Bin schon ein wenig enttäuscht von kuhru. Ich hätte mehr erwartet =/
Ich halte wenig von Vergleichen mit anderen Substanzen. Jede Substanz muss für sich selbst gewertet werden und ein relativistisches Argument hat da in meinen Augen nur wenig Gewicht (zudem es auch nur wenig Erfolg bei Befürwortern eines Verbots hat). Auch rein wirtschaftliche Argumente, wie vor kurzem vom wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU angebracht, haben nur wenig Gehalt. Wenn ich Dinge nur unter einem wirtschaftlichen Standpunkt betrachte kann ich so einige absurde Dinge begründen. Man kann diese Argumente am Rande anbringen, sie sollten jedoch nicht ausschlaggebend für die Gesetzgebung sein.
Viel wichtiger finde ich die Aspekte der Verhältnismäßigkeit von strafr-/verkehrsrechtlichen Auswirkungen und tatsächlich negativen Folgen für das Individuum und die Gesellschaft durch die Substanz selbst. Gerade bei Cannabis ergibt sich hier ein widersprüchliches Bild. Die meisten negativen Konsequenzen des Cannabiskonsums folgen für den durchschnittlichen Cannabiskonsumenten nicht aus der Pflanze selbst, sondern entstehen erst durch die Kriminalisierung derselben. Hier gibt es mehrere problematische Aspekte:
1. THC wird nicht wie Ethanol quasilinear abgebaut. Das bedeutet für den Konsumenten, dass er, aufgrund des de facto Grenzwerts von 1ng/ml im Blutserum, faktisch tagelang nach dem Cannabiskonsum nicht Auto fahren dürfte, obwohl die Wirkung spätestens nach sechs Stunden nicht mehr vorhanden ist. Der Gesetzgeber sieht hier, aufgrund der Illegalität der Substanz, keinen Grund einen Grenzwert festzulegen, da nach der Devise gearbeitet wird "Am besten gar nicht konsumieren.". Diese Argumentation verliert ihre Grundlage insofern, als dass der Konsument dann auch im berauschten Zustand Auto fahren kann, von den verkehrsrechtlichen Konsequenzen macht das keinen Unterschied. Der Gesetzgeber erreicht genau das Gegenteil von seiner Intention.
2. Jugendschutz ist nicht vorhanden. Man kann jetzt damit argumentieren, dass die Strafen für Abgabe an Kinder und Jugendliche höher sind, aber in der realen Welt hat das keine Auswirkungen. Meist ist auch die Distributionskette zu Jugendlichen über Jugendliche selbst gesteuert, soll heißen, es gibt nur wenige Erwachsene die tatsächlich an Jugendliche verkaufen; die meisten Jugendlichen beziehen ihr Cannabis von ihrem jugendlichen Dealer. Niemand verlangt einen Ausweis oder fragt nach dem Alter. Vielleicht haben die meisten Erwachsenen Hemmungen an 10 jährige zu verkaufen, bei 14 jährigen interessiert das allerdings niemanden mehr. Dem könnte man durch eine kontrollierte Abgabe viel effektiver entgegenwirken. Läden müssen sich Ausweise vorzeigen lassen und kriegen Konsequenzen viel schneller zu spüren als irgendein Dealer. Man könnte direkte Kontrolle und effektiven Jugendschutz ausüben statt nur passiv mit Konsequenzen zu drohen, die in der Regel nur selten zur Anwendung kommen. Man muss schon gute Beweise vorlegen um einen Dealer zu überführen, dass er wissentlich an Minderjährige verkauft hat, während bei einem Laden regelmäßige Kontrollen recht simpel durchzuführen sind.
Und nein, es gibt keinen absoluten und sicheren Jugendschutz. Aber es wenigstens zu versuchen ist besser als gar keiner. Und das Beispiel Alkohol ist nicht vergleichbar. Für Verkauf an Jugendliche gibt es recht milde Geldstrafen. Geplant ist, selbst im CannKG Vorschlag der Grünen, dass wiederholtes Verkaufen an Jugendliche zum permanenten Lizenzentzug und Schließung des Ladens führt. Wenn Verkauf von Alkohol an Minderjährige dieselben Konsequenzen nach sich ziehen würde, wäre das Bild in Deutschland ein anderes.
3. Es wird argumentiert, dass die "geringe Menge" bereits eine Entkriminalisierung ist. Das ist falsch. Erstens kann die Staatsanwaltschaft die Anklage fallen lassen, muss sie aber nicht, und zweitens droht im Wiederholungsfall, oft schon beim zweiten Vergehen, direkt Strafe. Das ist keine Entkriminalisierung, sondern lässt den Behörden nur die Option offen falls diese feststellen sollte dass sich der Verwaltungsaufwand nicht lohnt.
4. In direktem Zusammenhang dazu: Die Polizei muss, selbst wenn sonst gar keine widrigen Umstände vorliegen, eingreifen wenn jemand eine Substanz konsumieren will, bzw. in Besitz derer ist, auch wenn es keine Hinweise auf Gefährdung oder Belästigung anderer gibt. Das ist für mich der seltsamste aller Aspekte in dieser Debatte. Es ist ein Eingriff in meine freie Persönlichkeitsentfaltung durch die niemand anderes Schaden nimmt (den Fall nehme ich jetzt mal an. Die Situation stellt sich natürlich anders dar wenn jemand berauscht Auto fährt oÄ.). Es werden Kosten, Einsatzzeiten und Verwaltungsaufwand en masse verschwendet um Konsumenten von etwas abzuhalten was nur sie selbst betrifft und ihnen ggf schadet. Das ist so absurd als hätte ich eine Hausdurchsuchung am Hals weil ich mich ritze.
5. Die Theorie der "Einstiegsdroge" ist ausgemachter Quatsch. Sie folgert sich aus dem Phänomen, dass die ersten Schritte der meisten Konsumenten anderer Substanzen auf dem Schwarzmarkt mit Cannabis waren. Allerdings ergibt sich aus dem Umkehrschluss nicht dasselbe Ergebnis. Die wenigsten Cannabiskonsumenten steigen auf "härtere" Drogen um. Und der Kontakt zu den anderen Substanzen wurde erst dadurch ermöglicht, dass Cannabis nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich ist.
Ein weiterer Punkt in dem Zusammenhang ist ein Schritt zurück: Es wird argumentiert, dass praktisch alle Konsumenten von "härteren" Substanzen zuerst Cannabis konsumiert haben. Während das wahr ist, ist es nicht so als würden sie aus einem Vakuum auf Cannabis stoßen. Die meisten Menschen die Cannabis probieren, haben in ihrem Leben davor schon Kontakt mit Ethanol oder Koffein gehabt. Heißt das jetzt, dass Alkohol und Koffein die "wahren" Einstiegsdrogen sind? Natürlich nicht. Es gibt keinen Kausalzusammenhang zwischen den verschiedenen Substanzen. Außer ggf der, dass man bemerkt wie tief die Propaganda um Cannabis geht und dann vielleicht die um andere Substanzen, vielleicht fälschlicherweise, anzweifelt und damit experimentiert. Dem kann man nur mit objektiver Aufklärung entgegenwirken, nicht mit Verboten, Übertreibungen und Lügen im Namen der Sicherheit und Gesundheit.
6. Die Sicherheit in Wirkstoffgehalt und der Aspekt der Streckmittel sind zwei gesundheitspolitische Aspekte die ein Schwarzmarkt nicht leisten kann. Und das betrifft nicht nur Cannabis. Viele körperliche und psychische Schäden die verschiedenen Substanzen zugeschrieben werden, ergeben sich erst aus den Streckmitteln, so auch bei Cannabis. Und auch den psychischen Gefahren der eigentlichen Substanz kann ich besser entgegenwirken wenn der Wirkstoffgehalt/-zusammensetzung bekannt ist.
7. Problematisches Konsumverhalten ist viel einfacher zu erkennen, wenn die Substanz nicht geächtet ist und der Konsument sich nicht verstecken muss. Den Dealer freut es wenn du jeden Tag 5g kaufst. Im Laden fällt das ggf auf, bzw. wenn der Konsument sich nicht vor anderen verstecken muss, auch seinem Umfeld.
Desweiteren finde ich das Argument, bzw. die Angst vor rapide steigenden Konsumentenzahlen sowohl objektiv als auch subjektiv nur schwer nachvollziehbar. Auf der objektiven Seite gibt es gibt einige real existierende Beispiele von Nationen die entkriminalisiert/legalisiert haben in denen es keinen Anstieg gab bzw. die Konsumentenzahlen nach einem kurzen Anstieg wieder auf Vorverbots- bzw. sogar niedrigere Zahlen fielen. Und auf der subjektiven Seite: Hand auf's Herz, wie viele Menschen aus dem jeweiligen Bekanntenkreis würden Cannabis nur deshalb probieren weil es plötzlich legal wäre? Bei mir vielleicht ein, zwei aus 4-,500. Vielleicht gäbe es einige die ob des einfacheren Zugangs öfter konsumieren würden als vorher. Aber dadurch steigen nicht die Konsumentenzahlen insgesamt.
Diese ganze Diskussion krankt an einem Übermaß an Ideologie. Ich glaube wenn man sich ernsthaft und vorurteilsfrei mit der Materie, vor allem mit den gesellschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen an real existierenden Beispielen, beschäftigt kann man nur zu einem Schluss kommen. Oder kurz gesagt: Die Niederlande sind kein zugedröhntes Kifferland geworden, nur weil Cannabis entkriminalisiert wurde. Deutschland kann das auch!