Beiträge von WoboSolagl



    01. Übertreib nicht deine Rolle feat. Fatoni, Edgar Wasser & Jilet Ayse
    02. JuseJu ist tight
    03. CSN
    feat. Fatoni
    04. Schachbrett skit
    05. Traumstadt
    feat. Maxi Häcke
    06. Ketamin
    07. Oh Boy
    feat. Ebow
    08. Slackline
    09. Bewerbung
    10. Motherfuckin' Grinch
    11. Vielleicht


    Im Grunde besteht die gesamte Deutschrapszene aus verschiedensten Rollen. Mal in Form einer Maske oder eines speziellen Images, mal handelt es sich nur um die Orientierung an einem gewissen Genre, Thema oder Stil. Egal, ob zwischen Rolle und Privatperson nun extreme Unterschiede liegen oder Kunstfigur und der Mensch dahinter relativ identisch sind, die authentische Einhaltung einer Rolle sorgt für Wiedererkennungswert und eine positive Erwartungshaltung der Fans gegenüber neuen Releases. So erhoffte sich wohl auch "Don't let the label label you"-Host JuseJu für sein neues Album eine positive Resonanz, wenn er nur genügend unterschiedliche Rollen in Form von Featuregästen darauf versammeln könnte. Geradezu peinlich waren dabei seine meist erfolglosen Versuche, die "schlauen, aber roughen Dudes" von Zugezogen Maskulin, die Antilopen Gang als "Erfinder des Deutsch-Punkraps" und den "manchmal etwas schwierigen" Edgar Wasser auf seine Featureliste zu schleimen, zu heucheln und zu kaufen. Ob derartige Fremdschamaktionen auf Selbstüberschätzung oder schlichte Verzweiflung zurückzuführen sind, bleibt ungewiss, doch in jedem Fall möchte man nur den Kopf schütteln und JuseJu klarmachen: Junge, "übertreib nicht deine Rolle"!


    "Sei einfach du selbst, es sei denn, du bist uncool/
    Dann wär's besser, wenn du dich die Zeit immer verstellst/
    Ich bin unsicher und schnell wirke ich dann arrogant/
    Aber das bin ich überhaupt nicht – sprich mal mit der Hand/
    "
    (JuseJu auf "Übertreib nicht deine Rolle")


    Doch im Ernst, nachdem es raptechnisch in der letzten Zeit etwas ruhiger um Juse war, sorgte die Ankündigung eines neuen Releases in Verbindung mit den extrem witzigen Promo-Videos über die zuvor erwähnte "Feature-Bettelei" natürlich für jede Menge Vorfreude. Um dem Ganzen bereits etwas vorzugreifen: Die dadurch entstandene Rolle in Form der hohen Erwartungen seiner Fans hat der Rapper dabei keineswegs übertrieben, sondern perfekt ausgefüllt. Die Klänge einer Spieluhr kombiniert mit sanftem Boom bap leiten den Titeltrack ein und geben die musikalische Richtung des Albums vor, das zwar von einem facettenreichen Soundbild geprägt ist, dabei jedoch immer verhalten und ruhig bleibt. Der Fokus liegt klar auf den Aussagen, die er und im Fall des ersten Tracks auch die Featuregäste Edgar Wasser und Fatoni treffen. So stellt sich JuseJu etwa die Frage, warum jemand sich als "Veggie" bezeichnet, wenn er doch aus Fleisch besteht oder woher Prinz Pi die ganzen Teens mit den engen Jeans aus seinen Videos hat. Zeitgleich sind Edgar und Fatoni einfach "im Haus wie die innere Klinke der Türe" und blättern in ihrem Blackbook nach geeigneten Reimen, um Oldschooler, Hipster und Gangsterrapper samt ihrer klischeelastigen Rollen auf die Schippe zu nehmen. Die Hook dazu kommt von der Komikerin Idil Baydar beziehungsweise ihrer Figur Jilet Ayse und ist ebenso eingängig und amüsant wie nervig. Mindestens genauso nervig ist für Fatoni und Juse übrigens die Überwachung durch die NSA. Darum echauffieren sie sich auf "CSN" darüber genauso wie über Homophobie im deutschen Rap, während sie die Femen-Bewegung aufgrund der Nacktproteste unterstützen. Untermalt werden diese mehr oder minder politisch gehaltvollen Aussagen von einem Samplebeat mit jazzigen Bigband-Einflüssen, den der Berliner V.Raeter ebenso produzierte wie den düsteren Sound von "Motherfuckin' Grinch". JuseJu schlüpft hierbei mit geradezu hektischem Flow in die Rolle des Vorzeige-Pessimisten mit dem Talent, selbst in positiven Situationen das Schlechte zu entdecken. Andersherum gelingt es dem Rapper aber auch, hinter den Vorurteilen, die er gegenüber der "Traumstadt" Berlin hatte, ihre tatsächlichen, positiven Seiten zu erspähen. Geschickt stellt er die Rolle der Berlin-Gegner und der Klischeeberliner den tatsächlichen Hauptstädtern gegenüber und beschreibt, wie er selbst aus der einen in die andere Perspektive hineinwächst. Zwar hat Produzent The Gunna bereits hier einen sehr eingängigen, vielschichtigen Beat geschaffen, doch bastelte er gerade für den Track "Ketamin" definitiv ein Highlight des Albums.


    "Eine Rock'n'Roll-Braut aß mein Herz einfach auf/
    Und kotzte es aus – keine Grenzen kennt das Weib/
    Es ist uns're Schuld, alle Schwänze ticken gleich/
    Deutsche Frauen sind enttäuscht – deutsche Männer sind zu weich/
    "
    (JuseJu auf "Ketamin")


    Aus einem Sample des Liedes "Punish me" der Amerikanerin Margie Joseph, einigen Streichinstrumenten und kräftigen Drums entsteht ein mitreißender Beat, der die leicht gedrückte Stimmung des Tracks großartig trägt, in der Hook jedoch die nötige Energie aufbaut, um dem Ganzen jede Menge Power zu geben. Mit Blick auf das Ende einer Beziehung analysiert Juse die Rolle des Mannes in Deutschland und wie sich diese im Laufe der Zeit in immer widersprüchlichere Forderungen und Erwartungen verrennt. Der sonst eher lockere, spontane Flow des Rappers bringt hier das perfekte Maß an Enttäuschung und Melancholie mit, welches der Inhalt verlangt und zeigt, dass Juse mehr als immer nur lustig kann. Dass auch mit Frauen nicht alles immer so schief gehen muss, wie in "Ketamin" beschrieben, beweist Juse mit "Oh Boy" und der Münchnerin Ebow als Unterstützung. Der Beat, von KL52 produziert, ist recht drumlastig und minimalistisch gehalten und wird von der Rapperin problemlos dominiert. Ihr Part ist mindestens so energiegeladen und gelungen wie die Hook, die sich mit fiesen, langgestreckten Endreimen in den Gehörgang klebt, während Juse selbst fast etwas zurückhaltend wirkt, so als wolle er Ebow genug Platz für ihre ganz eigene Show bieten. Immerhin hat der in Japan und Stuttgart aufgewachsene Rapper noch mehr als genug Chancen, um sich etwa durch ein als "Bewerbung" getarntes Major-Label Pamphlet und seinen kritischen Balanceakt auf der "Slackline" zu beweisen. Hier beschwert er sich nicht nur darüber, dass mittlerweile zu viele Rapper aussähen wie Max Herre (und nennt als Beispiel hierfür Max Herre), sondern auch über die fragwürdige Einstellung vieler Jugendlicher, Politik im Allgemeinen als Lug und Trug abzustempeln, zeitgleich aber gerne jede noch so absurde Verschwörungstheorie zu glauben. So kommt zwar der Humor nie zu kurz, doch driftet kein Track in komplett inhaltslose Witzfeuerwerke ohne jegliche Aussage ab. Das Instrumental von "Slackline" wurde ebenso wie der sehr entspannte Beat zu "Vielleicht" vom Sichtexoten Figub Brazlevic komponiert und spiegelt die thematische Stimmung in beiden Fällen bestens wieder. Damit kann Juse auch die nötige Ernsthaftigkeit einfordern, wenn er sich zum Abschluss noch den eigenen Rollen widmet und hinterfragt, ob er seine eigenen Rollen nicht auch übertreibt.


    Fazit:
    Das Konzept, diverse Rollen, die uns tagtäglich und vor allem auch in der Musik begegnen, zu beleuchten und zu hinterfragen, bietet JuseJu nicht nur genügend Inhalt, sondern auch die Möglichkeit, mal mehr und mal weniger witzig zu sein. Neben vielen humorvollen, lustigen Sprüchen formuliert das Popbiz Enemy-Mitglied auch immer wieder ernstgemeinte, kritische Gedanken und lässt beides so geschickt ineinander übergehen, dass sich ein sowohl unterhaltsames als auch gehaltvolles Gesamtbild ergibt. Die zurückhaltenden Beats des Albums reihen sich gekonnt hinter der Stimme des Rappers ein, ohne jedoch ganz zu verschwinden und bleiben so ein nicht zu vernachlässigender Bestandteil der Tracks. Thematisch blitzt hin und wieder zwar durchaus ein wenig Redundanz hervor und der ein oder andere Kritikpunkt findet mehrfach Verwendung, doch im Großen und Ganzen bietet Juse genug Inhalt, um "Übertreib nicht deine Rolle" zu keinem Zeitpunkt langweilig und stattdessen absolut gelungen klingen zu lassen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Intro
    02. Tränen oder Pisse
    03. Best time of my life
    04. Lustig
    05. Vorurteile Pt. 2
    feat Juse Ju & Antilopen Gang
    06. Dicke Hipster
    07. An der Uhr
    feat. Edgar Wasser
    08. Mein Freunde Skit feat. Edgar Wasser
    09. Focus! feat. Sir Search


    "Solange früher alles besser war, bleibt alles beim Alten und die Zeit heilt alle Hypes" – wenn das 2011 erschienene Soloalbum des Münchners Fatoni auch sonst nur wenig Anklang bei den Hörern fand und daher nur geringen Einfluss auf die Szene haben konnte, beschenkte es die Deutschraplandschaft doch zumindest mit diesem großartigen Zitat. Während Anton Schneider, so der Rapper bürgerlich, damals den ersten Teil der Zeile zeitgleich als Titel für das entsprechende Album "Solange früher alles besser war" verwendete, wählte er als Namen seiner neuen EP nun den Schluss selbigen Satzes. So gilt es im Jahr 2014 also, die Schäden fragwürdiger Trends im Bereich Deutschrap zu lindern. Hierbei kann man sich jedoch zurücklehnen und abwarten, denn "die Zeit heilt alle Hypes".


    "Alles bleibt, wie es bleibt/
    Diese Scheibe dreht sich weiter im Kreis/
    Erst ist es Hype, dann ist es einfach vorbei/
    Dann ist es tot und trägt ein' scheinheiligen Heiligenschein/
    "
    (Fatoni auf "Intro")


    Getreu ihrem Titel widmet sich die Platte auf vielfältige Weise diversen Trends und Stiltendenzen sowie ihrer Kurzlebigkeit und der Vergänglichkeit an sich. Auf "Intro" etwa erzählt der Rapper zunächst von der zeitlichen Begrenzung von Leben, Liebe und eben diversen Hypes auf die Fatoni-typische Art und Weise. Viel Humor, Wortwitz und Zynismus, dargebracht durch einen sehr lockeren, nur selten wirklich konstanten Flow auf oftmals eher im oldschooligen Bereich anzusiedelnden Beats. Für diese zeigt sich der Regensburger Maniac auf insgesamt vier Stationen der neun Tracks starken EP verantwortlich und hämmert, zimmert und schneidert dem wandlungsreichen Rapstil des Münchners ein paar instrumentale Gewänder auf den Leib. Der dumpfe Bass von "Intro" wird mit geloopten "Die Zeit heilt alle Hypes"-Fanrufen kombiniert, während die Drums von "Best time of my life" laut brummen, krachen und scheppern, jedoch stets von Fatonis Stimme dominiert werden. Das ist auch gut so, denn ansonsten würden dem Hörer unter anderem die "besten" Geschichten aus Fatonis Leben entgehen, die von Erfolglosigkeit, übermäßigem Alkoholkonsum und mangelnder Relevanz aufgrund eines fehlenden Wikipediaeintrags geprägt sind. Beattechnisch mag sich hier zwar in der Hook nicht viel ändern, dennoch gelingt es dem Künstler, diese so simpel und eingängig zu halten, dass man sie spätestens nach dem ersten Hören mitrappen muss. Jeder, der nicht den Drang danach verspürt, hier zumindest mit dem Kopf zu nicken, hat seine besten Zeiten entweder schon längst hinter sich oder ist schlicht und ergreifend nicht "lustig". Wenn dagegen Toni "lustig" ist, klingt das nach tiefem Bass und schrillem Klirren, während die Vergleiche des Rappers an seinen historischen Kenntnissen bezüglich der Wiedervereinigung Deutschlands scheitern oder sich als ziemlich fragwürdige Weisheiten à la "Um die Ecke gedacht wie bei Schach/ immer noch besser als um die Ecke gebracht" entpuppen, die dem ein oder anderen vielleicht etwas zu stumpf sein dürften. Wer sich dabei von Fatonis bewusst monoton gehaltenem Stimmeinsatz täuschen lässt und nicht merkt, dass die gespielt dümmliche Vortragsweise des Textes nur Zeichen seines schauspielerischen Talents ist, um "Lustig" noch amüsanter zu machen, der muss sich wohl oder übel eingestehen, dass er das ein oder andere Vorurteil hat.


    "Und früher trugt ihr Baggie Pants, aber heute Röhrenjeans /
    Ich halte das für scheißegal/
    Früher warst du 'Esperanto', heute 'Voice of Germany'/
    Offensichtlich bist du arm/
    "
    (Fatoni auf "Vorurteile Pt. 2")


    Fatoni dagegen hat keinerlei Vorurteile und auch Juse Ju und die Antilopen Gang bezeichnen sich selbst als recht liberal, zumindest soweit man dem trauen darf, was sie auf "Vorurteile Pt. 2" sagen. Das Soundbild des Tracks ist zwar ähnlich dem des Vorgängers, wurde vom Dortmunder Producer The Gunna aber nochmals aufpoliert und klingt nun wesentlich frischer. Textlich weicht man von der berechtigten Kritik ab und wendet sich lieber der Widersprüchlichkeit und Absurdität von Vorurteilen zu. Gerade der bitterböse Humor der Antilopen kommt hier großartig zum Tragen, sodass etwa Danger Dans Zeile "Diskriminierung ist behindert, Spast zu sagen ist schwul" alleine schon bissiger wirkt als der alte Track insgesamt. Die Gastbeiträge von "Nocebo"-Partner Edgar Wasser andererseits wirken im Vergleich zu dem, was man sonst von ihm gewohnt ist, fast schon handzahm. Weniger zynisch und witzig sind "An der Uhr" und der "Moin Freunde Skit" deswegen keinesfalls und so stellen die beiden zunächst mal klar, dass statt Kay One und dessen Entourage natürlich sie beim ZDF Fernsehgarten auftraten sowie dass sie vollwertige Mitglieder des Quintetts Fettes Brot sind. Gerade der "Moin Freunde Skit" mit seiner Sammlung absurdester Punchlines weiß mit viel Witz und einer Prise schwarzem Humor zu bestechen, wirkt aber dennoch stückweise recht lieblos und gerade so, als wären die Texte aus dem Inhalt des Papierkorbs zusammengesetzt, in dem während der Arbeit an "Nocebo" die Zeilen landeten, die für das Kollaboalbum letztlich doch zu sinnfrei waren. Ganz anders ist das bei "Tränen oder Pisse", einem absoluten Highlight des Releases. Dieses wartet nicht nur mit einem großartigen, aus dem Lied "Barricades" des englischen Musikers Fyfe Dangerfield gezauberten Beat und einem fantastisch ironischen Text über Verschwörungstheorien auf, sondern wird auch noch von einer Gesangshook abgerundet, die von Fatoni höchstselbst stammt. Dass das Ganze nicht allzu perfekt klingt, muss wohl genauso wenig erwähnt werden wie die Tatsache, dass es genau deswegen absolut perfekt ist und Fatoni mit "Die Zeit heilt alle Hypes" ein großartiges – und noch dazu kostenloses – Gesamtpaket abliefert.


    Fazit:
    Auch wenn ich persönlich nie so ganz verstehen konnte, warum Fatonis Soloalbum bei den Hörern nicht wirklich gut angekommen war, hatte man die Sache durchaus noch akzeptieren können. Sollte dies bei der neuen EP jedoch wieder der Fall sein, sähe ich mich ernsthaft gezwungen, der Szene sämtlichen Geschmack abzusprechen. Fatoni hat sich für sein neues Werk nicht nur einige passende Beats von Produzenten wie Maniac, The Gunna und Dexter zusammengesucht, sondern diese auch in mehr als amüsante Tracks verwandelt. Viel Selbstironie, nie allzu böse Parodien und Kritik an Hypes, Verschwörungstheorien und dergleichen sorgen für jede Menge gute Laune, halten bei alledem dennoch immer einen großen Klumpen Wahrheit in sich, sodass man dem Rapper dabei nie so wirklich widersprechen kann. Mit "Die Zeit heilt alle Hypes" sollte Fatoni jeden davon überzeugen können, dass er ein eigenständiger Künstler ist, der das Aufsehen, welches er gemeinsam mit Edgar Wasser erregt hat, absolut verdient und dass es sich dabei nicht nur um irgendeinen Hype handelt, der mit der Zeit wieder heilen wird.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Search AKA Pille – Der erleuchtete Wahnsinn 2


    HipHop ist wie Sex – immer besser mit Pille. Zumindest wenn man dem aus Saarlouis stammenden Rapper selbst glauben kann, der sich im Jahre 2014 mehr als fleißig zeigt. Neben der 24 Anspielstationen starken Fortsetzung seines Mixtapes "Der erleuchtete Wahnsinn" veröffentlicht Search AKA Pille mehrere neue Musikvideos und tritt zusätzlich noch in der Battlemania Championsleague von Rap am Mittwoch an. Doch egal, ob im Battle, im Video oder auf dem neuen Mixtape – den "erleuchteten Wahnsinn" verkörpert er in jedem Fall und zu jeder Zeit. Angefangen beim "Newstime Intro", in dem er uns mit hochgepitchter Stimme allerlei Absurditäten über Angela Merkel, die Illuminaten und Cro um die Ohren wirft, über den kraftvollen Flow von "Puppenspieler" auf hartem, dumpfen Bass mit Piano-Sample bis hin zum von Selbstzweifeln und Depressionen geplagten Clown "Pagliacci": Pille gelingt es, unabhängig von Thematik und Soundbild eine ordentliche Prise Verrücktheit und Irrsinn zu verstreuen. Sein energiegeladener Flow wirkt oftmals recht spontan, teilweise fast willkürlich und hält sich gerne mal nicht so ganz exakt an die Taktvorgaben des Beats, verleiht seinen Tracks gerade dadurch jedoch einen sehr frischen, interessanten Charakter. Auch die Featureliste des Mixtapes kann sich sehen lassen, tummeln sich auf ihr doch neben EmGi, mit dem Pille bereits eine EP veröffentlichte, unter anderem auch Drehmoment und das FvN-Signing Timeless. Mit Letzterem hackt und schlachtet sich Pille beispielsweise à la "Jack the Ripper" durch Hater und Neider. Als er feststellt, dass seine Freundin für ihn "wie Musik" sei, schlägt er dann aber wieder völlig andere, deutlich ruhigere Töne an. Pilles sprunghaftes Wesen, das es teilweise schwer macht, seine Tracks stilistisch sowie inhaltlich einzuordnen, fühlt sich auf dem energiegeladenen Sound von "Morning Risin'" mindestens genauso wohl wie auf dem von jazzigen Klangeinflüssen durchzogenen "Silhouette" oder den aus dem "Bahnhofsklo" wabernden Synthiewolken. Wer Gefallen an humorvollem, chaotischen und intelligentem Deutschrap mit vielfältigem Sound und oldschooligen Einflüssen findet, sollte hier unbedingt reinhören.





    Eljot Quent – Batman ist tot


    "Batman ist tot". Ob Comicfan oder nicht: Jedem ist in etwa klar, was es bedeuten würde, wenn der Dark Knight nicht mehr unter uns wäre und du in Schwierigkeiten steckst. Du musst deine Probleme spontan selbst lösen. Spontanität ist auch in Hinblick auf das neue Werk von Eljot Quent, bestehend aus Scotlen Nard, Müwie und Fogel, das Stichwort, denn "Batman ist tot" klingt, als wäre es während einer Jamsession an einem Wochenende entstanden – und zwar im positiven Sinne. Das Soundbild wirkt locker und gelöst von jeglichen Grenzen, reicht vom jazzigen "Berlin"-Instrumental über den großartigen Sampleflickenteppich "Was ich fühle" bis hin zum rockigen Crossoverbeat von "Feuer". Dazu geben die drei Hamburger vor Energie sprühende Rapparts zum Besten – mal durchdacht und analysierend, mal wild und kampfeslustig. Der Eindruck, man habe sich gegenseitig immer wieder zu neuen Inhalten und Texten inspiriert und die Ideen miteinander erarbeitet, liegt bei einer solchen Vielfalt an Themen, zu der jeder Teil des Trios gelungene Parts beisteuern kann, nahe. "Olaf" Schulz, Bürgermeister von Hamburg, erhält eine ihm gewidmete Ode, mit Blick auf die Vergangenheit stellt man fest, dass früher alles besser und "umgekehrt" war und man spinnt die Ansicht einer paranoiden Gesellschaft: Dass gerade das Unverdächtige besonders verdächtig wirkt, bis zu dem Punkt, wo aus jedem durchschnittlichen Bürger ein "Terrorist" wird. Eljot Quent beweisen mehrfach, dass guter Rap nicht klingen muss, als wäre wochenlang an jeder einzelnen Zeile gefeilt worden, sondern sich gerne auch nach "Frei Schnauze aus dem Bauch raus" anhören darf. So wird dann kurzerhand auch die E-Gitarre und eine stimmige Gesangshook ausgepackt und damit der Club gesprengt, damit die eigene Entourage genug Platz findet, um sich einen gemütlichen Abend mit "Bass und Boom" machen zu können. Sofern der Abend zu sehr ausartet, werden die Pläne von "Morgen" dann eben per klassischem Boom bap auf übermorgen oder gar auf überübermorgen verschoben. Alles in allem haben die Jungs von Eljot Quent Bruce Waynes Beerdigung bestens vertont und sollten unbedingt ausgecheckt werden.





    Dramadigs – Bei aller Liebe


    Bereits beim 2012 erschienenen Dramadigs-Debüt sagte sich der interessierte Hörer: "Das muss doch nu wirklich nicht sein". Bei dem neuen Werk des Bremer Producer- und Rapper-Duos geht es ihm "bei aller Liebe" wohl nicht viel anders. Jazz- und Soulsamples wohin man nur blickt, Oldschoolfeeling und Hörgenuss par excellence, Gastbeiträge von so ziemlich allem, was im deutschen Indie-Rap Rang und Namen hat. Vielfalt auf musischer wie textlicher Ebene ist vorprogrammiert. Da säuseln Schaufel und Spaten gemeinsam mit Sonne Ra auf einem Beat, der irgendwo aus einem 80er Jahre-Porno stammen könnte, wunderschön eklig vom "dicken Schlampenarsch", werfen die Sichtexoten Luke&Fil auf entspanntem, sanften Samplesound "Servietten vor die Säue" und analysiert Fatoni per "Schauspielführer" und André 3000-"Forever ever"-Sample die Entwicklung der Gesellschaft ebenso exakt wie nichtssagend. Allem drücken die Dramadigs, auch wenn selbst nur mit einem einzigen Vocalpart und ansonsten nur mit den entsprechenden Beats vertreten, ihren Stempel unverkennbar auf. Stellenweise wirkt das Album zunächst irgendwie lapidar produziert: Loops erscheinen fast zu schlicht, doch sämtliche Tracks sind hervorragend komponiert sowie arrangiert und die jeweiligen Rapper, welche tatsächlich nur die wunderbare Abrundung der fantastischen Instrumentals sind, großartigst in Szene gesetzt. Rauschmittelkonsum reiht sich neben nostalgischen Erinnerungen und zeitgemäßer Szenekritik ein, eingepackt wird das Ganze in die großartigen Klangteppiche des Bremer Duos. Das Ergebnis sind jede Menge gelungener Tracks auf einem Album, das zu keiner Zeit langweilig oder monoton wirkt und immer wieder zu überraschen weiß. Die Dramadigs und ihre Musik sind sicherlich nicht jedermanns Geschmack, doch jeder, der sich auch nur einmal dabei erwischte, beim Hören eines Jazzsamples sanft mit dem Fuß zu wippen, sollte sich diesem Album in einer ruhigen Minute widmen. "Bei aller Liebe", das muss nu wirklich sein!





    MaXXi.P – Dunkler Poet


    Auch wenn es bei dem ein oder anderen Künstler und seinen Werken mehr als gut versteckt zu sein scheint: Irgendwo ist Rap immer auch Poesie. Gerade in "dunkleren" Subgenres, wo nachdenklicher Rap mit okkulten Themen oder düsteren Horrorszenarien kombiniert wird, ist dieser poetische Ansatz oftmals sehr präsent. Maximilian Felipe Puntai, so MaXXi.P bürgerlich, sieht das Ganze wohl ähnlich, nennt er sein neues Werk, welches er zum kostenfreien Download anbietet, doch sicher nicht grundlos "Dunkler Poet". Das Soundbild ist überwiegend finster und behält den "gruseligen" Charakter bei, der bereits durch das "Intro" aufgebaut wird, lässt sich jedoch regelmäßig von anderen Einflüssen auffrischen, die dem Werk ein breites Klangspektrum verleihen. Seine Herangehensweise an unterschiedlichste Thematiken zeugen von der Vielfältigkeit des Hannoveraners, wenn er etwa die zerrissene Gedankenwelt eines von starken psychischen Problemen belasteten Menschen beschreibt oder auf einem Dubstep-Beat davon erzählt, für seine "Traumfrau" – welche er tatsächlich nur in seinen Träumen anzutreffen scheint – in ein künstliches Koma flüchten zu wollen. All dies geschieht technisch äußerst facettenreich und talentiert. Geschickt schlüpft MaXXi.P auf "Schlussstrich" gleichzeitig in die Rollen eines aus Problemverhältnissen stammenden jungen Mannes und eines von Völlerei und Überfluss bedrängten Mädchens, die unterschiedlicher nicht sein könnten, letzten Endes aber dennoch mit denselben Schwierigkeiten in ihren Leben zu kämpfen haben. Stellenweise verfällt der Rapper bei solch tragischen Inhalten jedoch leider zu sehr in textliche Darstellungen und Ausdrucksweisen, die zu stark nach eingefordertem Mitleid klingen oder fast schon klischeehaften Schemata folgen. "Mann mit Sense" etwa handelt vom Tod eines nahestehenden Menschen, besteht fast ausschließlich aus den typischen Phrasen, die bei einer solchen Thematik gedroschen werden, und hat wenig bis gar nichts Individuelles. Auch mit seinem Gesangstalent wagt er sich stellenweise in falsche Richtungen vor, da er zwar durchaus begabt ist und etwa "Medizin" oder dem Titeltrack "Dunkler Poet" mit seiner kräftigen Stimme eine ganz eigene Note verleiht, andernorts aber fast schon zu poppigen Sound erzeugen möchte. MaXXi.P ist ein talentierter Rapper, der auch in Hinblick auf seinen Gesang einiges zu bieten hat, musikalisch trifft er jedoch ab und an leider noch falsche Entscheidungen, die aber keinesfalls davon abhalten sollten, sich das Album zu Gemüte zu führen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    01. Stories auf der Haut
    02. Alles was ihr braucht
    03. Ich hab es
    04. Ich fang grade erst an
    05. Immer noch
    feat. Vanessa Gentile
    06. In my zone
    07. Guck ma
    feat. Harris
    08. Traum
    09. Sneaks
    10. Whut up
    11. Wenn sie mich hören
    12. Scheiße nein
    13. Mind on my money
    14. Mir gehts gut
    15. Gehen oder bleiben
    feat. Marvin Baker
    16. Feuer feat. Franky Kubrick
    17. Sie will mich
    18. Solo
    feat. Deenie S.
    19. Es tut mir ja leid
    20. Wochenende
    feat. Vanessa Gentile
    21. Früher


    Hand aufs Herz: Als das neue Release von Jifusi angekündigt wurde, konnte ich mit dieser Nachricht zuerst nicht viel anfangen. Irgendwo im Hinterkopf klingelte es zwar ganz leise, doch weder konnte ich ein Gesicht noch irgendwelche Tracks mit dem Namen in Verbindung bringen. Nach ein paar Momenten des Grübelns fand ich dann aber doch eine Antwort – jedem, dem es in Bezug auf den Künstler anfangs ähnlich wie mir ergeht, sei ein Hinweis gegeben: "Mammut Remix". Spätestens jetzt fällt einem wieder der junge Stuttgarter ein, der neben vielen anderen talentierten Künstlern auf dem Remix von Savas' "Der Beweis" zu hören war. Nun kommen auch Erinnerungen an Zusammenarbeiten mit Franky Kubrick, die Aufmerksamkeit als Backup von Kool Savas und der auf "John Bello Story 2" befindliche Track "Horrormusic" aus den Tiefen des Unterbewusstseins hoch. Nach ein wenig Recherche hat man dann auch wieder diverse Mixtapes und das Album "In vollen Zügen" auf dem Schirm, wodurch die Nachricht über ein neues Release nun doch wieder recht interessant klingt. Was genau Jifusi aus alledem machte und was er sich im Hofstaat des "King of Rap" aneignen konnte, ist zunächst ungewiss. Doch wenn man dem Titel des neuen Mixtapes glauben schenkt, scheinen zumindest ein "paar Euro und 'n Traum" übrig.


    "Das ist die fünfte Platte – mal seh'n, was diesmal geht/
    Mal seh'n, ob ihr nach Nummer fünf endlich dahinter seht/
    Einer der echtesten Spitter, die es in Deutschland gibt/
    Hat ein paar Euro und 'nen Traum und ist wieder zurück/
    "
    (Jifusi auf "Stories auf der Haut")


    Der Anfang des neuen Werks ist in jedem Fall vielversprechend. Eine helle Gesangsstimme und sanfte Klavierklänge bauen sich zu einem immer lauteren, zunächst noch recht sphärischen Beat auf, während die Kraft und Geschwindigkeit von Jifusis Flow stetig zunimmt. Das Ganze entlädt sich schließlich in einem energiegeladenen Beat und einem schnellen, wütenden Rappart des Stuttgarters, wodurch es zunächst erscheint, als lehne sich der Künstler gar nicht so weit aus dem Fenster, wenn er meint, er habe "alles was ihr braucht". Seiner Meinung nach brauchen wir allerdings ein Soundbild, das sehr an amerikanischen Club-Vorbildern orientiert ist und bietet uns daher eine Vielzahl an Titeln, die sehr auf eingängige Hooks und Bridges konzentriert sind. Titel wie "Ich hab es" und "Sneaks", auf dem Jifusi seine teure Liebe zu neuen Schuhen gesteht, warten daher oftmals mit kurzen, eingängigen Strophen auf, die entsprechend oft wiederholt werden, um selbst beim ersten Hören im Kopf hängenzubleiben. Inhaltlich geht hierbei leider nicht sonderlich viel, doch zumindest kann er mit seinem US-lastigen Sound halbwegs überzeugen. Dies liegt vor allem auch an seiner interessanten Stimme, die gerade bei vereinzelten, englischen Strophen genauso gut von einem internationalen Künstler stammen könnte.


    Wenn man sich dann auch noch den Stuttgarter Marvin Baker dazuholt, dem die englische Sprache ähnlich gut liegt, muss man sich eigentlich nur noch wenig Sorgen darum machen, dass das Ganze zumindest sprachlich erzwungen klingen könnte. "Gehen oder bleiben" besticht allerdings nicht nur durch einen Featuregast mit sanfter, angenehmer Stimme, sondern auch durch einen interessanten Beat, der ebenjenen warmen Gesang mit knallenden Drums und dumpfen Gitarrenriffs kombiniert. Das Inhaltliche bleibt bei beiden Künstler jedoch ziemlich auf der Strecke – trotz der Thematik einer erfolglosen Beziehung wird textlich nur an der Oberfläche gekratzt und man verbleibt eher nichtssagend, was sich des Öfteren als Problem Jifusis herausstellt. So sind Features mit Kumpel Deenie S. und Franky Kubrick an und für sich zwar stimmige Representertracks, doch bringen sie keinerlei Tiefgang in das Werk. Spezializt Harris wird sogar regelrecht verpulvert, hat er auf dem Beat zu "King Company" von US-Rapper Tyga, welcher für "Guck ma" verwendet wurde, doch nur ein paar wenige Sätze beizutragen, die in Fusis Part so eingebaut wurden, dass ein Dialog der beiden entsteht. Warum Dirty Harri nicht auf "Wochenende", einem Track über das Partyleben nach einer harten Woche, gastiert, wo dies doch ein nahezu perfektes Thema für den Berliner wäre, bleibt fraglich. Zwar klingt Vanessa Gentile hier auch durchaus passend, doch kann die Singer-Songwriterin, die vor allem durch diverse Coversongs ein wenig Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte, viel eher durch ihre Performance auf "Immer noch" überzeugen.


    "Ich bin immer noch derselbe Typ, der ich damals war/
    Immer noch Straße, immer noch kein Superstar/
    Ich hab' immer noch Träume zu verwirklichen/
    Und ich träum' immer noch von Dingen, die nicht wirklich sind/
    "
    (Jifusi auf "Immer noch")


    Auf den sehr ruhigen, sanften Klängen von "Immer noch" zeigt sich Jifusi plötzlich deutlich bescheidener, ist dankbar für das Feedback, das ihm seine Fans entgegenbringen, gesteht sich aber auch selbstkritisch eigene Fehler ein. Der Kontrast zu den vielen aggressiven Representern, in denen er sich etwa als "underrated, most hated Top-MC" ("In my zone") bezeichnet, der laut eigenen Worten so vielen kleinen Scheißern hier den Weg ebnete, ist so extrem, dass der inkonstante Charakter, den der Rapper auf dem Mixtape verkörpert, dem Werk durchaus schadet. Die Tape-Eigenschaft von "P.E.U.N.T." wurde dadurch verstärkt, dass die Beats der einzelnen Tracks ineinander übergehen und somit vorgegeben ist, die Titel in der richtigen Reihenfolge zu hören, um plötzliche, störende Cuts im Soundbild zu vermeiden. Gleichzeitig sind somit aber auch die Sprünge vom selbstverliebten Star zum demütigen HipHop-Fan innerhalb einer einzelnen Person vorgegeben, so dass diese abrupten charakterlichen Widersprüche beim Hören immer wieder auffallen. Die ruhige, zurückhaltendere Ader Jifusis alleine ist jedoch alles andere als unnötig, im Gegenteil: Seine leiseren Titel sind inhaltlich sogar die besten des Werks. Statt hohler Phrasendrescherei über das Abschleppen von Frauen im Club wie auf "Scheiße nein" oder den sexuellen Verkehr mit den Müttern seiner Hater auf dem äußerst nervigen, aus orientalischen Sounds zusammengeschusterten Beat von "Wenn sie mich hören", kann der Rapper in nachdenklicheren Texten beweisen, dass er durchaus auch fähig ist, Geschichten zu erzählen. Im Falle von "Früher", einem Resümee seiner bisherigen Karriere, liegt dies natürlich wohl auch daran, dass es schlicht und ergreifend eigene Erfahrungen sind, von denen er erzählt. Doch selbst "Sie will mich", ein Track, in dem Jifusi mit leichtem Augenzwinkern die Rolle eines Frauenhelden spielt, der sich von Geliebter zu Geliebter bewegt, gelingt es ihm, eine gewisse Handlung aufzubauen.


    Der Versuch, einen entspannten Beat mit prahlerischen Texten zu kombinieren, scheitert dagegen allerdings wieder, "Mind on my money" entpuppt sich eher als eine schleppend langsame Nummer, die dem Hörer viel zu viel Zeit lässt, sich darüber klar zu werden, dass die Phrasen, die der Rapper immer wieder von sich gibt, meist doch eher fragwürdig sind. Geschickterweise beendet Jifusi das Mixtape jedoch nicht nur mit dem bereits erwähnten "Früher", sondern fügt dem Ganzen noch einen abschließenden Hiddentrack bei, auf dem er seine einsame Kindheit und Jugend ohne Eltern darstellt und damit ein weiteres Mal seine erzählerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen kann. So endet "P.E.U.N.T." fast so gut, wie es begonnen hat, und lässt den Gesamteindruck letztendlich wieder ein wenig positiver wirken.


    Fazit:
    Rückblickend muss ich gestehen, dass, sofern ich Jifusi nur auf sein neues Mixtape reduzieren würde, ich durchaus nachvollziehen könnte, warum der Stuttgarter bei mir etwas in Vergessenheit geriet. Zu viele der 21 Anspielstationen sind austauschbar und zu klischeebehaftet, haben keinerlei tiefergehende Aussage oder versuchen sich zu sehr an einem internationalen Soundbild. Sicher dient ein Mixtape oft dazu, dass B-Ware, die nicht auf einem Album landen soll, aber dem Künstler doch zu schade für den Papierkorb ist, zu veröffentlichen. Doch im Falle von "P.E.U.N.T." bleibt zu hoffen, dass fast der gesamte Inhalt aus genau diesem Grund seinen Platz auf dem Werk fand. Wünschenswerter wären viel eher weitere Titel, bei denen Jifusi Wert auf Aussage statt ausschließlich auf massentaugliche Klänge legt. Dass er dies beherrscht, beweist er immerhin vereinzelt, nur eben leider viel zu selten. Für das nächste Release sollte der Stuttgarter neben den paar Euro und dem Traum aus dem Mixtapetitel auf jeden Fall noch deutlich mehr Inhalt im Gepäck haben.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    01. Pubertät
    02. Echt erkennt echt
    03. Astronaut
    04. V.U.P. Lounge
    05. LOL
    06. Die kleinste Sekte der Welt
    07. Hotel Mama
    08. Auftrag: Verschwende deine Jugend
    09. König Außenseiter
    10. Die brennende Stadt (Ein Weltuntergang Pt. 1)
    11. Der Wal (Ein Weltuntergang Pt. 2)
    12. Superheldenanzug


    Wir befinden uns im Jahr 2014. Rap in Deutschland ist, was Größe und Aufmerksamkeit durch Medien aller Art angeht, seinen Kinderschuhen mittlerweile längst entwachsen. Die Vertreter selbst beschreiben ihre neuesten Werke auch inhaltlich als besonders reif, reden davon, dass sie sich weiterentwickelt haben und sind stets darum bemüht, allzu jugendlich wirkende Images abzulegen. Kurz: Ganz Deutschrap ist vom Wunsch nach dem Erwachsenwerden beseelt. Ganz Deutschrap? Nein! Ein unbeugsamer, junger Mann leistet dem plötzlichen, adulten Verhalten der Szene Widerstand, sieht sich dabei jedoch selbst mit diversen Problematiken konfrontiert. Nachdem das Oberhaupt der Nerdy Terdy Gang nämlich gewisse Schwierigkeiten hatte, auf der Welle um Cro und Konsorten – einen Rahmen, in den er sowieso nie so ganz reingepasst hatte – erfolgreich mitzuschwimmen, wurde es eine Zeit lang ruhiger um ihn und das angekündigte zweite Album. Durch das Signing bei Embassy of Music scheinen die entstandene Probleme nun zwar aus der Welt geschafft, doch das Leben ist für Max Nicolas Nachtsheim, besser bekannt unter dem Künstlernamen Rockstah, noch immer nicht leicht. Denn er steckt mitten in der "Pubertät".


    "Der neue deutsche Teenieschwarm/
    Poppe die Cola Light aus dem Limousinendach/
    Mein Album ist so ein Jahr zu spät/
    Passiert, wenn man aus Coolness nur in Zeitlupe geht/
    "
    (Rockstah auf "Pubertät")


    Auch wenn der Schritt vom Debüt, der doch recht kindischen "Nerdrevolution", hin zur "Pubertät" durchaus einen gewissen Reifeprozess markiert, beweist uns Rockstah auf seinem zweiten Album, dass diese Etappe selbst nur wenig mit tatsächlichem Erwachsenwerden zu tun haben muss. Der Titel des Werks stellt nicht zufällig eine der verwirrendsten und überforderndsten Lebensphasen überhaupt dar, es gilt "Nomen est omen": Laut scheppert uns der donnernde Beat zum Titeltrack samt heruntergepitchter Hook entgegen. Ein zunächst sehr überladenes Soundbild, mit dem wir ohne Vorwarnung konfrontiert werden. Noch bevor man die musische Einleitung verdauen konnte, legt Rockstah textlich direkt nach. Jugendlicher Leichtsinn, Aufmüpfigkeit, Gefühlschaos, (grundloses) Rebellentum, mehr oder minder freiwillige Aus- und Abgrenzung. Die Gefühls- und Gedankenwelt eines Pubertierenden in Kombination mit humorvoller Selbstreflexion und entwaffnender Ehrlichkeit auf Albumlänge. Gespielt ist das juvenile Verhalten und Denken jedoch keineswegs: Kein noch so kindisches Erlebnis wirkt erfunden, keine noch so pubertäre Aussage gestellt. Rockstah ist tatsächlich "der Imagerapper, der sein Image (leider) auch noch lebt" ("Superheldenanzug"), wodurch der rote Faden weder erzwungen noch die Thematik übers Knie gebrochen klingt. Man nimmt ihm die Rebellion im verschlafenen Städtchen seiner Kindheit aus "Echt erkennt echt" ebenso wie das Liebeslied an sein Gamescom-Girl, "Die kleinste Sekte der Welt", vollkommen ab, ohne befürchten zu müssen, das Ganze von einem Berufsjugendlichen vermittelt zu bekommen.


    Viel eher wirkt das Album stellenweise fast schon zu überzeugend frisch und diverse Tracks, vor allem in Hinblick auf die vielen rocklastigen, mit einer Handvoll Phrasendrescherei bestückten Hooks, könnten ebenso gut von der kleinen Schülerband aus dem Jugendzentrum nebenan stammen. Statt tatsächlichem Tiefgang gibt es hier dann fast schon klischeehafte Teenie-Parolen über das Erwachsenwerden und eine reichlich naive Sicht auf die Welt zu hören. Zwar driften pop-rockige Nummern wie "Astronaut" und "Verschwende deine Jugend" dadurch schnell mal in eine sehr kitschige Ecke ab, doch bleiben derartige Makel weit hinter einem fantastischen Soundbild und eingängigen, energiegeladenen Ohrwürmern zurück. Genau hier zeigt sich eines der größten Talente des Rodgauers, aus so gut wie jeder Not problemlos eine Tugend machen zu können. Sein eher bescheidenes Gesangstalent lässt einerseits keinen Zweifel daran, dass jede der vielen gesungenen Hooks durchaus schöner und angenehmer vorgetragen werden könnte, macht andererseits gleichzeitig jedoch spürbar, dass sie genauso quengelig und halbschief klingen muss, wie sie es eben tut. Ähnliches gilt für Rockstahs Flow, welcher auch nicht zwingend eine herausragende Eigenschaft des Künstlers darstellt und teilweise nur wenig bis gar keine Vielfalt sowie technisches Geschick beweist. Doch eben genau aus dieser amateurhaften Natur heraus scheint seine Art zu rappen bestens für die Texte, die er vermitteln möchte, geeignet.


    "Nerdy Terdy Gang – wir sind fast wie die X-Men/
    Denn deren Anführer ist auch krass behindert/
    Kids meckern laut, weil die Hose viel zu eng ist/
    Aber denk mal nach: Es gibt keinen Superheld in Baggys/
    "
    (Rockstah auf "Superheldenanzug")


    Mehr als gekonnt spielt Rockstah diverse Rollen, stellt unterschiedlichste Facetten der "Pubertät" dar und bietet thematische Vielfalt, ohne sich jemals zu weit vom Grundcharakter des Albums zu entfernen. Zwar riskiert er hier durchaus eine gewisse Redundanz in Hinblick auf immer wiederkehrende "Ich verstehe die Welt um mich herum nicht"-Thematiken, diese kann er meist jedoch entsprechend verpacken. Er schlüpft in den selbstgemachten "Superheldenanzug", um den verträumten Versager zu mimen, dem aus vielerlei Gründen das Comichelden-Dasein verwehrt wird. An anderer Stelle lebt er als ewiger Junggeselle im "Hotel Mama" vom Taschengeld seines Vaters oder vermiest seinen Mitmenschen als übel gelaunter "König Außenseiter" den Tag. Dabei stolziert er auf einem dreckig rockigen Beatbrett wütend durch die Welt, zersticht Fußbälle, bewirft Kinobesucher mit Popcorn und tippt das Ganze der Realness wegen nur mit den Mittelfingern in den Laptop. Das Prinzip, die eigene schlechte Laune an anderen so lange auszulassen, bis man selbst wieder Spaß daran hat, wird instrumental bestens wiedergegeben: Gitarrenriffs schrammen böse über die harten Drums hinweg und werden in der Hook mit einem schrillen Cheerleaderchor abgerundet, sodass das "Mitbuchstabieren" seines Namens hierbei fast schon Pflicht wird.


    Bei einem Album, das so vollgestopft mit knallenden Rockbeats und mitreißenden Hooks ist, überrascht der kurze Ausflug in ruhigere Gefilde extrem und der "Ein Weltuntergang"-Zweiteiler, bestehend aus "Die brennende Stadt" und "Der Wal", wirkt auf den ersten Blick deplatziert. Die zuvor aufgebaute gute, wilde Laune wird durch sanftere Töne für kurze Zeit erschüttert, sodass das insgesamt glatte Soundbild einen leichten Knick bekommt. Zwar bleiben Gitarrensounds und Drums durchaus erhalten, doch brennt die Stadt klanglich wesentlich zurückhaltender und ruhiger, während "Der Wal" langsam und schwerfällig durch einen sphärischen Beat hinabschwebt. Selbstverständlich dient der Wal selbst als Anspielung auf das Buch "Per Anhalter durch die Galaxis", so wie es über das gesamte Album verteilt dutzende von Referenzen, Andeutungen und Hinweisen auf Videospiele, Filme, Comics und dergleichen gibt. Doch nur selten wird ein gesamter Track von so vielen Metaphern und Bildern getragen, wie es bei diesen beiden Titeln der Fall ist. Direkte, spontane Worte und klar strukturierte Beats werden durch eine komplexere Klangwelt und Texte ersetzt, die sich nicht immer sofort erschließen. Rockstah zeigt sich abseits der lauten, wilden Lieder hier ruhig und nachdenklich, so wie es auch im Leben eines Pubertierenden immer wieder Momente gibt, in denen er für sich allein sein muss, sich zurückzieht und nachdenkt. So kurz vor dem Ende des Werks lässt sich hier ein deutlicher Kontrast zum harten, lauten Anfang feststellen und die klangliche sowie inhaltliche Abrundung der "Pubertät" – gleichwohl in Hinblick auf das Album als auch auf die Lebensphase selbst – erkennen, sodass das Konzept dahinter bestens aufgeht und einen großartigen Abschluss findet.


    Fazit:
    Gleich vorweg: Wer wohldurchdachten, technisch ausgefeilten Rap, makellose Gesangshooks und komplexeste Klangbilder sucht, wird auf "Pubertät" wohl ein wenig enttäuscht werden. Wer sich jedoch mit einem Album voll von Ohrwürmern, viel Humor und einem Künstler, der definitiv weiß, wovon er erzählt, zufrieden gibt, dem sei es wärmstens empfohlen. Auf jede Menge rockige Beats rappt Rockstah frei Schnauze von mangelnder Coolness, Außenseitertum sowie der Liebe und dem Hang zum "Nerdsein". Der amateurhafte, weltfremde und unbeholfene Charakter, der ihm und seinen Album innewohnt, überzeugt stets durch seine sympathische Art und einen gesunden Hauch von Peter Pan-Syndrom. Jeder Hörer kann sich und seine eigene Jugend stellenweise textlich nachvollziehbar wiederfinden und sich von absolut gelungenen Liedern rund um den Weg von der Kindheit zum Erwachsenwerden mitreißen lassen. Lasst die anderen ruhig freiwillig alt werden, Rockstah klingt auch in der "Pubertät" schon mehr als reif.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Degenhardt – Destroy 2


    Wer etwas über Degenhardt erfahren will, macht sich auf eine lange, tiefgehende und letztlich dennoch recht ergebnislose Reise durch das Internet. So lassen sich einzelne Informationsfetzen und Bruchstücke an Wissen zwar aufspüren – Schlagworte wie die Gruppe "Johnny war ein Tänzer" und das ehemalige Pseudonym "Detlev Disko Degenhardt" finden sich ebenso wie eine Vielzahl an Download-Werken –, doch wirklich zu fassen kriegt man die ominöse Gestalt nie. Das nun erschienene Sequel zu "Destroy" beantwortet ebenfalls nur wenige Fragen zur Identität des Interpreten, stellt im Gegenzug jedoch dutzende weitere selbst. Das "Intro" verbindet die Stimmen spielender Kinder mit dem Sample eines Interviews vom deutschen Liedermacher Franz Josef Degenhardt, in dem er sich zum Thema Underground äußert. Die dort angesprochene Problematik, dass der Untergrund, wenn er nur eine einfache Gegenbewegung bliebe, statt sich eine eigene Identität zu schaffen, letztlich nur ein weiteres Konsumgut wird, scheint hierbei ausschlaggebend für das gesamte Werk zu sein. Denn was hierauf auf sieben Anspielstationen folgt, ist weder massentauglich noch ein schlichtes Anti-Mainstream-Produkt. Vom mit dumpfen Flöten begleiteten "ArbeitenBetenTrinkenTräumen" bis hin zu bewusst disharmonisch platzierten Samples aus Casper- und Chakuza-Werken in "Kunst" und "Toter Punkt" lässt sich nie wirklich erkennen, worauf der Künstler tatsächlich abzielt. Der dunkle Grundton von "Destroy 2" wird nicht nur durch eine Reihe düsterer Beats mit harten Drums geschaffen, sondern ebenso durch Degenhardts tiefe, raue Stimme geprägt, mit welcher er eine Vielzahl verworrener und komplexer Metaphern und Wortbildern erschafft. Der durchschnittliche HipHop-Fan, dem es vor allem um hitverdächtigen Sound und passende Raptechnik geht, sollte von "Destroy 2" wohl gehörigen Abstand nehmen. Jeder, für den Rap aber durchaus mal experimentell, komplex und intelligent sein darf, sollte zumindest einmal in das Werk hineinhören und dann entscheiden, ob er sich auf die Suche nach der schemenhaften Figur Degenhardt machen möchte.





    Dr. Lucs – Den Frauen gewidmet


    Damit eine EP zwar kompakt, aber dennoch vielfältig sein kann, ist es für den Künstler ratsam, sich einen Rahmen dafür auszudenken und das Werk einem speziellen Konzept oder einer bestimmten Thematik zu widmen. Dr. Lucs ließ sich hierbei nicht gerade lumpen und wählte direkt eines der komplexesten und facettenreichsten Themengebiete überhaupt aus. Das Erstlingswerk des wirscheissengold-Rappers ist "den Frauen gewidmet" und beschenkt das schöne Geschlecht mit elf Titeln inklusive kurzer Skit-Einlagen. Allerdings befasst er sich darauf nicht ausschließlich mit dem weiblichen Kosmos, sondern findet noch die ein oder andere wichtige Geschichte, von der er uns berichten muss. So beschreibt er etwa auf dem fast schon nervig fiesen Beat von "Fundament" den aktuellen Stand seiner Karriere oder erzählt zum dumpfen Gedudel von "Ich fahr' Auto schnell" von den waghalsigen Fahrmanövern, an denen er sich seit Erhalt des Führerscheins versucht. Wenn er dann aber mal zum Thema Frau findet, kombiniert er battleraptypische Phrasen mit klischeehaften Komplimenten zu einer fadenscheinigen Liebeserklärung an die "Battle Bitch" und gibt "irgendeine doofe Gesangshook" zum Besten oder befasst sich auf seichten Klängen, die direkt aus irgendeinem billigen "Pornofilm" stammen könnten, mit der bunten Welt der Internetpornografie samt kurzer Acapellaversion des Ganzen. All das verpackt Lucs nicht nur in humorvolle, ironieschwangere Texte und klebrig-schönen Singsang, sondern würzt an den richtigen Stellen noch mit gekonntem, schauspielerischem Stimmeinsatz, wodurch man sich zu Weilen gar an einen frühen Alligatoah erinnert fühlt. Tatsächlich findet der 20-jährige Frauenversteher bei alledem sogar noch Platz für ein paar ernste, nachdenklichere Worte, so dass er mit dem WSG-Kollegen Sickless auf "Reise" über die Zeit des Erwachsenwerdens und die damit verbundene Aufbruchsstimmung philosophiert und "Tag ein, Tag aus" Das W beim Kampf gegen Stress und Hektik unterstützt. Lucs' erste EP mag zwar "den Frauen gewidmet" sein, kann allerdings jedem Geschlecht nur wärmstens empfohlen werden.





    Johnny Rakete – Per Anhalter durch die Galaxis


    Wer "per Anhalter durch die Galaxis" reisen will, nutzt dafür am besten ein Raumschiff oder eine Rakete. Im vorliegenden Fall eben Johnny Rakete. Während der in Fürth lebende MC zuletzt noch "Broke aber dope" war, rauscht er auf der neuen EP nun quer durch den Kosmos. Zusammen mit seinem Co-Piloten Hawk One aus Berlin, der sämtliche Beats produzierte, werden auf dem Weg durchs All sieben verschiedene Stationen angesteuert. Das Ziel der Reise? Hörgenuss! Und davon lässt sich auf dieser EP reichlich finden. Neben den obligatorischen Anspielungen auf das gleichnamige Buch beziehungsweise den Film "Per Anhalter durch die Galaxis" gibt es '90er Jahre-Sound, gepaart mit tiefenentspanntem Flow in Hülle und Fülle. Von der Ode an die eigene Faulheit ("Ab und zu") mit jazzigem Klimperbeat bis hin zur Boom bap-lastigen Auseinandersetzung mit der mangelnden Dankbarkeit und Zufriedenheit der Leute auf "Danke für den Fisch": Johnny beherrscht sein Handwerk so unbeschwert und locker, dass das Universum nur so am Hörer vorbeirauscht, während er dem Franken lauscht. Denn auch das ist ein durchaus wichtiger Aspekt der Platte: Einfach mal runterkommen, in der Musik versinken, wahlweise ein wenig Gras konsumieren und sich Zeit für das eigene Wohlbefinden nehmen. Dem "Kritiker" kann der Rapper nur noch vorwerfen, dass dieser ihm nichts vorzuwerfen hat. Und dass die Antwort auf die Frage aller Fragen die "42" ist, weiß mittlerweile jedes Kind. Irgendwo ist dann auch noch Platz für das ein oder andere "Zwischending", bei dem Hawk One im Alleingang beweisen darf, was er kann – und so zwei großartige Instrumentals zum Besten gibt. Gute 20 Minuten Beats, die immer wieder gerne mit dem Oldschoolfeeling liebäugeln, und Texte über Bier, Gras, Rap und einen entspannten Lebensstil lassen den Trip durch den Raum mit Lichtgeschwindigkeit vergehen und laden direkt zum zweiten, dritten und vierten Durchhören der EP ein. Ein Kurztrip, den absolut jeder antreten sollte.





    Criz – Totgesagte leben länger


    Das Sprichwort "Totgesagte leben länger" ist nicht nur der Titel des Debütalbums von Criz – es könnte stellenweise auch das Motto seiner Karriere sein, wurde es nach dem Ende des Labels Echte Musik doch erst einmal ruhiger um den Frankfurter. Nach dem Signing bei Ambivalenz Music scheint er sich nun wieder Gehör verschaffen zu wollen und kündigte den Nachfolger seines Mixtapes "HDV / Nordwestfrequenz" und das erste Album an, wovon Letzteres nun releast wurde. Beim Hören des Werks liegt die Vermutung nahe, dass die selbst auferlegte Schaffenspause eine Art Ruhe vor dem Sturm war, denn bereits das "Intro" baut sich aus einer düsteren Atmosphäre hin zu einem epochalen Beat auf, wenngleich die eingescratchten Schlagworte und Textzeilen erst mal keinen wirklich tiefgehenden Inhalt liefern. Der Frankfurter mag nicht der technisch versierteste MC sein, kann mit seiner kräftigen Stimme und dem ruhigen, konzentrierten Flow jedoch zumindest Geschichten und Erlebnisse darstellen. So beweist Criz im Laufe des Albums zwar durchaus, dass er fähig ist, Aussage und Message in seine Tracks zu packen und erzählt davon, wie seine Liebe zu Rap entstand und dass er in Hinblick auf die Entwicklung seines Werdegangs "nichts bereut" oder kämpft gemeinsam mit Celo & Abdi im "Vollkontakt". Doch sind es vor allem die großartigen Instrumentals, die dem Album einen starken Pluspunkt verschaffen. Das Produzententeam C&S Productions, das bereits für und mit Leuten wie Azad, Jonesmann und Chakuza arbeitete, zeichnet hierbei für einen Großteil verantwortlich, lässt harte, rockige Elemente mit HipHop-Sound verschmelzen und erschafft so eine ganze Reihe sehr energiegeladener Beats. Criz' kraftvolle, düstere Stimme kommt auf diesen Klangteppichen bestens zur Geltung und wird durch passende Gesangshooks von Jonesmann, Marcella McCrae und CJ Taylor klanglich abgerundet. Einzig die Zusammenarbeit mit dem Rockmusiker Philip Eschenbach auf "Slum Thug Millionär" fällt hierbei etwas aus dem Rahmen, da der Plan, dem "Kopf hoch"-Track eine stark euphorische Hook zu verleihen, irgendwie nicht so ganz aufgehen mag. Letztlich kann dieses kleine Manko dem klanglich hervorragenden Album jedoch nichts anhaben und so ist es der Karriere von Criz zu wünschen, dass sie nach der Ruhepause nun etwas langlebiger zeigt.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Das VBT-Mag beschäftigt sich in erster Linie mit den Teilnehmern des Turniers – weshalb wir Euch in diesem Jahr bereits die verschiedenen Crews in Form von Steckbriefen nähergebracht haben. Nun wird der Fokus auf eine Gruppe von Leuten gerichtet, die vielleicht weniger auffällig, dennoch ebenso wichtig für das Turnier agiert. Die Entscheidungen über Sieg oder Niederlage stehen und fallen mit der Jury, bestehend aus diversen, in der Rapszene etablierten und relevanten Persönlichkeiten, die es sich zur Aufgabe machten, im Laufe der VBT Splash!-Edition 2014 die beste teilnehmende Crew zu ermitteln. Um das VBT einmal aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, präsentieren wir Euch kurze Interviews, bestehend aus vier Fragen, welche wir mit Mitgliedern der Jury führten.




    Julian Gupta


    rappers.in: Hat man an die Runden einer Crew höhere Erwartungen als an die eines Solokünstlers?


    Julian Gupta: Grundsätzlich können Crewbattles von Vorteil sein, da einfach mehr kreative Köpfe involviert sind. Gleichzeitig ist natürlich auch die potenzielle Wacknessquote höher. Insgesamt würde ich mir vor allem bei den Produktionen teilweise mehr Qualität wünschen, aber leider bleibt eines der VBT-Grundprobleme auch bei dem ein oder anderen Team bestehen und ich finde die Produktionen unhörbar.


    rappers.in: Steigen deine persönlichen Erwartungen an die Crews im Laufe des Turniers?


    Julian Gupta: Definitiv! Man hat das zuletzt schon bemerkt. Ist ja ein K.o.-System. Deshalb hoffe ich auf eine Steigerung in den nächsten Runden, da sind nämlich einige Crews dabei, denen ich ich definitiv noch mehr zutrauen würde.


    rappers.in: Ist es als Jurymitglied wichtiger, dass die Crewmitglieder gut miteinander harmonieren oder eher, dass sie starke Einzelrapper sind?


    Julian Gupta: Am Ende kann ein sehr guter Rapper beides beziehungsweise einen guten MC macht auch die Fähigkeit aus, diese Variation hinzukriegen. Andererseits kann ich mir vorstellen, dass ein unscheinbarer Einzelrapper seine Teamfähigkeit unter Beweis stellen kann und in einer Konstellation stärker wirkt. Cheerleadereffekt. Gleichzeitig kann es passieren, dass dope Einzelrapper in der Crew ein bisschen untergehen. Aber insgesamt sind meine favorisierten Teams gänzlich stark.


    rappers.in: Hast du durch das Turnier Rapper entdeckt, die du persönlich feiern kannst?


    Julian Gupta: Ja, so langsam finden sich für mich ein bis zwei MCs, die was können. Früher war's aber krasser. Weekend, Battleboi Basti, Persteasy und später dann auch Mio Mao und Pimf sind für mich krasse Hoffnungsträger. Sprich: Jedes Jahr findet man im Turnier ein paar neue gute Rapper, denen ich auch außerhalb des Turniers einen Durchbruch zutrauen würde. In der Vergangenheit hat man gesehen, dass die oben erwähnten Rapper nicht nur in Videos, sondern auch live auf der Splash!-Bühne überzeugen konnten. Ich denke, im Verlauf der VBT Splash!-Edition wird uns mindestens eine Crew das Gleiche beweisen.



    Wir bedanken uns bei allen Jurymitgliedern, die sich die Zeit genommen haben, sich unseren vier Fragen zu stellen und uns und Euch somit einen kleinen Einblick in ihre Tätigkeit sowie ihre Gedanken zum Turnier gaben.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    01. Einfach
    02. Feuer
    feat. Tatwaffe
    03. STRG-Z
    04. Winterschlaf
    05. Nordsüdwestost
    06. Du
    07. Wozu
    feat. Jinx
    08. Wenn ich gehe
    09. Nachtrag
    feat. Jinx
    10. Gib dich nicht auf
    11. Panzer
    12. König & Königin
    13. Ich bin nicht normal
    14. Qual
    feat. Moses Pelham
    15. Bei Nacht
    16. Enzo


    Zwischen den üblichen Verdächtigen, wenn es um Deutschrap in den Charts geht, und den Hobbymusikern, die den tiefsten Untergrund bevölkern, gibt es eine gewaltige Anzahl an semi-bekannten Rappern, die mal mehr, mal weniger erfolgreich sind. Der "normale", wünschenswerte Werdegang solcher Rapper besteht wohl darin, sich nach und nach zu steigern und neue Fans zu finden, um im Laufe der Zeit immer mehr Gehör geschenkt zu bekommen. Dennoch kommt es ab und an vor, dass ein Künstler, der nie so ganz da, aber irgendwie auch nie so ganz weg war, urplötzlich in aller Munde ist. Dem Dortmunder Donato ist so eine Überraschung zumindest im kleinen Maße gelungen. Sein nunmehr drittes Soloalbum ließ fast vier Jahre auf sich warten und scheint – getreu dem Motto "Was lange währt, wird endlich gut" – von positiver Resonanz nur so überhäuft zu werden. Chakuza gab via Twitter sogar bekannt, dass "Enzo", so der Titel von Donatos neuem Werk, textlich eines der drei besten Deutschrapalben sei, die er jemals gehört habe. Bei einem derartigen Vorlauf legt der Hörer natürlich große Erwartungen in das über Kopfhörer Recordings veröffentlichte Werk – doch kann es diesen überhaupt gerecht werden?


    "Bauen ein Haus, neuer Mann, neue Frau, die alten Sachen verramscht/
    Verworfener Traum, raus aus den Knebeln der Angst – umworbener Rausch/
    Seidene Fäden halten den Käfig zusammen/
    Ich schneide sie durch und gehe es an – jetzt/
    "
    (Donato auf "Einfach")


    So ganz abwegig scheint das Lob von Medien und Künstlerkollegen auf keinen Fall zu sein, denn Marco E. Donato, so der Rapper mit vollem Namen, hat die vierjährige Pause wohl bestens genutzt. Textlich sehr ausgereift und detailliert beschreibt er auf 16 Tracks unterschiedlichste Aspekte des Lebens, schlüpft in verschiedenste Rollen und erzählt aus diversen Blickwinkeln heraus Geschichten. Gleichzeitig schafft er es jedoch, dem Ganzen einen Kollektivgedanken zu schenken. Den Wunsch des "Weggehens", sich und sein Umfeld zu verändern oder schlicht und ergreifend zu reisen, verbindet die einzelnen Tracks ebenso wie ein einheitliches Klangbild, für welches größtenteils DJ s.R., der bereits 2009 gemeinsam mit Donato an dessen "Von damals bis heute Mixtape" arbeitete, verantwortlich zeichnet. Sanfte Pianoklänge und Streichertöne werden mit harten Drums kombiniert, halten sich jedoch zurück, sodass Donatos Stimme, als er sich entscheidet, "einfach" loszugehen, trotz ruhigem und entspanntem Flow im Vordergrund steht. Auch wenn sich die Stimme des Dortmunders nicht sonderlich oft facettenreich zeigt und der Flow stellenweise etwas sehr monoton wirkt, erlaubt gerade dies, den Geschichten, welche Donato erzählt, bestens zu folgen und sich darauf einzulassen. Der einleitende Charakter und der damit verbundene Beginn der Reise wird verstärkt, als der Beat immer mehr an Energie gewinnt und die Atmosphäre, in der der Rapper sich aufrafft, instrumental grandios umgesetzt wird. Seine Abrundung findet dieses Gefühl in den sprachlichen Fähigkeiten des Künstlers, der die Situation bildhaft, detailliert und dennoch so allgemein, dass jeder Hörer sich damit identifizieren kann, beschreibt. Die Liebe zum Detail manifestiert sich in einzelnen Strophen und Texten, findet aber auch in den Zusammenhängen verschiedener Titel zueinander. So wird dem Hörer nicht nur die auf "Einfach" begonnene Reise mit den kratzigen Gitarrenriffs von "Nordsüdwestost" wieder in Erinnerung gerufen und entsprechend fortgeführt, sondern die Geschichte von "Wenn ich gehe", in der ein Mann mit Zweifeln und Gedanken spielt, seine Beziehung zu beenden, per "Nachtrag" aus einer beobachtenden Haltung weitererzählt und mit den Konsequenzen und Folgen seiner Entscheidung vervollständigt. Der sehr erzählerische Charakter seines Flows eignet sich hier wie andernorts großartig dafür, die diversen Handlungen darzustellen und fortzuführen. Dabei ist es gar nicht immer Donato selbst, der seine Geschichten weiterdichtet und so inspirierte das bereits 2012 veröffentlichte "Winterschlaf" Deutschrap-Urgestein Spax dazu, die Handlung auf seine Weise abzurunden. Verwunderlich ist dies jedoch ebenso wenig wie die Entscheidung, "Winterschlaf" trotz seines Alters auf "Enzo" zu packen; hinterlässt der an "Same Story" von Vinnie Paz angelehnte, sehr emotionale Titel nicht nur Spuren bei den Hörern, sondern passt zudem auch noch sowohl thematisch als auch klangtechnisch ausgezeichnet in das Album.


    "Gehen den schmalen Gang, bis sie hinter dem Haus sind/
    Dad zeigt mit dem Finger gen Himmel: 'Guck mal da rauf, Kind/
    Siehst du den Stern da, dort oben? Da sitzt dein Opa/
    Er passt auf dich auf, wenn's dunkel ist, ganz egal, was hier los war'/
    "
    (Donato auf "Enzo")


    Schritt für Schritt nähert sich Donato dem Ziel seiner Reise, dem Titeltrack "Enzo", lässt den Hörer jedoch lange im Dunkeln darüber, wie genau dieses Ziel aussieht. Dies gelingt ihm nicht nur dadurch, seine sehr bildhafte, fast filmähnlich erzählende Darstellungsweise so zu verwenden, dass der Fokus eher auf den Einzelgeschichten statt dem großen Ganzen liegt, sondern auch durch geschickte Stimmungswechsel, die lange offenlassen, wohin der Rapper sich auf dem Album entwickelt. Neben dem sehr düsteren, mit Dubstep-Elementen durchsetzten "Ich bin nicht normal", bei dem Wut und Zorn trotz Donatos ruhiger Stimme herausgehört werden können, und dem, in Zusammenarbeit mit Tatwaffe entfachten, grimmig knisternden "Feuer" finden sich melancholische, nachdenkliche Titel wie "Gib nicht auf" und "Wozu", wobei vor allem letzterer auch von 58Muzik-Signing Jinx und dessen Gesangshook profitiert. Wie eine Art Resümee spiegelt da der letzte Featuretrack der Platte "Qual" das emotionale sowie klangliche Auf und Ab des bisherigen Albums noch einmal wider, bewegt sich sowohl textlich als auch instrumental unauffällig zwischen Freude und Trauer, Verlust und Selbstfindung sowie Zerstörung und Hoffnung, komplettiert durch Moses Pelham, welcher seine eigene Hook aus dem Track "Mein Glück" hier in leicht abgewandelter Form zitiert.


    Nach einer letzten Ruhephase in Form des in sehr leise, schlichte Klänge getauchten "Bei Nacht", welches sich mit schleppendem Flow voranarbeitet, erreicht Donato das Ende des Weges – Titeltrack, Höhepunkt und Outro in einem: "Enzo". Kräftige Pianoklänge und sanfte Drums bilden einen angenehmen Klangteppich für den wohl persönlichsten Text des Albums, wenn nicht gar Donatos ganzen bisherigen Schaffens. Die vielen Ängste und Sorgen einer Kindheit, die nie so unbeschwert war, wie sie es hätte sein sollen, werden durch die wenigen Silberstreifen an seinem Horizont so gut es geht verdrängt, mehr von sanfter Melancholie statt tatsächlicher Freude geprägt. Detailverliebt und doch irgendwie kurz und knapp gehalten, erzählt Donato aus seiner Kindheit und nutzt auch hier wieder seine Fähigkeit, mit wenigen Worten deutliche Bilder erschaffen zu können und sie zu inszenieren. Zum Schluss offenbart uns der Künstler den Dreh- und Angelpunkt des Albums, zu dem sämtliche Anspielstationen inhaltlich wie klanglich hinführen: Einen Stern, der für ihn seit seiner Kindheit den verstorbenen Großvater repräsentiert. Somit erklärt sich nicht nur die fortwährende, mal mehr, mal weniger stark ausgeprägte Traurigkeit der Lieder, sondern zugleich der Name des Albums selbst. Der Albumtitel in Verbindung mit dem (Nach-)Namen des Künstlers ergibt somit die Widmung an den Großvater und rundet das Konzept von "Enzo", welches sich dem Hörer erst in diesem Moment wirklich erschließt, vollends ab.


    Fazit:
    Auch wenn es heutzutage einige Rapper gibt, die vor allem von einem unerklärlichen, teils vielleicht sogar unverdienten Hype profitieren und daher plötzlich in aller Munde sind, beweisen Ausnahmen immer wieder, dass so ein "aus dem Nichts auftauchen" ab und an durchaus legitimiert wird, sobald man sich mit dem Künstler und seinem Werk beschäftigt. Wer die ruhige, kräftige Stimme Donatos in Verbindung mit seinen wohldurchdachten, detailverliebten Texten und den stets passenden instrumentalen Unterlagen hört, kann nachvollziehen, warum HipHop-Medien und Künstlerkollegen derartig von "Enzo" schwärmen. Der Flow des Dortmunders mag für Fans ausgeklügelter Raptechniken nicht sonderlich viel bieten, doch verleiht er dem Album umso größere, erzählerische Kraft und erhält durch sorgfältig arrangierte Beats den geeigneten Soundtrack. Es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht wieder vier Jahre dauert, bis wir Neues von Donato hören und er auf dem Fundament, das er sich mit "Enzo" nun definitiv geschaffen hat, baldigst Weiteres aufbaut.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Das VBT-Mag beschäftigt sich in erster Linie mit den Teilnehmern des Turniers – weshalb wir Euch in diesem Jahr bereits die verschiedenen Crews in Form von Steckbriefen nähergebracht haben. Nun wird der Fokus auf eine Gruppe von Leuten gerichtet, die vielleicht weniger auffällig, dennoch ebenso wichtig für das Turnier agiert. Die Entscheidungen über Sieg oder Niederlage stehen und fallen mit der Jury, bestehend aus diversen, in der Rapszene etablierten und relevanten Persönlichkeiten, die es sich zur Aufgabe machten, im Laufe der VBT Splash!-Edition 2014 die beste teilnehmende Crew zu ermitteln. Um das VBT einmal aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, präsentieren wir Euch kurze Interviews, bestehend aus vier Fragen, welche wir mit Mitgliedern der Jury führten.




    Marc Leopoldseder


    rappers.in: Hat man an die Runden einer Crew höhere Erwartungen als an die eines Solokünstlers?


    Marc Leopoldseder: Der Zeitdruck, unter dem die Teilnehmer stehen, ist mir natürlich bewusst. Und dass sich die Probleme bezüglich Zeitmanagement und Organisation noch verschärfen, wenn man x Menschen termingerecht erst auf einem Track und dann noch in einem Video unterbringen soll, leuchtet mir auch ein. Aber zumindest auf der Punchline-Ebene sollte diese Bündelung von Kräften eigentlich zu spannenderen Resultaten führen. Mal sehen, ob das so klappt.


    rappers.in: Steigen deine persönlichen Erwartungen an die Crews im Laufe des Turniers?


    Marc Leopoldseder: Natürlich.


    rappers.in: Kann ein besonders gelungenes Video raptechnische oder textliche Patzer teilweise ausgleichen?


    Marc Leopoldseder: Nö. Schön verpackte Scheiße bleibt Scheiße. Aber man kann die Verpackung natürlich trotzdem schön finden.


    rappers.in: Verfolgt man als Jurymitglied auch das Geschehen außerhalb der Runden?


    Marc Leopoldseder: Natürlich suche ich meinen Namen in sämtlichen verkackten Schreibweisen im rappers.in-Forum und freue mich, wenn ich richtig sonderbare Kommentare finde. Leider tendiert das gesamte Kommentarwesen zum Thema VBT dazu, unter Vernachlässigung aller anderen künstlerischen Aspekte auf einer rein technischen Ebene zu argumentieren. Was dazu führt, dass im VBT-Kosmos hin und wieder auch Rapper gut wegkommen, die zwar in den Augen erbsen- beziehungsweise silbenzählender Internet-Ameisenficker alles richtig machen, aber in puncto Style, Ideen und Charisma kaum was von Belang mitbringen. Reimtechnik kann man lernen, Ausstrahlung und Kreativität aber nicht.




    Up


    rappers.in: Inwieweit gestaltet sich das Bewerten der Runde einer Crew anders als bei einem Solokünstler?


    Up: Im Grunde nicht sehr viel. Sicherlich kommen noch einige Aspekte, wie das Zusammenspiel der einzelnen Rapper hinzu und wie sie auf die Gegner eingehen – ob sie jetzt Rapper für Rapper abklappern oder auch die Crew als solches angreifen. Aber das sind eher Feinheiten, die jetzt keine große Umstellung für mich als Juror bedeuten. Für die Crewmitglieder und auch die Leute hinter der Kamera stellen sich hier glaube ich deutlich stärkere Herausforderungen.


    rappers.in: Ist es als Jurymitglied wichtiger, dass die Crewmitglieder gut miteinander harmonieren oder eher, dass sie starke Einzelrapper sind?


    Up: Wenn man ehrlich ist, schon eindeutig Letzteres. Ich vergleiche ja Rappen gern mit Kochen. Wenn ich nun 4, 5 Gänge vorgesetzt bekomme, die zwar perfekt aufeinander abgestimmt sind, aber riechen und schmecken, als hätten die Herren an den Töpfen schlussendlich nur ihre verschiedenen Körperausscheidungen serviert, möchte ich davon trotzdem keinen Nachschlag. Da sind mir dann vier ganz verschiedene, aber genießbare Richtungen immer noch lieber, wenn auch natürlich nicht das Optimum. Eine gute Harmonie in einer Crewrunde kann daher erst ab einem gewissen Niveau einen wirklich positiven Einfluss haben. Ist dieses aber erreicht, kann ein sehr gutes Zusammenspiel durchaus auch gewisse raptechnische Defizite kompensieren und mich auch zur Punktvergabe gegen eine Crew bewegen, die im Einzelnen zwar bessere Rapper, in der Summe aber eben kein so gutes Werk geschaffen hat.


    rappers.in: Welche Runde der bisherigen VBT-Geschichte ist deine absolute Lieblingsrunde?


    Up: Extrem schwierige Frage, ich kann die eigentlich nur mit drei Runden in alphabetischer Reihenfolge beantworten: 3Plusss gegen Battleboi Basti, Scotch gegen K-Win und die Rückrunde von Weekend gegen Tamo-Flage.


    rappers.in: Welches ist dein absolutes Lieblingsbattle in der Geschichte des deutschen Raps?


    Up: Die Frage ist nicht viel einfacher, denn außerhalb von Turnieren sind fast alle Battles im Deutschrap meines Erachtens nach relativ einseitig gewesen. Na gut, bei Savas gegen Eko war eigentlich auch die "Abrechnung" schon in Ordnung und auch bei Samy gegen Azad haben beide MCs für die damalige Zeit teilweise gute Battletracks hervorgebracht, aber an ein hochklassiges VBT-Battle reichten diese längst nicht heran. Der beste Disstrack ist für mich definitiv Kollegahs "Fanpost", den ich auch heute noch sehr gerne höre. Ein gutes Battle wurde daraus nun aber leider nicht, wie die meisten wissen.



    Natürlich stellten wir auch den meisten anderen Jurymitgliedern jeweils vier Fragen. Ihre Antworten werden wir Euch in Kürze präsentieren.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    AMG – Am meisten gehasst


    Während Rapper für gewöhnlich dahingehend orientiert sind, eine möglichst positive Resonanz von einer möglichst großen Anzahl an Fans zu erhalten, gehen vier Herren aus Südwestfalen nun den entgegengesetzten Weg und bezeichnen sich selbst als "am meisten gehasst". Inwieweit diese Selbstbetitelung zutrifft, können "AMG", bestehend aus B.E. dem Micathleten, Najeeb, DNM und Isy, eventuell mit der gleichnamigen EP beweisen, welche sie nun zum kostenlosen Download anbieten. Nachdem sie 2003 erstmals als Support von Eko Fresh in Siegen auftraten, ist dies das erste musikalische Lebenszeichen des Quartetts, dessen Sound vollständig vom Hamburger Producerteam The Beatbakerz stammt. Zu hören gibt es auf "Am meisten gehasst" vor allem synthiebasierende Beats mit dumpfem Bass, teils relativ simpel und unauffällig, teils geradezu nervig quäkend, während die vier Rapper sich vor allem auf Representerinhalt mit Hang zum Straßenrap konzentrieren. Ihre unterschiedlichen Flows und Stimmlagen bringen in die einzelnen Tracks eine – durchaus nötige – klangliche Vielfalt, die von dem thematisch teilweise etwas monotonen Inhalt ablenkt, welcher sich aus fehlender textlicher Individualität der Einzelkünstler ergibt. Tatsächlich gelingt es keinem der Rapper wirklich, sich anhand der eigenen Strophen von den drei anderen Crewmitgliedern abzuheben beziehungsweise zu unterscheiden. Auf der einen Seite mag dies zwar die Symbiose der Gruppe fördern, auf der anderen Seite mangelt es spürbar an Kontrasten, die bei einer Gruppe dieser Größe wünschenswert wären. Nichtsdestotrotz zeigen sich AMG experimentierfreudig und kreativ, wenn sie sich allesamt als "David Copperfield" bezeichnen und dabei einige völlig absurde, jedoch äußerst unterhaltsame Zeilen zum Besten geben, als "Zodiac"-Killer Horroratmosphäre mit Humor kombinieren oder auf "Crocky" in Clubsound-Ebenen abtauchen. Ob das Prädikat "Am meisten gehasst" so ganz verdient ist, mag sich durch die EP der vier Jungs nicht unbedingt klären, doch großmäulige Punches mit einer ordentlichen Prise Humor und Spaß am eigenen Sound lassen auf zukünftige – dann vielleicht etwas ausgefeiltere – Werke hoffen.





    Freshmaker – Checkpoint


    Das raptechnische Geschick eines Künstlers kann noch so gut sein. Wirklich abgerundet kann ein Track meist erst durch einen passenden Beat werden, sodass man in vielen Fällen durchaus sagen kann: Ein gelungenes Lied ist mindestens zur Hälfte auch Verdienst des jeweiligen Produzenten. Je vielfältiger und facettenreicher das Soundbild eines Producers, desto größer ist logischerweise auch seine Klientel und desto höher auch die Reichweite an Hörern und Fans, welche der entsprechende Rapper für sich gewinnen kann. Die Referenzliste des gebürtigen Kroaten Freshmaker scheint geradezu endlos und reicht von Animus und Automatikk bis zu Timeless und Toni der Assi, sodass seine Beats mittlerweile national sowie international weit verbreitet und auf diversen Releases vertreten sind. Mit "Checkpoint" veröffentlicht der im Westen Wiens lebende Künstler ein eigenes Produceralbum, das ebenso vollgepackt mit diversen Größen der Rapszene ist. Stellenweise liest sich die Tracklist samt Künstlern wie ein kleines "Who is who" der deutschen Rapszene und gewährt einen groben Überblick über Freshmakers bisherige Arbeiten. Auch wenn nicht jeder vertretene Rapper überzeugen kann, beinhaltet "Checkpoint" neben einer gewaltigen Themenvielfalt ein enorm großes Klangspektrum, sodass, wenn auch nicht immer raptechnisch, in jedem Fall soundtechnisch Hörgenuss garantiert ist. Neben Beatbrettern mit beißendem Synthiesound und harten Drums beweist der Freshmaker auch Geschick, wenn es um sanfte, ruhige Töne geht und bietet damit eine ebenso passende Atmosphäre für angriffslustige Representertitel wie "Alles im Griff" von Blut&Kasse und Pedaz, wie auch für nachdenkliche Thementracks wie "Kamera" von Wenzel Washington und Average aus Linz. Insbesondere Fans von hartem Straßensound dürften bei diesem Release auf ihre Kosten kommen, aber auch für jeden anderen ist sicherlich der ein oder andere interessante Track, Beat oder Künstler dabei, den er sich nicht entgehen lassen sollte.





    King Keil – Luxusdampfer


    Es ist gerade mal einen Monat her, dass das zweite Album von Real Jay über GheddoBrillianteMusik erschien, schon legt Labelkollege King Keil mit "Luxusdampfer" nach. Während der aus Seligenstadt stammende Rapper selbst noch relativ unbekannt ist, sorgte die Featureliste seines Albums bereits im Vorfeld für Aufsehen, ist dort doch immerhin von Leuten wie Lakmann, Gregpipe, Rick Ross und Gucci Mane die Rede. Die Idee, welche hinter dem Album steckt, war es vor allem, den typischen Sound der '90er mit aktuellen Klängen zu vereinen und dementsprechend auch Vertreter aus der jeweiligen Ära zu präsentieren, was beim Blick auf die Featureliste wohl ganz gut geklappt hat. Die Beats sind klassisch gehalten, stark von Keils Oldschooleinflüssen geprägt und halten sich fern von Experimenten und Crossover-Versuchen, um einen strikten wie durchgehenden Klangteppich zu schaffen. Dennoch finden sich auch ruhige Titel wie "Glaub nicht alles" oder ein Hiddentrack, der fast schon Disco-ähnliche Züge mit '80er-Jahre-Feeling vereint, auf "Luxusdampfer" wieder, was einen Hauch von Facettenreichtum vermittelt. Den Großteil des Albums machen jedoch Representertracks und Keils Lieblingsthemen HipHop und Drogen aus, sodass es davon auf vielen Titeln in rauen Mengen zu hören gibt. Passend dazu bleibt das Tempo auf "Luxusdampfer" relativ entspannt und Keil selbst konzentriert sich auf einen langsamen Flow, welchen er durchaus passabel beherrscht, wenn auch eben nur auf einem durchschnittlichen Level. Die Mühen, hochkarätige Künstler auf seinem Album zu featuren, sind zu schätzen, jedoch verdeutlichen besonders begabte Rapper wie Gregpipe und Lakmann, dass King Keil selbst eben kein besonders großer Techniker ist, der zwar nicht schlecht oder mit vielen Fehlern behaftet, aber eben auch nicht herausragend gut rappt. So lebt "Luxusdampfer" in erster Linie tatsächlich von seinen Featuregästen und dem stellenweise vorhandenen internationalen Flair, während der eigentliche Künstler dahinter manchmal etwas zurückbleibt. Im Großen und Ganzen ist das Konzept des Albums dennoch aufgegangen und dürfte insbesondere den '90er-Jahre-HipHop-Fans durchaus gefallen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Das VBT-Mag beschäftigt sich in erster Linie mit den Teilnehmern des Turniers – weshalb wir Euch in diesem Jahr bereits die verschiedenen Crews in Form von Steckbriefen nähergebracht haben. Nun wird der Fokus auf eine Gruppe von Leuten gerichtet, die vielleicht weniger auffällig, dennoch ebenso wichtig für das Turnier agiert. Die Entscheidungen über Sieg oder Niederlage stehen und fallen mit der Jury, bestehend aus diversen, in der Rapszene etablierten und relevanten Persönlichkeiten, die es sich zur Aufgabe machten, im Laufe der VBT Splash!-Edition 2014 die beste teilnehmende Crew zu ermitteln. Um das VBT einmal aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, präsentieren wir Euch kurze Interviews, bestehend aus vier Fragen, welche wir mit Mitgliedern der Jury führten.




    Kico


    rappers.in: Inwieweit gestaltet sich das Bewerten der Runde einer Crew anders als bei einem Solokünstler?


    Kico: Ist für mich jetzt natürlich schwierig, einen Vergleich zu ziehen, da ich vorher noch nie in der Jury war. Aber ich glaube, dass ich mich bei 'nem Crewbattle deutlich komplexer mit den Runden auseinandersetzen muss, als wenn nur zwei Personen gegeneinander battlen würden. Das liegt zum einen an der größeren Anzahl an Gegnern, die gleichzeitig aufeinandertreffen, wodurch in einer Runde einfach auf mehreren Ebenen und variabler angegriffen wird. Und zum anderen daran, dass man jetzt neben der Einzelleistung der Personen auch die Harmonie und die Zusammenarbeit innerhalb der Crews beurteilen muss, um sich ein komplettes Bild machen zu können. Na ja, ich hab' vorher aber auch keine Solobattles bewertet, von daher ist das für mich so oder so Neuland. Ich mach' einfach, so gut ich kann. (lacht)


    rappers.in: Ist es als Jurymitglied wichtiger, dass die Crewmitglieder gut miteinander harmonieren oder eher, dass sie starke Einzelrapper sind?


    Kico: Ich finde beides wichtig. Logischerweise gibt es immer einzelne Rapper, die besonders herausstechen. Es sollten aber alle Crewmitglieder irgendwie was aufm Kasten haben, sodass der Gesamteindruck stetig gut und nicht allzu schwankend ist. Im optimalen Fall ist jeder MC auf seine Art und Weise krass und ergänzt dadurch das gesamte Team. So stell' ich mir 'ne gute Crew vor. Aber am Ende hör' ich natürlich doch lieber starke Einzelrapper, die nicht so gut harmonieren, als schlechte Einzelrapper, die das super zusammen machen.


    rappers.in: Verfolgt man als Jurymitglied auch das Geschehen außerhalb der Runde, wie etwa Reaktionen der jeweiligen Crews, Facebook-Kommentare der User und Zuschauer?


    Kico: Ich denke doch mal, dass das dazu gehört. Ich versuche mich natürlich so gut es geht mit den Teilnehmern zu beschäftigen. Musste ich ja früher auch. (lacht) Oft basieren ja auch Punchlines oder Jokes auf irgendwelchen Insidern, die man gar nicht checkt, wenn man kein Hintergrundwissen hat.


    rappers.in: Welche Runde der bisherigen VBT-Geschichte ist deine absolute Lieblingsrunde?


    Kico: Boah, ich hab' glaube keine absolute Lieblingsrunde. Gibt einige, die ich sehr gefeiert habe. Da könnte ich jetzt locker 20 aufzählen und danach würden mir wohl trotzdem wieder neue einfallen. Da will ich mich nicht auf eine festlegen.




    Sherin Kürten-Szillus


    rappers.in: Worauf legst du bei den jeweiligen Runden besonderen Wert?


    Sherin Kürten-Szillus: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, jeder Juror hat seine eigenen Maßstäbe. Ich versuche immer, die Gesamtleistung der Crews zu bewerten, indem ich einfach schaue, wie auf den Gegner eingegangen wurde, ob die einzelnen Parts gut sind, ob die Hook zum Rest passt und ob die Crews es auch schaffen, ein stimmiges Gesamtbild zu kreieren. Man muss ja schon sagen, dass man als Rapper bei Battles textlich etwas eingeschränkt ist. Das ist für mich aber keine Entschuldigung für einfallslose Lines, langweilige und schon tausend Mal gehörte Vergleiche oder dafür, dass man einen anderen Rapper kopiert. Technisches Vermögen, Flow, durchdachte Punchlines, aber auch Inhalte und Eigenständigkeit sind mir wichtig. Gleichermaßen finde ich es immer schön, wenn man den Rappern ansieht, dass sie das Ding unbedingt gewinnen wollen und mit einer gewissen Energie an die Sache rangehen. Natürlich spielt auch die visuelle Umsetzung eine Rolle. Bei einem Video sind mir persönlich die Idee und deren Umsetzung am wichtigsten. Oft macht auch ein klassisches Video ohne viel Schnickschnack durchaus Sinn, gerade wenn das Augenmerk auf MC und Inhalt gelegt werden soll. Manchmal spielen aber auch die künstlerischen Aspekte und gewisse technische Kniffe eine Rolle, die das Video erst rund machen. Ich mache das immer von Track und Video abhängig. Allerdings wird es bei mir nicht passieren, dass eine Crew nur aufgrund ihres Videos gewinnt.


    rappers.in: Kann der besonders gelungene Part eines Crewmitglieds den vielleicht schlechteren Part eines Kollegen innerhalb einer Runde ausgleichen?


    Sherin Kürten-Szillus: Definitiv. Es geht ja auch um die Gesamtleistung, schließlich ist es ein Crewbattle. Im Achtelfinale ist dieser Fall auch schon mal eingetreten. Mave und Shliiwa von der Flensburg-Crew haben zum Beispiel in meinen Augen das Battle für ihre Crew entscheiden können, weil gerade ihre Parts überzeugend waren – da fand ich die Parts ihrer Kollegen eher mittelmäßig. Die Rote Bande hat ebenfalls teilweise Rapper, die überzeugen können, manchmal aber eben auch Parts von Crewmitgliedern, die eher Standard sind. Wenn es dann knapp wird, zähle ich die Anzahl der guten Parts der jeweiligen Crews.


    rappers.in: Gibt es Momente als Jurymitglied, bei denen sich der persönliche Geschmack als Rapfan und die rationale Meinung als Experte widersprechen? Wie entscheidet man sich in solchen Situationen?


    Sherin Kürten-Szillus: Nein. Es gibt hier kein richtig und kein falsch. Generell gibt es kaum rationale oder objektive Kriterien, nach denen man Kunst bewerten könnte. Ich bewerte nach persönlichem Geschmack und keiner kann sich davon frei machen, zu sagen, dass es meistens eine rein subjektive Wahrnehmung ist, warum er so entscheidet, wie er entscheidet. Es gibt sehr selten den Fall, dass man sagt: "Das ist objektiv zwar gut, aber nicht mein Fall." Sobald jemand kommt, der mich mit seinem Flow, seinem Humor, seiner Energie, seinem Inhalt oder seiner Persönlichkeit überzeugt oder mich in irgendeiner Form mehr anspricht, schenke ich ihm auch mehr Beachtung. Warum finden Leute denn Lil B gut? Vielleicht mag man ja gerade das Unperfekte an seiner Art zu rappen oder dass der Inhalt über der Form steht. Oder nehmen wir Sylabil Spill – der hat ja auch einen sehr eigenwilligen Flow, mit dem viele nichts anfangen können. Ich persönlich finde aber, er ist einer der krassesten Flower, die wir in Deutschland haben. Oder wer will ernsthaft behaupten, dass das, was Taktlo$$ macht, keine Kunst ist? Und wie will man das objektiv bewerten?


    rappers.in: Welches ist dein absolutes Lieblingsbattle in der Geschichte des deutschen Raps?


    Sherin Kürten-Szillus: Savas versus Eko. Das war vom Unterhaltungswert und vom technischen wie inhaltlichen Niveau her von beiden Protagonisten einfach ganz großes Kino!



    Natürlich stellten wir auch den meisten anderen Jurymitgliedern jeweils vier Fragen. Ihre Antworten werden wir Euch in Kürze präsentieren.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    01. Google's Seite 2
    02. Herz voller Wespen
    03. Fräulein Bird 2
    04. Whiskeyglas
    05. Langer Weg zum Glück
    06. Traum
    07. Per Navi ins Nirvana
    feat. Tua
    08. Wir trinken des Meer leer
    09. Olympia Puke
    feat. Edgar Wasser
    10. Hotelzimmerromantik
    11. Alle mich mögen 2
    12. Ich bleib hier


    Markus Winter, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Maeckes, ist in der wohl florierenden Deutschraplandschaft in vielerlei Hinsicht ein einzigartiges Gewächs. Egal, ob man es nun im positiven oder negativen Sinne meint, seine Musik ist genau wie er: ungewöhnlich, experimentell und einfach anders. So anders, dass es selbst für Fans nicht immer einfach ist, zwischen Orsons-Album und Gitarrenkonzert in und hinter jedem Lied Sinn oder Kunst zu entdecken. So liegt es nahe, dass auch bei einer Sammlung von Tracks in Form eines Albums beim Stuttgarter vieles ungewöhnlicher ist als bei anderen Künstlern. Meist sind Alben Dreh- und Angelpunkte einer Karriere, stellen den künstlerischen Werdegang dar, sollen ein musikalisches Statement abgeben oder eine vertonte Geschichte erzählen. Im besten Fall ist ein Album möglichst vollkommen, abgerundet und kann für sich alleine stehen. Zwar hat auch Maeckes beispielsweise mit "KIDS" ein autarkes Werk abgeliefert, doch gerade in Hinblick auf seine Albenreihe "null", "eins" und das am 21. Februar erschienene "Zwei" gilt dies ganz und gar nicht. Die Reihe ist viel eher als eine Art Skizzenbuch zu verstehen, an dem der 31-Jährige sich immer wieder ausprobiert, in dem er experimentiert, mit Bleistift skizziert, mit Farbe drüberpinselt, sie dann wieder abkratzt, alles zerstört und neu aufbaut. So nahm er die teilweise äußerst experimentellen Eindrücke von "null", um sie auf "eins" umzustrukturieren und remixen zu lassen und erhielt damit zwei sich ähnelnde und doch irgendwie grundverschiedene Werke. Mit "Zwei" geht das Projekt nun in die nächste Runde.


    "Der Soldat, er schießt/
    Bewahrt mich vor dem Paradies/
    Ich hab' 'ne Apfelallergie/
    Und glücklich sein konnt' ich noch nie/
    "
    (Maeckes auf "Herz voller Wespen")


    Während "eins" also eine Art Remix-Album war, bei dem die Inhalte von "null" erhalten blieben, jedoch mit neuen Klängen versehen wurden, behält "Zwei" nun diese neuen Vertonungen bei, ergänzt sie aber mit anderen, neuen Texten. So entsteht eine äußerst interessante Transformation, die in den meisten Fällen harmonisch und widersprüchlich zugleich ist. Der Track "Sägeblatt" etwa besaß einen äußerst düsteren Beat, auf dem Maeckes mit recht monotonem Flow eine nihilistische, zerstörerische Sichtweise auf die Welt und das Leben vermittelte, während Biztrams "Sägeblatt Remix" auf "eins" diese finsteren Eindrücke durch einen heiteren Beat samt poppigem Gitarrenriff aufhellte. Die neue instrumentale Unterlage nutzt der Rapper auf "Zwei" nun für den Track "Herz voller Wespen" und kombiniert ein dynamisches Klangbild mit locker leichtem Flow und euphorischem Gesang. Die Verwendung verspielter Metaphern für die Umschreibung relativ desolater Zustände bildet den Rückschluß von "Herz voller Wespen" auf seinen "Sägeblatt"-Ursprung, wodurch gleichermaßen harter Kontrast, als auch verbindende Homogenität geschaffen werden.


    Stimmungstechnisch funktioniert dies auch in die entgegengesetzte Richtung. So wurde aus dem angebeteten "Fräulein Bird", von dem Maeckes mit Blick durch die rosarote Brille schwärmte, nun ein aufdringliches, nerviges Groupie. Der schnelle, recht simple Beat von damals wandelte sich zu einem kräftigen, brummenden Grundton aus dem dumpfem Dröhnen des Basses und leisen, unauffälligen Synthieklängen. Das Gesamtbild wirkt nun, als hätte man die gute Laune durch die ernüchternde Einsicht, dass "Fräulein Bird 2" nicht ganz so wundervoll wie ihre Vorgängerin ist, geschmälert. Doch gerade in der Hook, in der der Rapper wieder auf die Dame aus seiner Vergangenheit zu sprechen kommt, erklingen wieder sanfte, helle Pianonoten des alten Liedes. Die einzelnen Tracks wissen als eigenständige Konzepte ebenso wie als musikalische und inhaltliche Referenzen auf ihre ursprünglichen Titel bestens zu überzeugen. Schnell macht sich da bemerkbar, dass Maeckes mit der Albenreihe nicht nur ein interessantes, ungewöhnliches Projekt verfolgt, sondern dass er die Idee dahinter auch großartig umzusetzen weiß. Durch die unterschiedlichen Herangehensweisen an die einzelnen Tracks und ihre Verwandlung erwarten den Hörer immer wieder Überraschungen und statt des Gefühls, dass alte Lieder nur aufpoliert oder verändert wurden, bilden unauffällige Anspielungen und kleine Referenzen Brücken hin zu den Vorgängertiteln. Ein "kürzester Weg zum Glück" ist plötzlich ein "langer Weg zum Glück" und hat mit dem Original lediglich den Gedanken gemein, dass Maeckes "Kaffee, Kacke und Kippen" als eine untrennbare Dreifaltigkeit sieht, während das "Wasserglas", ein Instrumental, auf dem nur das Klimpern von Gläsern zu hören war, mit Whisky und einem Text über die Gefühlslagen zwischen trunkener Freude und nüchterner Melancholie gefüllt wird.


    "Ich sprech' nach oben zu Gott und forder' Updates/
    Er sagt nichts, postet nur 'n neues Bild mit Duckface/
    Der Tod lacht mir ins Gesicht, meistens während Sitcoms/
    Weil sie die gleiche Studiolache nehmen seit den Fünfz'gern/
    "
    (Maeckes auf "Olympia Puke")


    Bei all den scheinbar nahtlosen Verläufen und angedeuteten Übergängen ineinander sticht "Olympia Puke" deutlich heraus, da eine Verbindung zu alten Titeln recht schwer bis nahezu unmöglich herzustellen ist, der Aspekt der "Null"-"eins"-"Zwei"-Metamorphose somit wegfällt und der Track relativ alleine steht. Andererseits ist "alleine" gerade hier das falsche Wort, geht es doch um den einzigen Track auf "Zwei", der mit einem Feature mit eigenständigem Part aufwartet. Dabei handelt es sich um niemand Geringeren als Edgar Wasser, der gemeinsam mit Maeckes einen absoluten Höhepunkt des Albums zum Besten gibt. Frei nach dem einleitenden Zitat des Sex Pistols-Managers Malcolm McLaren, man solle die Popkultur nicht anbeten, sondern auf ihr herumtrampeln, poltert der Beat kräftig los und trampelt mit gewaltigem Einsatz von Bass und Drums alles nieder, was ihm im Wege steht, während leises Rascheln und vereinzelte Gitarrenriffs den gnadenlos erdrückenden Klangteppich auflockern. Auch die Interpreten orientieren sich am McLaren-Zitat und feuern bitterböse und mit pechschwarzem Humor gegen Popkultur, Prominente und alles, was ihnen irgendwie gegen den Strich geht; Edgar plant sein "Arbeitslager für Alice Schwarzer", während er darauf wartet, dass Dirk Bachs Leiche im Dschungelcamp verspeist wird. Maeckes ist so arm, dass er von einem Kind in Afrika unterstützt werden muss und kackt dabei in den Ventilator, um eine Shitstorm-Salve gegen Boris Becker zu produzieren. Verdammt böse, extrem unterhaltsam und technisch einwandfrei. Denn hier, so wie beispielsweise auch auf "Ich bleib hier", beweist der Stuttgarter, dass er nicht nur melodisch und leise Gesangshooks hauchen oder sich an wirren, experimentellen Vortragsweisen seiner Rapparts versuchen kann, sondern auch über einen passenden, konstanten Flow verfügt, der ohne künstlerische Spielereien auskommt. Die heruntergepitchte Stimme in der Hook von "Ich bleib hier" sowie der Trap-Remix "Alle mich mögen 2", dem nur noch eine einzelne Textstrophe geblieben ist, fallen dagegen eher in die Kategorie "gewagtes statt tatsächlich geglücktes Experiment". Doch genau das macht Maeckes schließlich aus: Der Mut, etwas auszuprobieren, auch wenn es vielleicht nicht jedem gefallen wird.


    "Wir leben von Liebe, Luft und miesen Feedbacks/
    Wir sind sensibel, aber niemand sieht es/
    Flughäfen sind so wunderschön deprimierend/
    Sie erinnern uns, dass wir noch hier sind/
    "
    (Maeckes auf "Hotelzimmerromantik")


    Mindestens ebenso entscheidend für die Musik des Rappers ist die Melancholie; sie ist ein steter Begleiter in seinen Werken. "Zwei" beinhaltet viele zarte Klangbilder, über die er seine Stimme fast schon behutsam legt, um eine sanfte, traurige Atmosphäre zu schaffen. So zerfällt das schrille Surren der Töne auf "Hotelzimmerromantik" zu einem schummrigen Sound, der in dumpfen Sphären verendet, damit Mackes seine ruhigen Zeilen und die Gesangshooks darauf platzieren kann, während andernorts recht abgehackt geflowt wird und man sich gemeinsam mit Tua auf einem sphärischen Beat, der mit dumpfem Bass durchsetzt ist, "per Navi ins Nirvana" treiben lässt. Der aufmerksame Hörer kann hier sogar Zeilen und Zitate aus alten Orsons-Tracks finden, als wolle Maeckes nicht nur die Albenreihe in sich selbst verknüpfen, sondern seine gesamte Diskografie in das Projekt einspannen. Über die Musik allein geht die Idee hinter "Zwei" in jedem Fall hinaus und wirkt sich beispielsweise auf die Verkaufsumstände aus, was sich daran zeigt, dass es nur exakt 2.222 physische Tonträger von "Zwei" gibt. Die Besitzer besagter CD können sich übrigens noch über einen kleinen Bonustrack freuen, auf dem der Rapper den Umstand, kein vernünftiges Mikrofon für die Hook zu haben, in der Hook thematisiert. Maeckes ist eben anders.


    Fazit:
    Man kann "Zwei" werkimmanent betrachten und findet ein ausgeglichenes Album vor, das klangliche sowie inhaltliche Vielfalt beweist, mal absolut euphorisch, dann wieder zutiefst melancholisch, während überall kleine Besonderheiten und Experimente zu finden sind. Andererseits kann man "Zwei" auch als Teil einer Reihe sehen, wodurch das Ganze noch um dutzende Metaebenen, versteckte Geheimnisse und komplexe Spielereien reicher und ein experimentelles und künstlerisch genial umgesetztes Projekt erkennbar wird. Mittlerweile sind aus einigen Skizzen von "null" komplette Kunstwerke geworden, mal farbenfroh und gewaltig, mal schlicht in Bleistift gehalten, aber stets absolut gelungen. Doch wenn man den Worten des Künstlers glauben darf, ist dies noch nicht einmal das Ende und Maeckes plant, das Buch einem anderen Musiker, vielleicht sogar einer Band anzuvertrauen, um zu sehen, wie diese dann aus den Texten von "Zwei" "drei" machen. Das Projekt dürfte also sicherlich spannend bleiben.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Im Jahr 2014 sieht man sich als eigenständiges Deutschrap-Magazin in einer wahren Dilemmasituation gefangen: Der Markt ist längst übersättigt. Tagtäglich wächst die Szene exponentiell, ein Ende ist nicht in Sicht – Rapper kommen, aber so wirklich gehen wollen sie nicht, selbst wenn sie's sagen. Comebacks an jeder Ecke. Und nachdem vor einigen Jahren noch sämtliche Plattenfirmen dicht machten, schießen neue Labels langsam wieder aus allen Böden. Vorbei die Zeiten von Aggro Berlin, BOZZ Music und Optik Records – die Ära der Freunde von Niemand, der Azzlackz, der Halunkenbanden und der Banger-Musiker hat unlängst begonnen. Bei einer solchen Vielfalt an neuen Künstlern ist es natürlich nicht ganz so einfach den Überblick zu behalten – was ist wichtig, was könnte noch wichtig werden und was kann man getrost unter den Tisch fallen lassen? In internen Gesprächen kommen sie immer wieder auf – die Fragen, wer sich nun seine Review verdient hat, wer seinen Platz in den "Unknown Kings" kriegen sollte und wer zwar ein guter Künstler ist, aufgrund von Kapazitätenauslastung aber leider keine Plattform von uns geboten bekommt. Und das sind teilweise leider so einige ... Was uns zur Dilemmasituation zurückführt: Allen kann man's in der heutigen Zeit unmöglich Recht machen. Es ist ein wenig wie in "300": eine Hand voll Redakteure sieht sich einer Übermacht an Rappern gegenübergestellt. Deshalb wollen wir mit diesem Special mal einen kleinen Exkurs wagen – abseits der unbekannten Könige und der sowieso schon bekannten Acts ist nämlich nach wie vor ein Haufen aufstrebender Künstler in der Szene unterwegs, die wir euch im Rahmen einiger Kurz-Reviews vorstellen möchten ...





    Kex Kuhl – Make säks not love


    Wenn die Fangemeinde eines Rappers durch seine Teilnahme am VBT enormen Zuwachs erhält und er sich daraufhin dazu entschließt, ein eigenständiges Werk zu veröffentlichen, geschieht das meist vor allem in Hinblick auf zwei Aspekte: Zum einen sollen die Fans der Battlerunden nicht direkt durch eine völlig andere Stilrichtung verschreckt werden, zum anderen möchte der Künstler sich aber natürlich auch außerhalb des Turniers beweisen und zeigen, dass er mehr als "nur" irgendein VBT-Rapper ist. Auch Taha Cakmak, den meisten wohl eher unter seinem Pseudonym Kex Kuhl bekannt, sah sich mit dieser Aufgabe konfrontiert, nachdem er es beim VBT 2013 immerhin bis ins Achtelfinale schaffte und nun sein Mixtape "Make säks not love" veröffentlichte. Das Ergebnis dürfte aber so ziemlich jeden Fan des bärtigen HipHop-Punks zufriedenstellen, nutzt er doch die Talente und Aspekte, welche ihm im Verlauf des Turniers immer wieder zum Sieg verhalfen und wendet diese nun eben auf eigenständige, "gegnerlose" Tracks an. Vollgepackt mit selbstironischen, humorvollen und battlelastigen Zeilen, einer unendlichen Flut an Metaphern und Vergleichen sowie einem breitgefächerten Soundspektrum geht das Mixtape an der ein oder anderen Stelle noch den Schritt vom Representer- oder Battle- zum Thementrack hin. Das Klangbild basiert hauptsächlich auf dumpfem, samplelastigem Sound und starken, klaren Boom bap-Produktionen, die dem Werk einen sehr entspannten, oldschooligen Touch verleihen, unternimmt jedoch auch immer wieder Ausflüge in Rock-, Club- und Popwelten, um eine noch größere Klangvielfalt zu gewährleisten. Highlights des 17 Tracks starken Mixtapes sind unter anderem "Kids", dessen energiegeladener Beat auf einem Sample des Songs "Kidz" von Take That basiert, "Ananas (ikim)", dessen Featureliste den Hamburger Petschino sowie die gesamte Reimebude beinhaltet, und das Liebeslied "Für dich Kleines", das, ähnlich wie einst Morlockk Dilemma mit "AK47", durch Wortspiele und Vergleiche immer wieder die Verbindung zwischen Frau und Schusswaffe herstellt. Wer seine Freude an einer großen Portion humorvoller Punchlines mit vielfältiger musischer Untermalung hat, dem ist "Make säks not love" wärmstens zu empfehlen.





    gho$t – Old dawg new trickz


    Ein englisches Sprichwort besagt: "You can't teach an old dog new tricks". Doch was für das Tierreich gelten mag, muss in Hinblick auf die deutsche Rapszene noch lange nicht der Wahrheit entsprechen. Deshalb bezeichnet sich der Hagener gho$t selbst als "old dawg" und ist gewillt, uns einige seiner "new trickz" vorzuführen. Von den sieben Kunststückchen in Trackform geht dann tatsächlich keines schief. Zwar ist das Mixtape recht bodenständig, lässt sich weder vom Sound noch vom Text her auf Experimente ein und bleibt daher ein klein wenig variationsarm, doch die Dinge, die gho$t macht, macht er in jedem Fall richtig. Ein sehr oldschooliges Klangbild kombiniert entspannte, samplelastige Klänge mit kräftigen Drums, die automatisch zum Mitnicken einladen, während der Rapper seinen gekonnten Flow zum Besten gibt. Mit genug Energie in der Stimme gelingt es ihm, ein wenig über die etwas aussageschwachen Texte hinwegzutäuschen, die sich vor allem auf entspanntes Representing und Oldschool-Feeling beschränken, jedoch nur selten im Ohr hängen bleiben. Inhaltlich zeigt sich der Hagener sehr nachdenklich und nutzt etwa auf den dumpfen Drums und den sanften Klimpersounds von "Fahrstuhlmusik" einen Aufzug als Metapher für das Auf und Ab des Lebens, das Streben nach Erfolg, aber auch die Angst vor dem Scheitern. Egal, ob schummriger Sound mit emotionalem Text wie auf "Roadtrip" oder ein kräftiger, battlelastiger Track mit schnellem Flow wie "Waffe": gho$t sorgt stets für klassischen Oldschool-Sound, durchzieht diesen aber immer wieder mir frischen Text- und Beatelementen mit aktuellen Einflüssen. So wirkt das Gesamtwerk zwar nicht eintönig, könnte aber durchaus noch die ein oder andere Überraschung vertragen, um den sehr engen Rahmen des Mixtapes etwas aufzulockern. Wer sich selbst von den neuen Tricks des alten Hundes überzeugen will, kann das Mixtape auf der Seite des Labels DSPMG kostenfrei downloaden.





    BAUSA – Seelenmanöver


    Als Haftbefehls kleiner Bruder Capo letztes Jahr sein Debütalbum veröffentlicht, unterzieht er seinen Sound nicht nur einem großen stilistischen Wandel, sondern releast "Hallo Monaco" auch direkt über sein eigenes Label Hitmonks. Bereits bei der Gründung besagten Labels kündigt der Offenbacher sein erstes Signing BAUSA an, welcher auch direkt auf "Hallo Monaco" vertreten ist. Mit der "Seelenmanöver"-EP wagt der in Saarbrücken geborene BAUSA sich nun an ein erstes eigenes Release, was natürlich die Frage aufwirft, ob sich das Werk am Soundbild seines Labelchefs orientiert oder ob der Rapper eigene Wege geht. Produktionstechnisch bewegt sich das Ganze durchaus in eine ähnliche Richtung und auch, wenn die Beats auf "Seelenmanöver" nicht ganz so ausgefeilt klingen, spürt man dennoch, dass die EP sehr stark auf Eingängigkeit getrimmt ist. Sämtliche Tracks versuchen massentauglich, fast schon poppig zu klingen, was oberflächlich zunächst auch gut ins Ohr geht, dem Ganzen aber die Substanz nimmt. BAUs melodiöser Flow und seine sanfte, angenehme Gesangsstimme dominieren das Klangbild, während die vielen sphärischen, synthielastigen Beats sich meist im Hintergrund bewegen, um den Rapper selbst hervorzuheben. Die Texte, die sich weniger durch tatsächlichen Inhalt auszeichnen, erscheinen zu oft erzwungen radiotauglich. Zwar kann etwa "Mond" eine selbstkritische Komponente aufweisen und auch der Anfang von "In dein' Kopf" beinhaltet ein paar gelungene Formulierungen, doch letztlich bleibt der Inhalt zu oft auf der Strecke. Die Kritik an einer zielorientieren Gesellschaft, wie sie auf "Das Manöver" geäußert wird, besteht zu sehr aus austauschbaren Zeilen, "Land der Mercedes" besitzt durch eine gewagte Kombination aus der Geschichte eines Mädchens, dessen einstige Träume in der Prostitution enden und BAUSAs Erzählung, ihre Dienste in Anspruch genommen zu haben, sogar eher einen fragwürdigen Beigeschmack. Alles in allem lässt sich das Potenzial des Künstlers nicht leugnen, an Gesang und Flow gibt es kaum etwas auszusetzen. Wünschenswert wäre, dass der Künstler sich etwas vom Weg des Mainstreams trennt und seinen eigenen geht, um die durchaus gelungene Soundhülle noch mit gehaltvollem Inhalt zu füllen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Das Achtelfinale der VBT Splash!-Edition 2014 ist entschieden und die Ergebnisse der Konfrontationen wurden bekannt gegeben. Die siegreichen Crews bereiten mittlerweile ihre Hinrunden vor, dennoch – oder gerade deshalb – fanden die Flensburger noch die Zeit, ihren Steckbrief für uns auszufüllen und nachträglich einzureichen. Diesen wollen wir Euch natürlich nicht vorenthalten und wünschen viel Spaß damit.


    Flensburg




    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Während das reguläre VBT vorerst pausiert, geht die VBT Splash!-Edition in eine neue Runde. Wie schon in den Jahren zuvor, winkt dem Sieger ein Auftritt auf dem szenebekannten Splash!-Festival, welches im Juli auf Ferropolis stattfindet. Das Besondere in diesem Jahr: Die einzelnen Battles werden nicht zwischen Solokünstlern ausgetragen, sondern durch das Aufeinandertreffen von jeweils zwei Crews entschieden. So besteht nicht nur das Teilnehmerfeld im Jahr 2014 aus einer bunten Mischung von VBT-Veteranen und talentierten Newcomern, auch das Turnier an sich bietet Rappern sowie Zuschauern altbekannte, aber auch ganz neue Aspekte. Um einen kleinen Einblick dahingehend zu erhalten, wie die Künstler sich mit besagter Situation arrangieren und auch, um die Crews etwas näher kennenzulernen, standen sie uns in Form eines Steckbriefs Rede und Antwort.


    JanniX & Vitality





    Brennpunkt



    Wir freuen uns, Euch in dieser Form über fast alle teilnehmenden Crews informiert zu haben. Die oberen beiden Steckbriefe sind die letzten und beenden somit dieses Format.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Während das reguläre VBT vorerst pausiert, geht die VBT Splash!-Edition in eine neue Runde. Wie schon in den Jahren zuvor, winkt dem Sieger ein Auftritt auf dem szenebekannten Splash!-Festival, welches im Juli auf Ferropolis stattfindet. Das Besondere in diesem Jahr: Die einzelnen Battles werden nicht zwischen Solokünstlern ausgetragen, sondern durch das Aufeinandertreffen von jeweils zwei Crews entschieden. So besteht nicht nur das Teilnehmerfeld im Jahr 2014 aus einer bunten Mischung von VBT-Veteranen und talentierten Newcomern, auch das Turnier an sich bietet Rappern sowie Zuschauern altbekannte, aber auch ganz neue Aspekte. Um einen kleinen Einblick dahingehend zu erhalten, wie die Künstler sich mit besagter Situation arrangieren und auch, um die Crews etwas näher kennenzulernen, standen sie uns in Form eines Steckbriefs Rede und Antwort.


    AOR



    Um Euch auch über alle anderen Crews, die an der VBT Splash!-Edition 2014 teilnehmen, zu informieren, folgen in Kürze weitere Steckbriefe dieser Art.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Während das reguläre VBT vorerst pausiert, geht die VBT Splash!-Edition in eine neue Runde. Wie schon in den Jahren zuvor, winkt dem Sieger ein Auftritt auf dem szenebekannten Splash!-Festival, welches im Juli auf Ferropolis stattfindet. Das Besondere in diesem Jahr: Die einzelnen Battles werden nicht zwischen Solokünstlern ausgetragen, sondern durch das Aufeinandertreffen von jeweils zwei Crews entschieden. So besteht nicht nur das Teilnehmerfeld im Jahr 2014 aus einer bunten Mischung von VBT-Veteranen und talentierten Newcomern, auch das Turnier an sich bietet Rappern sowie Zuschauern altbekannte, aber auch ganz neue Aspekte. Um einen kleinen Einblick dahingehend zu erhalten, wie die Künstler sich mit besagter Situation arrangieren und auch, um die Crews etwas näher kennenzulernen, standen sie uns in Form eines Steckbriefs Rede und Antwort.


    Mason Family



    Um Euch auch über alle anderen Crews, die an der VBT Splash!-Edition 2014 teilnehmen, zu informieren, folgen in Kürze weitere Steckbriefe dieser Art.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Während das reguläre VBT vorerst pausiert, geht die VBT Splash!-Edition in eine neue Runde. Wie schon in den Jahren zuvor, winkt dem Sieger ein Auftritt auf dem szenebekannten Splash!-Festival, welches im Juli auf Ferropolis stattfindet. Das Besondere in diesem Jahr: Die einzelnen Battles werden nicht zwischen Solokünstlern ausgetragen, sondern durch das Aufeinandertreffen von jeweils zwei Crews entschieden. So besteht nicht nur das Teilnehmerfeld im Jahr 2014 aus einer bunten Mischung von VBT-Veteranen und talentierten Newcomern, auch das Turnier an sich bietet Rappern sowie Zuschauern altbekannte, aber auch ganz neue Aspekte. Um einen kleinen Einblick dahingehend zu erhalten, wie die Künstler sich mit besagter Situation arrangieren und auch, um die Crews etwas näher kennenzulernen, standen sie uns in Form eines Steckbriefs Rede und Antwort.


    Mikzn & Akfone (die lässig Verträumten)



    Um Euch auch über alle anderen Crews, die an der VBT Splash!-Edition 2014 teilnehmen, zu informieren, folgen in Kürze weitere Steckbriefe dieser Art.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

    Während das reguläre VBT vorerst pausiert, geht die VBT Splash!-Edition in eine neue Runde. Wie schon in den Jahren zuvor, winkt dem Sieger ein Auftritt auf dem szenebekannten Splash!-Festival, welches im Juli auf Ferropolis stattfindet. Das Besondere in diesem Jahr: Die einzelnen Battles werden nicht zwischen Solokünstlern ausgetragen, sondern durch das Aufeinandertreffen von jeweils zwei Crews entschieden. So besteht nicht nur das Teilnehmerfeld im Jahr 2014 aus einer bunten Mischung von VBT-Veteranen und talentierten Newcomern, auch das Turnier an sich bietet Rappern sowie Zuschauern altbekannte, aber auch ganz neue Aspekte. Um einen kleinen Einblick dahingehend zu erhalten, wie die Künstler sich mit besagter Situation arrangieren und auch, um die Crews etwas näher kennenzulernen, standen sie uns in Form eines Steckbriefs Rede und Antwort.


    ME-L Techrap & MoooN





    Brave New World



    Um Euch auch über alle anderen Crews, die an der VBT Splash!-Edition 2014 teilnehmen, zu informieren, folgen in Kürze weitere Steckbriefe dieser Art.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)