Beiträge von Max

    Hab jetzt mal reingehört und hätte hier doch ganz gerne ne Gegenreview gehabt. Kann mir gut vorstellen, dass in der Redaktion nicht alle mit den 6 Mics konform gehen und sogar deutlich weniger gegeben hätten.


    Da Du ja länger dabei warst und genau Bescheid weißt, wie stark die Meinungen in der Redaktion auseinanderklaffen, kann ich Dir nur sagen, dass mich die Reaktion in diesem Falle doch überrascht hat. Natürlich gab es einige, die ne andere Meinung hatten und natürlich auch nicht 6 gegeben hätten, insgesamt war mein Eindruck in diesem Falle doch, dass gerade in Anbetracht der extremen Bewertung, die ja für gewöhnlich immer große Diskussionen auslöst, der Konsens über die musikalische Qualität und die Akzeptanz für die Wertung diesmal doch verhältnismäßig groß waren.

    In der Schule jetzt auch nur noch Bewertungen von befriedigend bis sehr gut, weils sonst zu hart wäre.
    Junge, wach auf, das Leben ist nicht immer fair. Manchmal kommt es knüppelhart. Es wird Zeiten geben da weißt du nicht mehr weiter, fühlst dich in die Ecke gedrängt und denkst dass alles gegen dich ist, die ganze Welt. Manche Menschen wollen dich scheitern sehen, manche werden alles daran setzten, dass du scheiterst, manche geben dir ne 3,0 in einem Uservote der sowieso keinen Menschen auf diesem Planeten juckt.


    Freu mich aufs Debütalbum


    01. kapitel 1
    02. forrest gump
    feat. patrice
    03. fkngrt
    04. tru
    05. hi
    06. todas
    feat. wyclef jean
    07. baum
    08. unendlichkeit
    09. computiful
    10. no. 105
    11. noch da
    12. paperdreams
    13. fake you.
    feat. ivy sole
    14. alien
    15. 0711
    16. slow down
    feat. ace tee
    17. 2kx
    18. tokyo 13317
    (Bonus)
    19. Unendlichkeit Video Edit (Bonus)
    20. my life (Bonus)


    Vorsicht bei Pressetexten! Sie können nämlich die Erwartungen auf ein Album nicht nur schüren, sondern auch zum Schlechten verändern. Erst jüngst geschehen bei der Ankündigung von Cros kommendem Werk "tru.". Hatte ich nämlich die neuen Singles für gut befunden und mich gerade nach der langen Wartezeit, die aber für im Mainstream erfolgreiche Rapper mittlerweile üblich geworden zu sein scheint (Casper, Cro, Marteria, um nur wenige zu nennen), auf den kompletten Langspieler gefreut, wurde eben diese Vorfreude mit nur sechs Wörtern zerschmettert: "Sein eigenes, kleines '808s and Heartbreak'" war nämlich im Pressetext zu lesen. Natürlich sollen die Ansprüche an einen selbst so hoch sein wie möglich und mit diesem Klassiker als Orientierung hat Cro sicherlich nicht die schlechteste Wahl getroffen. Und doch ließ es die für mich als eigentlich gut befundenen Singles (vor allem für "Unendlichkeit", das den schwierigen Drahtseilakt zwischen Melancholie und Eingängigkeit meistert, hat er völlig zurecht erste Erfolge verzeichnen dürfen) in einem anderen Licht erscheinen: Plötzlich nämlich fehlte etwas. Der große Wurf. Die große Innovation, der nächste Schritt in völlig neues Fahrwasser, der "808s and Heartbreak" ja zweifellos war. Die große Vorfreude wich einer subtilen Ernüchterung und der Befürchtung, dass ein Cro, der sich mehrere Jahre Zeit genommen hatte, um seine Musik in eine neue Richtung zu lenken, an seinen eigenen Ansprüchen scheitern könnte. Abgerechnet wird am Releasetag.


    Carlo, bitte, bitte, bitte bleib echt/
    Das hier bin zu 100% ich und kein Rap/

    (Cro auf "hi")


    Um es vorweg zu nehmen: Ein "Heartbreak"-Verschnitt ist es nicht geworden. Zum Glück, denn so gut Kanyes Gamechanger auch gewesen sein mag, mittlerweile ist er auch fast zehn Jahre alt. Und doch finden sich einige Prinzipien und Grundgedanken auf "tru." wieder, die zweifelsohne an gerade solche Klassiker erinnern, die vor allem durch eine tiefgreifende Veränderung des Künstlers auch zu einer tiefgreifenden Veränderung in dessen Musik geführt haben. Denn "tru." ist überhaupt nicht mehr mit vorigen Alben von Cro zu vergleichen: Nichts mehr zu sehen von irgendeiner Schwammigkeit, Ziellosigkeit oder, was vor allem "Melodie" schadete, fehlenden Themen. Dieses Werk hat Inhalte und davon eine Menge. Von der Liebe und der Selbstfindung und wie diese beiden alles bestimmenden Ideen, die gerade in der heutigen, digitalisierten Zeit wichtiger und doch schwieriger zu vereinen scheinen als je zuvor, immer wieder in Konflikt geraten, handelt dieses Album. Cro merkt, dass er sich nicht immer wieder selbst neu finden und erfinden kann, dass sein ständig sich veränderndes Leben nicht auf dauerhafte Liebe ausgerichtet ist. Dass er die einfachen Lösungen in diesen schnellen Zeiten vehement ablehnt, macht er mehr als deutlich, wenn er auf "computiful" voller Inbrunst, als müsste er sich aus den Ketten des Kurzweiligen befreien, "ich hab' auf Tinder kein' Bock" herausschreit. Er hat schlicht und ergreifend keine Lust, die Liebe auf dem Smartphone zwischen Konzertwahnsinn und Musikmachen zu suchen und zu verlieren. Cro hat keine Zeit und eigentlich genießt er diesen Wahnsinn, andererseits macht es ihm diese Rastlosigkeit umso schwerer, jemanden für ihn zu finden. Wie soll man die Eine, die Perfekte finden, wenn man jeden Tag alles sieht, sich nie sicher sein kann, was noch kommt? Will man sich dann noch festlegen? Die Spitze des Ganzen findet sich eben in Tinder, bei dem man sich mit jedem Swipe und jedem Match nie sicher sein kann, ob nicht noch ein besserer Gegenüber daherkommt, ob die Traumfrau nicht schon hinter dem nächsten Wischen wartet. Eigentlich müsste genau das zum Protagonisten passen, der ja selbst weitaus umtriebiger ist als die meisten von uns. Dennoch sehnt gerade er sich nach Festlegung und nach Treue, ohne dabei den eigenen Anspruch nach Perfektion aufgeben zu wollen. Dass dieser Widerspruch schmerzhaft sein kann, wird am deutlichsten in "paperdreams": Wie ein kurzweiliger Traum ist für Cro jede Frau vergänglich, obwohl er sich dagegen zu wehren versucht. Dieser Konflikt und Widerspruch schwebt über dem gesamten Album wie eine schwarze Wolke. Sie holt uns immer wieder ein und beschert uns die stärksten Momente des Langspielers: Hervorzuheben ist "no. 105", in dem Cro sich seine Traumfrau zurechtbastelt und dann doch feststellen muss, dass es so einfach und voller Harmonie nicht immer funktioniert. Wie er sich die perfekte Frau vorstellt und vor allem an äußerlichen Merkmalen festhält, mag manchen tumblr-Nutzer zum Sexismus-Aufschrei bewegen; die eigentliche Pointe findet sich jedoch erst darin, dass Cro auch von diesem Produkt, das, in seinem Kopf entstanden, real geworden ist, enttäuscht wird und sich letztlich selbst eingestehen muss, dass er nicht einmal eine realistische Vorstellung davon hat, was ihn glücklich machen und von diesem Konflikt befreien könnte. Statt also das Problem auf andere zu projizieren oder zu vereinfachen, sucht und findet dieser Song es genau dort, wo es eben auch seinen Ursprung hat: beim Protagonisten selbst. Ein Bild, das an Spike Jonzes "Her" oder natürlich den ovidschen Pygmalion erinnert – ob Labelkollege Tua hier wohl seine Finger im Spiel hatte?


    Irgendetwas stimmt hier nicht/
    Durchsuch' den Rechenweg nach Fehlern, doch ich find' ihn nicht/

    […]
    Sie ist wunderschön und nett/
    Doch man kann mit ihr nicht streiten, ich vermiss‘ Versöhnungssex/

    (Cro auf "no. 105")


    Natürlich ist diese Metapher keine Neuerfindung. Doch das muss es auch nicht sein und eine Neuheit ist es für einen dennoch : Cro. Die Art, wie er mit diesem Konflikt umgeht, ihn in seine Lebensform überträgt und auch musikalisch verarbeitet – das hat es im Deutschrap sicherlich noch nicht gegeben. Andererseits ist zu Vorsicht geraten: Die Umsetzung ist nicht etwa revolutionär, weil Tracks eine hohe Spielzeit aufweisen, komische Namen haben oder aufgrund langer Instrumentals. Doch all das trägt zumindest seinen Teil zum Gesamtwerk bei und ist im Gegensatz zu anderen Alben, die mehr Kunst sein wollen, als sie es je sein können, passend. Ob ein fast zehnminütiges Instrumental auf "computiful" oder ein Duett mit Siri auf "0711" – irgendwie fügt sich alles in diese monströse Spielzeit ein und ordnet sich, wie auch die gezielt gesetzten Features, einem Cro unter, der sowohl raptechnisch als auch in der Arbeit mit seiner grandiosen Stimme Großes leistet. Bis auf wenige Ausnahmen ist für das, auf was Cro seine Stimme legt, die Bezeichnung "Beat" eine Beleidigung. Wenn er einen der eingängigsten Parts dieses Jahres wie auf "noch da" rappen will oder wie gewohnt auf dem ersten Track, diesmal namens "kapitel 1", einige Lines zum Besten gibt, dürfen Beats ein ums andere Mal den Künstler untermalen – ansonsten ist jedes Instrumental viel mehr ein eigenes Musikstück, was sich vor allem in den langen Phasen ohne Vocals bemerkbar macht oder in den Stimmungswechseln, die oft durch die Instrumentierung stärker hervorgehoben werden als durch den Text selbst. Nichts zu spüren von simplen Deutschpop-Konzepten oder HipHop-Versatzstücken. Natürlich kamen dabei auch so einige Hits heraus. Nur um mich einmal festzulegen und Angriffsfläche zu bieten: In Abhängigkeit davon, was noch ausgekoppelt wird, würde ich "todas", "fake you." und jedenfalls den ersten Minuten von "computiful" locker Goldpotential attestieren. Der Unterschied zu vorherigen Hits wird anhand dieser Songs besonders deutlich. Keine Tracks über Leichtigkeit und Hedonismus, sondern jeder noch so positiven Essenz folgt ein melancholischer Unterton, ein subtiles "Was wenn doch nicht?" und teilweise sogar ein verzweifeltes "Was brauche ich?". Im Gegensatz zu den meisten, die genau wissen, was sie brauchen und wollen und deren Fragen sich vor allem um das Wie drehen, problematisiert Cro das Was. Was braucht jemand noch, der eigentlich alles hat? Was mache ich morgen, übermorgen, in zehn, zwanzig Jahren? Wird ein Cro auch noch mit 40 so rappen wie jetzt? Was sonst? Natürlich kann man dies als Luxusprobleme abstufen, doch der Protagonist erweckt hier den Anschein von Ehrlichkeit, der nicht einfach mit einem "Dir geht’s doch zu gut!" weggewischt werden sollte.


    Ich bin ein Alien, Alien, durchstreif' die Galaxie/
    Allein mit meinem Partner hier, den keiner von euch sieht/
    Nein, ich schlafe nicht, rase durch die Jahre bis/
    Ich endlich jemand' begegne, der mich versteht und meine Sprache spricht/

    (Cro auf "alien")


    So viel mehr ließe sich über den Detailreichtum auf "tru." schreiben: Die Freude darüber, dass die Pianokünste des Interpreten hier viel mehr in den Vordergrund treten. Der Aufbau der Tracklist, die einen nicht von Hit zu Hit springen, sondern immer wieder dazwischen Ruhepausen lässt, um zwar die Musik weiter genießen, sich jedoch angemessen erholen zu können. Die Ungezwungenheit, die gerade im Kontrast zum eine Woche zuvor erschienenen, völlig überkonstruierten Casper-Album umso angenehmer und ehrlicher herüberkommt. Insgesamt scheint "tru." das Album zu sein, das Cro immer machen wollte, ihm der Erfolg aber nicht zu vergönnen schien. Doch er hat die Kurve gekriegt. Und zwar mit 180 Sachen – ohne aus der Spur zu fliegen. Das ist es, was Deutschrap brauchte, was vielleicht deutscher Pop insgesamt brauchte. Vor allem musikalisch: Denn Cro, der auch hier wieder selbst produziert hat, ruht sich nicht auf einem Trapentwurf aus, der höchstens in den Rapparts mit der Snare angedeutet wird. Viel mehr verarbeitet er organische mit elektronischen Elementen und hält sich weitestgehend von klassischen Schemata fern. Kaum ein Part-Hook-Part-Song, wechselnde Instrumentierungen, all das formt einen Rap-Pop-Entwurf, der auf "Raop" und "Melodie" höchstens angedeutet worden war, sich jedoch lediglich auf wenige Elemente und Ideen beschränkt hatte, während auf "tru." eindrucksvoll bewiesen wird, was Pop alles sein und wie er mit Rap interagieren kann, ohne sich dem simplen Rap-Part/Pop-Hook-Prinzip hinzugeben. Auch die Abstimmung zum Textlichen beschreitet unbeschrittene Pfade: Spätestens, wenn der Beat sogar ein "Alle meine Entchen", gesungen von Siri auf "0711", cool klingen lässt, wissen wir, das hier die Raop-Idee auf ein völlig neues Level gehievt wurde, in dem der Rap gleichermaßen auf die musikalische Untermalung zu hören hat wie andersherum. Ob man das als Oldschooler gut finden mag oder nicht; einen Weg zurück gibt es nicht und Cro schreitet im Jahr 2017 allen voraus.


    Fazit:
    Hätte mir vor ein, zwei Jahren jemand gesagt, dass das nächste große Ding von Cro kommt, ich hätte es mir nicht wirklich vorstellen können. Erwartungen übertroffen, einmal meine Vorurteile völlig über den Haufen geworfen und nicht zuletzt Deutschrap alt aussehen lassen. All das leistet "tru." mit Leichtigkeit. Bis auf wenige, klug platzierte, an "808s & Heartbreak" erinnernde Elemente, wie beispielsweise der Einspieler am Anfang von "fkngrt" oder ausschweifende Instrumental-Intermezzi, hat Cro nämlich sein völlig eigenes Werk geschaffen. Allein das würde schon ausreichen, um 90% der Deutschrap-Szene hinter sich zu lassen. Doch damit lange nicht genug: Dieses eigene Album entwickelt das selbst geschaffene Genre weiter und ist schlicht und ergreifend verdammt gut. Wirklich. Ich habe keine Ahnung, was ich daran kritisieren soll. Natürlich, wer suchet, der findet. Das Outro von "baum" nutzt sich nach mehrmaligem Hören ab, bei den Bonustracks tröpfelt "my life" vielleicht zu sehr daher. Na und? Dafür findet man im Rest der Tracks zigmal das, was andere auf eine ganze Diskographie verteilen. Vom "kapitel 1" über grandiose Hits und ein so wuchtiges "computiful", das trotz seiner innewohnenden Geduld auch nicht beim fünften Mal langweilt, bis hin zu "2kx". Über eineinhalb Stunden Spielzeit, von denen sich jede Sekunde lohnt. Selten war ein so langes Album so gut, auch und vor allem, da es auf unnötige Skits verzichtet. Noch Vieles wird über dieses Album geschrieben werden, viele werden Kritikpunkte ausmachen können. Warum viele Tracks so lang sind. Warum Cro auf einmal viel mehr auf Englisch rappt. Warum es mit Bonustracks insgesamt 20 Anspielstationen gibt. Es wird sich in Klischees verhakt werden und Notizen bemüht, doch dieses Werk passt auf keine Abhakliste. Eines wird es daher am Ende doch mit "808s and Heartbreak" gemeinsam haben: Erst Jahre später wird jeder kapiert haben, was da für ein unglaubliches Album geschaffen wurde, ohne Frage das Beste der Karriere Cros, das nicht nur Deutschrap verändern, sondern die gesamte Musiklandschaft hierzulande nachhaltig prägen und, und das ist entscheidend, voranbringen wird in der Größenordnung eines "Stadtaffe" oder "Bambule". Dieses Album ist deutscher Rap 4.0: Nach den 90ern, dem Gangsterrap der 2000er und der erneuten Welle der 2010er-Jahre hat nun Cro ein Werk geschaffen, dessen Einflüsse die 2020er-Jahre dominieren könnten. Das ist die Zukunft, das ist "tru.".



    Max


    [redbew]2270[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2270[/reframe]

    Versuch mal, glaubhaft zu versicher, dass Beleidigungen nicht sittenwidrig sind. Ich würde die Plattform verlassen, sollte ich so eine Nachricht bekommen. Ich lasse doch nicht meine gesetzlichen Rechte von einem Internetforum untergraben.


    Sittenwidrig ist eine rechtfertigende Einwilligung nur bei einer Körperverletzung in bestimmten Fällen gemäß §228 StGB. Das Mittel der rechtfertigenden Einwilligung ist ein absolut übliches Mittel, das wir tagtäglich verwenden: Geht jemand in unser Haus, willigen wir in einen Hausfriedensbruch ein, bei einer OP in eine sogar gefährliche Körperverletzung und so weiter, und so fort. Es ist also nichts Unübliches daran, lediglich in Beleidigung einzuwilligen, wenn man ein Rap-Forum betritt. Ich persönlich finde die Idee gut und hab von Dir noch kein vernünftiges Argument dagegen, nur Pathos und Polemik, gehört.

    Ich werde Mad wählen und freue mich, dass er sogar mit einem Programm antritt.


    Mein einziger Wunsch wäre, dass in Zukunft einfache Beleidigungen – solange es sich weder um Verleumdungen, Üble Nachrede noch Drohungen handelt – nicht mehr geahndet werden sowie ein Kästchen zum verpflichteten Ankreuzen bei der Registrierung bei rappers.in eingeführt wird, mittels dessen man in Beleidigungen, die einen innerhalb des Forums treffen könnten, einwilligt, damit auch niemand mehr aufgrund von beleidigenden Äußerungen im Forum nach §185 StGB strafrechtlich verfolgt werden kann und ein rauerer Ton, der mMn zum HipHop dazugehört, wieder unbeschwerter im r.in-Forum ausgelebt werden kann. Für die bereits registrierten User wäre mein Wunsch, dass jeder eine Nachricht erhält, in der er ankreuzen muss, bevor er sich wieder anmelden kann, dass er sich darüber bewusst ist, dass in einem Rap-Forum auch beleidigende Äußerungen gemäß §185 StGB getätigt werden und er mit der erneuten Anmeldung ins Forum darin einwilligt.


    Danke für die konstruktive Kritik und die Darstellung Deines Eindrucks. Zu den Fragen: Wie auch einige andere Mags, bei denen die Review bereits heute erschienen ist oder noch zeitnah erscheint, hatten wir das Album bereits vorher zur Verfügung gestellt bekommen.
    Wann ein Album zwei Reviews erhält, ist situationsabhängig. Schreibt jemand eine Review und jemand anders möchte unbedingt noch seinen Senf dazugeben und eine Bewertung verteilt, die sich um mindestens 2 Mics unterscheidet, dann kann man noch eine Gegenreview schreiben.

    Es ist 2017 und die HipHop-Welt hat immer noch nicht einstimmig den besten Rapper der Welt wählen können – natürlich ist das auch gut so. Das Problem bei dem Ganzen ist nämlich, dass es kein einziges objektives Kriterium gibt, anhand dessen man den "besten" bestimmen könnte – wer der beste ist, ist hochsubjektiv, damit müssen wir uns auch in Zeiten des Silbenzählens abfinden. Daher wollen wir einen kleinen Ein- oder Überblick über die vielseitigen Facetten des Fanseins und des Raps in 2017 geben und deswegen werden einzelne Mitglieder der Redaktion ihren Lieblingsrapper vorstellen; absolut subjektiv, ohne auf Dauer angelegt zu sein und voller Fanboytum. Viel Spaß!



    Er ist nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern besticht immer wieder die Öffentlichkeit durch Äußerungen, Skandale und seine berühmte Familie – im positiven wie im negativen Sinne. Dabei verrennt er sich oft, leistet sich gerne mal einen Fehlschlag und wirkt gerade in letzter Zeit irgendwo zwischen Halb-Beef mit Ziehvater Jay Z, dubiosen Treffen mit Trump, angeblicher Trennung von seiner Frau und Pleitegerüchten verloren und rastlos – kann man so jemanden überhaupt noch ernsthaft für den Besten halten? Was unterscheidet diesen Ausnahmekünstler denn noch von anderen, großen Musikern des 21. Jahrhunderts?


    Let me know/
    Do I still got time to grow?/
    Things ain't always set in stone/

    (Kanye West auf "Street Lights")


    Zugegeben: Meine Wahl ist relativ offensichtlich. Um den meiner Meinung nach besten Rapper im weiteren Sinne zu finden, muss ich gar nicht tief in die Trickkiste greifen und jemand Unbekannten vorstellen. Kanye West ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt und er macht keinen Anschein, sich zurückzunehmen, was für mich gerade eine derjenigen Eigenschaften ist, die ihn zum meiner Meinung nach besten Rapper unserer Zeit machen. Denn was ist ein guter Rapper? Für mich ist das eine Mischung aus Aspekten, deren Prioritäten glücklicherweise jeder subjektiv beurteilen muss. Einigen reichen beispielsweise gute Reime, ein schneller Doubletime und manches ausgefuchste Wortspiel – das Ganze auf einer gesamten Diskographie abgespult, fertig ist der beste Rapper. Andere wiederum ziehen eine kommerzielle Sichtweise heran, was einen Drake wohl unumgänglich machen würde. Schwierig wird es erst, wenn man versucht, kommerzielle, technische, aber auch inhaltliche oder künstlerische und dann noch zahlreiche andere Gesichtspunkte unter einen Hut zu bringen und irgendwie zu bewerten; global werden dann wohl schnell Namen wie Kendrick Lamar (Technik, Inhalt und mit Blick auf die Black-Lives-Matter-Bewegung eine hohe Relevanz) oder eben Kanye West fallen. Und ich möchte erklären, warum gerade er für mich (und dem Anschein nach viele andere) im weiten Sinne der beste Rapper der Welt ist.
    Vorab muss ich einen Abstrich machen, denn ausschließlich als Rapper ist Kanye natürlich nicht der beste. Würde man nur auf Parts ohne Instrumental schauen, wären ihm ein Kendrick oder Eminem immer noch weit voraus, der Flow eines A$AP Rocky viel lockerer als seiner und selbst, wenn es um das Prägen einer musikalischen Bewegung geht, würde ich einen Lil Wayne noch über Kanye einordnen. Der Unterschied ist jedoch, dass er all das trotzdem in seiner Gesamtheit beherrscht und bewiesen hat. Er rappt nicht am besten, aber er rappt sehr gut, schaut man doch gerne auf Parts von "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" oder auf das Duett mit Kendrick auf "No More Parties in LA". Er hat sicherlich nicht eine ganze Bewegung geprägt wie ein Lil Wayne, sein "808s & Heartbreak" und später "Yeezus" übten dennoch einen gigantischen Einfluss aus, weit über die Grenzen der Rapszene hinaus. Sicherlich ist er kein Karl Lagerfeld und kein Donald Trump, geht es jedoch um Mode, um Promi-Dasein, um Selbstdarstellung, ist der Chicagoer trotzdem ein absoluter Großmeister und lässt jeden Kollegen auf langer Strecke hinter sich. Selbst ein Drake mit seinen wechselnden Liaisons und dem Engagement in der NBA oder ein A$AP Rocky mit diversen Werbeverträgen können da kaum mithalten – Kanye und seine Familie bedeuten Action, das kann man gut finden, man kann es als reißerisch abstempeln; jedenfalls hat sich jeder schon mal ein Urteil zu dem Clan gebildet. Welcher Rapper hat sonst in diesem Jahrtausend, ja vielleicht überhaupt sowohl musikalisch als auch in der Öffentlichkeit ein so tiefgreifendes Standing entwickelt wie Kanye West? Mir will beim besten Willen niemand einfallen, den ich gewissenhaft daneben stellen könnte. Man könnte fast sagen: Kanye ist in so ziemlich allem, was Rap angeht, der zweitbeste, er steht auf der zweiten Stufe, holt sich Silber in allen Kategorien – in wiederum allem, was nicht direkt mit Rap zu tun hat, holt er Gold. Das ist es, was ihn in meinem Verständnis von all seinen Kollegen so signifikant unterscheidet.


    [YOUTUBE]wMH0e8kIZtE[/YOUTUBE]


    Dabei zeigt er großen Mut: Es gehört schon eine gehörige Portion Kreativität und Überzeugung dazu, sich immer wieder neu zu erfinden. Noch viel mehr braucht man davon, um dies auch noch unter einem derart hohen kommerziell-öffentlichen Druck zu tun, wie es der 39-Jährige erlebt hat und wohl immer noch erlebt. Kanye wirft mit jedem Album alles mindestens einmal über den Haufen, dreht und wendet es, manchmal packt er es an seinen alten Platz zurück, manchmal dreht er es um, oft tauscht er es ganz aus. Spätestens seit der Blaupause moderner Rapmusik, "808s & Hearbreak", das erst jetzt, 10 Jahre später, von vielen als der unumstößliche Meilenstein anerkannt wird, der es zweifellos ist, wäre es fast schon eine Neuheit, würde er ein zumindest vom Grundkonzept ähnliches Album wie ein voriges machen. Überhaupt "808s & Heartbreak". Was war das bitte für ein Album? Ein Jahr, nachdem "Graduation" Rap und Pop endgültig salonfähig gemacht hatte (im Gegensatz zu Eminem, der sich lediglich beider Elemente bediente, jedoch noch Rap-Part und Pop-Hook signifikant trennte) und dadurch den Anfängen des Rappers im Wesentlichen bestehend aus "The College Dropout" und "Late Registration" einen würdigen Trilogie-Abschluss gegeben hatte, warf er im November 2008 noch einmal alles über den Haufen. An anderer Stelle wurde dieses Album schon angemessen und häufig gewürdigt, sodass ich mich hier kurz fassen möchte: Die riesigen privaten Einschnitte, nämlich die Trennung von seiner langjährigen Freundin und Verlobten Alexis Phifer sowie der Tod seiner Mutter Donda, der ihn ebenfalls noch lange in seiner Musik prägen sollte, führten zu einem Album voller Schmerz und Resignation, das sich jedoch nicht in Selbstmitleid suhlte, sondern dessen Tracks zwar dicht gefüllt sind mit persönlichen Texten, jedoch ebenso musikalischen Leitfäden wie den zahlreichen Pop-Anleihen und der namensgebenden Drum Machine Roland TR-808, die auf allen Instrumentals Anwendung fand (Kanye selbst nennt jedoch lediglich banale Gründe, nämlich die Vorwahl eines Hotels für den Namen des Albums). Damals auf höchst gemischte Kritiken stoßend (so nannte es der SPIEGEL eine "Pleite von Album", während beispielsweise Pitchfork zumindest das Potential des Albums erkannt hatte – "much larger and brasher than it would first appear"), wird es heute nahezu einhellig als eines der einflussreichsten Alben der neueren Rap-Geschichte gesehen.
    Doch Kanye wäre nicht Kanye, wenn er das nicht noch einmal übertroffen hätte: Denn aus heutiger Sicht mag "808s & Heartbreak" das einflussreichere sein, zeitgenössisch betrachtet ist das zwei Jahre später erschienene "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" jedoch das, was man als Magnum Opus des Musikers bezeichnen würde. Er selbst nannte es in all seiner Bescheidenheit "perfekt" – und das ist es auch. Wie auf einen Schlag wurde es Teil einer erlesenen Zahl von Langspielern, die sowohl von Kritikern als auch Fans in höchster Manier gelobpreist wurden, mittlerweile lassen sich andere Rap-Alben, die der Größenordnung dieses Werks gerecht werden, an einer Hand abzählen. Für mich ist es bis heute leicht eines der besten drei der HipHop-Geschichte, wenn nicht gar das beste: Kein Album vereint die verschiedensten Facetten von Rap so passgenau und vollkommen wie diese 13-Track-starke Platte, die auch sieben Jahre später nicht mal ein Quäntchen ihrer Hörbarkeit und Relevanz eingebüßt hat. Es ist, zum Beispiel im Gegensatz zu einem "Illmatic", "The Blueprint" oder vielleicht auch "To Pimp a Butterfly", kein Album, das Du einem Rap-Neuling zusammen mit einer zweiminütigen Erklärung über die Großartigkeit dessen, was er in der Hand hält, vorspielst – Du spielst es einfach. Und extrem viele werden es mögen, werden ihre eigenen Zugang finden, der Dir selbst vielleicht auch nochmal eine neue Sichtweise eröffnet. Diese Platte war der absolute Höhepunkt, über sechs Jahre nach dem Debütalbum. Nur natürlich war es daher, dass außer dem einfachen Abstauber "Watch the Throne" drei Jahre lang nichts von Kanye kam, um dann 2013 mit "Yeezus" zurückzukehren. Was genau dieses Album noch für einen Einfluss haben wird, muss die Zeit zeigen, ein aktueller Blick auf die neueste Musik von einem Casper, verschiedene Entwicklungen im Grime oder auch das im September 2016 erschienene "22, A Million" von Bon Iver lassen jedoch die enorme Tragweite vermuten, die auch dieses Album wieder nachhaltig haben könnte.
    Dazu kommt sein großes Gespür für andere Musiker. So scheint es schon seit Längerem unter Rappern zum guten Ton zu gehören, das "nächste große Ding" selbst zu entdecken – machte doch Kanye selbst unter der Ägide eines gewissen Jay Z erste Anfänge im größeren kommerziellen Musikbereich. Die Liste an denjenigen, die sich wiederum Kanye in die Vitrine stellen kann, ist lang: Kid Cudi, Lupe Fiasco, John Legend, Pusha-T, Chance the Rapper, Desiigner, Vic Mensa, vielleicht Bon Iver. Die Liste an Künstlern, die ihn als Inspiration nennen, ist noch länger und lässt sich schon nach kurzer Recherche mit dem Who-is-Who der internationalen Künstlerszene spicken. So führen ihn bei der Frage nach Einflüssen unter anderem Drake, Paul McCartney, Nicki Minaj, Adele, Lily Allen, die Arctic Monkeys, Lorde oder auch der bei Kritikern beliebte James Blake und U2 an. Das mag bei vielen Rappern so sein – jedoch nur Kanye arbeitet sich so quer durch die verschiedensten Genres, dass Rock, Pop, Indie und viele andere sich von dessen Musik inspirieren lassen können. Oft vergessen dabei: Nicht nur sein maßgebliches Werk als Rapper, sondern gerade auch als Produzent. In seinen frühen Jahren nämlich, schon lange vor seinem Debütalbum, produzierte Kanye für Größen wie Jay Z oder Foxy Brown. Das Rezept? Harte, lange Arbeit. Bereits seit er 9 Jahre alt war, soll er rappen und produzieren, machte sich in seiner Heimatstadt Chicago Schritt für Schritt einen Namen, bis er an Jay Z geriet und mit einigen Produktionen für dessen "The Blueprint" den Durchbruch schaffte. Dabei stammt Kanye West selbst aus einer gutbürgerlichen Familie – aus dem klassischen HipHop-Traum vom Aufstieg aus den tiefsten amerikanischen Ghettos machte er eine Chance für jeden, unabhängig von der Herkunft und vor allem dem sozialen Status. Für viele hat er damit HipHop verraten, für andere hat er ihn damit aus einer lang anhaltenden Lethargie gerettet, die nicht zuletzt durch die starren, kulturell anerkannten Grenzen entstanden war, die der HipHop in den USA sich selbst bis Anfang der 2000er-Jahre gegeben hatte.


    And I always find, yeah I always find something wrong/
    You been putting up with my shit just way too long/
    I'm so gifted at finding what I don't like the most/
    So I think it's time for us to have a toast/
    (Kanye West auf "Runaway")


    Und nun? "The Life of Pablo" ist mittlerweile über ein Jahr alt, was auch heutzutage lange nicht ausreicht, um ein Kanye-Album abschließend einschätzen zu können. Interessant war vor allem aus künstlerischer Sicht jedoch die immer wiederkehrende Überarbeitung und teilweise gar das Einfügen von Tracks durch Nutzen der Streamingdienste. Ist das die Zukunft der Musik? Wird es auf lange Sicht das abgeschlossene, irgendwie einzuordnende Album nicht mehr geben, sondern nur noch einem Prozess unterliegende Komplexe? Drake versuchte, dies durch seine "More Life"-Playlist aufzugreifen, letztlich kam dabei jedoch nur eine Mixtape-artige Sammlung an Tracks heraus, die sich seitdem jedoch weder erweitert noch verändert oder reduziert hat. Daran ändert auch das große Drumherum nichts, mit dem Drake versucht hatte, seinem neuen Release eine Art von Avantgardismus zu verleihen – den Fortschritt blieb er bisher schuldig. Wir müssen wohl wieder auf Kanye warten, um im großen Stile eine Veränderung in diese Richtung zu erleben. Für Anfang 2018 soll jetzt etwas angekündigt worden sein – ob Album, Mixtape oder etwas ganz Anderes und inwiefern dies in die Pablo-Tour passt, bleibt abzusehen. Es bleibt jedoch eine große Spannung, die selbst 13 Jahre nach dem Debut nichts an ihrer Berechtigung unter Fans und Kritikern eingebüßt hat.


    [YOUTUBE]Ge33hrlN2Uc[/YOUTUBE]


    Klar ist natürlich, dass es schon vor Kanye West einflussreiche Alben und Künstler gab und es sie auch nach ihm noch geben wird, die verschiedenen Vorlieben kann man da ewig diskutieren. Zum besten Rapper wurde er für mich erst durch Veröffentlichung seiner Yeezy-Kollektion, sein viel kritisiertes Einspringen für Beyonce bei den MTV Video Music Awards 2009, seine Äußerung über George W. Bush in einer Nachrichtensendung ("George Bush doesn’t care about black people") und zahlreiche andere Kontroversen. Seine Äußerung, Präsident der USA werden zu wollen, nicht zu vergessen. Fehlgriffe? Klar. Teils diskriminierende Äußerungen oder Verschwörungstheorien waren gerade in Anfangszeiten gerne Teil seiner Selbstdarstellung. Doch ihn deswegen verurteilen? Vielleicht macht ihn gerade auch sowas menschlich. Wir alle sind vielleicht mal das, was jemand anders unter "sexistisch", "rassistisch" oder einfach "diskriminierend" abtut, versuchen wir doch gerade, jegliche Regung irgendeinem Denkmuster unterzuordnen. Jemand ist eben nicht mehr einfach unfreundlich, griesgrämig oder gemein; er ist sexistisch, rassistisch, x-phob oder was auch immer. Kanye kann mit Sicherheit auch ein Arschloch sein und trifft nicht immer den Nagel auf den Kopf wie beispielsweise ein Kendrick Lamar. Aber es gibt kaum Konventionen, denen er sich unterwirft – nicht nur musikalisch, seinen Freigeist trägt er genauso als Persönlichkeit in sich, was ihn umso realer macht. Fehlgriffe sind dabei vorprogrammiert, andererseits kann da jedoch auch mal ein Schuh herauskommen, um den sich eine gesamte Generation reißt. Viele Facetten, kein Gut, kein Böse – das ist nicht immer einfach, aber das ist unsere Zeit. Und das ist Kanye.


    Kanye West ist eine Geschichte. Die Geschichte einer mittlerweile äußerst ansehnlichen Diskografie, die sich auch im Jahr 2017 immer noch problemlos durchhören lässt. Die Geschichte eines Musikers, dessen Einflüsse wohl nicht einmal durch die in ihrem enormen Umfang eingeschätzt werden können, die er beeinflusst hat. Es ist jedoch genauso die Geschichte eines getriebenen Mannes, der irgendwo zwischen zutiefst gestärkter Künstlerhaltung, inbrünstiger Liebe und nicht zu brechender Überzeugung, aber auch großer Emotionalität, Verwirrtheit und manchmal eben diesem kleinen Stück Selbstliebe zu viel seinen Platz in dieser Welt sucht – so wie jeder andere von uns eben auch. Wir tun das meiste davon in uns, er trägt all dies nach außen und gibt allem, was in seinem Kopf und seinem Herzen ist, ein Ventil, ob Macken, ob Hass, ob Liebe, ob Irrationalität. Er ist der nahbarste Unnahbare unserer Zeit.


    (Max)


    [YOUTUBE]WibQR0tQ0P8[/YOUTUBE]


    Das witzigste ist: Fler gibt soviele Interviews und erzählt so häufig, dass seine Musik gut und kreativ ist, dass die Menschen es einfach anfangen zu glauben...


    Unabhängig vom Rest: Das ist einfach so dermaßen wahr.

    Selbst Reime objektiv an ihrer Silbenanzahl bewerten zu wollen ist kompletter Schwachsinn. Ein Reim ist nicht gut, nur weil er viele Silben hat. Genauso ist ein Doubletime nicht gut, nur weil er schnell gerappt ist. Wenn du ein sauberes, ästhetisches Nomen mit einem anderen Nomen reimst, dann ist das schon einige Stufen schwieriger, als so was wie "Bandenkrieg, Waffe zieht, Krasser G', Ladendieb" etc. zu reimen. Es komm nebenbei auch auf die Aussprache des Wortes an und wie es klingt. Man findet in Spongebozz Texten auch immer wieder Wörter (dasselbe Problem hat auch Kollegah), die es gar nicht gibt bzw. die so kein normaler Mensch sagen würde. Alleine Begriffe wie "Mafiagangster" gibt es eigentlich gar nicht. Entweder Mafiosi und ein Mafiosi ist schon gleichzeitig ein Gangster. Natürlich kann man das von mir aus so nennen, aber man merkt, dass da einfach noch ein Wort hinzugefügt wurde, damit sich am Ende paar Silben mehr reimen. Abgesehen von den Themen, an die sich sowohl Kollegah und Spongebozz bedienen können - die haben nämlich nicht wie z.B ein Shindy (der auch meistens kein richtigen "Inhalt" hat) einen halbwegs roten Faden. Da geht es von Playershit, über Gangbangshit bis hin zu, dass sie Autoreifen durch die Gegend schmeißen. Oder Spongebozz alias Sun Diego, der allergrößte Lauch, bezeichnet sich selbst als "Kante".. Die rappen vom Themenfeld her wie jeder Rapanfänger.


    Außerdem sagt er immer das gleiche und das immer auf die gleiche Art und Weise. Das ist nicht schwierig, ein Raptext in guter Technik zu verfassen, wenn ich nur auf die Reimsilben achten muss und dann einfach irgend ein abstrakten Film fahren kann.


    Auch dieser komisch, sinnlose Doubletime - was ist daran krass, einfach schnell zu rappen? Es muss sich doch letztendlich, gerade bei Doubletime, auch gut und melodisch anhören. Deswegen muss da doch auch mal ein gewisser Rythmus rein. Aber das ist auch fast immer gleich gerappt. Er kriegt es wenigstens noch im Takt hin, aber da gibts so einige andere Kandidaten, die einfach nur schnell rappen, ohne jeglichen Sinn und mann versteht kein einziges Wort noch hört sich das in irgendeiner Form gut an und die werden sogar noch gefeiert "Boha, krath dikkaaa, der kann voll schnelll reppen tzüüüüsch"....


    Du sagst da echt viel Richtiges, dazu kommen ja noch sprachliche Kriterien, also bspw. die Zahl der verschiedenen Wörter, die man benutzt, teilweise auch die Wörter und Ausdrücke, die man selbst etabliert (ein "Babo" von Haftbefehl oder Moneyboy-Sprache kulturell betrachtet hundertmal mehr wert als die Diskografie von einem Spongebozz) und und und. Wenn man irgendwas objektiv bewerten wollte, gibt es halt auch noch so zig andere Kriterien, die man vermeintlich objektiv messen könnte – dadurch ist dieses Silben- und Doubletimegeflexe nur Effekthascherei.



    Die Marketingstrategie eines der kommerziell erfolgreichsten deutschen Rapper aller Zeiten scheint wieder einmal aufzugehen: War er auch schon vor seinem zweiten Werk "Melodie" von den medialen Plattformen verschwunden, so ließ er sich auch diesmal Zeit, bis er mit "Baum" völlig neue Wege einzuschlagen schien. Nun wurden auf den gängigen Streaming-Plattformen weitere Informationen veröffentlicht. Neben der neuen Single "Unendlichkeit" findet sich dort auch eine Tracklist, ein Releasedate und ein Name für das kommende Album: Demnach wird "fake you." voraussichtlich am 08. September dieses Jahres erscheinen, die (womöglich vorläufige) Tracklist im Folgenden:


    01. Last Chapter
    02. Low
    03. Derbe wack
    04. fake
    05. Heubach
    06. Nada
    07. Baum
    08. Unendlichkeit
    09. Läuft nicht
    10. 17
    11. Analog
    12. Schon weg
    13. Erdling
    14. 987653456786345678
    15. Fast lane
    16. real
    17. Jetzt
    18. Niemand
    19. Ran
    20. dumb


    [spotitrack]spotify:track:5caMCe2gq8y72GVUEQEonQ[/spotitrack]


    Quelle


    [azlink]Cro MTV Unplugged[/azlink]


    [pushit]20798[/pushit]


    Deutschland, Europa, nein, die ganze Menschheit ist in Gefahr. Rechtsruck, Klimawandel, Armut, ach, jeder wird diese Aufzählungen kennen; es sind jedenfalls bewegte Zeiten, in denen so mancher sich und anderen gerne einredet, wir stünden vor dem Abgrund. Antworten darauf suchen viele an unterschiedlichen Stellen: rechts im Nationalen, links mit Forderungen an den Staat oder eben auch in der Kunst. Und da kommt Rap ins Spiel. "Würdest du dich als politischen Rapper bezeichnen?", "mach doch mal was Ordentliches anstatt immer nur über Koks und Waffen" "zeig doch mal Haltung!". Rap sieht sich schon in seinen Ursprüngen mit diesen Vorwürfen der Bedeutungslosigkeit, spätestens seit Aggro Berlin auch in Deutschland, konfrontiert – doch seit einiger Zeit kommen eben diese Aufrufe nicht etwa vom ZDF oder einem beleidigten Politiker; mittlerweile kritisieren auch Rap-Journalisten und Künstler selbst andere dafür, sich nicht aktiver zu zeigen, ihre Musik nicht politischer zu machen oder keine klare Haltung einzunehmen. Doch ist das überhaupt das, was wir von Rap verlangen können?


    HipHop war schon immer politisch. Er ist hochpolitisch entstanden, hat sich so entwickelt und wer im Jahre 2017 die politische Relevanz eines Kendrick Lamar leugnen möchte, sollte sehr gute Argumente dafür haben. Dabei ist jedoch nicht nur ein Text über Mehrwersteuer, Umweltpolitik oder eben Polizeigewalt ein politischer Text. Die Geschichte über die Kindheit in Compton, den Drang, etwas aus sich selbst zu machen oder den jahrelangen Frust des Nicht-Gehört-Werdens in Berlin – sie sind mindestens genauso ein politisch relevantes Thema, selbst, wenn der Rapper es ursprünglich gar nicht so gemeint hatte. Allein dadurch, dass bestimmte Werte eine Musikrichtung, gar eine ganze Kultur definieren, wird sie politisch: Wer authentisch etwas von sich erzählt, vielleicht nur von der exzessiven Party oder seinem guten Lebensstil, sendet eine Message, sei sie noch so scheinbar profan. Denn das ist es doch, was im HipHop vielleicht zurück bis zu seinen Ursprüngen verwurzelt ist: Authentizität. Sie macht jede noch so simple Story politisch, indem man sie gar als Gegenentwurf zum Gegenentwurf, jedenfalls aber als Statement verstehen kann. Jüngst erregte Lil Uzi Vert Aufsehen, weil er sich über Tupac lustig machte und erntete grobe Kritik von zahlreichen Rappern; auch das ist Politik. Doch genau das ist es nicht, was heutzutage ein Savas meint, wenn er Rapper zur politischen Haltung auffordert oder was verschiedene Rap-Journalisten erreichen wollen – sie wollen klare Kante gegen AfD und Co., am besten einen gemeinsamen Mittelfinger, Refugees-Welcome-Sticker überall und ein Spendenkonzert gegen rechte Gewalt in Deutschland, auf dem jeder Rapper auch über sein Ehrenamt erzählt und wie er mit anderen nicht nur durch seine Kunst gegen das vorgeht, was uns eben angeblich allen in dieser Gemeinschaft zu hundert Prozent gegen den Strich geht.


    [youtube]EkT5F7RLiB0[/youtube]


    Doch dass Rap politisch ist, heißt eben gerade nicht, dass man dies auch von ihm fordern kann, wenn es einem passt. Er ist politisch, weil einige Rapper politisch sind, weil eben einige Menschen politisch sind. Wann und wie sie sich äußern wollen, dürfen und sollen gerade diejenigen entscheiden, die diese Musik machen. Genau deswegen lieben wir sie doch auch so, diese Kultur, weil in ihr eben nicht jeder genau das sagt, was andere hören wollen, sondern das, worauf man nunmal gerade Lust hat; das gibt einem Song über Koks und Nutten den ("objektiv" – was man selbst präferiert, möge man für sich entscheiden) gleichen Wert wie einem Song voller Gesellschaftskritik. Nebenbei vergessen wir gerne einmal, wenn wir Rapper zum Politisch-Sein auffordern, dass wir das auch nur solange gut finden, wie die Meinung des Rappers unseren eigenen Ansichten entspricht. Wir suchen uns in diesem Anspruch nur die Bestätigung des eigenen Denkens – die tatsächliche Forderung ist doch nicht "zeig endlich mal Haltung und äußere deine Meinung", sondern vielmehr meinen wir "zeig meine Haltung und äußere meine Meinung"; oder käme irgendwer auf die Idee, einen Makss Damage dafür zu loben, dass er Haltung zeigt? Solange uns KIZ von utopischen kommunistisch-anarchistischen Ideen erzählen und Eko Fresh sich über Frauke Petry lustig macht, sehen wir Haltung nur zu gern. Doch was ist mit den 20 Prozent in Sachsen oder dem zumindest nicht verschwindend geringen Anteil an Leuten, deren Meinung ich zum Beispiel gerade nicht teile und die sich politisch jedenfalls nahe der AfD wiederfinden? Wollen wir deren Haltung auch um jeden Preis im HipHop haben?


    Versteht mich dabei nicht falsch: Dass man sich politisch positionieren sollte und dass dies wohl in einer Demokratie in gewissem Maße für ihr Fortbestehen und ihre Entwicklung entscheidend sein kann, will ich unterstreichen. Doch das sind zwei Paar Schuhe. Jeder sollte politisch(er) werden oder sich zumindest interessieren. Dazu gehören natürlich auch Rapper. Aber das heißt doch gerade nicht, dass speziell Rapper in ihrer Musik und ihrer Erscheinung politisch sein müssen. So bleibt auch das Zitat von Falk Schacht hängen, an dem ich sehr viel Wahres finde und dass er auch mehrmals erläutert hat, was sich leicht im Internet finden lässt: "Von Rappern zu fordern, politischer zu werden, ist wie von Politikern zu fordern, musikalischer zu werden." Dies könnte man als Widerspruch verstehen: Zwar ist Rap politisch, jedoch dürfe man dies nicht von ihm verlangen. Doch genau das macht ihn zum politischen Thema. Er ist eben politisch, weil er echt, weil er authentisch ist und sich nicht vorschreiben lässt, wann er sich auf welche Weise wo zu positionieren und zu verhalten hat. Das mag für einige schmerzhaft sein, freuen sie sich doch jedes Mal wieder über einen neuen "Nazis sind doof"-Track, doch wenn wir Rap so lieben, wie er ist und seine Vielseitigkeit und Eigenheiten schätzen, dann müssen wir ertragen, dass jeder Rapper so (bewusst) politisch sein kann, wie er will. Es ist ihm selbst überlassen, wie er seine Musik handhabt – das nämlich ist mein Verständnis von HipHop. Bist Du der Meinung, in zweimal 16 Bars ein gesellschaftliches oder politisches Problem ausreichend beleuchten zu können und in einer der Komplexität der Thematik gerecht werdenden Anzahl von Perspektiven zu argumentieren? Okay, dann mach das gern. Aber hör auf, andere zu verurteilen oder ihnen gar erzählen zu wollen, worüber sie zu rappen haben – denn manchmal kann gerade eine eigene Geschichte voller Ehrlichkeit und Persönlichkeit viel politischer sein als jeder noch so mit Eloquenz aufgedunsene Text. Und so lange wir im Rap nicht regelmäßig Essays lesen und erörtern wollen, müssen wir uns wohl damit abfinden, einige sollten sogar wieder lernen, wie gut es sein kann, dass Rap nicht immer zwanghaft Gesellschaftskritik ist. Für die anderen gibt es ja noch die Antilopen Gang und KIZ. Eigentlich mag ich kein Deutschrap, aber die sind schlau, die finde ich gut.



    (Max)