Beiträge von lupa

    ist die seite grad mega langsam oder liegt das an meinem internet? +


    hatte mich schon gewundert, warum ich neun Monate keine Nachricht bekommen hab, dafür hab ich alle Nachrichten, die ich JE bekam, im Postfach. Voll geil :D


    ja, Grübchen wie der grand canyon...


    Trotz seines jungen Alters konnte sich Sierra Kidd innerhalb kürzester Zeit einen Namen machen. Im vergangenen Jahr noch der gesichtslose, minderjährige und von Manager Hadi El-Dor angepriesene "nächste große Star am Raphimmel", in diesem Jahr bereits fest in der Szene etabliert. Vieles ist seit dem Erscheinen seiner Debüt-EP "Kopfvilla" passiert – unter anderem ein Signing bei RAF Camoras Label Indipendenza, das Release seines ersten großen Albums "Nirgendwer" im Sommer und zuletzt natürlich der Auftritt beim Bundesvision Song Contest auf ProSieben. "Nirgendwer" ist Sierra mit Sicherheit nicht mehr – klar, dass auch wir ihm ein paar Fragen stellen mussten ...


    rappers.in: Wir würden zu Beginn des Interviews gerne wissen, ob es eher positiv oder negativ ist, "nirgendwer" zu sein.


    Sierra Kidd: Das kommt darauf an … Nirgendwer zu sein, ist auf jeden Fall besser als irgendwer Normales zu sein. Aber die genaue Definition muss jeder für sich selber herausfinden – sonst wäre es ja viel zu langweilig.


    rappers.in: Sprechen wir über dein aktuelles Album: Inwiefern knüpfst du mit dem Release an deine "Kopfvilla"-EP vom Dezember letzten Jahres an?


    Sierra Kidd: Ich öffne meine Kopfvilla eigentlich nur noch ein bisschen mehr. Ich knüpfe nicht direkt daran an, denn ich bin erst 17 und mir ist noch nicht so viel passiert – aber die Kopfvilla war ein Vorgeschmack auf das Album. Damit habe ich mein Hinterzimmer gezeigt und das Album ist die ganze Villa, das komplette Haus. Es behält diesen "Kopfvilla"-Touch, den Sound, aber es entwickelt sich schon ein bisschen weiter. Mal gucken, wo es noch hinführt, aber man kann sagen, dass die Note gleich geblieben ist.


    rappers.in: Hast du das Gefühl, dass das genau die Musik ist, die du machen willst? Oder ist es möglich, noch mal in eine ganz andere Richtung zu gehen?


    Sierra Kidd: Musik entwickelt sich natürlich immer weiter, was man zum Beispiel auch bei Prinz Pi sieht, der früher mal ganz andere Musik gemacht hat. Wenn man sich das Ganze aber von Album zu Album anhört, klingt es gar nicht so unterschiedlich, weil es viele Zwischenschritte gibt. Es kann sein, dass es bei mir auch so wird, aber ich kann dazu noch nicht viel sagen ... Wie gesagt, ich bin sehr jung, wer weiß, was passiert.


    rappers.in: Im Endeffekt bist du mit dem, was du jetzt machst, rundum zufrieden, auch wenn du in drei Jahren vielleicht ein Heavy Metal-Album machst?


    Sierra Kidd: (grinst) Ja, das können wir so stehen lassen!


    rappers.in: Auf deinem Album sind unter anderem Gastbeiträge von RAF Camora und Prinz Pi zu finden. Baut sich als junger Künstler ein großer Druck auf musikalischer Ebene auf, wenn man mit solchen Szenegrößen zusammenarbeitet?


    Sierra Kidd: Es geht. Sie nehmen sogar ein bisschen den Druck. Wenn ich alles allein stemmen müsste, wäre es anstrengend. Zum Glück habe ich den wunderbaren Labelboss RAF, der mir bei allem zur Seite steht, wenn ich Hilfe brauche. Und auch Leute wie Pi: Ich bin der Meinung, dass ich ihn jederzeit anrufen könnte und er würde mir zur Seite stehen. Hätten die beiden mir nicht so viel beigebracht, wer weiß … Vielleicht wäre ich dann nur ein Hype gewesen, der kurz da ist und sofort wieder geht.


    rappers.in: Greifen sie dir auch bei deinen Produktionen unter die Arme?


    Sierra Kidd: Prinz Pi eher weniger, er hilft mir mehr bei zwischenmenschlichen Dingen. RAF kann ich bei allem anrufen, er hilft mir immer! Aber es gibt eine Sache, in die ich mir nie reinreden lasse – das sind meine Texte, meine Melodien und alles, was mit meiner Stimme zu tun hat. Doch wenn es um Beatproduktionen geht, kann man keinen besseren Lehrer haben als RAF. Ich sage es immer wieder: Er ist der beste Produzent in Deutschland und hat mir viel beigebracht. Der "Splittermeer"-Beat ist zum Beispiel komplett von mir produziert und man merkt selbst da schon, dass ich den besten Lehrer hatte, den man haben kann.



    rappers.in: Hast du dabei das Gefühl, mit einem Freund zusammen zu arbeiten? Kann man sich euch als eine Art "Labelfamilie" vorstellen?


    Sierra Kidd: Natürlich ist das grundsätzlich ein harter Job. Wir arbeiten alle viel, gerade die Arbeitszeiten sind höllisch. Auch wenn alle immer denken, dass das der schönste Job ist, ist es sehr anstrengend. Aber wir sind genau deshalb so zusammengeschweißt. So wie ich mit RAF befreundet bin, bin ich auch mit meinen Managern befreundet, einfach mit dem ganzen Team. Wir sind eine richtige Familie und sprechen über unsere Probleme. Ich sage immer, dass miteinander arbeiten so ist, als würde man eine Beziehung führen. Wenn man die schlimmen Dinge nicht anspricht, kann es eklig werden. Und deswegen versuchen wir es so gut, wie wir nur können. Im Moment sind wir, glaube ich, alle glücklich.


    rappers.in: Du hast auch über das Internet an Bekanntheit gewonnen und musstest dich in der Vergangenheit sicherlich mit vielen Online-Kommentaren von Rapfans auseinandersetzen. Liest du dir das ganze Feedback auch heute noch durch?


    Sierra Kidd: Mich hat das immer interessiert und ich les' mir immer noch fast alles durch. Auf Rap-Seiten eher weniger, aber die Kommentare unter meinen Videos und meinen Posts sind für mich immer die wichtigsten. Auf anderen Seiten sieht man eben viele Leute, die die Musik nicht interessiert und die sie eh nicht hören wollen. Da kann ich dann verstehen, wenn ein mieser Kommentar kommt, aber Medien sind da, um zu berichten. Wenn Sierra Kidd etwas rausbringt, dann guckt man sich das halt an oder lässt es. Genau, wie wenn Kollegah etwas rausbringt. Ich habe nie viel Wert darauf gelegt, was auf anderen Seiten steht, aber ich bin für jede Kritik offen.


    rappers.in: Als junger, aufstrebender Rapper bekommt man vermutlich auch von alteingesessenen Acts viele Tipps, wie man sich noch verbessern könnte. Nimmst du dir Feedback dieser Art zu Herzen?


    Sierra Kidd: Ich nehme mir solche Sachen auf jeden Fall zu Herzen und gucke mir anderes auch gerne an. Zum Beispiel habe ich letztens einen Cro- und einen KIZ-Auftritt gesehen. Ich mache das bei anderen, die schon viel länger dabei sind als ich, um zu sehen, wo ich noch etwas lernen kann. Oft kommen auch Leute zu mir, wie beispielsweise mein Manager Hadi, und geben mir Ratschläge, die ich mir sehr zu Herzen nehme und umzusetzen versuche. Ich muss noch viel lernen – und eine gute Art zu lernen ist, auf die Leute zu hören, die schon etwas durchgemacht haben. Meine Mutter hat immer gesagt: "Ich kann es dir nicht in den Kopf pflanzen, weil du die Erfahrung selber machen musst, aber ich kann dich davor warnen." Das nehme ich sehr ernst.


    rappers.in: Hadi El-Dor ist meines Wissens auch derjenige gewesen, der dich entdeckt hat. Habt ihr eine besondere Beziehung zueinander, weil er eine Art Mentorposition für dich hat?


    Sierra Kidd: Hadi ist wie der große Bruder, den ich nie hatte. Ein sehr herzlicher Mensch. Wir haben eine sehr nahe Verbindung zueinander – wir sind wie eine Familie.


    rappers.in: Wie war das denn damals für dich, als er dich kontaktiert hat? Du hattest ihn ja innerhalb der Deutschrapszene bestimmt schon mal wahrgenommen …


    Sierra Kidd: Das war vollkommen verrückt – ich hab' das am Anfang gar nicht geglaubt. Als wir das erste Mal telefoniert haben, wusste ich aber, dass er es ernst meint. Ich hab' mich sehr gefreut und bin froh, dass es so gekommen ist – aber ich habe schon gezittert und geweint, als das damals passiert ist ... (grinst) Das war sehr, sehr emotional!


    rappers.in: Hast du das Gefühl, dass aktuell viele negative Stimmen gegen dich zielen? Denkst du, es würde weniger Kritik geben, wenn du dich langsam und beständig in die Szene eingegliedert hättest?


    Sierra Kidd: Zu Leuten, die mich deswegen kritisieren, kann ich nur sagen, dass ich mein halbes Leben runtergemacht wurde und mich sowas gar nicht trifft. Ich würde niemals sagen, dass ich weit gekommen bin bis jetzt, denn: Erfolg ist relativ. Ich würde sagen, dass ich gerade erst anfange und je nachdem, ob ich mich bewähre, kann ich hier bleiben oder eben nicht. Noch habe ich nur eine Chance, bin immer noch nicht richtig drin und in vier bis fünf Jahren, wenn ich ein Album rausgebracht habe, das sehr erfolgreich ist, dann könnt ihr mir die Frage nochmal stellen und dann gebe ich eine richtig ausführliche Antwort. (grinst) Mal gucken, ob das dann immer noch so ist, aber vielleicht denken auch viele, dass ich all dem nicht gewachsen bin oder nicht standhalten kann. Aber ich versuche natürlich, solchen Menschen das Gegenteil zu beweisen.



    rappers.in: Staiger hat sinngemäß mal gesagt, dass die spannendste Phase in der Karriere eines Künstlers der Übergang vom No-Name zum gefeierten Superstar ist. Hast du das Gefühl, diesen Moment noch vor dir zu haben oder ihn gerade zu erleben?


    Sierra Kidd: Es kommt drauf an, was jetzt passiert und wie ich meine Arbeit mache. Wir sind uns alle einig – daraus muss ich kein Geheimnis machen –, dass ich nur hierher gekommen bin, weil ich Glück hatte. Ich hatte Glück und deswegen bin ich jetzt an diesem Punkt. Aber irgendwann reicht kein Glück mehr, da muss man Leistung zeigen und ab da zählt nur noch das, was du tust. Wenn du an diesem bestimmten Punkt nicht überzeugst, dann passt du nicht rein, dann wirst du wieder abgeschossen und bist ganz schnell wieder unten. Ich bin hier und glaube, dass ich das noch vor mir habe, je nachdem, was passiert. Wenn ich jetzt rumschwächel' und anfange, nachzulassen, dann natürlich nicht, aber ich werde mein Bestes geben und stecke alles rein, damit ich in zwei Jahren noch da bin und in zwei Jahren noch mit euch reden darf.


    rappers.in: Ursprünglich wolltest du deine wahre Identität vorerst noch verbergen, bis RTL II sie in einem Bericht enthüllt hat. Außerdem hast du mal erwähnt, deine Geschwister hätten zu diesem Zeitpunkt nichts von deiner Tätigkeit als MC gewusst. Wie alt sind denn deine Geschwister und wie haben sie reagiert, als sie davon auf diese Weise erfuhren?


    Sierra Kidd: Ich habe sechs jüngere Geschwister, die sind alle zwischen vier und fünfzehn Jahre alt. Es war wirklich verrückt, als dieser Beitrag dann kam. Meine Mutter hat sich das natürlich stolz angeguckt und meine ganzen kleinen Geschwister wussten davon noch nichts. Am nächsten Tag gingen sie dann in die Schule und jeder sprach sie drauf an.


    rappers.in: Deine Geschwister haben das auch nicht von deinen Eltern erfahren, sondern erst in der Schule?


    Sierra Kidd: Ja, richtig. Ich war in Berlin und habe meine Sachen erledigt, der Beitrag kam um 20.15 Uhr – da liegen meine Geschwister schon im Bett. Meine Mutter hat sich das angeguckt, mich angerufen und gefragt, was da passiert ist. Ob es von uns ist oder von RTL, weil ich ihr erzählt hatte, dass wir das nicht öffentlich machen wollen. Sie war richtig sauer, weil sie dachte, ich hätte Scheiße gebaut mit dem Label – wir hatten mit ihr abgemacht, dass wir das erst zeigen, wenn ich volljährig bin. Ich habe ihr dann gesagt, dass wir das nicht waren und wir sind alle ausgerastet. Es gab dann Telefonterror bei mir daheim, weil Leute durch meinen Nachnamen meine Telefonnummer rausgekriegt haben – einfach richtiger Unsinn. Meine Geschwister sind am nächsten Tag in die Schule gegangen und meine Mutter hatte keine Zeit, mit ihnen darüber zu reden – also sind sie alle unwissend dahin gegangen. Dann kamen Lehrer auf sie zu: "Was ist denn mit deinem Bruder? Der ist doch dieser Rapper!", und meine kleinen Geschwister waren total verwirrt, kommen nach Hause und denken, ich bin Hannah Montana. Das war vollkommen verrückt!


    rappers.in: Zu guter Letzt: Wenn du dir eine Zeit im Deutschrap aussuchen könntest, in der du gerne aufgewachsen wärst: Welche wäre das und warum?


    Sierra Kidd: Genau die, in der ich bin. Ich bin genau in der richtigen Zeit aufgewachsen. Alles früher … Ich weiß nicht, da habe ich mich nie so wirklich reingefunden und jetzt ist Rap viel offener. Du kannst richtige Popmusik machen mit Rapeinflüssen und es ist weiterhin Rap und alle feiern es immer noch. Du kannst aber genauso der größte Techniker der Welt sein wie Kollegah, ein krasses Album bringen und kriegst auch dafür deinen Respekt. Jemand wie Cro ist erfolgreich und jemand wie Kollegah – und beide gehören zum Deutschrap. Das ist doch unfassbar, sowas hat es noch nie gegeben. Und genau deshalb glaube ich, dass die Zeit, in der ich jetzt gerade bin, perfekt ist. Wäre ich ein bisschen später aufgewachsen, wäre es vielleicht schlimm, denn dann würde ich mich jetzt zwischen diesen beiden Sachen spalten, so wie damals zwischen Aggro Berlin und ersguterjunge. Aber ich freue mich sehr, dass alles so offen geworden ist und ich jetzt auch die Musik machen kann, die ich will. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ich da sitzen würde und mir denken müsste: Oh nein, ich kann diesen Bass jetzt nicht reinmachen, weil es dann kein Rap mehr ist und sich dann jeder beschwert. Ich bin schon sehr glücklich, dass das alles so offen geworden ist.


    rappers.in: Weißt du, was ganz toll ist? Dass man sieht, wie sehr dich diese Rapszene fasziniert.


    Sierra Kidd: (grinst) Ja, das tut sie wirklich.



    (Florence Bader & Kristina Scheuner)
    [azlink]Sierra Kidd[/azlink]


    Die Zeiten, in denen sich Mio Mao und Pewee durch Rapbattles in der Deutschrap-Szene beweisen mussten, sind vorbei. Mittlerweile treten die beiden MCs zusammen mit DJ Matsimum regelmäßig auf den großen und kleinen Jams und Festivals im Lande auf – ohne überhaupt ein gemeinsames Release veröffentlicht zu haben. Vor Kurzem hatten wir die Gelegenheit, mit den drei Hamburgern über Inspirationsquellen für ihre Musik, die Chancen auf ein Kollabo-Projekt sowie die Herkunft von Mios und Pewees Alter Egos Reisser und Plusdick zu sprechen – lest selbst.


    rappers.in: Ihr gehört unseres Wissens nach einer ganz besonderen Gang an. Wie genau representet ihr SML auf der Straße, sodass man schon von Weitem erkennt: "Das ist die Gang"?


    Pewee: Erstmal gehören wir der Gang an! (grinst) Es geht gar nicht darum, dass wir uns über irgendwas definieren, sondern, dass andere Leute sich an uns orientieren und sich darüber dann definieren. Wir sind wir, wir stehen für uns und das ist die Gang.


    rappers.in: Das kann man fast über jede Gang sagen ...


    Mio Mao: Das Erkennungsmerkmal wird sich erst noch mit der Zeit herausstellen. Mit der Zeit, die verstreicht, bis zur Unendlichkeit.


    Pewee: ... und noch viel weiter!


    rappers.in: Ihr werdet von vielen Hörern in Richtung "Oldschool-Rap" eingeordnet und damit auch gerne assoziiert – und das, obwohl ihr relativ jung seid. Woher kommt euer Interesse für diese Art von Rap?


    Pewee: Als ich 13 war, hab' ich im Jugendclub zum ersten Mal Savas gehört und wie er Fotzen gefickt hat ... und das war lustig. (lacht) Ich hab's gefeiert!


    rappers.in: Mit 13? Wie alt bist du denn jetzt?


    Pewee: Ja, mit 13 im Jugendclub. Und jetzt bin ich 22.


    rappers.in: Wer waren früher eure größten Raphelden neben Savas?


    Pewee: Bei mir war es eigentlich mehr Samy als Savas. Ich hab' von Samy aber erst später gehört, auch wenn ich aus seiner Ecke komme.


    Mio Mao: Creutzfeldt & Jakob!


    rappers.in: Das sind teilweise Künstler, die ihr in eurer Jugend eigentlich nicht mehr mitbekommen habt ...


    Mio Mao: Wir haben das schon in unserer Jugend erlebt, nur eben ein paar Jahre später.


    Pewee: Bei Hamburgs Finest hab' ich zum Beispiel noch alles mitgekriegt. Und danach hab' ich mir die alten Sachen reingezogen.


    rappers.in: Und das hört ihr bis heute?


    Mio Mao: Nee, ich höre im Moment auch ganz viel anderen Scheiß. Gar nicht so viel HipHop ... also, das meine ich mit anderem Scheiß. (grinst)


    rappers.in: Könntest du dir vorstellen, selbst mal in eine andere musikalische Richtung zu gehen oder hörst du das nur?


    Mio Mao: Nein, das ist einfach nur die Schwankung zwischen "Jetzt hab' ich richtig Bock auf Rap" und "Jetzt hab' ich mal Bock, was anderes zu hören". Dann finde ich aber genau so gern wieder zurück.


    DJ Matsimum: Geprägt hat mich Mirko Machine, weil ich von dem lernen durfte. Aber von denen, die ich gehört habe, waren es DJ Babu und DJ Shadow.


    rappers.in: DJ Shadow? Wer ist das denn?


    DJ Matsimum: Das ist der King of Digging. Er kommt aus San Francisco, ist damals in den '80ern und '90ern unterwegs gewesen, legt bis heute nur Vinyl-Sets auf und war auch mit einer geilen Videoshow in Europa unterwegs. Der Typ verkörpert dieses Oldschool-Prinzip. Er findet Musik, die unauffindbar ist – solche verschwundenen Platten, die einfach dope sind. Das ist ein toller Mann.


    rappers.in: Stichwort Alter: Gerade, weil ihr so jung seid, habt ihr automatisch auch einige prägende Geschehnisse und Releases in Sachen Deutschrap verpasst, mit denen viele andere aufgewachsen sind. Hattet ihr je das Gefühl, etwas aufholen zu müssen?


    Pewee: Früher auf jeden Fall, als ich mit 15 oder 16 eine krasse Rapphase hatte.


    rappers.in: Also, so nachholmäßig: zum Beispiel alles was die Beatfabrik früher gemacht hat oder Stammtisch ...


    Pewee: Ja, Beatfabrik hab' ich sowieso rauf und runter gehört. Ich hab' zu Hause die DVD von der "Wir battlen jeden"-Tour und den ganzen Scheiß ... zu krass.


    Mio Mao: Wir haben uns die letztens auch zusammen angeguckt.


    Pewee: Was heißt letztens? Das ist schon ein bisschen her. Aber es ist krass. Die ganzen Auftritte ... Ich hab' auf der DVD auch das erste Mal überhaupt vom Splash!-Festival gehört, weil sie da einen Auftritt hatten. Verrückt!



    rappers.in: Wann wart ihr denn das erste Mal auf dem Splash! ?


    Pewee: Vor zwei Jahren ... (an Mio Mao gerichtet) Oder? Letztes und vorletztes Jahr. Und dies Jahr war unser drittes Mal.


    rappers.in: Mio, hast du solche Sachen auch nachgeholt? Du bist, glaube ich, so ein richtiger Nerd, was Deutschrap angeht, oder?


    Mio Mao: Eigentlich eher Paul und Matze ... Paul kennt auf jeden Fall sogar noch mehr! Ich kenne viel gute Musik, aber auch nicht nur Deutschrap.


    rappers.in: Habt ihr euch denn auch mit anderen Sachen außer Deutschrap vermehrt auseinandergesetzt?


    Pewee: Im Moment höre ich nur Amizeug, ich bin irgendwie voll auf Trap hängen geblieben. Keine Ahnung, wieso. Aber auch, wenn ich zur Arbeit fahre und abgefuckt bin, höre ich was Altes – von Beatfabrik zum Beispiel.


    rappers.in: Im Netz tauchten in der Vergangenheit immer wieder mal Aussagen über eine gemeinsame EP auf. Es gab auch schon einzelne Songs, aber ein komplettes Release fehlt bislang noch. Arbeitet ihr daran oder konzentriert ihr euch gerade eher auf Soloprojekte? Oder auch auf gar nichts?


    Mio Mao: Da bin ich der Wichser, der im Moment alles bremst, weil ich mich ziemlich ausgelastet fühle mit dem Studium. Ich hab' auch lange nichts mehr gemacht, weil ich mich irgendwo anders eingenommen gefühlt hab'. Wir planen es immer noch, ich komme nur nicht zu Potte ... das ist die Grundaussage.


    Pewee: (grinst) Wir planen seit drei Jahren ungefähr.


    Mio Mao: Paul schreibt immer weiter und immer weiter, releast etwas und ich mache einmal im Jahr irgendwas. Das ist ja nicht das Tempo, mit dem wir schnell irgendwas zusammen machen können.


    rappers.in: Aber ist das nicht auch ein Anreiz, wenn ihr dennoch immer wieder zusammen gebucht werdet? Steckt da kein Druck für euch dahinter, dass ihr etwas bringen müsst?


    Pewee: Nein, weil wir auch nie wirklich was gemacht haben. Man kennt die paar Tracks, die wir gemacht haben, und ich habe jetzt auch ein Tape, aber davor wurden wir trotzdem gebucht. Die Leute wussten eigentlich, dass von mir vielleicht mal jeden Monat was Neues kommt und eventuell alle vier Monate was von uns beiden, aber es hat auch nie jemand gemeckert. Die haben uns zwar mal geschrieben, dass wir was rausbringen sollen, aber wir hatten nie das Gefühl, dass wir Leute verlieren, wenn wir jetzt nichts oder nur wenig machen.


    rappers.in: Manche haben das Gefühl, dass sie etwas rausbringen müssen, weil sie gerade einen Hype haben ... Ihr habt ja auch an diversen Battles teilgenommen.


    Mio Mao: Das ist keine Motivation – die treibt Druck, etwas zu machen. Ich bin auch megaschnell unzufrieden, wenn ich etwas geschrieben hab'. Ich schreib' öfter mal was, aber am nächsten Tag finde ich es dann total müllig. Wenn ich das weiter durchziehen würde und aus den Texten, die mir nicht gut genug sind, eine EP machen würde, dann wäre ich mein Leben lang unglücklich und da hab' ich keinen Bock drauf. Deshalb zieht sich das so lange hin, wie ich brauche. Wenn die Leute darauf warten, dann ist es cool.


    Pewee: Bei uns ist das trotzdem noch mal was ganz anderes. Ich habe 5.000 Klicks auf meiner Seite. Da kann man den Hype sehen, den ich habe: Ich hatte nie einen. Nach dem VBT waren es vielleicht 2.000 Likes und der Rest kam in der Zeit danach. Wir hatten diesen Hype nie.


    rappers.in: Vielleicht nicht diesen Hype, aber dennoch sind ja Leute dadurch auf euch aufmerksam geworden. Dann habt ihr ja auch nicht als Zielsetzung, dass ihr reich und berühmt werden wollt und überall auftreten möchtet, oder?


    Pewee: (grinst) Nein, das war nie das Ziel.


    Mio Mao: Aber Auftreten macht Spaß und es ist schön, genau die Leute zu erreichen, die uns das alles ermöglicht haben, wie zum Beispiel ein Max von der Tapefabrik. Megakorrekter Typ, der jedes Mal gesagt hat, dass wir vorbeikommen sollen und selbst, wenn das Set nicht steht, sollen wir unbedingt spielen. Das Set stand auch nie. (grinst) Wir haben Parts irgendwie zusammengewürfelt und irgendwann hat sich das dann eingependelt. Aber das sind die Menschen, auf die ich stolz bin, dass sie es feiern. Auf die anderen natürlich auch – ich bin auf jeden stolz, der die Musik irgendwie genießen kann. Es ist cool, dass wir supportet werden, aber solange nichts kommt, kommt nichts.


    rappers.in: Als ehemalige Battlerapper hat man bestimmt eine Art "Competition-Gen" in sich. Befeuert man den Output bei so einer Zusammenarbeit auch dadurch gegenseitig, weil man vielleicht besser als der andere sein will?


    Pewee: Wir haben uns immer geholfen. Wir pushen uns und haben uns auch die Texte, die der andere geschrieben hat, zugeschickt und eine Meinung abgegeben.


    Mio Mao: Das klingt gerade nicht nach etwas besonders Negativem, wenn wir uns immer wieder anstacheln und versuchen, einen draufzulegen, weil wir dann das geilste Ergebnis kriegen. Wenn wir sagen würden: "Sei du ruhig besser, ich streiche jetzt noch die geilen Zeilen, damit du besser bist", dann wäre das doch gar nichts.


    rappers.in: Neben euren "normalen" Künstlernamen macht ihr gemeinsam auch als Reisser & Plusdick Musik und absolviert so auch eure Auftritte – auf Flyern liest man zum Beispiel selten "Mio Mao & Pewee". Läuft man damit nicht Gefahr, die Hörer, die euch nur unter den anderen Namen kennen, nicht mehr zu erreichen? Wieso diese Namensgebung?


    Pewee: Keine Ahnung. (lacht) Bei manchen Tracks heiße ich ja auch Pewee, weil ich dann nur über Weed rappe und ich finde, dass der Name passt. Wir wechseln das einfach.


    rappers.in: Aber die meisten Menschen kennen euch ja unter Mio Mao & Pewee ... Wieso stand denn bei der Tapefabrik dann genau das andere auf den Plakaten?


    Pewee: Das war lustig. (lacht) Ist doch scheißegal.


    rappers.in: Wobei ich dieses Wortspiel auch einfach genial finde ... Plusdick.


    Pewee: Das ist mir irgendwann eingefallen. Ich hab's ihm einfach so geschrieben und dann hab' ich es gefeiert.


    Mio Mao: Es ist einfach so: Da rappt nicht nur einer, da rappt Paul plus Schwanz! (lacht) Ich finde es nicht schlimm, wenn wir immer unterschiedlich auf den Flyern stehen. Die Leute, die das interessiert, kriegen das auch immer so mit. Ich denke nicht, dass uns das schadet und da dann weniger Leute kommen.


    rappers.in: Pewee: Soweit wir wissen, lief der Verkauf deines Mixtapes "Her(t)z gegen Kommerz" recht gut. Sag uns doch mal ganz kurz, wie die Resonanz darauf überhaupt war.


    Pewee: Das Feedback war im Allgemeinen ganz gut, ich hab' nichts Negatives gehört.


    rappers.in: Und du hast das selber gebrannt?


    Pewee: Nee, ich habe das alles über einen Kollegen aus Leipzig auf die Beine gestellt. Er kannte jemanden, der Platten presst – das hat er dann in seiner Wohnung gemacht und auch vertrieben.



    rappers.in: War das – vielleicht auch für euch beide – ein erster, wichtiger Schritt in Richtung "mit Rap Geld verdienen"? Wie wird eurer Meinung nach eure Zukunft in diesem Bereich ausschauen – oder bleibt alles doch mehr Hobby als Geldquelle?


    Pewee: Davon war nichts geplant. Ich hatte die Tracks und habe gesagt, dass ich das jetzt raushaue. Ich habe darauf hingearbeitet, dass ich mehr Tracks hab', aber das ist, was ich in vier Monaten geschrieben habe. Nach drei Monaten wusste ich erst, dass ich das machen will und in einem Monat haben wir das dann alles so auf die Beine gestellt. Eigentlich hab' ich das für unser gemeinsames Album geschrieben, aber ...


    Mio Mao (unterbricht): Ich wollte gerade sagen! Diesen kreativen Schaffungsprozess, den hat er mir zu verdanken, weil diese EP einfach nur entstanden ist, weil ich nicht schnell genug war, Texte nachzuliefern. (grinst) Eigentlich waren das teilweise Albumtexte und ich war ...


    Pewee (unterbricht): Na ja, eigentlich nur zwei.


    Mio Mao: Dann waren es nur zwei, schade. Ich wollte gerade eigentlich nur die Lorbeeren einheimsen. Eigentlich ist das nämlich meine EP durch Pauls Mund, seine Hand und die Feder.


    rappers.in: Wie viel Einfluss hattest du dann darauf?


    Pewee: Er? Gar nicht! Aber ich rappe ja auch nicht, wie ich mit ihm unterwegs bin ... Ich bin ja auch nicht mit ihm zusammen aufgewachsen. Was ich da erzähle, ist eher auf meine anderen Jungs zurückzuführen. Ihn selbst habe ich im Urlaub kennengelernt, auf Fehmarn.


    rappers.in: Wie das denn? Ihr wohnt doch in der gleichen Stadt.


    Mio Mao: (lacht) Morgen auf dem Cover der Bild: "rappers.in findet heraus: Mio und Pewee waren zusammen im Urlaub!"


    Pewee: (grinst) Ich war mit meiner Mutter auf Fehmarn und er war bei dem Campingplatz mit Winin und den anderen, die auch schon alle lange miteinander befreundet sind. Ich hab' dann meinen Kollegen Steven angerufen – der sagte, dass er auch gerade auf Fehmarn ist und dann hab' ich ihn kennengelernt.


    rappers.in: Mio Mao: Du hast vor einer Weile auf Facebook gepostet, dass du es merkwürdig findest, wenn ein Kollegah "Tendenzen von Message" zeigt und Samy über seine Männlichkeit rappt. Könnt ihr mit solchen Künstlern überhaupt etwas anfangen? Gerade, weil ihr meines Wissens nach eher viel Oldschool-Rap hört.


    Mio Mao: Ich war positiv erstaunt!


    rappers.in: Es kam eher anders rüber ... eher, dass du verwundert bist, weil es alles verdreht wirkt.


    Mio Mao: Ah, stimmt. Es war nicht nur positiv erstaunt, es war natürlich nur bei Kollegah positiv erstaunend. Denn Samy war vorher der geile Macker, der alles gerippt hat, und den Track, den er dann herausgebracht hat, fand' ich scheiße und das war einfach meine spontane Reaktion darauf.


    rappers.in: Und für welche Eigenart im Deutschrap ist jetzt erst einmal "Schluss mit lustig"?


    DJ Matsimum: Für Proleten. Man kann schön dicke Eier haben, man kann auch schlecht dicke Eier haben. Schlecht dicke Eier hat man, wenn man andauernd sagen muss, dass man Auto und Weiber hat. Richtig schön dicke Eier kann man haben, wenn man geil spitten, scratchen, beatboxen und breaken kann.


    Mio Mao: Es sollte Schluss mit lustig sein für die ganze Konsumattitüde, dass man einfach nur noch Product-Placement in Videos macht und es soll mehr schöne Sachen geben wie ... (überlegt) Dankeschön!


    Pewee: Für mich sind es Leute, die nicht mit Vinyl umgehen können.


    Mio Mao: Diese "Alles Swag"-Attitüde sollte auch irgendwann mal weg.


    Pewee: Nein, man. Auf keinsten! Sonst kann ich nicht schreiben, wenn ich nicht alles swaggy finden würde, was ich schreibe.


    rappers.in: Zu guter Letzt: Wenn ihr euch eine Zeit im Deutschrap aussuchen könntet, in der Ihr gerne aufgewachsen wärt: Welche wäre das und warum?


    Pewee: Das ist schwierig!


    Mio Mao: Äh ... 2030. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich zurückblicken und schauen kann, was sich geil und was sich scheiße verändert hat.


    rappers.in: Du hättest 60 Jahre Rap zum Aufholen ... Da wärst du aber beschäftigt.


    Mio Mao: Das wäre hardcoregeil! (lacht)


    rappers.in: Daran denken wir immer nicht, aber wir alle sind damit einigermaßen groß geworden, weil diese ganze Rapgeschichte noch sehr nah an unserer Zeit ist. In 100 Jahren kommen die Leute an und wissen halt nicht mehr, wer Blumentopf war.


    DJ Matsimum: Genau deshalb würde ich gerne in den '80ern starten. Mit den Skills, die man jetzt hat, würde man damals auf jeden Fall schwer vorne liegen.


    Pewee: Ich finde es ganz schön so, wie es ist.


    Mio Mao: Das Geile an meiner Antwort ist, dass es 2030 schon das HBT gibt – das HologrammBattleTurnier! Darauf kann man in den '80ern noch nicht stolz sein. Ich freue mich darauf, wenn rappers.in genau das einbringt. Das ist jetzt eure Aufgabe.



    (Florence Bader & Kristina Scheuner)
    [azlink]Mio Mao, Pewee DJ Matsimum[/azlink]


    "Bizzy-Killer-Karma, letztes Mal auf Platte", ertönt Bizzy Montanas Stimme auf dem Intro seines gerade erschienen Albums "Mukke aus der Unterschicht 4". Zwei Jahre nach seinem letzten Release steht nun der vierte Teil der "M.a.d.U."-Reihe im Handel, denn: "Alle besten Dinge sind vier" – und laut persönlicher Aussage ist dieses Album bei seinen eigenen Releases ganz oben einzuordnen. Bizzy wieder auf dem so oft gepriesenen egj-Level, Bizzy, der endlich wieder selbst produziert hat, Bizzy, der nach der Geburt seines Sohnes und dem Aufbau seiner kleinen Familie nun wieder so richtig Bock hatte, zu rappen. Wir baten den Müllheimer zum ausführlichen und sehr persönlichen Gespräch zwischen Bier und Balkonpflanzen.


    rappers.in: Na, hast du dir ein Bier mitgebracht?


    Bizzy Montana: Ich habe gerade tatsächlich ein verspätetes Geburtstagsgeschenk von einem meiner besten Freunde bekommen. Einen Liter Bier in einer Flasche! Das kommt direkt von hier aus einer kleinen Privatbrauerei, von der niemand den Namen kennt. Aus Riegel – wie das, was man vor die Tür schiebt.


    rappers.in: Ich trinke erst mal ein Wasser.


    Bizzy Montana: Ich habe heute schon zwei Liter Bier getrunken Minimum.


    rappers.in: Das freut mich sehr. Einer war meiner.


    Bizzy Montana: Weißt du, die letzten Interviews, die ich geführt habe, waren immer so nüchtern. Meine Fans haben sich schon darüber beschwert: "Wie, Bizzy-Interview und kein Bier?! Was ist denn da los?" Und deswegen habe ich heute drauf geschissen und werde mir diesen Liter Bier während dem Interview reinhauen. Auf diesem Balkon mit diversen Kräutern. Also nicht rauchbare Kräuter, sondern Thymian und ein Bonsai. Ich habe heute übrigens einen Grund, mir meinen Frust wegzutrinken. Kennt ihr diesen Hurensohn-Müller? Also den Laden. Die haben mein Album heute schon im Regal. Einen Tag zu früh. Und deswegen betrinke ich mich heute so maßlos. (lacht)


    rappers.in: Ich hab' das Gefühl, dass das bei Müller dauernd passiert.


    Bizzy Montana: Die machen das einfach so, wenn sie eine Lieferung bekommen, sagen sie: "Ach cool, stell den Scheiß schon mal ins Regal, dann müssen wir's morgen nicht machen." Und ich war heute arbeiten, gucke dann auf Facebook und sehe da schon CD-Hüllen. Freunde haben mir das dann auch geschrieben. Aber na ja, das ist mir jetzt egal – ich hab' einen Liter Bier und chill' hart.


    rappers.in: Bevor wir das Interview richtig beginnen: Uns ist aufgefallen, dass Künstler, die zum Beispiel eine egj-Vergangenheit haben, auch nach Jahren in Interviews noch auf diese Themen angesprochen werden. Nervt dich das persönlich?


    Bizzy Montana: Es stört mich eigentlich nicht, weil es im Endeffekt ein Teil meines Lebens und meiner musikalischen Laufbahn ist. Ich weiß natürlich, was ich egj zu verdanken hatte und muss dazu sagen, dass es ohne dieses Label zum Beispiel keine "Mukke aus der Unterschicht" geben würde. Den Leuten muss ich auf jeden Fall dankbar sein und deswegen ist das eigentlich kein Problem für mich. Andererseits ist es natürlich ermüdend, immer die gleichen Antworten zu geben. Im Prinzip ist es das Gleiche, wie wenn ich seit zehn Jahren zum gleichen Bäcker gehe und er mich immer noch jeden Morgen fragt, ob ich einen Kaffee trinken will ...


    rappers.in: Wenn dich das alles schon mal nicht stört, dann sag uns doch mal kurz die drei nervigsten Themen, auf die du in Interviews immer wieder angesprochen wirst.


    Bizzy Montana: Eines der nervigsten Themen ist: "Gibt es 'Blackout 2' mit Chakuza?" Nicht, weil ich keinen Bock auf Chakuza habe, sondern, weil mir die Frage seit fünf Jahren gestellt wird. Ich gebe da seit 137.000 Interviews die gleiche Antwort: Dass irgendwann auf jeden Fall was kommt, aber ich nichts Festes dazu sagen kann. Eine andere nervige Frage ist: "Was ist denn Unterschicht? Erklär mir das mal." Und die drittnervigste Frage ist: "Wie war denn dein Verhältnis zu Bushido?"


    rappers.in: Gott sei Dank haben wir keine dieser Fragen für heute vorbereitet.


    Bizzy Montana: (lacht) Super!


    rappers.in: Sprechen wir über "Mukke aus der Unterschicht 4". Du sagtest kürzlich, dass du endlich wieder auf dem richtigen Film warst und zwischenzeitlich nicht mehr dieses Unterschichten-Gefühl hattest. Hast du das Rappen darum vorerst gelassen?


    Bizzy Montana: (lacht) Das ist doch eine Unterschichten-Frage! In der Zeit, in der ich keine Musik gemacht habe, wurde ich Vater und Familienmensch, musste schauen, wie ich mein Geld verdiene. Ich musste gucken, dass meine Sachen laufen und deshalb habe ich in dieser Zeit so gut wie gar nichts gemacht. Wenn ich was gemacht habe, war es just for fun. Und dann kam die Zeit, in der ich wieder angefangen habe, Musik zu machen und zu rappen. Ich dachte: "Krass, ich habe echt wieder Bock, Mukke zu machen. Und ich gebe einen Fick jetzt auf alles, das ist wieder komplett Bizzy und komplett echt." Und deshalb war es dann "Mukke aus der Unterschicht 4". Denn "Mukke aus der Unterschicht", erster bis dirtter Teil, war ja im Endeffekt mein Wegbegleiter. Das ist mein Baby. Ich habe in dieser Zeit dann wieder Liebe dafür entwickelt, Texte zu schreiben und wieder selber zu produzieren. Deshalb war das alles zusammen der Grund, das Album "Mukke aus der Unterschicht 4" zu nennen. Es ging gar nicht darum, zu sagen: "Ich war weg von der Bildfläche und mache das jetzt, damit ich alte Fans abgreifen kann." Das ist etwas, wo ich zu einhundert Prozent dahinter stehen kann, einfach realer Scheiß aus dem Herzen.



    rappers.in: Wenn es dir nur darum geht, zu rappen, weil du das Bedürfnis nach Musik machen an sich hast – wie findest du dann Rapper, die Musik machen, um Erfolg zu haben oder Geld zu verdienen? Und was ist dein Ziel auf die Musik bezogen im Vergleich dazu?


    Bizzy Montana: Ich werde oft gefragt: "Wo siehst du dich in zehn Jahren?" Und damit beantworte ich dir auch schon ein bisschen diese Frage. Ich möchte einfach nur Mukke machen. Das habe ich damals schon, bevor es diesen ganzen Hype gab. Ich komme aus der Zeit, in der man nicht angefangen hat, zu rappen, weil es cool ist, Rapper zu sein. Ich komme aus der "Massive-Töne-Max-Herre-Berlin-Untergrund-Zeit", in der deutscher Rap überhaupt groß geworden ist. Ich mache das, weil ich es machen muss. Ich muss Musik machen. Ich bin kein Mensch, der krass erfolgsorientiert oder auf goldene Schallplatten aus ist. Das war ich nie, auch nicht zu egj-Zeiten, und das werde ich nie sein. Ich habe natürlich das Glück, dass ich auch Beats machen kann, was zu sagen hab' und das auf Papier bringen kann. Und das ist geil und es ist meine einzige Ambition, Mukke zu machen. Wenn das Leute feiern, dann freut mich das sehr. Und wenn das Menschen hilft, ist es auch was total Geiles. Aber in erster Linie mache ich das, um meinen Kopf frei zu kriegen. Es spielt keine Rolle, ob ich krass erfolgreich werde oder nicht. Ich habe eigentlich keinen richtigen Grund, Musik zu machen, außer, dass es vielleicht eine Aufgabe ist, die mir von einer anderen Ebene gegeben wurde.


    rappers.in: Und damit hast du eigentlich einen besseren Grund als einige andere, finde ich. Einen besseren Grund, als zu sagen: "Ich mache Musik, weil ich 100.000 Platten verkaufen möchte."


    Bizzy Montana: Na ja, natürlich möchte ich 100.000 Platten verkaufen. Natürlich möchte ich meinen Erfolg damit haben. Aber es ist keine Priorität. Ich hab' ein Kind und eine Frau. Ich muss mein Leben am Laufen halten. Natürlich wäre es ein Traum, mit der Musik so viel Geld zu verdienen, dass ich den anderen Scheiß nicht machen müsste. Aber ich bin so realistisch, dass ich halt auch arbeiten geh'.


    rappers.in: Um noch mal an deine Antwort davor anzuknüpfen: Wie findest du es, wenn sich in der Öffentlichkeit anhand von Statisiken darüber gestritten wird, welcher Rapper denn nun in welcher Woche am meisten verkauft hat?


    Bizzy Montana: Das finde ich persönlich total bescheuert beziehungsweise juckt mich das gar nicht. Dieser ganze Verkaufszahlen-Scheiß hat für mich nichts mehr mit Rap zu tun. Ich bin einfach noch zu nah an Rap und alten Werten. Meiner Meinung nach macht es das alles ein bisschen kaputt, wenn man nur über Verkäufe quatscht. Im Endeffekt ficken die Leute selber diesen Rap-Scheiß. Mir geht es wirklich noch um Liebe zur Musik. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, was Rap angeht. Ich hab' 'ne Beziehung zu meiner Musik. Okay, das hört sich jetzt komisch an, aber es ist so. Und der Rest ist Schrott. Du bringst ein Album raus, freust dich eine Woche darüber und bei mir ist es so: Ich weiß, was ich verkaufe. Ich weiß schon vorher, dass es keine hammer Verkaufszahlen sind. Aber das spielt doch keine Rolle. Wenn die Leute etwas aus meiner Mukke mitnehmen, dann ist das doch geil. Egal, ob ich 3.000 oder 30.000 Platten verkauft habe. Das ist alles so eine Poser-Angeber-Idioten-Scheiße. Genauso wie diese Muskel-Scheiße. Diese eingeölten Muskelkörper. "Guck mal, mit einem eingeölten Muskelkörper verkaufe ich 10.000 Platten mehr." – ja, geil. Aber womit? Damit macht man sich im Endeffekt zu einer Nutte. Man verkauft seinen eingeölten Körper gegen Musik und Verkaufszahlen. Warum? Was ist das?! Ich kann damit nichts anfangen. Ich sag's dir ganz ehrlich: Diese ganzen Legenden würden sich im Grab umdrehen, wenn sie wüssten, was hier los ist. (überlegt) Ich kann hier jetzt auch einen Anruf machen. Dann krieg' ich Anabol, fahre in die Mucki-Bude, trainiere im Keller von meinem zutätowierten Bruder. Aber für was?! Das ist für mich Bullshit. Bei so etwas werde ich echt emotional. Ich bin Spanier ... nicht. (alle lachen)


    rappers.in: Kommen wir zurück zu deiner eigenen Diskografie: Was waren in deinen Augen die drei wichtigsten Tracks deiner Karriere und warum?


    Bizzy Montana: Einer ist auf jeden Fall "Lala". Ich hab' das Gefühl, egal, wo ich jemals einen Gig habe: "Lala" von "Mukke aus der Unterschicht 2" kennt jeder. Ich kann bei irgendeinem Charity-Event vor 30 Leuten auftreten und sagen: "Wir spielen jetzt 'Lala' – ihr wisst, was ihr zu tun habt!", und von den 30 Leuten können 12 das Lied. Das ist auch ein Track, der mir echt am Herzen liegt. Er stammt aus meiner Zeit in Berlin, da hab' ich schon ... richtig gesoffen. (lacht) Das ist einer meiner wichtigsten Songs. Ein anderer ist "Mädchen aus dem Balkan". Das war das erste Lied für meine Frau. Nach wie vor habe ich eine ganz krasse Verbindung dazu, weil der Track eine Geschichte erzählt, die jetzt seit zehn Jahren anhält. Und der dritte Song – ach, drei ist immer so eine Zahl, über die redet man nicht.


    rappers.in: Die beiden Tracks, die du genannt hast, sind beide von "M.a.d.U. 2".


    Bizzy Montana: Das war auch eine ganz krasse Nummer für mich. Das beste Album, das ich je gemacht habe. Ich kann dir noch einen Song sagen, aber nee, den sag' ich dir nicht. Jeder Song von "M.a.d.U. 2" kann eigentlich dazu gezählt werden. Sogar das "Intro". "M.a.d.U. 4" ist vom Feeling her übrigens auch echt komplett wie "M.a.d.U. 2". Ich bin komplett im Reinen mit mir. War das jetzt verwirrend?


    rappers.in: Nein, wir haben das verstanden. Das ist nur für dich verwirrend, weil du Bier trinkst.


    Bizzy Montana: Ach so. (grinst) Ja geil, dann ist ja alles komplett cool.


    rappers.in: Auf deinem aktuellen Release hast du im Vergleich zum letzten Album "Gift" wieder sehr viel selbst produziert. Gibt es für dich in Deutschland zu wenige Produzenten, die deinen Beatgeschmack treffen?


    Bizzy Montana: Eigentlich gar nicht. Bei "Gift" war es nur so, dass ich von Anfang an den Fokus auf das Rappen legen und nicht den Produzenten spielen wollte. Ich war da auch ein bisschen faul und wollte einfach nur Beats picken. Und jetzt war es so, dass zu diesem Feeling, Mukke zu machen, auch das Produzieren gehörte. Das war kein Businessmove, es ist einfach so passiert. Ich bin zu Bosca nach Wiesbaden gefahren und wir wollten ein paar Songs machen. Da hat es sich dann ganz schnell so entwickelt, dass ich wieder selber produziert hab'. Und was andere Produzenten angeht: Wenn etwas meinen Nerv trifft, dann kann das schon ganz geil sein. Aber ich brauche immer eine Bindung zu einem Beat, es muss direkt funktionieren, dass ich drauf schreiben kann. Und da ich ja dieses Mal direkt wieder diesen "Mukke aus der Unterschicht"-Vibe hatte, konnte ich auch nicht einfach irgendwelche Beats picken. In letzter Zeit finde ich aber auch, dass die Beats nicht mehr so geil sind. Das ist ähnlich wie beim Rap. Mittlerweile rappt jeder und es produziert jeder Zweite Beats. Früher gab es vier, fünf geile Produzenten und jetzt gibt es 700.000. Und die machen alle die gleichen Beats. Die einen machen Trap-Beats, von denen jeder zweite gleich klingt. Die anderen machen Boom bap-Dinger, die komplett scheiße klingen, weil sie nicht aus dieser Zeit kommen. Und die, die ihren eigenen Style haben, sind meistens auch nicht so geil, weil sie es noch nicht lange genug machen. Wenn ich meinen eigenen Style haben will, mache ich die Beats also am liebsten selber.



    rappers.in: Du hast eben gesagt, dass "M.a.d.U. 2" dein Lieblingsalbum von dir selber ist. Ich fand, dass du im Vergleich zum Vorgänger einen sehr großen Sprung hingelegt hast – du warst plötzlich viel druckvoller und auf eine positive Weise auch abgefuckter. Kannst du dir da einen Reim drauf machen?


    Bizzy Montana: "Blackout" war mein erstes richtiges Release, mal abgesehen von dem "Nemesis"-Sampler. Ich wusste bis dahin noch nicht so richtig, wie man in einer Booth steht, einrappt ... ich war noch nicht so der Profi. Ich hab' davor zwar schon immer Mukke gemacht, aber wie man das alles richtig macht, wusste ich noch nicht. Ich hab' halt mit jedem Release dazugelernt. "Blackout" war der Startschuss, dann kam "M.a.d.U. 1", dann der "Vendetta"-Sampler und dann eben die "Mukke aus der Unterschicht 2"-Geschichte. Da hatte ich dann auch selber Bock und hab' gesehen, wie die Schritte funktionieren, damit ein Album geil klingt. Deshalb bin ich dann ganz anders an die Sache rangegangen. Learning by doing. (grinst)


    rappers.in: Da sich bei dir ja einiges in den letzten Jahren geändert hat bezüglich Familie und Job: Hast du das Gefühl, dass sich das Ganze auch auf dein musikalisches Schaffen ausgewirkt hat?


    Bizzy Montana: Es erklärt auf jeden Fall die zwei Jahre Pause, in der ich keine Musik mehr gemacht hab'. Vor einem halben Jahr habe ich dann mit "M.a.d.U. 4" angefangen. Diese zwei Jahre Abstinenz von der Rapwelt hatten den Grund, dass ich den Spagat zwischen Rapper und Familienmensch finden musste. Da hat es mich auf jeden Fall krass beeinflusst. Ich musste einfach gucken, wie ich auf der einen Seite Geld verdiene und auf der anderen Seite Rapper sein kann. Und da habe ich ganz schnell gemerkt: Rapper kann ich nicht mehr sein. Und habe das ganz krass zurückgeschoben, weil ich Vater sein wollte und so viel Freude daran hatte. Es war für mich einfach wichtiger, auch Asi-Jobs zu machen, um Geld in der Tasche zu haben, anstatt zu rappen. Und in den zwei Jahren habe ich dann gelernt, das Rappen trotzdem noch hinzubekommen. Ich kann auch jetzt auf dem Balkon rumhängen, morgen dann trotzdem das Arbeiten hinbekommen und mich übermorgen auf meine Show in Wiesbaden vorbereiten. Ich habe das Mittelding also gefunden – und das ist total geil.


    rappers.in: Jetzt mal ein ganz anderes Thema: Deutsche Rapper sind in letzter Zeit immer häufiger mit eigenen TV-Shows im Fernsehen präsent – zum Beispiel MC Fitti mit dem Format "Big in LA" oder Kay One mit "Prinzessin gesucht". Was hältst du von dieser Medienpräsenz und wie wirkt sich das deiner Meinung nach auf das Ansehen von Deutschrap aus?


    Bizzy Montana: Ich finde es natürlich geil, wenn deutscher Rap mediale Aufmerksamkeit bekommt. Aber der Punkt ist immer der: Wann wird deutscher Rap ins Lächerliche gezogen und wann nicht? Ich habe die erste Folge von "Big in LA" gesehen. Was mich etwas stört: Die Rapper sind alle noch junge Kids. Das wird abgedreht und die wissen nicht, wie das dann ausgestrahlt wird. Es fuckt mich ab, dass diese Kids, denen Rap halt wirklich wichtig ist, dann so auseinandergenommen und ins Lächerliche gezogen werden. Wenn Kay One im Fernsehen eine Frau sucht, dann kann er das gern machen. Das ist okay, das hat Flavor Flav auch schon gemacht und er ist eine Legende. Das ist Kay jetzt nicht unbedingt, aber das ist egal. Frauensuch-Geschichten sind legitim, wenn man sonst keine findet, dann kann man das übers Fernsehen machen. Generell finde ich Rap in den Medien geil und Rap erlebt ja auch gerade seinen zweiten Frühling. In Frankreich zum Beispiel wird Rap auch im Radio gespielt und ein Cro schafft das in Deutschland jetzt einfach auch. Auch wenn ich mit der Mukke nichts anfangen kann, find ich's geil, wenn diese Sachen so öffentlich präsent sind.


    rappers.in: Wir haben zum Abschluss einen kleinen Test für dich vorbereitet. In einem deiner Videoblogs hast du erwähnt, dass du große Probleme mit dem Merken deiner Texte hast. Wir wollen jetzt mal dein Wissen testen und geben dir drei Zitate von dir vor, die du vervollständigen sollst ...


    Bizzy Montana: Na, okay. (grinst) Dann gib mal Gas!


    rappers.in: "Das ist die Mukke für die Unterschicht, es wird sich heute bessern ..."


    Bizzy Montana: Reicht es, wenn ich den Reim sage? Häuserdächer! (alle lachen)


    rappers.in: Das sollen wir zählen lassen?!


    Bizzy Montana: Lalalalala, Häuserdächer. Ja, das kenn ich noch! "Stunde Null". Ey, die lacht sich tot! Warum lacht sie jetzt?


    rappers.in: (lacht) "Kenn ich noch"?! Das ist dein eigenes Lied! Als hättest du das vor zwanzig Jahren mal zufällig wo gehört. (alle lachen) Weiter geht's. "Warum denken all die kleinen Scheißer, dass sie Style haben?"


    Bizzy Montana: Ich weiß nicht ... warte. (rappt die ersten Worte mehrfach vor sich hin)


    rappers.in: "Meine Rhymes sind Messerstiche ..."


    Bizzy Montana: Reißnagel! "Zieh, zieh" mit Vega! (Applaus der Umsitzenden)


    rappers.in: Und noch eins zum Schluss: "Du hattest alles in der Hand, aber nichts festgehalten ..."


    Bizzy Montana: Hmm. (lacht) Richtig erwischt!


    rappers.in: Das ist eine Hook.


    Bizzy Montana: Das macht es nicht unbedingt einfacher. Hooks habe ich meinem Backup überlassen. Ah, warte. (grübelt und schreit dann fröhlich) "Alle sind gegangen, alles weg, alles zu Dreck zerfallen".


    rappers.in: Bei aller Liebe – das ist eine der wenigen Szenen, die ich so gerne auf Video hätte. (alle lachen)


    Bizzy Montana: Ah! "War es das wert" von "Willkommen im Niemandsland"! Da muss ich euch jetzt noch eine Anekdote von erzählen. Wir haben den Track auf der letzten Tour gespielt und jedes Mal hab' ich ihn verkackt. Ich kann ihn eigentlich komplett auswendig. Und dann haben wir gesagt, wir spielen jetzt nur noch die erste Strophe, weil die immer hingehauen hat. Und dann spielen wir das und nach den ersten drei Sätzen wusste ich dann schon auf einmal nicht mehr, wie es weitergeht ...


    rappers.in: Dann war das jetzt doch ein gutes Training! Zum Abschluss darfst du uns oder unseren Usern noch gerne etwas auf den Weg mitgeben.


    Bizzy Montana: Das war vielleicht eines der letzten Interviews, die ich mache, weil ich wahrscheinlich nie wieder rappen werde.


    rappers.in: Ist das dein Ernst?


    Bizzy Montana: Im Moment bin ich nicht so motiviert, noch weiter zu machen. Nach der Aktion von Müller heute habe ich da echt keinen Bock mehr drauf. (alle lachen) Wenn ich das Ende meiner Karriere beschließe, dann mache ich aber auf jeden Fall ein Interview mit dir darüber. Das machen wir jetzt einfach so aus.


    rappers.in: Das freut mich sehr. Wenn du noch etwas loswerden willst: Bitte.


    Bizzy Montana: Alle, die mein Album noch nicht gekauft haben: Kauft es jetzt. Und die, die es nicht kaufen werden, kaufen es halt nicht. Müller ist ein Hurensohn, also nicht der Fußballer, sondern der Laden. Mich hat das Interview sehr gefreut – vielen Dank.



    (Florence Bader & Pascal Ambros)


    [azlink]B00NAILCOW[/azlink]

    Zitat

    Original von Nic-O
    Muss euch echt mal für eure Interviews loben, sind immer hervorragend. Weiter so!


    Tausend Dank. Das freut mich sehr, sehr, sehr!

    weil es ungefähr 400 jahre dauert, sowas abzutippen und wir interviews, die zeitlich nicht komplett gebunden sind, dann oft erstmal hinter andere themen anstellen müssen.


    danke :)


    Vor rund fünf Jahren hat "HipHop sein Leben zerstört" – und trotzdem meldete sich Juse Ju in diesem Jahr mit einem neuen Soloalbum zurück in der Deutschrapszene. Vergessen haben ihn seine Fans während seines Auslandsaufenthalts in Japan allerdings nicht: Immer wieder konnte man während der Ankündigungsphase auf "Übertreib nicht deine Rolle" Kommentare à la "Endlich eine neue Juse-Platte" lesen. Nun ist das Release bereits einige Monate her und wir trafen uns mit dem Rapper, um ein kurzes Résumé zu ziehen. Woher der ungewöhnliche Albumtitel stammt, wen er aufgrund von Vorurteilen für einen Spasten hält und wie er die aktuelle Battlerapszene beurteilt, sind nur einige Aspekte, die in unserem ungekürzten Interview angesprochen werden – nehmt Euch etwas Zeit und lest selbst ...


    rappers.in: Erzähl uns doch mal in Hinblick auf den Titel deines aktuellen Albums "Übertreib nicht deine Rolle", welche bekannte deutsche Persönlichkeit im letzten Jahr ihre Rolle so richtig übertrieben hat und warum.


    Juse Ju: Also, die bekannte Persönlichkeit als Archetyp an sich übertreibt ja ihre Rolle ständig. Fatoni hat das schon gut gesagt: "Die Zeit heilt alle Hypes". Das heißt, diese Rollen sind ja schon übertrieben. Sobald jemand prominent ist, ist er übertrieben.


    rappers.in: Aber ist dieses "Übertreib nicht deine Rolle" nicht auch ein bisschen so gemeint, dass diese Person sich selber zu sehr in den Vordergrund drängt? Also, dass sie so viel von sich hält und deswegen hart übertreibt?


    Juse Ju: Ich muss dazu sagen, dass dieses "Übertreib nicht deine Rolle" eigentlich von den Schulhöfen Neuköllns stammt und überhaupt nicht von mir. Ich kenne das von Jilet Ayse, die das ja auch auf meinem Track sagt. Ich persönlich sage auf dem Album nicht ein einziges Mal "Übertreib nicht deine Rolle". Ich fand das von ihr einfach ziemlich cool und ich glaube, dass der Satz allgemein einfach nur so viel bedeutet wie: "Halt dein Maul!" (lacht) Also, der Satz heißt eigentlich einfach nur: "Du Spast!"


    rappers.in: Du hast es also nur ein wenig schöner formuliert?


    Juse Ju: Ich fand's einfach geil, wie Jilet Ayse das gesagt hat. Es geht nur um den Style. Und wie gesagt: Da Jilet Ayse das sagt, kann ich gar nicht sagen, was es eigentlich heißt. Aber ich bin der Meinung, dass The Rock den Satz erfunden hat. The Rock, also Dwayne Johnson, bekannt aus Filmen wie "Doom" oder "Welcome to the Jungle", hat früher beim Wrestling immer gesagt: "Know your role!" Und ich glaube, dass es daher kommt.


    rappers.in: Bist du Wrestling-Fan?


    Juse Ju: (grinst) Sagen wir mal so: Ich bin kein Ungelehrter, was die zeitgenössische Ringerkunst betrifft. (alle lachen) Ja, ich kenn' mich ein bisschen aus im Wrestling, aber nur bis in die '90er, danach nicht mehr.


    rappers.in: Danach hat das, glaube ich, auch keiner mehr verfolgt.


    Juse Ju: Doch, da gibt’s schon Leute ...


    rappers.in: Wie alt bist du denn?


    Juse Ju: Ich sage dir das, aber nicht fürs Interview.


    rappers.in: Nee, sag mir das doch mal heimlich. Das ist doch das Gute: Wir sind ja nicht live.


    Juse Ju: (zeigt sein Alter mit den Händen) Wenn man so guckt, wie alt die anderen Rapper sind, ist das eigentlich okay, würde ich sagen. Ich bin so alt wie Casper, Maeckes und Marteria, diese ganze Generation. Die sind alle mein Jahrgang. Da sieht man auch mal: Die waren talentiert und ich ... bin wack.


    rappers.in: Nein, das stimmt nicht! Ich glaube, du warst nur manchmal ein bisschen fauler.


    Juse Ju: Nee, ich war nicht fauler, das stimmt nicht. Ich hab' ja Karriere gemacht. Also, was heißt Karriere? Ich habe meinen Beruf verfolgt. Das, was ich machen wollte.


    rappers.in: Ich meine auch nicht, dass du allgemein ein fauler Mensch bist, sondern dass du halt einfach nicht 50 Platten rausgehauen hast.


    Juse Ju: Ich finde ja auch, es kommen zu viele Platten raus. Ich denke, meistens sollten die Leute 'ne EP oder 'ne Single machen. Auch Leute, die ich gut finde. Ich will da jetzt keine Namen nennen, aber es gibt viele Rapper, die ich sehr gut finde, mit deren Alben ich aber nichts anfangen kann.


    rappers.in: Und ich finde auch, du kannst manche Platten teilweise gar nicht mehr so genießen. Das ist dann nicht mehr so, dass ich jetzt ein Jahr lang die eine Platte hab' und jetzt nur die höre, weil so viel rauskommt. Da denkt man sich dann irgendwann: Boah, schon wieder 'ne EP, schon wieder 'ne Platte – wie soll ich das überhaupt noch alles konsumieren, aufnehmen und feiern?


    Juse Ju: Das ist ja auch Wahnsinn! Und deshalb habe ich mir eigentlich auch immer gesagt, ich mache – lass mich kurz rechnen – alle zwei Jahre 'ne Platte. Also, eine Platte kann auch mal 'ne EP sein, nur mit sechs Tracks oder so. Das habe ich tatsächlich auch lange Zeit so durchgehalten, aber zwischen meinem letzten Album und dem jetzigen habe ich dann vier Jahre Pause gemacht.


    rappers.in: Du hast mit Fatoni bereits zwei Tracks über "Vorurteile" gemacht. Gibt es denn auch ein Vorurteil, welches Leute dir persönlich immer wieder nahebringen?


    Juse Ju: Ja, aber Leute, die mir Vorwürfe machen, sind sowieso alle Wichser. Alle! (alle lachen)


    rappers.in: Und das ist das Vorurteil?


    Juse Ju: Das ist kein Vorurteil, das ist ein Fakt.


    rappers.in: Und was ist das Vorurteil, das sie dir entgegenbringen?


    Juse Ju: Das ist eine gute Frage! (lacht) Ja ... (überlegt) Ich mein', die haben ja oft das Vorurteil, dass ich ein Spast bin. Aber da ist ja auch was Wahres dran.


    rappers.in: Das finde ich nicht.


    Juse Ju: Dann hast du das falsche Vorurteil. (lacht)


    rappers.in: Ich habe, glaube ich, gar kein Vorurteil dir gegenüber. Gibt es eigentlich Leute, denen gegenüber man gar kein Vorurteil hat? Ja, oder?


    Juse Ju: Vorurteile sind ja eine gute Sache. Die sind ja von Gott, und damit meine ich Michael Jordan, erfunden worden, damit wir schnell einschätzen können, wie der andere Mensch tickt. Und an vielen Vorurteilen ist ja auch viel dran.


    rappers.in: Das sind diese ersten Sekunden, in denen man eine Person wahrnimmt und angeblich danach seine Meinung nicht mehr ändert. Das ist ja auch wieder eine ganz komische These. Ich finde auch, das stimmt nicht, denn ich habe viele Leute kennengelernt, die ich zunächst als total idiotisch empfunden habe und danach richtig toll fand.


    Juse Ju: Ich kenne das nur so, dass man sich in den ersten sieben Sekunden entschließt, ob man mit einem Menschen schlafen würde oder nicht.


    rappers.in: Ist das so?


    Juse Ju: Ja. Du brauchst nur sieben Sekunden und schon hast du dich unbewusst entschieden: bumsen oder nicht. Aber um das abschließend zu sagen: Ich persönlich habe keine Vorurteile. Denn jeder weiß: Nur Spasten haben Vorurteile ... und Japaner.


    rappers.in: Das ist ein gutes Stichwort. Soweit wir wissen, warst du lange in Asien, in Japan. Hast du von da aus die Deutschrapszene verfolgt? Also, hast du da auch am Rechner gesessen und alles mitgekriegt? Und wie hat das auf dich gewirkt, wenn man da mal ein paar Jahre raus ist und das einfach mal von außen sieht, statt in dem Zirkus mitzulaufen?


    Juse Ju: Ich war ja hauptsächlich als Kind in Japan. Ich bin zwar in Deutschland geboren worden, war aber die ganze Grundschulzeit und auch die fünfte Klasse über in Japan und bin erst mit elf Jahren zurück nach Deutschland gekommen. Dann war ich 2010 noch einmal für ein komplettes Jahr in Japan und in der Zeit war das Internetzeitalter ja schon angebrochen. Und da hab' ich sehr, sehr viel verfolgt, was die deutsche Rapszene macht, und bin zu dem Schluss gekommen, dass die alle dope ... ähm, ich meine, dass die alle wack sind. Nein, dass die alle irgendwas sind. Aber ich hab' trotzdem immer noch die Musik gehört. Ehrlich gesagt ist das Album, was ich in Japan am meisten gehört hab', "Apokalypse Jetzt" von Morlockk Dilemma und Hiob gewesen.


    rappers.in: Kam das zu dem Zeitpunkt raus?


    Juse Ju: Das kam raus, kurz bevor ich nach Japan gegangen bin.


    rappers.in: Ihr seid aber auch Freunde, oder? Ist das dann nicht auch so ein Kumpel-Ding?


    Juse Ju: Nein, ich habe die beiden zwar mal kennengelernt, aber befreundet sind wir nicht. Es ist jetzt nicht so, dass ich den Falko und den Julius nicht mag, aber das ist einfach viel zu hoch gegriffen. Ich bin ihnen drei Mal in meinem Leben begegnet und man hat sich nett unterhalten. Ich find' das gut, was sie machen, wie's umgekehrt ist, weiß ich nicht. (lacht)


    rappers.in: Gibt es denn in Asien auch Vorurteile und wurden dir dort auch welche entgegengebracht, zum einen aufgrund deiner Nationalität als Deutscher und zum anderen vielleicht auch aufgrund deines Schaffens als Rapper?


    Juse Ju: Die meisten Japaner wussten ja gar nicht, dass ich rappe. Meine Mitbewohner wussten das und meine Kollegen auf der Arbeit zum Teil. Was die Vorurteile angeht: Wenn du Deutscher bist, sind die Vorurteile viel zu positiv. Die sehen gar nicht, was für Arschgeigen die Deutschen eigentlich sind oder sein können, sondern sagen immer nur: "Ah, Deutschland! Siemens, Mercedes!" Die denken halt, Deutsche sind immer ehrlich, fleißig, strebsam und genial und ... Rammstein. (alle lachen) Die haben eben nur positive Vorurteile Deutschen gegenüber. Oder sie sagen halt einfach nicht, was die negativen Sachen sind. Also, ich glaub', dass die Japaner die Amerikaner für Rüpel halten, dass viele andere Asiaten auch solche Vorurteile dagegen haben, aber Deutsche ein ziemlich gutes Standing genießen. Deshalb hab' ich auch immer behauptet, ich sei Amerikaner, um auch mal was Negatives abzubekommen.


    rappers.in: Ernsthaft?!


    Juse Ju: Nein ... Nein.



    rappers.in: Und wie war das umgekehrt, als du hier deinen Rapper-Kollegen und Freunden eröffnet hast: "Passt mal auf, Leute, ich geh' jetzt nach Asien." Da sind die Vorurteile doch bestimmt riesig und negativ. Ich weiß ja nicht, ob du gebürtig aus München kommst, aber ...


    Juse Ju: (unterbricht) Nee, ich bin gebürtig überhaupt nicht aus München. Ich bin gebürtig aus Mordor im Schwabenland.


    rappers.in: Da hab' ich ja fast schon wieder ein Vorurteil im Kopf.


    Juse Ju: Ja, Mordor im Schwabenland ist der Ort, wo dieses riesige brennende Auge über diese dunkle Stadt herrscht. Das brennende Auge dreht sich und ist silbern und steht auf 'nem Bahnhof, der jetzt umgebaut wird. Und ... aus der Gegend komm' ich.


    rappers.in: Okay. (lacht) Um noch mal darauf zurückzukommen: Ich glaube, die Bayern und gerade die Münchner haben wegen des Tourismus, des Oktoberfests und so weiter unfassbare Vorurteile gegen Asiaten. Dass sie auf dem Marienplatz stehen und Fotos machen, dass sie alle Wege blockieren et cetera. Was war denn da das krasseste Vorurteil, das deine Kollegen oder vielleicht auch du gegenüber Japan hattest und hat sich da irgendwas bestätigt oder bist du da recht positiv wieder weggegangen?

    Juse Ju: Also, ich kann ja nur schwerlich Vorurteile gegen Japan haben, weil ich da selber aufgewachsen und erst mit elf Jahren nach Deutschland gekommen bin. Deshalb hatte ich eher Vorurteile gegen Deutschland. Und die Leute, die ich kenne, haben nicht so viele Vorurteile gegen Japan. Das sind eher so lustige Vorurteile. Sie denken eben, Japaner sind alle höflich, alle nett, alle sehr arbeitsam – und das stimmt halt überhaupt nicht, zum Glück!


    rappers.in: Das dachte ich aber auch.


    Juse Ju: Das stimmt zum Glück überhaupt nicht, würde ich sagen. Also ... Ja, wenn du jetzt 'nen Japaner in Deutschland triffst, der kein Deutsch spricht, wirst du kaum herausfinden, wie er ist. Aber das wirst du ja bei den meisten anderen Leuten auch nicht, dazu musst du halt Japanisch sprechen. Und ich hab' Vorurteile gegen Menschen, die kein Japanisch sprechen. Das sind in meinen Augen alles Spasten.


    lupa: Danke für dieses Interview. (alle lachen)


    rappers.in: Kommen wir noch mal auf deine Musik zu sprechen. Seit deinem letzten Release, "Yo! HipHop hat mein Leben zersört.", sind mittlerweile knapp fünf Jahre vergangen ...


    Juse Ju: (unterbricht) Viereinhalb. Voll gut, dass das so ist.


    rappers.in: Hat sich an deiner Einstellung seit diesem Release denn irgendwas geändert? Vielleicht könntest du dazu den folgenden Satz vervollständigen: HipHop hat mein Leben ... , weil ...


    Juse Ju: Bereichert. Schön, sanft und zärtlich gemacht.


    rappers.in: Oh, wie schön!


    Juse Ju: (schreit) Und mich mit Hass erfüllt!


    rappers.in: Sprechen wir noch mal über dein aktuelles Release. Und zwar bist du ja jemand, der, wenn man das komplett runterbricht, zwar ironisch ist, aber auch ein bisschen in diese reale, ernstere Richtung geht. Findest du es wichtig, dass man als Rapper nicht in verschiedene Rollen schlüpft, sondern sein Ding durchzieht? Oder findest du es okay, dass sich Leute eine Kunstfigur kreieren und das dann durchziehen?


    Juse Ju: Also, zunächst mal glaube ich, dass Juse Ju durchaus eine Rolle ist, genau wie ein Kollegah. Der Unterschied ist nur: Er macht die Bosstransformation und ich habe offensichtlich, wie man an meinem Körperbau sieht, die Lauchtransformation gemacht, weshalb ich ein Lauch bin. Und ich find' das okay. Ich finde, was jetzt zum Beispiel Kollegah und Farid Bang angeht, dass sie gute Rapper sind. Ich habe auch tatsächlich zwei Kollegah-Alben zuhause. Allerdings ... also, ich weiß nicht, wie die zu solchen Sachen stehen und das ist mir ehrlich gesagt auch egal, aber meine Meinung zu Frauen- und Schwulenfeindlichkeit hat sich ein bisschen geändert und es geht mir halt auf den Sack. Ich finde es nicht schlimm, die können das schon ruhig machen. Ich feier' ja auch Battles und solche Geschichten, aber bei denen ist es, finde ich zumindest, sehr ernst und wirkt überhaupt nicht nach einer Rolle. Vieles bei Kolle ist keine Rolle, glaube ich. Aber ich will auch nicht so viel über Kolle reden, das ist schon okay so. Er hat ja auch schon geile Sachen gemacht. "Mondfinsternis" ist zum Beispiel ein toller Track, den kann ich mir immer wieder anhören. Das mag jetzt auch ein bisschen widersprüchlich sein, aber mit diesem Lifestyle, den er repräsentiert, habe ich nichts zu tun und das find' ich auch nicht gut. Und wenn jetzt irgendjemand kommt und sagt: "Ich pump' mir meine Muskeln auf", und solche Sachen, dann find' ich das halt scheiße. Da denke ich mir: Warum denn nicht Fußball spielen? Das macht mehr Spaß! Körperkult, Frauenfeindlichkeit, Schwulenfeindlichkeit – damit hab' ich nichts am Hut.


    rappers.in: Findest du es unter einem gewissen Gesichtspunkt denn auch gefährlich, dass, wenn besonders viele jüngere Leute sich das anhören, diese für sich nicht erkennen können, dass vieles nur Ironie oder ein Bild ist? Beziehungsweise, dass sie gar nicht auseinanderhalten können, was ernst oder ironisch gemeint ist?


    Juse Ju: Das Problem ist: Die Kids sind ziemlich schwul und echte Pussys und deshalb kriegen sie den Transfer nicht hin, herauszufinden, dass Schwulen- und Frauenfeindlichkeit voll scheiße ist. Nein, ich find' das nicht so gefährlich. Aber wir müssen jetzt ja nicht über Mucke oder über Kollegah streiten. Rap ist nicht das, was dich auf irgendeinen Trip bringt. Das verstärkt es vielleicht, aber ich habe das als Kind zum Beipsiel auch gehört, das war kein Problem. Ich hab' früher Kool Savas gehört, die "Warum rappst du?"-EP. "Pimplegionär" ist ein absolut frauenfeindlicher Song ... und ein tolles Stück Musik, das ich immer noch sehr gerne höre.


    rappers.in: Aber trotzdem gibt es bestimmt genügend Leute, gerade unter Raphörern, die nicht differenzieren können und die Dinge für sehr wahr und richtig halten oder nicht drüber nachdenken, sich keine eigene Meinung bilden und das dann einfach weiter transportieren ...


    Juse Ju: Das ist völlig richtig. Und das ist sicherlich auch nicht cool, aber man muss sich einfach von dem Gedanken verabschieden, dass Rap gut ist. Das hab' ich ja auch mit "Yo! HipHop hat mein Leben zerstört." gemeint: Rap ist einfach böse! (alle lachen) Das ist natürlich eine ziemlich harte Aussage. Nein, Rap ist erstmal nicht per se ein gutes Medium, das die Welt verbessern will, sondern Rap ist, wie jede andere Kunst, erstmal Emotion. Und wenn deine Emotion ist, dass du einfach Frauen beleidigen willst, dann ist das halt so. Vielleicht machst du das noch, wenn du 20 bist und nicht mehr, wenn du 30 bist. Aber Rap muss nicht per se gut sein. Da erwartet man, glaube ich, auch zu viel, wenn man will, dass Rap gut wird. Außerdem verkauft sich guter Rap nicht. Also gutartiger Gutmenschen-Rap. Das will doch kein Mensch hören, ich auch nicht. (grinst)


    rappers.in: Wo wir gerade bei dem Thema "Verkaufen" sind: Wie kam es eigentlich dazu, dass "Übertreib nicht deine Rolle" von dir als Free-Download bereitgestellt und nicht verkauft wurde?


    Juse Ju: Na ja, das hat zwei ganz, ganz klare Gründe. Der erste Grund ist, dass ich das Album ja komplett im Alleingang rausgebracht hab'. Und da ich berufstätig bin und mich eigentlich gar nicht darum kümmern kann, ein Album zu machen – denn das ist ein Fulltime-Job –, hatte ich einfach überhaupt keine Zeit, mich um die Pressung und solche Geschichten zu kümmern. Das ist der eine Grund. Und der zweite Grund ist, dass es einfach Quatsch ist. Ich verdien' doch sowieso nichts damit! Also, was soll denn das? Dann verkauf' ich, was weiß ich, maximal 400 CDs. Das ist doch Jacke wie Hose, wenn du alle vier Jahre 400 CDs verkaufst. Scheiß drauf. Ich wollte einfach, dass es möglichst viele Leute hören, denn ich habe da ja im Endeffekt viel Arbeit reingesteckt, was man nicht mit dem Geld von 400 CDs aufrechnen kann. Da hab' ich gesagt: Ich möchte, dass das so viele Leute hören wie möglich. Und das Album haben bis jetzt (Anm. der Redaktion: Stand 12.07.2014) fast 8.000 Leute runtergeladen. Das ist halt eine Reichweite, die hätte ich doch mit einer CD nie erreicht.


    rappers.in: Und ein Download geht ja auch schneller und einfacher, das ist ja praktisch.


    Juse Ju: Na klar, die meisten werden das nicht so hören wie 'ne CD. Aber trotzdem werde ich auf jeden Fall, wahrscheinlich, zehnmal so viele Hörer erreicht haben, wie ich jemals mit einer CD erreicht hätte. Also: Warum zur Hölle? Ich bin ja Überzeugungstäter. Es ist ja nicht mein Job, Rap zu machen. Mein Geschäft ist es, meine boshafte Ideologie in Form von Musikstücken in die Gehirne junger Menschen zu pressen.


    rappers.in: Kommen wir mal auf ein anderes Projekt von dir zu sprechen: "Don't let the label label you". Wer hat das denn erfunden, seit wann gibt es das und was genau hast du damit zu tun, außer, dass du es hostest? Du machst das ja schon eine ganze Weile, soweit ich weiß.


    Juse Ju: Von Anfang an. Das Vorbild ist "Don't flop", die britischen "Don't flop"-Battles beziehungsweise auch die amerikanischen written battles, die es ja auch gibt. Aber das britische Format ist definitiv das Vorbild. Das Ganze ins Leben gerufen hat Jamie, bekannt als JollyJay, halb Brite, halb Münchner, der sich vorgenommen hat, das deutsche "Don't flop" herzustellen. Zusammen mit seinem Partner Hanno, auch H-to-O genannt – der übrigens lustigerweise auch in Japan aufgewachsen ist –, hat er das ins Leben gerufen. Dann hatten sie die erste Veranstaltung in Berlin und dann gab es das Problem, dass sie noch jemanden brauchten, der mit den MCs die Interviews macht und solche Geschichten. Und da ich ja aus der Battlerap-Szene komme, haben sie mich gefragt, da ich die beiden flüchtig kannte. Dann bin ich beim ersten Abend da gewesen und hab' dieses ganzen Interviews – das waren damals noch ganz, ganz viele, weil wir jeden Judge einzeln interviewt haben – auf die Beine gestellt und da, denke ich, weil ich mich auch sehr viel den Fragen von Interviews beschäftigt habe, ganz unterhaltsame Interviews mit den MCs gemacht. Seitdem bin ich dabei als "Zum-Teil-Host", spreche MCs darauf an, ob sie teilnehmen wollen und mache nach wie vor diese Interviews und war wirklich bei jedem Battle, bei allen großen Veranstaltungen von uns dabei. Ob das jetzt in München, auf dem Splash! oder bei den Events in Berlin war.


    rappers.in: Hast du selber schon mal teilgenommen?


    Juse Ju: Nein, weil ich quasi seit Tag eins die MCs interviewen musste. Deswegen werd' ich da auch nicht teilnehmen. Wer darauf wartet, dass ich da mal battle ... nein. Ich battle auch nicht mehr.


    rappers.in: Wenn wir jetzt schon bei dem Thema sind und du in diesem Battleding jetzt auch ziemlich drin bist – hast du die ganzen Formate verfolgt, die es in den letzten Jahren gab? Egal, ob es jetzt Live- oder Online-Battles sind. Interessiert dich das oder hast du dich da ein bisschen rausgehalten?


    Juse Ju: Aus den Video-Battles hab' ich mich komplett rausgehalten, das ist nicht mein Gebiet. Ich find', das VBT hat ein paar Künstler rausgebracht, die ich gut finde. Namentlich Lance Butters, der zwar nie weit gekommen ist, den ich aber trotzdem cool finde. donetasy find' ich gut, Weekend auch. Der hat ein paar coole Sachen gemacht und das Turnier auch zurecht gewonnen. Alle anderen sind mir aber eigentlich relativ egal und ich schaue Video-Battleturniere auch nicht. Daran merkt man halt, dass ich einfach aus einer anderen Generation komme. Battles hab' ich früher sehr, sehr viel gemacht und ich muss den Gegner einfach direkt vor meiner Fresse haben. Ich will die Leute direkt beleidigen und keine Videos drehen. Ich bin berufstätig und hab' da auch gar keine Zeit für. Zu den anderen Battles: Ja, "Rap am Mittwoch". Jeder, der weiß, was ich mache, weiß, dass ich da auch schon mal ein fulminantes Finale gegen Tierstar hatte. Ich verfolge das schon und saß da vor Kurzem auch schon mal als Judge, aber ich schaue mir jetzt nicht jedes Battle an. Aber Karate Andi zum Beispiel ist ja daraus hervorgegangen und ich finde, er ist ein super Rapper, ein geiler Typ. Sein Album hat mir sehr gefallen.


    rappers.in: Und wie findest du es, dass in den letzten Jahren extrem viele dieser Formate aus dem Boden geschossen sind? Findest du vielleicht, dass der Markt langsam ein wenig übersättigt ist und sich wieder gesund schrumpfen muss? Es gibt ja euer Format, "End of the Weak", das VBT mit der Splash!-Edition, das JBB und so weiter. Es gibt sogar, glaube ich, mittlerweile ein Facebook-Battlerapturnier und an jeder Ecke gibt es wieder ein neues Format.


    Juse Ju: Also, die ganzen Formate, die überhaupt nicht funktioniert haben, interessieren mich jetzt nicht. Für mich haben nur drei Formate funktioniert. Das eine ist "Rap am Mittwoch", das andere ist das VBT und das dritte ist JuliensBlogBattle. Das hat ja insofern funktioniert, weil das viele angeschaut haben. Zu JuliensBlog: Für mich ist er ein rechter Hetzer, der keine Ahnung hat von dem, was er redet. Was er macht, ist einfach größtenteils Verleumdung und rassistisch und der Mann hat einfach keinen Verstand. Meiner Meinung nach könnte er auch bei den Republikanern sein oder so, er ist einfach ein Idiot. Dementsprechend verfolge ich auch seine bescheuerten Battles nicht und ich finde auch, dass da keine MCs mitgemacht haben, die mich interessieren. So viel zu JuliensBlogBattle, das ist 'n Spast. Aus dem VBT sind, wie gesagt, coole Leute hervorgegangen. Für mich ist das aber nichts. Ich habe mir ein paar Battles angeschaut, das war amüsant, nur denke ich, dass diese Zeit abgelaufen ist. Das habt ihr ja auch gemerkt und das Ganze abgeschaltet. "Rap am Mittwoch" wird so weiter bestehen, da bin ich mir sehr sicher, denn die Leute werden dieses Live-Erlebnis auch weiter feiern. Ob sie es jetzt im Internet weiter gucken, ist mir scheißegal, aber seit ich rappe beziehungsweise seitdem ich Rap höre – und das ist nicht so kurz – gibt es Live-Battles. Die haben sich zwar verändert mit der Zeit, aber sie werden bleiben, weil es einfach ein geiles Format ist. Und diese ganze politische Debatte, die damit einhergeht, ist so groß, dass wir sie in diesem Interview leider nicht ausführlich besprechen können. (lacht)



    rappers.in: Kommen wir mal auf deinen Beruf zu sprechen, den du eben schon mal kurz angesprochen hast. Soweit wir informiert sind, warst beziehungsweise bist du als Drehbuchautor für diverse TV-Serien tätig. Ist das richtig?


    Juse Ju: Ich war mal eine Zeit lang hauptberuflich Drehbuchautor. Ich will jetzt allerdings nicht sagen, wofür. (lacht) Nein, es ist nicht so schlimm, wie manche vielleicht denken, aber es ist auch nicht so gut, wie manche mal erwartet haben. Ich habe eine Zeit lang Serien geschrieben. Das mach' ich immer noch nebenbei, aber nicht mehr so viel.


    rappers.in: Und beeinflussen "der Autor" und "der Rapper" in dir sich in irgendeiner Form gegenseitig bei deiner Arbeit? Also, fließen zum Beispiel deine Erfahrungen aus dem Autorenbereich in deine Musik mit ein und umgekehrt?


    Juse Ju: Wenn, dann unbewusst. Aber eigentlich gibt es da keine Überschneidungen.


    rappers.in: Was machst du denn jetzt beruflich, wenn du das nicht mehr machst? Du bist doch mit deinem Studium fertig, oder?


    Juse Ju: Ich bin sogar schon seit sehr langer Zeit mit dem Studium fertig, seit 2008. Ich bin jetzt Journalist und nicht mehr Drehbuchautor. Zum Teil auch Musikjournalist, aber hauptsächlich Journalist im klassischen Sinne. Heißt: Ein Journalist ist am Abend Experte für ein Thema, von dem er am Morgen noch keine Ahnung hatte. Ich kann nur so viel sagen: Ich bin für seriöse elektronische Medien tätig.


    rappers.in: Zu guter Letzt würden wir gerne von dir wissen, in welcher Zeit des Deutschraps du gerne aufgewachsen wärst, wenn du dir das aussuchen könntest? Wann wärst du am liebsten jugendlich gewesen und hättest mit dem Rappen begonnen?


    Juse Ju: Also, ich hab' Deutschrap ja eigentlich komplett mitbekommen. Die erste Fanta4-Scheibe ist von '91 beziehungsweise ist "Ahmet Gündüz" von Fresh Familee auch von '91 und "Fremd im eigenen Land" kam 1992, wenn ich das richtig im Kopf habe. Insofern habe ich das alles mitbekommen, weil ich quasi schon alt genug war, um das zu checken. Allerdings muss ich zugeben, dass ich doch ganz gerne sechs, sieben Jahre älter wär' und gerne zu der Generation gehört hätte, zu der Anarchist Academy, Massive Töne, Main Concept, Phase V ... (überlegt) warte, da kommen noch ein paar ... ja, Rödelheim Hartheim Projekt natürlich und Asiatic Warriors gehört haben. Also, kurz gesagt wär' ich gern Teil dieser Generation gewesen, die noch so gerappt hat: "Rettet die Platte, denn sie ist in Gefahr! Sie ist in Gefahr, weil einer die CD gebar, im Plattenladeninventar unauffindbar oder rar." Dieser Rap auf 120 BPM oder dieser britische Grindcore, so wie ihn zum Beipsiel Fast Forward oder No Remorse gemacht haben. Oder als es noch "Freestyle" im Fernsehen gab. Diese Sendung mit Storm, der das moderiert hat – fand ich großartig, wie er moderiert hat – und am Ende immer noch ein paar Pops und Locks gemacht hat. Die ersten Jams, auf denen ich war – das ist jetzt ein bisschen "Opa erzählt vom Krieg" –, waren ja tatsächlich zu den Zeiten, so Mitte der '90er, als da noch Breaker und Sprüher waren und man eigentlich keine Rapkonzerte ohne das alles hatte. Und ich hätte gerne zu dieser Zeit schon gerappt, aber da war ich leider noch zu jung. Meine große Rapzeit waren dann tatsächlich eher die 2000er, denn so ab 2000 habe ich live gerappt und bis 2009, als dann mein Album kam, auch regelmäßig releast. Ich glaube aber, die 2000er waren irgendwie kein gutes Jahrzehnt für deutschen Rap, die '90er waren schon besser. Es ist einfach so. Da bin ich wirklich wie ein Opa.


    rappers.in: Ein guter Opa!


    Juse Ju: Früher war alles besser! Weil man da halt auch nicht so verachtend auf diese HipHop-Sachen herabgeblickt hat. Wir versuchen ja auch, das mit "Don't let the label label you" wieder ein bisschen zu ändern. Savas würde das "Du bist auf dem Rapfilm hängen geblieben" nennen. Es gibt da ja diese Verachtung für die Leute, die szenemäßig unterwegs sind. Wenn man natürlich jetzt sagt: Rap ist Lamborghini fahren, dann ist das auch okay, denn das ist auch ein Teil davon. Ich habe da lange mit Fatoni drüber diskutiert. Es gibt noch eine HipHop-Szene in Deutschland! Die hat aber ganz wenig mit ... (Im Hintergrund hört man Prinz Pis Auftritt) Zum Beispiel mit Prinz Pi hat die nichts zu tun. Also, Prinz Pi hat mit der HipHop-Szene nichts mehr zu tun, der kennt ja auch die Antilopen Gang nicht. Der ist raus. Oder ein Kollegah, der hat mit Sicherheit auch nichts mit der HipHop-Szene zu tun, wollte er ja auch nicht. Diese ganzen Stars, die haben mit all dem nichts zu schaffen. Aber es gibt noch eine Szene.


    rappers.in: Kennst du die Tapefabrik und deren Line-up? Die gehen vielleicht ein bisschen eher in die Richtung von dem, was du als HipHop-Szene bezeichnen würdest.


    Juse Ju: Ja, genau. Sichexot zum Beispiel oder alles, was Wortsport macht. Ich würde mich auch als Teil der HipHop-Szene bezeichnen, weil ich wirklich sehr, sehr lange dabei bin, Battles gemacht habe, zu diesen ganzen Live-Geschichten gefahren bin und unzählige kleine Gigs gespielt hab'. Und wenn ich jetzt aufs Splash! gehe, dann ist das schon noch 'ne Szene, weil ich dann auch ganz viele Leute treffe, die ich seit zehn Jahren und nur wegen HipHop kenne. Die kenne ich nur, weil ich irgendwann mal nach Dortmund gefahren bin, um da zu battlen. Dann läuft man sich hier über den Weg und weiß: Ey, der ist seit zehn Jahren in der Szene, ich bin seit zehn Jahren in der Szene. Das ist die HipHop-Szene! Irgendwelche komischen Kids, die hier bunte Brillen tragen und das VBT geguckt haben, die werden vielleicht auch noch mal ein Teil davon, aber ich trenne das halt ein bisschen für mich. Das ist gar nicht böse gemeint gegen die Leute, die da nicht drin sind.


    rappers.in: Heute ist das natürlich auch viel mehr dieses Konsumieren und von außen Zuschauen, was das VBT natürlich auch gefördert hat, als dieses Mitmachen. Tone hat damals mal gesagt, dass du eigentlich nur dann dazu gehörst, wenn du nicht nur konsumierst, sondern aktiv etwas machst. Also, wenn du dich auf dem Kopf drehen kannst, was malst, rappst oder beatboxen kannst, dann gehörst du dazu. Und hier ist das auch so: Die Leute da draußen sind halt hier, weil die sich hier schön betrinken und dabei ein bisschen Musik hören können. Die kennen vielleicht drei Rapper, die auftreten, oder auch 50 oder gar keinen – das gibt’s ja auch –, aber es ist halt was ganz anderes, nämlich das einfache Zuschauen.


    Juse Ju: Es gibt ja diesen Song von 3Plusss, "Ich habe Hip Hop nicht verstanden". Er ist zehn Jahre jünger als ich. Ich verstehe, was er meint, aus der Sicht eines zehn Jahre Jüngeren, aber ich würde das so nicht gerade stehen lassen. Also, wenn wirklich Leute zu ihm kommen und ihm Vorwürfe machen, weil beziehungsweise dass er jung ist, ist das vollkommener Quatsch. Wenn halt Casper dein erstes Album war – wenn es übrigens "Hin zur Sonne" oder "Die Welt hört mich" oder "Kinder des Zorns" war, dann ist das aller Ehren wert ...


    rappers.in: Dann bist du aber auch schon lang dabei, wenn du "Kinder des Zorns" hast.


    Juse Ju: (lacht) Ja, das stimmt. "Dann kam 'KDZ' und ich dachte: Ich mach' aus Casper 'nen Star".


    rappers.in: Das war damals tatsächlich eines meiner Lieblingsalben!


    Juse Ju: "KDZ" oder das Album, auf dem Seperate das rappt?


    rappers.in: Das Album, auf dem Casper, Abroo und Seperate gemeinsam sind.


    Juse Ju: Mit Fadee an den Beats ... Aber wenn das tatsächlich so ist, dann hat 3Plusss natürlich recht, wenn er sagt: "Ist doch scheiße, irgendwelche Kids blöd anzumachen." Überhaupt würde ich nie jemandem vorwerfen: Du hast HipHop nicht verstanden. Wenn das wirklich jemand zu ihm gesagt hat, dann ist der Song schon berechtigt. Aber man muss sich auch immer klar machen: Alles kommt und geht. Wie Fatoni es halt gesagt hat: Die Zeit heilt alle Hypes. Und wenn man sich lange damit beschäftigt und ein bisschen länger dabei bleibt und da auch irgendwelche Konstanten sucht, dann sollte man vielleicht ein wenig anders da rangehen statt einfach zu sagen: "Mir ist alles scheiß egal", oder "Mir ist egal, was HipHop sein kann". Denn da sind auch gute Sachen dabei. Auch wenn ich mein Album "Yo! HipHop hat mein Leben zerstört." genannt hab' – Ironie geht nie, habe ich festgestellt –, hat HipHop so viel in meinem Leben bewegt und geändert. Ich wär' beruflich mit Sicherheit nicht das, was ich bin, wenn ich nicht angefangen hätte, zu rappen und auf der Bühne zu stehen oder wenn ich dadurch nicht begonnen hätte, mich für ganz viele Dinge zu interessieren. Da sind wir auch wieder bei dem Thema "schlechter Einfluss auf die Kids". Ey, ganz im Ernst: So ein Mittelstandskid wie ich wäre doch niemals auf die Idee gekommen, mich in irgendwelche dreckigen Keller zu begeben mit irgendwelchen Leuten, die aus ganz anderen sozialen Umständen oder aus anderen Vierteln oder Städten kommen. Guck dir die Kids vom Gymnasium doch mal an. Wenn du in 'ner Kleinstadt ins Gymnasium gehst, dann kennen die Kids alle nur andere Gymnasiasten. Und jeder, den ich aus der HipHop-Szene kenn' ... Das geht in beide Richtungen. Wenn ich bei einer Battle mit einem Streettyp mit Migrationshintergrund stand und wir haben uns gegenseitig da gefetzt, dann war das ein wechselseitiges Ding. Ich dachte mir: Boah krass, der ist so ein harter Typ von der Street, aber ein voll korrekter Dude und ein Mensch, mit dem ich mich viel besser verstehe als mit irgendwelchen anderen Leuten, die ich sonst so kenne. Und er hat sich auch gedacht: "Was ist das für ein komischer blonder Junge, der aussieht, als würde er in Zehlendorf mit nem Karohemd rumlaufen? Aber wenn ich mich mit ihm unterhalte, ist das voll okay." Natürlich haben wir uns davor unpolitische Scheiße an den Kopf geworfen, aber der Gegeneffekt ist einfach sehr, sehr groß.


    rappers.in: Du hast dann natürlich etwas grundsätzlich Verbindendes oder so ein grundsätzliches Verständnis für so einen Teil von jemandem. Ich glaub', mit jemandem, der sich krass mit HipHop identifiziert, auseinandersetzt oder sich darin befindet, hast du ja dann grundsätzlich schon mal etwas gemeinsam.


    Juse Ju: Ich hab' mal versucht, das mit Fatoni zu erläutern, weil er gemeint hat: "Es gibt keine Szene mehr, das ist nur noch die Musik." Das hab' ich vielleicht auch nur so ein bisschen aus dem 3Plusss-Song rausgehört: "Das ist nur noch Musik. Ich mach' halt die Musik. Scheiß auf das, was davor war. Scheiß drauf, was das für eine Szene ist." Wenn du das nur als Musik sehen willst – und das tun sicherlich viele Leute –, dann kannst du das machen. Ist mir egal, hör halt die Mucke. Wenn ich jetzt 'ne Rock-Platte höre, bin ich auch nicht in der Rock-Szene drin und das ist auch Wurst. Aber da ist halt schon noch was anderes und es gibt auch verbindende Momente in der HipHop-Szene; mehr als man denkt. Man kann das immer noch mehr definieren. Und dann find' ich es halt schade, wenn du jetzt einfach sagst: "Ich mach' jetzt nur noch Musik." Oder wie Prinz Pi, dass du sagst: "Ich mache jetzt nur noch Musik, die auf Abitur-Melancholie abzielt." Dann ... okay.


    rappers.in: Ich finde auch, dass, solange es Leute wie Damion Davis – der ist da so mein Paradebeispiel – gibt, bei denen man das Gefühl hat, dass die dieses HipHop-Ding und nicht nur das Rap-Ding in sich haben, es krass leben und wo es mich nicht wundern würde, wenn die jetzt hier über den Zaun klettern und etwas anmalen oder anfangen, irgendwelche Leute zu battlen, wird es das immer geben, dass das Ganze mehr ist als nur Musik. Es kann natürlich sein, dass es Leute gibt, die das aufgesetzt machen und sagen: "Das ist mein Job und ich mache Musik und mache das nur, um Geld zu verdienen." Aber es wird, glaube ich, immer Leute geben, die dazu einen anderen, engeren Bezug haben.


    Juse Ju: Ich würde halt sagen, dass für mich zu meiner Jugend mit HipHop ziemlich viel dazu gehörte. Da gehörte sehr viel zu. Dazu gehörte Lackgeruch, dazu gehörten dreckige Jugendhäuser, dreckige Keller. Das waren keine Konzertbesuche, wo du dir 'ne Karte im Vorverkauf für 15 Euro gekauft hast und dann hingegangen bist, sondern da war 'ne Jam. Das ist jetzt gar nicht so romantisch, das war auch genauso ein Konzert. Na klar! Natürlich sind die Leute da auch auf die Bühne gegangen und haben ihre Show da runtergerockt und so. Aber du bist halt hingegangen, es haben vier Bands gespielt, du hast dir die eine angeguckt, die du sehen wolltest, die anderen eben nicht. Das war wirklich irgendwie wie 'ne Party. Ich finde, HipHop findet für mich nicht in Konzerthallen statt. Das tut es aber ganz stark und das ist auch okay, wenn die Leute es mögen. Und ich verstehe auch, dass diese Rapper ihr Geld damit verdienen müssen – das ist okay, ich muss das glücklicherweise nicht – und dass die das schön finden, vor 2.000 Leuten zu spielen. Das ist aber etwas, was mich persönlich überhaupt nicht kickt oder interessiert. Und ich sag' nicht, dass man irgendwo in dreckigen Kellern sitzen muss, sondern dass für mich ein HipHop-Konzert wie eine gute Hausparty ist, auf der 'ne Liveband spielt. Ich find' das halt schade, wenn man das dann reduziert und sagt: "Na ja, das ist jetzt halt nur Musik und wir machen Konzerte. Um 20 Uhr geht's los und um 23 Uhr ist's vorbei." Nein, 'ne HipHop-Jam beginnt um 23 Uhr, geht bis 3 Uhr, dann klopft irgendwann die Polizei an und sagt, dass ihr zu laut seid. Dann wird irgendjemand gebustet, weil er doch irgendwas angemalt hat und irgendwelche Leute haben Angst, weil sie minimale Mengen Weed in der Tasche haben. (alle lachen) Das ist schön, das ist so meine Jugendromantik. Prinz Pi, mach doch mal einen Song über meine Jugendromantik!


    rappers.in: Ich finde das sehr schön. Zum Abschluss möchte ich dir sagen, dass ich jetzt total Bock hab', eine Hausparty mit einer HipHop-Liveband zu veranstalten. (alle lachen) Vielen Dank!



    (Florence Bader & Sascha Koch)