01. Beichtstuhl
02. Klonlabor
03. Arschpiraten
04. Skit
05. Kirchencore feat. Jason
06. Limbus
07. Feuerball
08. Hell feat. Chris Miles
09. Trugbild
Mit der "Trugbild EP" hat jüngst ein weiterer bekannter VBTler quasi sein Debüt nach den Turnieren abgeliefert. Dollar John aus der Reimebude lässt sich mit einem Album noch etwas Zeit und probiert sich erstmal an kürzerer Spieldauer. Der Stil des Hamburgers ließ sich bereits in seinen Runden und vorigen Tracks erkennen: Ruppig, düster und ein wenig asozial kommt Johnny daher. So sorgte er zum Beispiel durch seine Wortwahl immer wieder für Diskussionsstoff und Kontroversen. Das komplette Soundbild Johns steht meist im Gegensatz zu Tracks seiner Crewkollegen, dem fröhlichen Beckmann oder dem arroganten 4tune. Hören wir mal rein, wie das Ganze auf EP-Länge wirkt.
"So wenig Platz auf deinem Beifahrersitz, wie/
Könntest du mich stehen lassen? Nein/
Ganz alleine am Schwitzen, bei 30 Grad Hitze/
Doch ich schwöre, wir werden sehen, wer am Ende hier der Leidtragende ist/"
(Dollar John auf "Beichtstuhl")
Der Beginn der EP zeigt sofort: Mit VBT-Internetbattle hat dieses Werk definitiv nichts zu tun. Auf einem düsteren, langsamen Instrumental führt John aus, wie er den Fahrer eines Leihwagens ermordet, nur um dann die Toilette einer Tankstelle zu besuchen und seine Sünde zu beichten. Hört sich absurd an – ist es auch. Aber ihm gelingt es auf jeden Fall schonmal, atmosphärisch in die EP einzuführen. Der nächste Track offenbart dann eine weitere Seite des Hamburgers: Auf einem an einen alten Kinosoundtrack erinnernden Samplebeat wird richtig losgeflext. Der folgende Titel "Klonlabor" bietet aggressive Flows, punktgenau auf den Takt gelegt. Die Wortwahl ist vulgär, dreckig – und genau richtig gewählt. Außerdem wird deutlich, dass sich der Rapper skillmäßig auf hohem Niveau bewegt. Reim- und flowtechnisch zeigt er extreme Präsenz und Vielfalt. "Klonlabor" und auch zum Beispiel der Titel "Kirchencore", bei dem Jason einen starken Part hinlegt, der vom Textaufbau Johns in nichts nachsteht, können definitiv als Battle-Tracks bezeichnet werden. Das Brett von Beat des zweitgenannten Songs bringt den Kopf ab der ersten Sekunde zum Nicken, geht ordentlich nach vorne und unterstützt die dreckigen Flows der beiden perfekt. Die Themen des Reimebude-Mitglieds sowie sein Wortschatz, dem er sich in seinen Zeilen bedient, sind allerdings alles andere als gewöhnliche Battlephrasen. Ähnlich dem Thementrack "Beichtstuhl" wirkt auch hier jedes Zeilenkonstrukt wie eine ausgedachte und aufgebaute Geschichte, die somit dem Hörer sehr bildlich vor Augen erscheint. Ob das immer so schön ist, ist die andere Frage. Außergewöhnlich ist es auf jeden Fall. Als weiteres Themengebiet fällt die Abschätzigkeit gegenüber dem weiblichen Geschlecht auf: Die "Nutten", wie John sie zu nennen pflegt, scheinen über den Status des Sexobjekts, Bierträgers und Aggressionsventils nicht hinauszukommen. Hört sich verwerflich an. Passt in die Texte, passt ins Konzept, ist konsequent und fügt sich ins Gesamtbild ein. Außerdem sollte klar sein, dass die Zeilen des Hamburgers, gerade in dieser Richtung, nicht allzu ernst genommen werden sollten.
"Ey, der Drogenkönig dreht durch wie'n Fleischwolf/
Mein Schorelöffel sieht mittlerweile aus wie'n abgebranntes Streichholz/
'Ich will in der Gang sein!' – okay, Nigga, jetzt wird es teuer/
Du bezahlst mit deinem Leben, Triple 6 – Kirchensteuer/"
(Dollar John auf "Klonlabor")
Das Skit sowie der vorangehende Titel "Arschpiraten" wirken eher unpassend platziert und hätten meiner Meinung nach gut weggelassen werden können. Der Song handelt von der von John bevorzugten Sexpraktik – Analverkehr. Er ist von ekelerregenden Metaphern durchzogen, was ja an sich an der Tagesordnung bei John liegt. Allerdings wirkt das in diesem Fall viel zu stumpf aufgebaut, um überzeugen zu können; die Innovation geht hier ab. Auch der Synthie-Beat ist recht einfach gehalten und kann hier nicht wirklich etwas reißen. Der simple Necrophilie-Humor des Skits weiß ebenfalls nicht zu gefallen und stört bloß den atmosphärischen Aufbau der EP. Die weiteren Tracks hingegen wissen zu großen Teilen wieder zu überzeugen. "Feuerball" stellt den einzigen Titel dar, in dem John etwas aus seiner verrückten Rolle schlüpft und nachdenkliche Gedankengänge preisgibt. Kritik an verbreiteten Wertevorstellungen, Medien, der Illusion von Objektivität und Politik wird laut.
"Dieser Bush war auch nicht besser als Obama, das Weißbrot/
Echte Helden sind für mich nur Baader und Meinhof/
Wagst es, einen Blick über den Tellerrand zu riskieren/
Schließt man dich weg oder du wirst in 'ne Kellerwand betoniert/"
(Dollar John auf "Feuerball")
Im nächsten Titel bricht er allerdings wieder aus dem "sich Gedanken machen um irgendwas" aus und bringt die absolute Style-Nummer dieser CD. Gast? Natürlich Chris Miles. Der zeigt mal wieder eine unfassbare Flowpassage mit verrückten Betoungen und Varianten und verschmilzt auf eine Weise mit dem Beat, die jedes Mal wieder beeindruckend ist. Textlich liefert er, was man ebenfalls von ihm gewohnt ist. Auch John reißt einmal mehr ordentlich ab und schafft es in diesem Track wieder, Provokation, Dreckigkeit und einen Schuss Asozialität zu einem überzeugenden Gesamtbild zusammenzufügen. Der Abschluss "Trugbild" ist ein weiterer dieser "Dollar John-Representer". Einen Fick auf alles, Drogen, Nutten und ab und zu ein paar Wackos wegklatschen. Das Ganze flowlich perfekt verpackt, atmosphärisch und provokant.
Fazit:
Das Bild, das ich zuvor von Dollar John hatte, hat sich bestätigt: Er unterscheidet sich durch seine düstere, provokante und expressionistische Ausdrucksweise von seinen Reimebude-Kollegen und dem allgemeinen VBT-Rapper. Die Texte sind abstrakt – egal, ob philosophischer Titel, erdachte Geschichte oder aggressiver Auf-die-Fresse-Battlerap. Allerdings driften sie zeitweise in einfach nur noch ekelhafte Bilder ab, die keinen großen Hörgenuss mehr bereiten. Auch die manchmal plumpen Formulierungen und Beleidigungen, zum Beispiel gegen Frauen, mindern den Gesamteindruck etwas. Bis auf einige Ausnahmen sind die derben Zeilen aber gut in das Konstrukt des ebenfalls teilweise vom Hamburger erschaffenen Soundbilds eingearbeitet. Atmosphäre aufbauen ist eine der großen Stärken von Dollar John – gepaart mit einem sauberen und routinierten Flow sowie ausgefeilter Technik. Insgesamt ist "Trugbild" ein gutes Debüt des Hamburgers, das seine Musik und sein Soundbild genauer vorstellt und Lust auf mehr macht.
Alexander Hollenhorst (Holle)
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