tönen, kombiniert mit einem leisen, aber dennoch im Vordergrund stehenden Bass, ein Klangteppich, der hervorragend mit der sanften Stimme von Bella Bita harmoniert, welche bereits Vocals zu "Blind vor Liebe Pt. 2" beisteuerte und hier nun die Hook singt. Inhaltlich befasst sich der Track mit Punchs Werdegang und seinem bisherigen Erfolg, vorrangig vor allem aber mit der damit einhergehenden menschlichen Entwicklung und damit, dass auch die dunkelsten Zeiten letztlich nur eine Etappe auf dem Weg sind, sich selbst zu suchen und zu finden. So endet "Mora" mit dem ruhigsten und nachdenklichsten Track der EP, bei dem Bella Bitas heller Gesang im Kontrast zu den dumpfen Klängen des Beats und Punch Arogunz' entspanntem Rap steht, was den Track in sich jedoch hervorragend abrundet.


    Fazit:
    Dass eine EP, die aus nur fünf Anspielpunkten besteht, nicht den gesamten Facettenreichtum eines Künstlers darstellen kann, steht außer Frage. Doch wenn ein Punch Arogunz, der sich oftmals durch Selbstironie und Witz auszeichnet, ein so ernstes Werk veröffentlicht, wirkt das Gesamtprodukt dennoch irgendwie nicht ganz vollständig. Fast scheint es so, als wäre "Mora" der Versuch, durch düstere Klänge und nüchterne Themen eine bewusste Abgrenzung zu alten Releases und Liedern zu bilden, die vor Energie und guter Laune nur so sprühten. Der sympathische Rapper, bei dem man das Gefühl hatte, er würde sich über seine eigenen Zeilen mindestens genauso freuen wie der Hörer, wird hier teilweise sehr vermisst, auch wenn Technik und Klangbild der Lieder zweifelsfrei gut sind und "Mora" seine ruhige Atmosphäre und Qualität von Anfang bis Ende beibehalten kann. Inwieweit "Carnivora" dieser EP ähneln wird, ist noch ungewiss, doch es bleibt zu hoffen, dass man aus dem Album wieder den Punch-typischen Spaß heraushören kann, damit seine Fans nicht irgendwann "zu viel kriegen" und Benjamin bitten, "doch mal Rap in Ruhe zu lassen".



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Intro
    02. Phantom
    03. Vergiss den Rest
    04. Schwarze Sonne
    feat. Prinz Pi & Vega
    05. Freunde
    06. Bis ich wieder genug hab
    07. Gib mir deinen Namen (Evol Pt. 1)
    08. Wie neu (Evol Pt. 2)
    09. Träumer (Evol Pt. 3)
    10. Schweigen
    11. Treibsand
    12. Letzter Song
    13. Endstation


    Als ich am Releasedate das Album "Hoch2" einlege, bin ich ehrlich gesagt kein RAF 3.0-Fan. Das ist jedoch keineswegs in dem Sinne gemeint, dass ich seine Musik nicht gut finde, sondern viel eher so zu verstehen, als dass ich mich bisher nur wenig mit ihm auseinandergesetzt hatte. Das Alter Ego von RAF Camora releaste ein Jahr zuvor bereits das Album "RAF 3.0", auf dessen Erfolg basierend große Erwartungen in die nun erschienene Fortsetzung gelegt wurden. Warum genau der gebürtige Österreicher bisher ein wenig an mir vorbeigegangen zu sein scheint, kann ich nicht sagen. Ob ich dieses Versäumnis aufarbeiten möchte, weiß ich vermutlich nach dem Hören des Albums.


    "Willkomm'n alle, die mich nicht kenn'/
    Ich bin hier so was wie der Dirigent/
    Schieß' mit Rosen aus Schrotflinten zu schönen Violinen/
    Mein Opus ist vollendet, es möge beginnen/
    "
    (RAF 3.0 auf "Phantom")


    Besser könnten die ersten, von Raphael Ragucci gerappten Zeilen des Albums also gar nicht passen. So stellt sich der Mann, den ich bisher kaum kenne, gleich mal als "der Dirigent", sprich der, der den Ton angibt, vor. Ob sich diese leitende Funktion auf "Hoch2" beschränkt oder die ganze Szene gemeint ist, bleibt zunächst offen, doch im Hinblick auf den Sound funktioniert das Dirigenten-Bild auf jeden Fall. Denn "Phantom" donnert mit orchestergleichem Sound samt Pauken und Streichinstrumenten, kombiniert mit Trap-Hi-Hat, aus den Boxen, wird dabei jedoch immer von RAFs Stimme dominiert, egal, ob kraftvoller Rappart oder stimmige Gesangshook. Das "Phantom" ist die Metapher für den allgegenwärtigen Sound des Rappers und seine fortbestehende Wirkung auf Szene und Hörer. Das Bild, dem ich bis dahin so weit zustimmen konnte, dass man auch ohne sich explizit mit RAF beschäftigt zu haben, von einer gewissen Kunstfertigkeit seinerseits ahnt, erfährt nun seine Legitimation in einem energiegeladenen Einstiegstrack.


    Was einmal so gut geklappt hat, sollte beim zweiten Mal wohl auch nicht unbedingt zum absoluten Fehlschlag werden. Und so baut sich "Vergiss den Rest" ebenfalls aus leisen, ruhigen Tönen schnell zu einem Euphorie versprühenden Beatfeuerwerk mit Hi-Hat, Streichern, verzerrter E-Gitarre und Dancehall-entliehenen Drums auf. Camoras Alter Ego geht erhobenen Hauptes und unbeirrt an falschen Freunden, Hatern und Neidern vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, um sich stattdessen auf jene zu fokussieren, die ihn unterstützen und für das lieben, was er ist: ein talentierter, vielseitiger Musiker. Sein Facettenreichtum manifestiert sich dann auch sogleich in einem, in starkem Kontrast zu den zuvor gehörten Titeln stehenden, leicht melancholischen Beat als Atmosphäre für den Aufgang der "schwarzen Sonne". Obwohl deutlich ruhiger, ist auch hier ein ebenso dichter Klangteppich zu spüren, der durch RAFs Stimme noch an Volumen gewinnt. Beinahe selbstverständlich vereint er archaische Bibelverse mit modernen Endzeitszenarien, was fast so widersprüchlich wirkt, wie die Featuregäste des Tracks zueinander: Prinz Pi, stets darum bemüht, ruhige, lyrische Feingeistigkeiten zum Besten zu geben, gemeinsam mit FvN-Rapper Vega, der seine kampfbereite Ultra-Attitüde mit aggressivem Flow kombiniert. Experimentell, jedoch wohldurchdacht wie seine Features sind auch die Texte des Indipedenza-Rappers. So kann man den darauffolgenden Titel als simple Ode an seine "Freunde" verstehen, wird sich beim zweiten Hören dann aber auch der Tatsache bewusst, dass der gesamte Track ebenso als eine Art Drogenhymne mit Synthie-Beat funktioniert und der Text eine ambivalente Erzählweise beinhaltet, ähnlich derer, welcher sich einst schon Tua auf "MDMA" bediente.


    "Ich habe keine Angst mehr vor Problemen/
    Denn meine Freunde komm', um es zu regeln/
    Und egal, wie schlecht ihr Ruf ist/
    Sie wissen, was jetzt für mich gut ist/
    "
    (RAF 3.0 auf "Freunde")


    Unabhängig davon, welche der beiden Möglichkeiten, den Titel zu verstehen, dem Hörer eher liegt, erlauben beide doch einen ähnlichen Blick auf einen bodenständigen Menschen, der ebenso mit Alltagsproblemen behaftet ist und die kleinen Dinge des Lebens genießt wie jeder andere. "Bis ich wieder genug hab" beschreibt die Wünsche und Träume von Erfolg, Reichtum und den Vorzügen einer gewissen Prominenz, welche er hegte, bis er letztlich in ihren Genuss kam – um festzustellen, dass man sich oft nur das wünscht, was man nicht hat. So sehnt RAF sich schnell wieder nach seinem alten, anonymen Dasein und den Glücksmomenten des kleinen Mannes. Wie so oft erfüllen sich Wünsche genau dann, wenn man es am wenigsten erwartet, sodass der Rapper selbst nicht ganz weiß, ob es Zufall oder Schicksal ist, als er der Liebe seines Lebens am U-Bahnhof begegnet. Im Stillen fleht er sie an: "Gib mir deinen Namen", unsicher, ob er die Frau ansprechen soll und singt ihr in Gedanken ein Lied, während er dabei von der perfekten Beziehung träumt. Letztlich wagt er sich doch aus der Bahn, ihr hinterher und spricht sie an, um dann erfreut festzustellen, dass sie HipHop-Fan ist und ihn dementsprechend erkennt. Das Ganze stellt eine direkte Verbindung zum Freundeskreis-Song "A-N-N-A" dar, der hier, wie an anderen Stellen, sehr ähnliche Textzeilen aufweist. Die daraufhin aufgesetzte rosarote Brille lässt RAF seine Alltagssorgen vergessen, er schaltet sein iPhone aus und verbringt Zeit mit der Freundin, um den Akku – sowohl den des Gerätes als auch den eigenen – wieder aufzuladen. Auf einem poppigen Synthie-Beat genießen sie gemeinsam das Leben und alles ist wieder "wie neu".
    Die folgenden, langsamen Gitarrenklänge lassen ebenso wie sein ruhiger, düsterer Flow sofort bewusst werden, dass die rosa Brille verblasst ist und sich die Beiden wieder nüchtern und klar sehen. Enttäuscht beschreibt er das allmähliche Erlöschen des Feuers zwischen seiner Freundin und ihm, während der Konflikt zwischen den Erwartungen der Vergangenheit und der nüchternen Realität sie lähmt und es unmöglich macht, einen Schlussstrich zu ziehen. RAF gesteht sich ein, dass er nur ein "Träumer" ist und akzeptiert, dass es das Beste sein wird, sie gehen zu lassen, indem er sie gar nicht erst in der U-Bahn anspricht. Der Beat kehrt zu den Klängen von "Gib mir deinen Namen" zurück, sodass dem Zuhörer vollends bewusst wird, dass RAF 3.0 aus drei eigenständigen Titeln ein Gesamtkunstwerk entwickelt hat, welches sowohl textlich als auch musikalisch grandios ausgefeilt und durch diverse Referenzen zu den anderen beiden Titel ineinander verflochten ist. Die Geschichte eines Mannes, der die Liebe rückwärts angeht, indem er die gesamte Beziehung "zerdenkt", bevor sie überhaupt begann, erklärt daraufhin auch den Titel der "Evol-Trilogie". Wobei die Ähnlichkeit des rückwärts geschriebenen Wortes "love" zum englischen "evil", als Verdeutlichung des bösen Endes, einen noch deutlicheren Eindruck davon verleiht, dass RAF aus simpelst wirkenden Zutaten eine vollends ausgewogene und bis ins letzte Detail ausgefeilte Geschichte erschaffen hat.


    "Hab' die Füße im Treibsand/
    Werd' müde, doch bleib' wach/
    Bis sich mein Kopf in tausend Moleküle zerteilt hat/
    Ich glaub', ich werd' verrückt, doch gerade fühlt es sich nice an/
    "
    (RAF 3.0 auf "Treibsand")


    Zum Ende des Albums wird das Klangbild deutlich ruhiger, düsterer und auch die Thematiken folgen dem Ende der "Evol-Trilogie", indem sie hauptsächlich vom Tod beziehungsweise dem Beenden oder Aufgeben von Dingen handeln. RAF befasst sich etwa mit der Problematik, dass bereits alles gesagt und über so gut wie alles gerappt wurde, sodass es manchmal vielleicht einfach besser wäre, zu "schweigen". Obwohl zum Thema passend, wirkt der Text hier doch etwas inhaltslos und leer, aber durch eine interessante Kombination von Grunge-, Dancehall- und Dubstep-Elementen musikalisch wieder ausgeglichen. "Treibsand" beschreibt auf sehr poetische Weise das Entfernen von Realität und irdischer Existenz, sei es nun durch Tod, Rausch oder andere Gründe, während ein "letzter Song" ertönt, der das Ende einer Begegnung oder eines Konzerts beschreiben kann, doch immer einen gewissen Abschied bedeutet und daher einen Konflikt aus Melancholie und Freude beinhaltet. Doch letztlich muss alles einmal enden und so bildet "Endstation" selbige für "Hoch2". RAF 3.0 resümiert sein Leben: Sein langer Weg, voll von verwinkelten Seitenstraßen und Abzweigungen, führte ihn aber dennoch zu seinem Ziel, das schließlich mit dem Ende dieses Albums erreicht ist.


    Fazit:
    Mit "Hoch2" hat RAF 3.0 ein Album geschaffen, das seinesgleichen sucht. Geglückte Musikexperimente mit Reggae-, Dubstep- und Grunge-Einflüssen, die bei anderen Künstlern meist eher erzwungen wirken, harmonieren fast wie selbstverständlich und sorgen für ein Klangbild, welches durch ausgefeilte, detailverliebte und wohldurchdachte Texte bis zur Perfektion ausgereizt wird. Von den energiegeladenen Anfängen über den sanften Abstieg durch das vermeintliche Scheitern einer Beziehung bis zu den letzten, ruhigen Tönen umfasst "Hoch2" eine ungemein breite Palette an Sound und Inhalt, die kaum bis keinerlei Makel aufweist und als Einzeltitel ebenso stark wie als Gesamtwerk funktioniert. "Endstation" mag das Ende von "Hoch2" darstellen, bildet für mich jedoch zugleich den Anfang einer Reise, an deren Ende ich den Fauxpas, zuvor relativ wenig Musik von RAF Camora alias RAF 3.0 gehört zu haben, hoffentlich wettmachen kann.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Für immer hier
    02. Drinks auf mich
    03. Die Welt gehört dir
    04. Mein Mädchen
    05. Non Stop
    06. Sunny
    07. Stehtisch Freestyle
    08. Höhenangst
    feat. DaJuan
    09. Superman
    10. Jedesmal
    11. Was geht
    12. Du & ich
    13. Lange her
    feat. Teesy
    14. Whatever (Shuko-Remix)


    Vor fast genau einem Jahr wurde "Raop" releast und mittlerweile ist das Netz randvoll mit Pro-Contra-Diskussionen, mehr oder minder fachkundigen Kommentaren und Meinungen zu und über Cro. Sowohl der eigentliche Hype um den Pandamaskenträger, als auch der Hype darum, vehement deutlich zu machen, dass man Cro hasse und nicht von einem solchen Trend beeinflusst werde, sind allmählich abgeebbt. Als Vorgeschmack auf das Re-Release "Raop+5" wurde nun das Mixtape "Sunny" über Chimperator zum kostenfreien Download ins Netz gestellt und auch, wenn man einem geschenkten Gaul sprichwörtlich nicht ins Maul schauen sollte, liefert dies doch eventuell den Anlass dafür, zu überdenken, ob die eigene Meinung und Position zu Cro, sei sie nun positiv oder negativ behaftet, gerechtfertigt ist.


    "Wer hat die Backrhymes, fat Rhymes/
    Kommt mit 'nem 'Boom' und checkt ein/
    C zu dem A zu dem R zu dem L zu dem O/
    Immer noch die dicke Headline/
    "
    (Cro auf "Für immer hier")


    Vor der Kulisse einer Audio-Collage seiner bisherigen Erfolge baut sich langsam der Beat zum ersten Anspielpunkt "Für immer hier" auf und lässt sofort zwei Dinge vermuten: Cro-Fans werden auf "Sunny" mit "Raop"-typischem Sound bedient, während den Cro-Hatern zu Genüge Carlos Erfolg unter die Nase gerieben wird. Beide Vermutungen bewahrheiten sich dann auch sofort, wenn der Rapper auf einem energiegeladenen Beat samt Bongo-Rhythmen den Thron seines selbstkreierten Raop-Genres weiterhin für sich beansprucht. Trotz Gute-Laune-Beat und gewohnt locker-leichtem Text scheitert der Ohrwurmfaktor des ersten Titels an einer unangenehm hohen Frauenstimme in der Hook, die vom Beat teils verschluckt wird und deren Klang weder sonderlich verständlich, noch angenehm anzuhören ist. Abgesehen von den durchaus schnell gerappten Strophen flowt Cro hier gewohnt unbeschwert und ohne sich in technisch ausgeklügelten Reimschemata zu verrennen. Überhaupt sind die Rapparts auf "Sunny" relativ konzeptbefreit, wie etwa bei "Drinks auf mich", wo nebst undeutlichen Strophen durch vollen Mund auch einfach mal – wenn auch nicht fehlerfrei – das Alphabet gerappt wird. Letzteres gab es vor geraumer Zeit schon einmal ähnlich von einem Rapper aus Braunschweig zu hören, zu dem Cro hinsichtlich des frühen Erfolgs und des teilweise doch recht starken Gegenwinds einige Parallelen aufweist. Wo dieses Beibehalten seines Stiles in Sachen Flow durchaus positiv bewertet werden kann, bedeutet es hinsichtlich der Themenvielfalt jedoch keinerlei Weiterentwicklung. Titel wie "Non Stop" mit entspanntem Jazzsample, der von Plattenknistern durchzogene Titeltrack "Sunny" und "Die Welt gehört dir" beschränken sich, ebenso wie die beiden bereits erwähnten ersten Lieder, hauptsächlich darauf, zu beschreiben, wie zuckersüß das Leben doch ist und handeln, auch wenn man es ihm dank seiner sympathischen Art durchaus gönnt, immer wieder davon, wie erfolgreich Cro nun doch ist, ohne sich dabei Starallüren zugelegt zu haben.


    "Sie hebt die Flinte auf, nimmt den Korn – trinkt ihn aus/
    Geht lang aus, steht früh auf, springt ins Gym und trimmt den Bauch/
    Und sie ist ziemlich schlau, doch irgendwie versaut/
    Dein Slip ist himmelblau? – süß, ihrer liegt zu Haus'/
    "
    (Cro auf "Mein Mädchen")


    Das zweite Lieblingsthema des Raoppers, die Frauen, wird auf "Sunny" ebenso zu Genüge behandelt. Auch, wenn in diversen Texten ab und an Zeilen darüber fallen, wie viele Mädchen ihn nun anhimmeln und Frauen ihm mittlerweile so zu Füßen liegen ("Superman"), bleibt Cro meist jedoch lieber in der Rolle des schwärmenden Jungen, dessen Beziehungen nicht immer ganz optimal verlaufen. So bietet etwa "Mein Mädchen" einen Klangteppich aus Klavier und Saxophon, auf dem sich seine Traumfrau vom nächtlichen Partyleben zum frühmorgendlichen Fitnesstraining bewegt. Er beschreibt auf "Jedesmal" die Gefühle und Gedanken nach dem Ende einer Beziehung. Während seine "Frauengeschichten" und sein jugendlich frecher Stil auf den meisten Titeln doch größtenteils ihren Charme haben, sorgt beides in hoher Konzentration auf einem Track gebündelt eher für einen absoluten Fehlschlag. "Du & ich" bringt einen sehr schnellen Beat, welchen Cro verwendet, um ungewöhnlich langsam zu rappen, sodass daraus tatsächlich eher eine Art melodiöses Reden wird. Die frische, naive Art, welche er sonst an den Tag legt, ufert hier in einem Fremdscham-Backgroundchor und peinlichem Gerede über Sex aus, das wohl maximal bei einer Klientel Anklang finden könnte, die, sobald Worte wie "Sex" fallen, kichern muss. Deutlich besser klingt es da schon, wenn der Mann mit der Pandamaske sich statt einen Geschlechts- einen Featurepartner sucht. Zum einen wäre da Teesy; ein junger, aufstrebender Sänger und Rapper des Labels TrackSetters Entertainment, auf "Lange her", wo ein sehr dezenter und simpler Boombap Beat verwendet wird, um die Gedanken an vergangene Freundschaften und Beziehungen zu thematisieren. Zum anderen "Höhenangst" mit DaJuan, mit dem Cro bereits 2009 – damals noch unter dem Namen Lyr1c – ein Mixtape veröffentlicht hatte. Beide fallen keineswegs negativ auf, liefern jedoch auch keine überragenden Beiträge, welche unverzichtbar für den Gesamteindruck von "Sunny" wären.


    Fazit:
    Der Name ist auf "Sunny" durchaus Programm. Das Mixtape bringt eine gehörige Portion Summerfeeling, mit gewohnt lockerem Sound und Cro-typischen Texten. Dennoch haften den meisten Titeln gewisse Makel an, was dem Hörer teilweise das Gefühl verleiht, dass es sich um Tracks handelt, die einfach nicht Hitgarant genug waren, um für ein kommerzielles Cro-Release geeignet zu sein, jedoch als Gratis-Vorgeschmack auf das Album dienen könnten. Cros unbekümmerte Art zu rappen verleiht seinen Tracks einen frischen, jugendlichen Charakter, lässt jedoch auch keine große Themenvielfalt und nur wenig Substanz in den Texten zu, ohne dabei aber den massenkompatiblen, radiotauglichen Sound zu verlieren. Vielleicht ist es genau der Fakt, dass die Eigenschaften, die die positiven Aspekte seiner Musik ausmachen, auch jene Kritikpunkte bilden, die Cro und seinen Raop so kontrovers und polarisierend machen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Tork of the Town
    02. Kapuze
    03. Lass sie gehen
    04. Neidlife
    05. N8Schwärmer
    06. Geistesblitz
    07. Tod der Literatur
    feat. Mortis One
    08. Tinitus


    Wo das Album der Verrückten Hunde, welches im letzten Jahr releast wurde, mit "1x1=1" zumindest titelimmanent einen logischen und an und für sich verständlichen Namen besaß, sieht die Sache bei der neuen EP "Tork Of The Town" schon etwas anders aus. Der Titel des neuen Werkes von Foxn und Scu lässt sich jedoch durch zwei Aspekte ganz simpel erklären: Sämtliche Beats stammen vom Berliner Torky Tork und inhaltlich beschränkt man sich hauptsächlich auf nächtliche Städteerlebnisse und urbane Szenerien. Nachdem nun also geklärt ist, worüber die Hunde hier bellen, bleibt noch die Frage, ob das Ganze auch den nötigen Biss hat.


    "Such' die Balance, ich hab' Kartons geschleppt/
    Doch Contenance - jetzt wird erstmal 'n Song gerappt/
    Ich setz die Kopfhörer auf/
    Verlieb' mich kopfüber in den Beat – in dem ich kopfüber tauch/
    "
    (Scu auf "Kapuze")


    Nach dem Intro setzen sich die beiden Hunde die "Kapuze" auf und machen sich samt ruhigem, entspanntem Sound auf den Weg nach draußen. Scu kommt frühmorgens von der Arbeit, hat seiner Meinung nach lange genug zu Hause gerappt und sehnt sich nach neuen Liveauftritten, während Foxn sich allgemein durch Aufgaben und Pflichten gefangen fühlt und seine Freiheit neu erleben will. Also öffne den Zwinger der Verrückten Hunde und "lass sie gehen"! Hierbei meinen die beiden jedoch weniger die eigene Person, als vielmehr die Erinnerungen an ihre Kindheit, welche sie ziehen lassen wollen. Gutes wie Schlechtes lässt man hinter sich und rappt – wenn auch recht oberflächlich – von der ersten Liebe, dem Erstkontakt mit HipHop, den ersten Drogenerlebnissen, musikalischen Erfolgen und allem anderen, was Gegenwart und Zukunft beeinflusst. Der hierfür parat stehende Beat von Torky Tork mutet wie ein schräges, aus einem Western-Soundtrack entliehenes Sample samt Klaviergeklimper und Gitarrensaitengezupfe an, welches von Gerät, seines Zeichens Mitglied der Cutcannibalz, noch mit Cuts versehen wurde. Der andere Teil der Kannibalen, Da Kid, übernimmt selbige Aufgabe dann auf "N8Schwärmer", während Verrückte Hunde kurz vor Sonnenaufgang durch die Stadt ziehen oder um Mitternacht dem Drogenrausch erliegen und einen unverhofften Anruf von Biggie aus dem Himmel erhalten, um ihm zu versichern, dass HipHop hier noch lebt.


    "Hörst du die Stimme schon?/
    Spürst du auch, wie Biggie da oben in unserm Himmel thront?/
    Hä? – ist das mein Klingelton?/
    Shit, es war wirklich Biggie an meinem Telefon/
    "
    (Foxn auf "N8Schwärmer")


    So bleiben Scu und Foxn zwar inhaltlich innerhalb einer Thematik, beschreiben in ihren jeweiligen Parts jedoch meist recht unterschiedliche Aspekte beziehungsweise interagieren in ihren Texten kaum miteinander, sodass auf den Solotracks der beiden die andere Verrückte Hunde-Hälfte nie wirklich vermisst wird, da man auch in gemeinsamen Liedern nicht unbedingt aufeinander eingeht. Dies schadet dem Storytelling jedoch teilweise enorm, da kaum eine fortlaufende, zusammenhängende Geschichte entstehen kann. Foxn spricht in "Neidlife" – mehr oder weniger den Takt beachtend – aus der Perspektive des personifizierten Neides als Ursprung allen Übels, während Scu einen "Geistesblitz" hat und einen kurzen Representerpart zum Besten gibt, der im Grunde nur aus Lückenfüllern und abgedroschenen Phrasen wie "Verrückte Hunde sind im motherfucking Haus/ wenn es um Lyrik geht, dann schmeißen sie die Motherfucker raus" zu bestehen scheint und von dem nicht viel hängen bleibt. Bezüglich des Raps bleiben die Verrückten Hunde auf der EP so also sowohl auf einem halbwegs annehmbaren Level als auch unter sich, wobei das Mortis One-Feature auf "Tod der Literatur" als Ausnahme die Regel bestätigt. Auf sehr experimentelle Art rappen die drei von den ihrer Meinung nach fragwürdigen Entwicklungen der Szene, wobei das Experiment an sich dabei eher schiefgegangen ist. Sowohl der Beat als auch die Parts selbst klingen irgendwie schräg und scheinen frei von jeglichem konstanten Taktgefühl. Auch der Stieber Twins-Cut will nicht so ganz in das Gesamtbild passen – besonders, da durch exakt dieselben Zeilen vor nicht allzu langer Zeit im Track eines Rappers aus Moabit eine regelrechte Ohrwurmhook kreiert wurde, das Ganze hier aber etwas fehl am Platz wirkt. Zum Abschluss gibt es dann noch eine Ode an den HipHop-Sound, bei dem sich die Verrückten Hunde fragen, was aus ihm geworden sei. Auf "Tinitus" schwelgen sie in alten Zeiten und dem Klang, den HipHop damals für sie hatte, während sie heute fast nur noch überproduzierte Titel ohne Herz und Seele mit mangelnder Liebe zum Detail vorfinden können.


    Fazit:
    Ein Sprichwort besagt, dass man alten Hunden keine neuen Tricks beibringen kann. Ob dies auch für Verrückte Hunde gilt, bleibt offen. Fest steht jedoch, dass "Tork Of The Town" ein recht einheitliches, melodiös-düsteres Klangbild besitzt und auch thematisch nur wenige Facetten vorweisen kann. Auch wenn Scu und Foxn, abgesehen von einigen Aussetzern, meist anständiges Raphandwerk abliefern, lässt sich damit nicht unbedingt der Hund hinterm Ofen hervorlocken und ebenso wenig ein richtiges Highlight auf der EP finden. Das Werk ist in sich zwar solide, bleibt jedoch relativ minimal und bescheiden, sodass fraglich ist, ob die Rechnung der Verrückten Hunde hierbei so aufgeht, wie es der Titel ihres letzten Albums tat.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. ProMille
    02. Fumbananana
    03. Arne Garnichts
    04. Ingo (Skit)
    05. Wir gehn steil
    06. Ich will mein Spaß
    07. MMB (Mippm miesen Beat)


    Es gibt Musiker, die Zeit ihres Lebens von der breiten Masse hauptsächlich durch den einen großen Hit ihrer Karriere identifiziert werden. So ist auch für Das Bo "'Türlich, 'türlich (sicher, Digger)" eine Art Zweitname geworden, welcher in fast jedem Artikel über den Hamburger hinter seinem Namen platziert wird. Wie für viele seiner Lieder gilt auch bei diesem Titel, dass Spaß und guter Partysound im Vordergrund stehen, während man bedeutungsschwangeren Textinhalt wohl eher vergebens sucht. Dass Das Bo also nicht unbedingt zu den Lyrikern unter den Rappern gehört, ist relativ klar, doch wo "'Türlich, 'türlich (sicher, Digger)" zumindest noch aus dem umgangssprachlichen Gebrauch entlehnt wurde, klingt der Titel seiner neuesten EP "Fumbananana" mehr nach einem Fruchtjoghurt für Kinder, statt nach dem Namen eines musikalischen Werks. Dies sollte aber kein Grund sein, sich nicht anzuhören, was Das Bo hier zusammen mit seiner Hängergäng über sein dazu neu gegründetes Label Fumbananana Records releast.


    "Der Prof, Digger, Prost, Digger, jetzt geht's richtig jau/
    Die Wahrheit ist so heftig, dass man sie nicht mal mehr glaubt/
    Denn ich bin Santa Klaus und Getränke geh'n aufs Haus/
    Die Blue Man Group macht blau, der Kanzler is' 'ne Frau/
    "
    (Das Bo auf "ProMille")


    Den Anfang der sieben Titel (inklusive Skit) starken Tracklist bildet "ProMille", Das Bos Version von Lil Waynes "A Milli", auf dem er zwischen dumpfem Bass und schrillem Geklimper teilweise doch recht simple bis vollkommen sinnbefreite Reime von sich gibt, die textlich von – wenn überhaupt irgendetwas – Party und Alkohol erzählen. Auch der darauf folgende Titeltrack, der nach Bos eigenen Angaben weniger ein Wort als vielmehr ein Klang ist und so viel wie "irgendwie durchdrehen, Spaß haben, gut drauf und zufrieden sein" bedeutet, scheint die Prämisse "Sound vor Inhalt" zu verfolgen. So überwiegen hier Hook und instrumentale Bridges statt tatsächlichem Text. Diese zielen vor allem darauf ab, Stimmung zu verbreiten und weniger darauf, etwas auszusagen. Zumindest verfehlt der harte Techno-Beat hierbei seine Wirkung nicht und liefert ordentlich Druck, mit dem Club oder Party wohl gehörig abgerissen werden können. Danach schlüpft der Rapper in die Rolle von "Arne Garnichts" ("denn [er] ahne grade gar nichts") und ist "ready wie Konfeddi", um "halt die Luft an" auf "in mei'm Gehörgang" und andere fast schon schmerzhafte Zeilen zu reimen. Die Hängergäng, deren weitere Mitglieder DJ Plazebo, Darko Tronik und Flo Motion sind, liefert ihm dafür ein instrumentales Gewand, das, so wie es auf dieser EP bei jedem Track der Fall ist, in erster Linie ein Party- und Cluboutfit ist, da es aus schneller Baseline und hochgepitchtem Backgroundchor besteht.


    "Wir sind die Hänger, die die Banger für den Club bring'/
    Wir sind die Männer, die (die) Männer – so good looking/
    Wir sind die: Ladies gucken und sie tuscheln, wenn wir komm'/
    Wir lachen laut, fühl'n uns so, als hätten wir gewonn'/
    "
    (Das Bo auf "Wir gehn steil")


    Aus der Rolle des "Arne Garnichts" wird direkt in die von "Ingo" geschlüpft. Mit hochgepitchter Stimme nimmt Bo sich hier durch Anspielungen und Kommentare über beispielsweise seine frühere Langhaarfrisur oder seine Jurorentätigkeit bei "der X Factory" selbst auf die Schippe. Auch wenn man "Ingo" das eine oder andere Schmunzeln zu verdanken hat, ist der Skit insgesamt wohl weniger amüsant als vielmehr eine kurze Verschnaufpause für jene Hörer, welche die EP auf voller Lautstärke durch die Boxen pumpen lassen und/oder im Club dazu abgehen. Zumindest bleibt dafür danach keine Zeit mehr, denn die Hängergäng und "wir gehn steil". Mit basslastigen Electrobeats im Gepäck kann Das Bo hier sogar einmal mit einer gewissen textlichen Handlung aufwarten, auch wenn diese sich auf das Betreten eines Clubs, das Auschecken der weiblichen Gäste und das Feiern an sich beschränkt. Zum Abschluss verabschiedet man sich auf der "Fumbananana"-EP "mippm miesen Beat", der mit wummernden Bässen alles erzittern lässt. Egal ob daheim, im Club oder im Auto (wobei Letzteres vor allem auch im Text selbst empfohlen wird): "MMB (Mippm miesen Beat)" ist eher dumpfes Brummen als feierbarer Partytrack, fügt sich insgesamt aber dennoch mühelos in das Konzept der EP ein, das sich eben hauptsächlich auf starken Sound und nur wenig auf Aussage konzentriert.


    Fazit:
    Wenn nach sechs verschiedenen Tracks im Grunde nur hängen bleibt, dass die Hängergäng gern hängt und Party macht, könnte man fast davon ausgehen, dass dieser EP einiges fehlt. Beachtet man aber zudem auch den Fakt, dass selbst die Definition des Titels eher auf gute Laune als auf Aussage abzielt, kann man durchaus sagen, dass hier der Name einfach Programm ist und somit genau das, was eine EP ausmachen sollte, erreicht wird. Wer von Das Bo lyrische Hochleistungen erwartet, weiß insgesamt sowieso wohl eher wenig von dessen musischem Schaffen und wird allgemein wenig Befriedigung in diesem Werk finden. Stattdessen herrscht hier seichter "gute Laune"-Sound vor, der dennoch etwas zu sehr versucht, einen Ohrwurmeffekt zu erzwingen und dem Hörgenuss damit sogar eher schadet. Die "Fumbananana"-EP ist nicht unbedingt dazu geeignet, den vor vielen Jahren angeeigneten Boischen Zweitnamen "'Türlich, 'türlich (sicher, Digger)" zu ersetzen, hat aber dennoch das Potenzial, zumindest den seit Jahren angesammelten Staub aus jeglichen Boxen zu pusten, auf denen sie gehört wird.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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