Beiträge von Holle



    01. Galerie
    02. Drehmoment
    03. Glücksprinzip
    04. Alter
    05. Mann über Board
    06. An mir vorbei
    07. S.O.T.P.
    08. Erschossen
    09. Ohne meinen Sohn
    10. Kopfhörer
    11. Hellwach
    12. Das Portrait
    13. Stein auf dem Weg
    14. Immer unterwegs
    15. Gentrifiziert
    16. An der Line
    17. Freies Feld


    "Schön, dich zu sehen, sag, wie lang' ist es her, seit wir uns zum letzten Mal sahen?" – "Fünf Jahre", antworte ich Damion Davis auf seine Frage, die er mir am Ende seiner "Schön dich zu sehen"-EP stellt. Diese erschien als Vorbote für das neue Album "Querfeldein" des Berliners im März. Sehen konnte man das Multitalent ja durchaus öfter in den vergangenen Jahren – als Schauspieler wirkte er zum Beispiel in Sidos Film "Blutzbrüdaz" mit. Die große Wiedersehensfeier mit dem Rapper findet allerdings auf dieser LP statt. Denn die Musik betreffend wurde es um Damion seit seinem letzten Album "Lampenfieber", das 2008 erschien, ziemlich ruhig. Dementsprechend lange hatte er Zeit für sein neues Werk und man darf gespannt sein, ob die – natürlich auch hieraus resultierende – hohe Erwartungshaltung bestätigt werden kann. Es geht "querfeldein".


    "Die Natur ist für mich wie ein Freiluftkino/
    Kilometerlange Wildreservate zwischen Autobahn, Hauptstraßen, Windräderparks/
    Vor deinem inneren Auge spielen sich Filmszenen ab/
    Und du verstehst den Sound, wenn du ein Bild sehen kannst/
    "
    (Damion Davis auf "Galerie")


    Der erste Titel des Langspielers beschreibt, meist durch die Aufzählung diverser Lebewesen, Gegenstände oder Situationen aus der Natur, die Schönheit und Weite der Welt, die deutlich wird, wenn man mal genauer hinsieht. Musikalisch untermalt wird dies durch einen sehr melodischen Gitarrenbeat, der von Damion und SilenTone in Zusammenarbeit produziert wurde wie auch ein Großteil des restlichen Albums. Hier wird bereits angedeutet, was sich durch das ganze Album zieht: Während Damion in den Strophen souverän und technisch perfekt rappt, wird die Hook von ihm auf ebenfalls hohem Niveau gesungen. Auch der Beat ist kein klassischer HipHop-Beat, sondern weist poppige Einflüsse und Rock-Elemente auf, was hier absolut kein negativer Begriff ist. Das gesamte Album verfolgt somit zwar einen gewissen roten Faden, bleibt dabei aber stets sehr abwechslungsreich. Dies wird auch anhand mehrerer von Mortis One produzierten Tracks verdeutlicht, wie zum Beispiel an "Kopfhörer", die eher in die klassische HipHop-Schiene eingeordnet werden können. Bezüglich des Inhalts der einzelnen Tracks lässt sich sagen, dass der SpokenViewer in jedem Lied eine bestimmte Thematik verfolgt und eingängig beschreibt. Mal beruft er sich auf sein Dasein als Skater und seine Abneigung gegenüber der Polizei ("Mann über Board", "S.O.T.P."), dann baut er einen ganzen Track um die Bedeutung eines simplen Steins auf der Straße für einen jungen Mann auf ("Stein auf dem Weg") oder berichtet über seine Liebe zum Reisen ("Immer unterwegs"). Representer oder wirklich durchgehende Battletracks sind nicht zu finden. Dass Herr Davis skilltechnisch über den meisten MCs des Landes steht, macht er nebenbei in einigen Lines und allein durch seine immer wieder variierende und außergewöhnliche Vortragsweise klar. Flowwechsel, Reimschemata und Wortspiele en masse sind zwei Beispiele dafür, wie perfekt der Berliner seine Texte ausgeklügelt hat. So baut er beispielsweise in einem Lied die verschiedensten Bedeutungen des gebräuchlichen Wörtchens "Alter" in so gut wie jede seiner Zeilen ein.


    "Ich bin kein alter Mann, ich bin ein Mann, Alter/
    Und irgendwann heirat' ich meine Frau am Altar/
    Ich bin noch lang' nicht in diesem Opa-Alter/
    Aber geh' ab und zu mal in die Oper, Alter/
    "
    (Damion Davis auf "Alter")


    Weiterhin ist "Querfeldein" ein sehr persönliches Album. Damion setzt sich mit prägenden Ereignissen aus seinem Leben auseinander, speziell mit der Trennung von seiner Frau und damit auch von seinem geliebten Sohn. In Tracks wie "Ohne meinen Sohn" oder "An der Line" spricht er seine Frustration und auch seine Wut auf seine ehemalige Frau und ihre neue Beziehung aus. Er wirkt hierbei extrem authentisch und schafft es wirklich, mich ganz genau zuhören zu lassen. Die Emotionen sind aus jedem Satz, jedem Wort genau herauszuhören. Damion Davis fesselt mit jeder Geschichte, die er erzählt – wenn diese von ihm ganz persönlich handelt – umso mehr. Er schafft es wie wenige andere, mit Sprache ganz besondere Bilder zu erschaffen. Die Texte, mal bestehend aus Wortaufzählungen, mal aus kompliziert verschachtelten Sätzen, erscheinen einem direkt vor Augen. SpokenView eben, wie es Damion auch schon in Interviews betitelte. Das Gesamtkonzept des Albums ist einfach rundum gelungen. Florian Renner, so der bürgerliche Name des Hauptstädters, kommt aus dem Berliner Untergrund, ist ein waschechter HipHopper, der dir auf Anhieb einen mehrminütigen astreinen Freestyle hinlegt – doch er beschränkt sich nicht auf diese Sparte. Aufbauend auf Rap über verschiedene, meist durch Gitarre und Piano dominierte, alternative Beats, beeinflusst vom externen Produzenten SilenTone, erschafft der Berliner ein ganz eigenes Klangbild. Er spittet zwei Minuten lang perfekte Reimketten, legt danach eine fesselnde Gesangshook hin und macht einfach Musik – mit allen möglichen Mitteln, die ihm dazu gerade im Kopf herumschwirren. Mit Anpassung oder Kommerz hat dies nicht im Geringsten etwas zu tun.


    "Fuck, ich hatte ständig Angst um dich/
    Tief nachts, lieg' wach im Bett, wenn du einen ander'n stichst/
    Ich wusste, dass du fremdgegangen bist und zwar/
    Unter der Linie, entlang des Strichs/
    Du bist an der Line, ich hänge an einem Strick/
    Schüttel' jetzt den Kopf, aber ich brech' ihm das Genick/
    Und ich weiß, es ist nicht fair, dass ich das veröffentlich'/
    Doch ich teil' lieber meinen Schmerz, bevor mein Herz daran zerbricht/
    "
    (Damion Davis auf "An der Line")


    Fazit:
    Auf "Querfeldein" wurde lange gewartet. Es hat sich gelohnt. Fünf Jahre nach "Lampenfieber" bringt Damion Davis ein Album, das Maßstäbe setzt. Auf 17 Titeln beweist er seine Daseinsberechtigung als einer der vielseitigsten und begnadetsten Interpreten, die deutscher Rap momentan zu bieten hat. An keiner Stelle des Albums wird ein Featuregast vermisst, auf den gänzlich verzichtet wurde. Der Berliner bietet Einblicke in sein tiefstes Seelenleben, zeigt die Welt aus seiner Sicht in schönsten Bildern, die er in Sprache zu verpacken weiß, beruft sich auf das Alte und schafft doch immer Neues. Damion Davis macht großartigen Rap – Damion Davis macht überragende Musik.



    Alexander Hollenhorst (Holle)

    [REDBEW]1103 [/REDBEW]

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    Auf jeden Fall das ganze Album "Genuine Draft" von DJ Thomilla. Stuggi-Town 0711, unter anderem Reimemonster drauf.


    [YOUTUBE]gbEY4dtAg-w[/YOUTUBE]


    [YOUTUBE]yVoKoisv4Zk[/YOUTUBE]



    01. Schwarz
    02. Laufe & Laufe
    03. Madar
    04. Symphonie meiner Melodie
    feat. Julie Lioness
    05. Alphatier
    06. Ruhrpott Elite
    feat. Hamad 45 & Snaga
    07. Hakuna Matata
    08. Kalt wie Gold
    feat. Jason Anousheh
    09. In seinem Blut
    10. Zu spät/I remember when
    feat. Bobby V
    11. Tagträumer
    12. Stamm der Nazizi's
    13. 60 Terrorbars (Miami-Edition)
    14. Rap & Ich
    15. Bellum et Pax


    Bonus-Tracks:
    16. Zwischen uns
    17. Like this
    feat. Redman
    18. Gottes Werk & Teufels Beitrag
    19. Hoffnung
    feat. Julie Lioness


    Der "Junge ohne Herz", F.Nazizi, "Ruhrpott-King". Fard ist unter vielen Namen bekannt – und wird nun mit neuem Album vorstellig. Mit "Bellum et Pax" wählte er etwa eineinhalb Jahre nach dem Release von "Invictus" einmal mehr einen lateinischen Namen für sein Werk – Krieg und Frieden. Der Titel beschreibt Fards Textinhalte im Allgemeinen sehr gut: Zeigt sich Farhad Nazarinejad, so der bürgerliche Name des Gladbeckers, meist von einer nachdenklichen, emotionalen Seite, so reißt er doch auch gerne mal seinen Mund weit auf und will Deutschland zeigen, wer hier wem was zu sagen hat. Mit "Bellum et Pax" knackte Fard erstmals die Top 10 der deutschen Charts und stieg auf einem starken zweiten Platz ein, was in letzter Zeit nur von einem gewissen Jurastudenten mit künstlerischer Ader und einem Marokkaner mit Vorliebe für Frauen mittleren Alters, die mittlerweile fast ganz Deutschland ein Begriff sind, übertroffen wurde. Ob sich hinter diesem Erfolg wirklich ein bahnbrechendes, einschlägiges Album mit berührenden, tiefgreifenden Erzählungen, feinsten Battletracks und Untermalung des Status' der Ruhrpott-Elite verbirgt, ist die Frage, die sich mir stellt, als ich die CD zum ersten Mal in den Spieler einlege.


    "Gesellschaft macht verrückt, kleine weiße Pillen/
    Deutschland – willkommen in meinem Film/
    Vater lehrte mich: Stock und Stein brechen deine Knochen, mein Sohn/
    Aber niemals deinen Willen/
    "
    (Fard auf "Schwarz")


    Den Einstieg in "Bellum et Pax" stellt mit "Schwarz" ein typisches Fard-Intro auf einem typischen Fard-Beat dar. Auf einem synthielastigen Instrumental zeigt der Ruhrpotter auf, was seine Texte und seine Person ausmachen und was der Zuhörer auf diesem Album zu erwarten hat. Der Junge, der früher nichts zu verlieren hatte und jetzt ein Star ist. Es wird auf die Gesellschaft und das Leben als Migrant in Deutschland hingewiesen, die enge Verbindung zur Familie und die Unbeugsamkeit des Willens des Iraners werden beschrieben und betont. Dieses Schema zieht sich durch die meisten weiteren Tracks des Albums. Autobiographische Erzählungen, die die Persönlichkeit Fards darstellen, bilden den Mittelpunkt der Platte. Auf Tracks wie "Laufe & Laufe", "Hakuna Matata" oder "Bellum et Pax" wird mit kleinen Unterschieden immer wieder der Weg "vom Tellerwäscher zum Millionär" behandelt. Dies kann man als Treue zum eigenen Stil beschreiben, in diesem Fall empfinde ich es allerdings eher als starke Monotonie. Die Texte ähneln sich wirklich extrem und irgendwann scheint die Thematik – vor allem, da es bereits das vierte Soloalbum des Ruhrpottlers ist, auf dem er ebendiese Themengebiete behandelt – einfach ausgelutscht. Irgendwann weiß ich einfach, dass Farhad früher ein Junge war, der nichts hatte, nur auf dem Bolzplatz hing und dass F.Nazizi heute ein gefeierter Superstar ist, zu dem die Ex-Freundin nicht mehr zurückzukommen braucht ("Zu spät/I remember when"). Die Präsentation der verschiedenen Titel ist ebenfalls alles andere als herausragend. Fard flowt zwar stets souverän und sauber auf dem Beat – große Variationen, Überraschungen oder ausgefeilte Reimketten bleiben allerdings Fehlanzeige. Durch verschiedene Gesangshooks, zum Beispiel von Julie Lioness, Bobby V oder Jason Anousheh wird versucht, Emotionalität zu vermitteln, was die Wirkung der Lieder für mich allerdings ebenfalls nicht verstärkt. Phrasen und Floskeln, die man so einfach schon zu oft gehört hat, dominieren hier. Als sinnbildlich für diese Gleichheit der Lieder kann das fast vor jedem Track angestimmte "Yeah, ah" des Interpreten angesehen werden, dass genauso gleichbleibend ist wie die Kernaussage der Texte. Auch ein etwas anderes Thema, wie die Rolle von Rap und HipHop in Fards Leben inklusive Namedropping einiger US-Oldschooler, das der Interpret anschneidet, kommt aufgrund der nicht allzu kreativen Vortragsweise des Iraners einfach nicht wirklich bei mir an.


    Eine kleine Ausnahme bildet der Titel "Madar". Dieser stellt eine Liebeserklärung und Danksagung des Künstlers an seine Mutter dar. Ja, auch dies gab es schon oft und Fard bricht nicht wirklich aus seinem Schema aus – doch im Gegensatz zu vielen anderen Tracks wirkt er auf mich hier wirklich authentisch. Der Track berührt auch, weil hier der schöne, orientalisch angehauchte Beat von DJ Smoove sowie die auf Persisch vorgetragene Hook die Atmosphäre des Liedes unterstreichen.


    "Wenn alle fortgehen, wirst du noch da sein/
    Und falls ich mal fortgeh', wirst du mir nachweinen/
    Tausende Frauen, aber keine wie sie/
    Für sie fall' ich gerne auf meine Knie/
    Mein Regen im Wüstenkrieg/
    Bei uns sagt man, dass das Paradies unter ihren Füßen liegt/
    "
    (Fard auf "Madar")


    Als Alternative zu Fards emotionalen Geschichten finden sich auf "Bellum et Pax" auch einige Representer und härtere Battletracks. Mit Ruhrpotter Schnauze spitten F.Nazizi, Hamad 45 und Snaga wild drauf los ("Ruhrpott Elite") und liefern das, was von einem Track dieser Art erwartet wird. Das ist zwar souverän, doch wirklich vom Hocker haut auch das nicht. Richtig krasse Punchlines fallen nicht – einzelne Zeilen dagegen wirken einfach nur deplatziert. Auf "60 Terrorbars (Miami-Edition)" versucht sich Fard mit etwas melodischerer Betonung in den Strophen – zwar mal ein Experiment, doch wirkt es eher unausgefeilt denn albumreif. Zu erwähnen ist natürlich das erneute Redman-Feature, welches schon auf Vorgänger "Invictus" für großes Aufsehen sorgte. Die US-Legende liefert einen soliden Part ab, doch irgendwie wirkt der Synthiebeat von "Like this" einfach unpassend für den Oldschool-Flow des alten Partners von Method Man, der auch schon bessere Verse gekickt hat. Ein beeindruckendes Element, das Fard hier erneut herangezogen hat, doch genau wie alle anderen Lieder dieser Art auf "Bellum et Pax" zerstört es eher das ansonsten durchaus gegebene Konzept des Albums. Ohne diese Nummern würde es immerhin als komplettes und in sich konsequentes Werk erscheinen. Auch hier sind die sich ähnelnden Beats, produziert unter anderem von Joshimixu, Rooq und Shuko, ein Grund dafür, dass einfach keine Abwechslung stattfindet. Natürlich sind alle Tracks wunderbar ausproduziert, doch den Rest können alle Beteiligten besser. Die verschiedenen Synthiebeats unterstreichen die Atmosphäre der Tracks einfach zu wenig und sind auch qualitativ unter dem Durchschnitt anzuordnen. Es erscheint, als könnte man beinahe jeden Track mit demselben Beat unterlegen, was abermals die Monotonie der einzelnen Werke erkennbar werden lässt.


    "Ich bin hier, ich bin da, um an Geld zu kommen/
    Ich bin zu maskulin für Fans von Elton John/
    Der Nummer-1-Wichser, ich schlage zu/
    Du willst Krieg, ich bin hier, worauf wartest du?/
    Ich fick' dich, ich fick' ihn, ich fick' Ali Baba/
    Bin der König der Straße – Ferrari-Fahrer/
    "
    (Fard auf "Like this")


    Fazit:
    Fard hat mit seinem vierten Soloalbum einen beeindruckenden Charteinzug erreicht, er kann ein Feature mit einer US-Legende sowie Beats von bekannten Produzenten aufweisen und hat eine große Fanbase im Rücken. All dies verdient Respekt. Doch hört man sich das Album genauer an, stören die enorme Ähnlichkeit der einzelnen Lieder, die immer gleiche Vortragsweise des Rappers, die unterdurchschnittlichen Synthiebeats und die sich stetig wiederholenden Themen, die Fard schon vor so vielen Jahren behandelt hat, einfach enorm. Der "Junge ohne Herz" hat sich nun schon so oft vom Jungen ohne Geld zum Mann mit Ruhm und Ehre gemausert – die Entwicklung ist so langsam einfach abgeschlossen. Sich immer wieder anzuhören, wie ihm das gelungen ist und wie anders sein Leben nun ist, langweilt einfach. Es ist zu hoffen, dass sich in Fards Leben noch einige andere Dinge abspielen – ein weiteres Mal muss ich den "American Dream" des Iraners in Deutschland nicht in vertonter Form miterleben.



    Alexander Hollenhorst (Holle)

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    01. Generation Zukunft
    02. Wer schreibt die Hook
    feat. Mädness
    03. Funkyjazzloop ... (Skit)
    04. Die Straße
    05. B.S.E.R.
    feat. Maniac
    06. Keine Panik/Swagger zurück
    07. 10 Minuten zu spät (Freestyle)
    08. Slumvillagedetroitstyle
    09. ... stiftundpapier (Skit)
    10. Antichrist
    feat. Jaques Shure & Maniac
    11. Victoryzeichen feat. DNA
    12. Yesterday feat. Amboss der Radiator
    13. Jong-Chi Schmidt
    14. Rambo 7
    15. Schilderwald
    16. Goldene Zukunft


    Die deutsche Raplandschaft scheint so vielseitig wie nie zuvor zu sein. Straßenrapper, Azzlackz, Hipster, Horrorrapper, Vertreter der alten Schule, Maskenträger und Fantasiefiguren mit gepitchten Stimmen geben sich an jeder Straßenecke die Hand, jeder wird akzeptiert, alle feiern alles und jeder liebt jeden – scheinbar. Der Großteil bewertet diese Entwicklung als positiv und freut sich über die weniger werdenden Grenzen, die größer werdenden Möglichkeiten, weniger Tabus und die neue Innovation in der Rapszene. Allerdings kommt die Veränderung von HipHop nicht bei allen so gut an – Juke & Imun, neu gesignt beim süddeutschen Label WSP-Entertainment, bekannt durch Acts wie Demograffics oder Dexter, sehen diese Entwicklung nämlich etwas kritischer und nicken dem neuen Rapper von der Straße nicht sofort lachend zu. Mit ihrem Debütalbum halten sie fest: "Der Erste macht das Licht an" – und dieser Erste versteht sich ganz und gar nicht mit dem Neuen, der in dieses Licht rücken will.


    "Ich spiele nicht in deiner Liga, ich spiel' nicht mal dein Game/
    Ich will nicht, dass wir uns verstehen, ich will, dass du gehst/
    "
    ("Wer schreibt die Hook")


    Beim Blick auf die prominent besetzte Produzentenliste ist direkt klar, welcher Sound den Hörer auf diesem Album erwartet. Dexter, Fid Mella, Brenk oder Clefco stehen für druckvolle, nach vorne gehende Boombap-Beats, die in längst vergangene Zeiten zurückversetzen und Backpacker-Herzen höher schlagen lassen. Statt elektronischen Synthiebeats umschmeicheln Jazz- und Soulsamples die Ohren. Auf den Beats dieser DJ-Riege, die über das gesamte Album auf einem gewohnt überdurchschnittlich hohen Niveau die nötige Oldschool-Atmosphäre für die Texte der beiden erschaffen, lassen sich Juke & Imun nun größtenteils über die zwar angeblich vielfältigen, doch aus ihrer Sicht langweiligen und nicht ernst zu nehmenden deutschen Rapper aus. Viel bekommt die Straße ab, über die sich die beiden Bayern auf gefühlt der Hälfte des Albums lustig machen. Straßenrap sei monoton, es werde immer das Gleiche erzählt und das könne der nicht vorhandene Flow oder Skill natürlich auch nicht wettmachen. Juke & Imun selbst machen über 45 Minuten deutlich, dass sie sich stilistisch am traditionellen HipHop orientieren. Untergrund, Funk, Cuts, Kopfnicker-Beats, Samples und das Rappen über diese zeichnen ihren Stil aus. Dies wird unterstrichen durch einen echten, soliden Freestyle auf einen smoothen Piano-Beat, der einfach mit aufs Album gepackt wurde ("10 Minuten zu spät"). Die Interpreten scheren sich nicht um ausgefeilte Technik inklusive Wie-Vergleiche um 10 Ecken oder die krassesten Punchlines. Statt gestellten Gesprächen oder Schüssen hört man smoothe, kurze Jazzstücke als Skits zwischen den Titeln, welche sehr angenehme, weil passende Übergänge zwischen den einzelnen Tracks darstellen. Auf diese Weise stellt sich das Duo von einer erhabenen Position aus über die Personen, über das es textet. Negativ ist hier zu bemerken, dass bei Juke & Imun beim Hören des Albums eben die von ihnen kritisierte Monotonie eintritt. Der Rap ist stets solide und gut anzuhören, doch bleiben die Vorwürfe an die anderen Rapper immer dieselben: Dass sie immer das Gleiche machen, nicht wirklich das seien, was sie vorgeben zu sein et cetera, wodurch die beiden genau in diese Eintönigkeit abdriften – auch weil sie eben nicht allzu ausgefeilt rappen und Flowvariationen eher rar gesät sind.


    "Dein Conscious-Rap ist wie das Ergebnis eines Aids-Tests/
    Man kann auch im Positiven die Negativität sehen/
    "
    ("Detroitslumvillagestyle")


    Doch sind die anderen Rapper nicht das einzige Thema auf "Der Erste macht das Licht an". Immer wieder blitzt Sozialkritik in den Texten der Frankfurter auf, die in Bildern, Metaphern und Alltagssituationen beschrieben wird. Auf "Victoryzeichen" mit Tunnelblick-Music Mitglied DNA wird das kapitalistische "Babylon"-System kritisiert. Ansonsten drehen sich viele Titel um die standardisierte, einengende Zwangsordnung, Eingrenzung oder Bestimmung durch Öffentlichkeit, Staat oder falsche Bekannte ("Jong-Chi Schmidt"). Und, der Meinung der beiden Interpreten nach, eigentlich zu vermeidendes Verhalten sowie abzulehnende Werte von Menschen, wobei sich auch die beiden Rapper selbst nicht immer von diesem Verhalten freisprechen können. Auf atmosphärisch stets perfekt abgestimmten Beats verpacken die beiden ihre Nachrichten meist im Subtext, sodass man noch ein zweites oder drittes Mal hinhören muss, um den Großteil verstehen und bewerten zu können.


    "Ey, ich schau' raus auf die graue Steinwand meines Nachbarn/
    Quadratisch exakt gepflastert, alles im Raster/
    Akkurat wie Servietten im Gasthaus, Broschüren im Rathaus/
    Die Hürden bei 'nem Wettlauf – stillgestanden!/
    "
    ("Schilderwald")


    Fazit:
    Juke & Imun bringen den Sound, den sie zuvor versprechen – in Verbindung mit soliden Raps und reflektierten, sozialkritischen beziehungsweise ironischen Texten über die Gesellschaft, Menschen und das Rapgeschäft. Leider verfallen die Texte, was die Beschreibung anderer Rapper in Deutschland angeht, oft ins Monotone, wobei der Battlecharakter, der eben neben den Cuts und den Sample-Beats zum Paket, das die Bayern anbieten, dazugehört, trotzdem vorhanden bleibt und auch gut ins Ohr geht. Die gut gewählten Feature-Gäste wie Maniac und Jacques Shure aus dem WSP-Umfeld oder Mädness reihen sich glänzend ein und ergänzen den Stil des Albums perfekt. Der gemeine "Straßen-" oder "Gangsterrapper" wird mit diesem Album wohl tatsächlich nicht viel anfangen können, wird sich über ihn doch quasi durchgehend ausgelassen. Für Boombap-Liebhaber und Fans von straightem, ungeschliffenem Oldschool-Rap sind Juke & Imun definitiv eine gute Wahl, die sicherlich die eine oder andere Session musikalisch begleiten dürfte.



    Alexander Hollenhorst (Holle)

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    Kann man so sehen, zieht bei mir allerdings nicht, da es bei EstA meiner Meinung nach eben einfach wirklich ausgelutscht und langweilig ist, wobei ich an sich nichtmal groß was gegen ihn hab, rappen kann er auf jeden Fall und z.B. seine Halbfinalrunden gegen Mio Mao hab ich auch derbe gefeiert.


    Aber bei donetasy z.B. regt sich soweit ich weiß kaum einer über "Hurensohn", "Spast" oder "Niggüüah" auf, weil er's einfach geil verpackt und es im Gesamtpaket halt n derben Style ergibt. Aber ist halt auch subjektiv und Geschmackssache.


    Diese Schlägereigeschichte mit Atzenkalle kommt allerdings einfach lächerlich...

    Zitat

    Original von MagicPaiN
    kann mir ma jemand die "hashtag-rap" line erklären?
    bin zu blöd die zu kapiern. :(


    Hashtag-Rap sind diese Vergleiche ohne "Wie" bzw. ein Wort nach einer Line, was die Line erklärt oder ne Pointe setzt. Eben wie'n Hashtag # bei Twitter.


    "Ich mach die Dinger wieder rund - Silikon"


    Esta parodiert das halt, indem er einfach sein geliebtes #Hurensohn dahinter setzt. ;)


    Quali ist ganz ok und dürfte wohl auch reinkommen, finde allerdings auch nur diese Line echt gut. Ansonsten finde ich, dass EstA sich mit Lines wie "Klar werden Mamas beleidigt, ich kann halt nicht anders, ist Standard bei mir, ich hau Atzenkalle voll auf die Fresse..." eher selbst hochnimmt...

    Würde da ja sogar eventuell mal hinfahren wollen, um einfach Party zu machen, kann mir nur gar nicht vorstellen, wie man da ohne irgendnen Zeug drei Tage durchhalten sollte. :(
    Bei 4 Tagen Splash ist man schon irgendwann total fertig und verpasst irgendwas, bei der Mucke da ist man doch nach einem Tag am Ende...



    01. Intro
    02. Morgähn
    03. Fick es
    04. Urbane Eleganz feat. Olson
    05. Michael Wendler
    06. Bastrock FlipFlops
    07. Sexpistol Remix feat. Ali A$
    08. Gewalt & Leidenschaft
    09. Meine Stadt feat. Kitty Kat
    10. Kitschgang feat. Guliano
    11. Armand
    12. Dad
    13. Tage des Stemmers


    München, P1: Während sich in der VIP-Lounge die Stars des FC Bayern und die erschöpften Prominenten, die gerade vom harten, harten Arbeitstag zurückkehren, die Hand geben und die Penner die Leute in der Schlange um 'ne Zigarre oder ein kleines Glas Dom Pérignon bitten, verirrt sich ein Stück HipHop in die Welt der Crème de la Crème. Nach dem fünften Track von David Guetta wird plötzlich deutscher Rap aus den Boxen geballert. Für die Hymne auf die bayrische Metropole, die ich, der verdutzte Besucher, mir nun zu Gemüte führen darf, zeichnet Felix Krull, der selbsternannte Kitsch-König der Schickeria-Szene, verantwortlich. Der hofft mit seinem neuen Release "Tage des Stemmers" nun auf den Durchbruch. Wie genau der Stemmer seine Tage für gewöhnlich so verbringt – oder eher zelebriert – versucht er dem Hörer in 40 Minuten näher zu bringen.


    "Meine Stadt ist geiler als deine/
    Denn wenn wir tanzen, regnet's lilane Scheine/
    Guck, ich reib' an der Nebukadnezar/
    Hol' den Mosi aus der Tasche und erfüll' deine Wünsche/
    "
    (Felix Krull auf "Meine Stadt")


    Schon durch seinen Namen zeigt der Münchner, wie er sich selbst als Künstler definiert. Felix Krull heißt der Hauptcharakter eines unvollendeten Romans Thomas Manns, der als Künstler in betrügerische und sogar kriminelle Aktivitäten verstrickt ist. Das Buch rückt den Künstler in die Rolle des Hochstaplers. So bezeichnet Felix seine Musik schon durch seinen Namen mehr als eine gewisse Hochstapelei denn als Kunst. Die Themenvielfalt des Albums lässt sich durch wenige Begriffe zusammenfassen: Geld, München, Geld, Frauen, Party und nochmal Geld. Die "Pesos", die den Lebensstil in der High Society finanzieren und Bedingung zur Aufnahme in diese sind, sind das scheinbar Wichtigste in der Welt Felix Krulls – und dieses Album eine Maßnahme, um mehr davon zu generieren. Auf den meist elektronischen, von David Lauren produzierten Beats erstrecken sich die Ausführungen über das wilde Partyleben und vereinzelte Szenen aus dem scheinbar eskalativen Dasein des jungen Münchners über mehr als zwei Drittel der Platte.


    "Bring mir Champaign, Aspirin, und zwar zackig, schnell/
    Sonst geb' ich dem Pagen Nackenklatscher wie Araber/
    "
    (Felix Krull auf "Urbane Eleganz")


    "Und wenn der Felix erstmal auf seinem Königssessel sitzt/
    Vögelt er die Bitch/
    "
    (Felix Krull auf "Michael Wendler")


    Ich könnte an dieser Stelle noch auf tausende andere Zeilen dieser Art eingehen, doch ähneln sich die Texte der einzelnen Tracks so sehr, dass die Beispiele ausreichen, was für den Hörgenuss nicht unbedingt förderlich ist. Wird nicht das Partyleben beschrieben, so füllen Representer das Album, auf denen ausgesagt wird, wie unfassbar groß doch der Penis des Stemmers und seine Rolle in dessen Leben sei ("Armand"), dass jeder sein wolle wie der Stemmer und es überhaupt totale Stemmerzeit sei. Was genau dieser Stemmer eigentlich sein soll, weiß ich auch nicht so genau. Zwei Anspielstationen fallen allerdings aus diesem Raster heraus und zeigen eine andere Seite des Hochstaplers. Auf "Gewalt & Leidenschaft" erzählt Felix die fiktive Geschichte des Mordes an seiner Freundin, die ihn durch Fremdgehen und anderes Verhalten so lange in den Wahnsinnn treibt, bis sie schlussendlich blutüberströmt vor ihm liegt, von ihm getötet. Auch in diesem Lied zeigt sich keine ausgeklügelte Eloquenz oder Wortgewandtheit des Interpreten, doch ist es authentisch erzählt und fesselt den Zuhörer durchaus. Der zweite Titel, der etwas tiefer geht, ist "Dad". Hier thematisiert Krull die schwierige Beziehung zu seinem Vater, der finanziell am Boden ist und sich auch seinem Sohn gegenüber meist nicht sehr vorbildlich verhält. Die sehr persönlichen und emotionalen Strophen werden hier mit einer Autotunehook, die eine humorvolle Umsetzung des Klassikers "Believe" von Cher ist, kontrastiert.


    "Ich piss' auf dich und vermiss dich doch/
    Denn leider lieb' ich dich immer noch/
    Und mein Herz scheint nicht auf mich zu hören/
    Ich brauch' dich nicht und du fehlst mir doch//
    "
    (Felix Krull auf "Dad")


    Außerhalb dieser beiden Titel ist Abwechslung wie gesagt allerdings rar gesät. Auch die Features wie Olson, Ali A$ und Kitty Kat können nicht wirklich überzeugen. Vor allem das alte Deluxe Records-Mitglied passt einfach überhaupt nicht zum von Lauren und Krull erschaffenen Soundbild. Es ist allerdings definitiv anzumerken, dass Felix Krull seine Texte immer gut rüberbringt. Flow- und raptechnisch befindet er sich auf einem guten Niveau und verpackt seine Zeilen sehr gut auf die druckvollen Lauren-Beats. Nur reicht das in diesem Fall nicht aus, um Themenvielfalt und Wortspielerei zu ersetzen beziehungsweise den Mangel an diesen beiden Komponenten zu kompensieren.


    Fazit
    Im P1 kommt der Titel gut an. Ich nippe an der Bar an meinem Bier und denke mir, dass ich nach fünf weiteren wohl auch ziemlich abgehen würde. Vor allem der Münchner, den Felix in seinen Tracks beschreibt, kann sich mit diesen Texten über das Leben natürlich wunderbar identifizieren und auch mit drei Maß mehr intus noch die Hook mitgrölen. Dafür ist Felix' Musik sicherlich perfekt geeignet, gut in Szene gesetzt und hat somit auch ihre Daseinsberechtigung. Aber ansonsten verhält sich das Album doch eher wie die Schickimicki-Partyszene: Nach der Feier hat man dann doch das meiste vergessen und erinnert sich wohl kaum an die Beteiligten. Und so werd' ich mich wohl auch an den nächsten Titel vom Stemmer den ich höre, kaum erinnern können – ob ich in der Nacht zuvor laut und (mehr oder weniger) deutlich mitgegrölt haben könnte, lasse ich hier mal offen.



    Alexander Hollenhorst (Holle)



    [REDBEW]997 [/REDBEW]

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