Beiträge von Max

    Ich muss tatsächlich sagen, dass es dieses Jahr nicht einen Film gibt, den ich mit mehr als 8 oder 9 bewerten würde. Ich glaube, das war das schlechteste Kino-Jahr, das ich bewusst erlebt habe. Die Marvel-Filme wurden noch schlechter, als sie eh schon waren, in Deutschland gab es nur Mist, allem voran den völlig überschätzten und eintönigen Fatih-Akin-Film sowie sonst nur Aufgewärmtes vergangener Zeiten in schlecht umgesetzt (Es, Jigsaw,...). Bin wahnsinnig enttäuscht und spontan ist mir nichts im Kopf hängen geblieben. Vielleicht Dunkirk, aber nicht einmal davon war ich vollkommen überzeugt. Elle ist noch hängengeblieben, der ist ja zumindest in Deutschland im Jahr 2017 erschienen, Blade Runner war noch okay, aber eben leider auch wieder nur ein Anknüpfungspunkt an Nostalgien. Get Out war okay.
    Hoffe auch sehr auf die Oscar-Saison, die Golden-Globe-Nominierungen versprechen schon einmal einiges, allen voran freue ich mich als Day-Lewis- und PTA-Fan natürlich auf Phantom Thread, bei dem ich große Erwartungen hege.



    OT: Dunkirk 7/10, Elle 8/10, Blade Runner 2049 7/10


    Fifty Shades of Grey 2/10 (wie kann ein angeblich grenzüberschreitend-sexueller Film so steril und langweilig sein),
    Baywatch 3/10 (springt komplett pornographisiert (nicht pornographisch) von Reiz zu Reiz, ohne irgendwo interessant oder lustig zu werden)
    Wonder Woman 2/10 (lächerlich, dass sowas im Marvel-Universum als feministisch gefeiert wird, unabhängig davon ist der Film jedoch einfach genauso schlecht wie jeder andere Marvel/DC-Quatsch nach der Dark Knight Trilogie und den ersten zwei Iron Man)


    Zur Erläuterung sei erwähnt, dass jeder in unserem internen Wertungsystem zur Ermittlung der Alben des Jahres eine Top 10 aufstellt und dann in 2er-Schritten bewertet. Also hat Platz 1 20, Platz 10 2 Punkte. Folglich werden auch wir zwischen den Feiertagen noch in einigen Kategorien unsere Highlights des Jahres küren bzw. haben diese bereits ermittelt und sortiert und droppen sie dann.


    01. Walk on Water feat. Beyonce
    02. Believe
    03. Chloraseptic
    feat. PHRESHER
    04. Untouchable
    05. River
    feat. Ed Sheeran
    06. Remind Me (Intro)
    07. Remind Me
    08. Revival (Interlude)
    09. Like Home
    feat. Alicia Keys
    10. Bad Husband feat. X Ambassadors
    11. Tragic Endings feat. Skylar Grey
    12. Framed
    13. Nowhere Fast
    feat. Kehlani
    14. Heat
    15. Offended
    16. Need Me
    feat. P!nk
    17. In Your Head
    18. Castle
    19. Arose


    Da ist es endlich, das Album, auf das alle gewartet haben. Artikel wurden geschrieben, Prognosen erstellt, Fans campen vor den Läden oder der F5-Taste und drehen völlig durch. Oder? Denn irgendwie kam es nie so richtig zu einem Hype. Es ist stiller geworden um den einstigen Megastar, der große Hit, schon Tradition bei Promophasen von Eminem, blieb völlig aus, ein kleiner Acapella-Anti-Trump-Internet-Hype, ansonsten wenig Wind und stoisch schritten wir fort Richtung Releasedate. Selbiges wurde von Dr. Dre ohne viel Tamtam im Vorlauf verkündet, ein Video zu einem Song gab es gar nicht. Eigentlich ein sympathischer Schritt, gerade mit Blick auf Promophasen östlich des Atlantik. Doch warum hat sich Eminem dafür entschieden? Will er in den USA mit der Zeit gehen, die Musik vollkommen ohne Drumherum auf die Fans wirken lassen; oder ist er vielleicht selbst nicht zu 100% überzeugt vom Nachfolger von "Relapse" und "Recovery"? Fehlte vielleicht die absolute Inbrunst, der letzte Schliff zur völligen Überzeugung? Nehmen wir mal vorweg: Inbrunst werden wir definitiv nicht vermissen.


    Denn Eminem schreit und schreit und schreit. Keine Ruhepausen, kein "Drips", das in seiner Lässigkeit zum Klassiker geworden ist. Der Interpret winkt nicht mit dem Zaunpfahl, er drischt auf uns ein. In den besten Momenten erinnert das tatsächlich an Hits aus "Recovery"-Zeiten, in den schlechtesten wirkt es wie das einzige Stilmittel, das Marshall Mathers noch in seinem Repertoire zu vermuten scheint und das nutzt sich schnell ab. Umso wohltuender ist dann "Believe", das zwar im ersten Drittel des Albums aufwartet, jedoch dank eines variablen Flows und interessanten Beats (die Snare dürfte uns allen bekannt vorkommen) etwas Entschleunigung im besten Sinne verspricht und so zum frühen Highlight des Albums wird. Musikalisch bleibt alles Nachfolgende dann ohne Hand und Fuß, einige eingängige Pop-Hooks von Featuregästen wie Ed Sheeran oder Skylar Grey bleiben hängen, vermitteln jedoch den Eindruck, dass Eminem sich da umso wohler fühlt, wo ihm geholfen wird, die volle Verantwortung eines Songs zumindest in Teilen nicht alleine tragen zu müssen. Es scheint, als wollte der Protagonist lieber Featuregast auf dem eigenen Album bleiben, als völlig allein für Hits und Rap gleichzeitig zuständig sein zu müssen. So kommt es auch, dass Eminem selbst nicht eine einzige eingängige Hook, nicht einmal einen melodischen Part bastelt, um so an frühere Zeiten anzuknüpfen. Hängen bleiben daher vor allem technische Spielereien wie der x-te Doubletime oder irgendeine Reimkette – Fähnchen im kalten Nordseewind. Am enttäuschendsten und gleichzeitig sinnbildlichsten wird es dann, wenn Songs nicht gesamplet, sondern gecovert und leicht variiert wurden, die sich genau in dem unbeliebten Stadium zwischen "Aktuell-Cool" und "Retro-Cool" befinden. Beispiele: "Zombies" von den Cranberries auf "In Your Head" und "I Love Rock 'n 'Roll" von Joan Jett (ja, ernsthaft) auf "Remind Me". Eminems Vorliebe für Rockelemente wird noch deutlicher, bedenkt man, dass sein Stimmeinsatz immer mehr in Richtung eines Heavy-Metal-Sängers geht. Hinzu kommen eine völlig verblassende und überschätzte Pink, die Anerkennung mittlerweile so dringend braucht, dass sie private Details ausplaudert und für diesen angeblichen Mut auch noch große Bewunderung erfährt, und Rising Star Kehlani, deren Beitrag völlig untergeht.


    Wire bound notebook got tied around your throat/
    Hook it inside your mouth, go – hruh/
    That's what it's like when the mic is out/
    'Cause I'm tearin' at your flesh with it/

    (Eminem auf "Chloraseptic")


    Textlich wird es nur dann interessant, wenn Eminem sich auf seine beste Referenzgröße besinnt: sich selbst. Das führt zu ein paar Höhepunkten wie auf "Arose" oder "Offended", die wenigstens in Zwischentönen hervorblitzen lassen, welch Lockerheit und Ignoranz Slim Shady einst zu diesem Monstrum von Rapper gemacht haben – doch diese Zeiten scheinen angesichts der Inhalte auf "Revival" weiter weg als je zuvor. Er selbst wird das am besten wissen, äußerte er sich doch auf "Guts Over Fear" schon entwaffnend ehrlich über die eigene Themenlosigkeit und das Älterwerden. Doch statt dies selbst in Inhalt umzuwandeln, fischt Marshall Mathers lieber im Trüben des Phrasenpools. Gerne beschwert er sich über Rap 2017, oft driftet es so stark in die Verherrlichung vergangener und die Verachtung gegenwärtiger Zeiten ab, dass man sich fragt, wo in der Denkweise eigentlich die Differenzen zwischen ihm und dem so verhassten US-Präsidenten liegen. Klar: Eminem ist mit Sicherheit weit entfernt von Narzissmus und Ausgrenzung. Dennoch hätten sich Zeilen wie "Make Rap Great Again", wären sie nicht durch den Wahlspruch so vorbelastet, gut auf diesem Album unterbringen lassen, ohne sonderlich aufzufallen. Am verzweifeltsten wirkt dann "Chloraseptic", auf dem Eminem versucht, sich über neuere Entwicklungen im Rap lustig zu machen. Was bei Team Backpack zünden mag, wirkt mit etwas Abstand doch eher wie ein verzweifelter Schuss in die Luft, wie die latente Furcht vor der eigenen Bedeutungslosigkeit und das Gefühl, musikalisch überholt worden zu sein. Es ist umso erstaunlicher, dass gerade jemand sich über neue Entwicklungen in der Musik lustig macht, der selbst einen großen Teil seines Erfolges darauf fußt, starre Strukturen aufgebrochen und so Platz für Neues geschaffen zu haben. Mangels Konsequenz entpuppen sich auch andere textliche Bomben als Fehlzündung. Sinnbildlich sei "Like Home" mit Alicia Keys genannt: Schon vorher war abzusehen, dass die politische Schiene jetzt weitaus intensiver und offensichtlicher gefahren wird. Auf "Like Home" begegnet Eminem auf einer allgemeinen Ebene Donald Trump, ein bisschen Aufzählen, ein wenig Zusammenfassen, die obligatorische Grenzüberschreitung in Form eines Hitler-Vergleichs nicht zu vergessen – und dann? Nichts. Keine persönliche Ebene, kein Eigenbezug, keine Subtilitäten. Glattgebügelter als ein Pressesprecher offenbart der Protagonist einen derart oberflächlichen Track, der mehr politische Rede ist als aufwühlende Kunst. Man stelle sich Eminem ratlos im Studio vor, nach kurzer Exegese ein aktuelles, offensichtliches Thema findend und das Ganze dann zwanghaft konstruierend mit Aufrufen, die auch Wahlsprüche sein könnten ("he'll only unite us") und Lines, die wie die Aufzählung relevanter politischer Ereignisse dieses Jahres wirken. Umso deutlicher wird diese Gefühls- und Ratlosigkeit angesichts der gelungenen Alicia-Keys-Hook, die mit einer völlig anderen Perspektive an dieses Thema herangeht und vor allem den Verlust und die damit verbundene Rückeroberung der eigenen Heimat darstellt. Schade, denn wenn schon nicht bei sich selbst, so hätte Slim Shady mit seiner einst kompromisslosen und kaum vorbelasteten Art wirklich interessante Perspektiven und eine eigene Herangehensweise eröffnen können. Geworden ist daraus leider nur ein warmer Aufguss eines fast schon ausgelutschten Themas, gespickt mit Pathos an genau den falschen Stellen, um mehr Aufmerksamkeit für sich als für die Thematik zu erzeugen. Der Einstieg, den Eminem zum Ende des Songs hin in die Hook vornimmt, wirkt dann fast wie eine Kapitulation.


    This is, where it all began (stand up)/
    Here‘s to the land that made me/
    And made me who I am, who I am (hands up)/
    Here’s to the land that raised me/
    There’s home for the only place that really knows me/
    From the cracks in the road that drove me/
    There’s no place like home/

    (Alicia Keys und Eminem auf "Like Home")


    Fazit:
    "Revival" präsentiert sich als mittelmäßiges Album mit einigen Ausfällen, die jedoch durch ein paar gute Pop-Hooks kaschiert werden. Technisch sauber, bleibt der Flow doch eintönig und die Texte entlarven sich angesichts des aus jeder Zeile triefenden Zwangs und Ratlosigkeit nach kurzer Zeit als Steigbügelhalter für technisches Geflexe, was vor allem aufgrund der großen Trackzahl negativ ins Gewicht fällt.
    So klänge wohl ein Fazit, wäre dies das Album irgendeines Rappers. Doch das ist nicht irgendein Rapper. Verdammt, das ist Eminem, also muss das doch gut sein. Welche Fehler hab ich gemacht, warum höre ich das nicht gerne, hänge ich hinterher/voraus/irgendwo? Ich fühle mich schlecht. Ist es nicht vielleicht meine Schuld, bin ich zu verklemmt, zu erwartungsfreudig, zu vorbelastet? Vielleicht ist das das eigentliche Problem: Eminem hat sich (natürlich berechtigterweise) zu Beginn dieses Jahrtausends und bis in die tiefen 00er-Jahre hinein einen so unfassbaren, im HipHop nie dagewesenen Legendenstatus erarbeitet, dass wir Probleme mit seiner Musik zuerst bei uns identifizieren und nicht bei seinen Releases. Langsam aber sicher werden wir uns jedoch eingestehen müssen, ich, der mit ihm aufgewachsen ist, wie viele andere Fans, dass möglicherweise schon seit "MMLP 2", spätestens aber jetzt diese glorreichen Jahre endgültig vorbei sind. "Revival" ist ein schrecklich konstruiertes, zwanghaft politisiertes und musikalisch uninteressantes Album. Eminem hat seinen Zenit längst überschritten, befindet sich künstlerisch im freien Fall und ich hoffe ernsthaft, dass dies wirklich, wie im Outro verlautbart wurde, sein letztes vollwertiges Album gewesen ist, denn ich möchte nicht seinen Status weiter beschädigt wissen. Diese Aussagen tun mir im Herzen weh, sie sind ungehörig, für einige wahrscheinlich Majestätsbeleidigung, Gotteslästerung. Natürlich werde ich mir in Zukunft alles von Eminem anhören, mich dafür interessieren, was er tut und wie er sich entwickelt; nur kann ich in diese Zukunft angesichts von "Revival" ausschließlich mit Sorge schauen. Vielleicht spielt er nochmal in einem Film mit, haut hier und da einen kommerziellen Hit raus oder unterstützt noch ein paar Kollegen. Doch die Zeiten des Protagonisten, des Fixpunktes, des großen Slim Shady und auch des Eminem im Mittelpunkt haben mit diesem Release kein schönes, dafür zumindest ein deutliches Ende gefunden. 2 Mics für das Album, ein halbes Mic aus Ehrfurcht und wegen des Herzschmerzes – das letzte Mal.



    Max


    [redbew]2315[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2315[/reframe]

    cooldre ist doch hier, um seine Meinung zu präsentieren und Diskussionen anzufachen, wenn Gegenwind kommt, war das absehbar – erklär Deinen Standpunkt und liefere Gegenargumente, ich feiere es, dass Du Deine Meinung hier äußerst und ausführlich verteidigst, genau dafür gibt es das Forum.


    Auf inhaltlicher Ebene muss ich doch ein bisschen sentimental werden, denn Beiträge wie die von Madvillain oder Puncherfaust zu lesen, macht mich einfach froh. Danke dafür.

    Durch rappers.in habe ich fast alle Künstler gefunden, die mich schon ne lange Zeit begleiten. Unter anderem Huss&Hodn, Audio88&Yassin, hauptsächlich aber Prezident durch die KIEBG-Review. Man kann also durchaus sagen, dass das Forum meinen Musikgeschmack maßgeblich geprägt hat.
    Generell sind die Reviews für mich auch heute noch ein sehr wichtiger Bestandteil, oft schön geschrieben, oft auch mal kontrovers... Die haben einfach ein anderes, besseres Feeling als die Sachen von anderen Portalen, weil sich hier niemand "seriöser Musikjournalismus" auf die Stirn schreiben muss. Auch dass es die Möglichkeit gibt mit den Autoren direkt in eine Diskussion zu kommen find ich cool.
    Dann gabs da noch Perlen wie Bambus, die einfach geile Musik machen.
    Leider ist der Artistbereich oft nurnoch ein Trauerspiel. Wenn man jemand gutes finden will, braucht man schon ein bisschen Glück. Viele Leute laden viel Müll hoch, aber kaum einer gibt Feedback. Selbst im Rap National/International Bereich passiert fast gar nichts mehr.


    Die Community ist insgesamt cool und es gibt eigentlich nichts besseres zum Austausch über Musik als ein Forum. Von nix kommt nix, also muss man das Forum selbst mit Leben füllen.


    Danke, freut mich zu lesen.

    Naja, wenn man so einen Scheiß Charakter hat, hat man sich sowieso schon vieles verbaut. Mal abgesehen davon das er erst auf große Deutsche Welle macht und gegen viele Typen schießt, dann die Retourkutsche mit Fanpost 2 kriegt und dann das Video sperren lässt? Ernsthaft? Einfach nur arm.


    Vibe war ganz nett aber seine wirklich guten Zeiten hat er sowieso schon seit 2004 hinter sich. Seine Sachen mit Bushido von vor 2004 waren Dope. Bushido hat aber gleichermaßen ab 2004 abgenommen. Gut, Sonny Black und CCN3 waren echt cool, der Fakt das die neue Album Single autotune ist, zeigt mir dann aber schon dass das neue Album nichts wird. Fallout war aber in Ordnung.
    Außerdem wollen Fler und Bushido nun CCN 4 machen? Seriously? Ab 2004 hatten sie Beef, dann ab 2008/9 nicht mehr, dann wieder Beef mit Disses auf CCN 3 und jetzt machen sie CCN 4? Wie ernst soll man die Clowns noch nehmen? CCN 2 mit Fler war sowieso schwach. Nach CCN 4 gibt es wieder Beef...


    Naja, vielleicht wird CCN 4 ja doch ganz nett, auch wenn das Album wohl nur gegen Banger Musik, Alfa Music Empire schießt. Frage ist nur ob die Idee wirklich gut ist für Fler. Jaja, das wird noch spaßig. Was kommt zuerst? CCN4 oder JGB3?
    Mir geht dieser Beef auf die Nerven. Überall geht es nur noch um Beefs hier und da, wie wäre es mal mit Qualitativem Rap?


    Post des Jahres

    Die jüngsten Erfolge deutscher Rapper wie Bausa und Kollegah & Farid Bang zeigen: Rap hat hierzulande gelernt, er hat mehr Freude daran gewonnen, auch in Zeiten des Erfolges. Das Ergebnis ist eine Dominanz, die bis auf wenige Ausnahmen in den letzten Jahren bei den Alben begonnen hatte und nun auch die Singles überrollt. Während Alben im Radio und TV noch mit der Begründung ignoriert werden konnten, dass eben diese erfolgreichen Songs fehlten, steht der Mainstream spätestens seit diesem Jahr vor seiner größten Herausforderung mit deutschem Rap. Kaum möglich scheint es, die bürgerlichen Fernsehzuschauer an die nahezu alles überstrahlenden Rap-Singles zu gewöhnen; gleichzeitig ist es spätestens, seitdem Deutschrap die Spitze der Single-Charts in einigen Wochen sogar unter sich auszumachen scheint, unmöglich geworden, um diese Szene herumzukommen und sie als Sparte darzustellen, die sie schon seit Langem nicht mehr ist. Diese neue Relevanz der Singles, die Deutschrap insgesamt zugutekommt, haben wir in großem Maße auch der Entwicklung von Trap hierzulande zu verdanken.


    [youtube]TSkVVVBS9k8[/youtube]


    Als die Deutschrapblase Mitte der 2000er-Jahre platzte, war eine Lehre unumstößlich: Die Arroganz, die einige Rapper in ihren Texten andeuten, führt leider viel zu oft zur Dekadenz. Zu überzeugt von den eigenen, scheinbaren Patentrezepten, zu ernst mit der eigenen künstlerischen Identität rutschten viele in die Irrelevanz und nur wenige Lichter von Aggro Berlin und einige andere konnten vereinzelt ihr Standing behalten – der Rest war weg, technisch zu faul, kreativ ermüdet, die Hörerschaft der ständig ähnlichen Alben überdrüssig. Natürlich gab es auch damals noch erfolgreiche Rap-Alben: Peter Fox hat mit "Stadtaffe" das bis heute noch mit Abstand erfolgreichste Album rausgehauen, das man teilweise dem Deutschrap zurechnen dürfte. Bushido ging auch weiterhin regelmäßig Gold und Sido erweiterte seine Fangemeinde sogar noch, nicht aber, weil er Rap immer mehr Menschen schmackhaft machte, sondern sich selbst immer den klassischen Pop-Schemata annäherte. Doch bei Singles war es schon immer anders. Zählt man Nummer-1-Singles seit den 90er-Jahren aus dem Deutschrap finden sich lediglich elf an der Zahl – allein drei davon entfallen auf Cro, wiederum andere Kandidaten sind Pop-Anleihen wie "Astronaut" von Sido mit Andreas Bourani oder der Kay-One-Song mit Pietro Lombardi. Wenige Lichtblicke, die nicht trotz ihrer Rapwurzeln, sondern vielleicht sogar deswegen Erfolg feiern konnten, sind die Fantastischen Vier mit "Sie ist weg" 1995 oder auch Tic Tac Toe, die in den späten 1990er-Jahren sogar zwei Singles auf Platz 1 der deutschen Single-Charts platzieren konnten.
    Schaut man auf diese Zahlen, erscheinen die Nummer-1-Songs des Jahres 2017 umso beeindruckender: Zählt man Kay One mit, konnten allein in diesem Jahr bereits drei Songs die Pole Position feiern, und zwar alle hintereinander: Auf "Senorita" folgte "Sturmmaske auf" folgt "Was du Liebe nennst" – allesamt aus verschiedenen Ecken der Rapszene. Hinzu kommt, dass der amerikanische Rap ebenfalls große Erfolge feiern konnte; als aktuelles Beispiel hält sich "rockstar" von Post Malone und 21 Savage auf Platz 2 der Charts auf. Noch weitere Statistiken könnten aufgeführt werden, die die aktuelle Dominanz von Rap auch in den Single-Charts unterstreichen. Unterm Strich ist klar: Etwas hat sich geändert, das es in den vorigen Jahren des Booms, der jedoch hauptsächlich in den Album-Charts stattfand, noch nicht gegebene hatte. Und das ist der zunehmende, zugegebenermaßen verspätete, Erfolg von Trap in Deutschland. Natürlich gibt es auch einige andere Faktoren. Kay One sucht sich alles zusammen, was irgendwie Meme-artig als Buzzword Aufmerksamkeit erzeugen könnte und packt es sogar noch mit dem wandelnden Meme selbst, Pietro Lombardi, in einen Song. Farid Bang und Kollegah waren schon immer außerordentlich fähig, um jeden einzelnen Atemzug von ihnen einen großen Hype aufzubauen, der sich irgendwann auch bei den Auskopplungen auswirken sollte. Dennoch vermag es gerade Trap aus sich selbst heraus, Melodik mit Rap in Verbindung zu bringen, ohne diesen zu überstrahlen – diese Kombination macht es möglich, Rap-Singles rauszuhauen, in deren Hooks nicht einmal der großartige Singsang ausgepackt wird, und trotzdem eingängig zu sein. Diese Kunst beweisen die amerikanischen Vertreter bekanntermaßen, jüngste deutschsprachige Erfolge, symbolisch dafür stehend Bausa mit seiner populären Single, werden immer fähiger darin, diese Verbindung in ihre Musik zu verarbeiten.
    Dabei wird ein klassisches Konzept, das bisher eine erfolgreiche Single versprach, über den Haufen geworfen – wofür wir dankbar sein sollten. Denn früher lief es in den meisten Fällen so ab, dass zwischen die Parts eine möglichst eingängige, gesungene Hook platziert wurde (gerne auch von einem Feature, wenn man an Andreas Bourani, Adel Tawil oder auch Philipp Dittberner denkt). Das Problem dabei: Die Parts der Rapper selbst unterschieden sich kaum von den sonst bekannten, in sie wurde kaum mehr investiert als sonst – der Refrain wird es schon richten. Dies hat sich mit Trap, aber auch Dancehall, fundamental geändert: Auf einmal zeigen Rapper, dass sie auch eingängig flowen können, dass sie variieren können und dass sie bereit sind, an ihren Versen zu feilen, bis sie in das Gesamtkonzept passen und einen stimmigen Song erzeugen. Nicht also der Rap biedert sich an den Mainstream an, sondern Rap selbst bestimmt den Mainstream. Das beweist Bausa, das beweist Rin – zugegeben, es sind immer noch die wohl poppigsten Songs genannter Interpreten. Dennoch lässt sich kaum leugnen, dass Trap mit dieser so beliebten Snare eine fast schon erdbebenartige Verschiebung in der Musiklandschaft auslösen kann, die nicht zuletzt hier wie in den USA Rap selbst zum neuen Rock'n'Roll machen könnte, ohne sich selbst verraten zu müssen.


    [YOUTUBE]e4eHhgwHCME&[/YOUTUBE]


    Als die Rapblase erneut zu platzen drohte, immer öfter Alben enttäuschten und man so langsam genug hatte von Banger-Releases und Label-Neugründungen, hat Deutschrap einen gewaltigen Sprung in seiner Geschichte geschafft: Zum ersten Mal hat er sich aus sich selbst heraus weiterentwickelt, formt sich neu, ist offener geworden für Einflüsse aus dem Ausland und konnte sich so nicht nur weitaus nachhaltiger als jemals zuvor etablieren, sondern wird auch hierzulande bald das erfolgreichste Musikgenre werden, solange es Rapper gibt, die zu dieser Entwicklung bereit sind. Natürlich kann man das auch kritisch beäugen. Der ein oder andere wird weiterhin bei jedem Hauch von Melodie in einem 16er verärgert dreinschauen, sich an die neu entdeckten Perspektiven von Sentimentalität und der Zurschaustellung von Gefühlen nur schrittweise gewöhnen und eine Zeit herbeisehnen, in der Rapper noch jede Pop-Anleihe gemieden und am besten dreimal hintereinander das gleiche Album gedroppt haben. So nostalgisch mancher auch sein mag: Wenn wir das Radio nicht denjenigen überlassen wollen, die Rap eigentlich nur als Fassade benutzen, um einen maximal anbiedernden Meme-Kitsch-Song zu fabrizieren, sondern auch im Mainstream ein diverses, vielseitiges und musikalisch voranschreitendes Bild von Rap zeichnen wollen, müssen wir Weiterentwicklungen von Rappern akzeptieren und die neue Melodik respektieren – denn sie ist die Zukunft und gibt dem Genre die logische Entwicklung, die schon lange überfällig ist.



    (Max)


    Fotos: Gunnar Dethlefsen


    Wer hätte das gedacht: Nach fast vier Jahren Wartezeit und Ankündigungen dürfen wir uns nun tatsächlich auf ein Steasy-Album freuen. Schnell also ans Handy, schreiben und ein Treffen zum Interview in unser beider Heimatstadt Kiel arrangieren. Als ich ihn in der "Alten Mu" treffe, wirkt er gestresst, muss vorher noch einmal wegen des Trubels um sein kommendes Release telefonieren, bevor wir uns zu einer Rhabarberschorle setzen und uns ausführlich über "Statussymbol" unterhalten – wurde auch Zeit.


    rappers.in:
    Herzlich Willkommen, freut mich, dich kennenzulernen. Wir haben uns heute in der Alten Mu in Kiel getroffen. Das ist eine ehemalige Kunsthochschule, in der sich viele Künstler und Kleinunternehmen angesiedelt haben, um kreativ zu sein. Hier finden sich verschiedenste, meist nachhaltige, Ideen und Visionen eingekreist von einem 4-Sterne-Hotel, einer Bank und kleinen Kanzleien, Wirtschaftsberatungsgesellschaften etc. – also ein ganz besonderer, fast isolierter Ort hier in der Stadt. Was ist deine Verbindung zu diesem Ort?


    [indent]Steasy:
    Wir haben hier jetzt seit letztem Winter, also nicht ganz ein Jahr, ein kleines Studio.[/indent]


    rappers.in:
    Ach, dein Studio ist jetzt auch direkt hier?


    [indent]Steasy:
    Genau, aber in einem anderen Trakt. Ich war jetzt eine Woche im Urlaub beziehungsweise Arbeitsverlagerung auf einer sehr schönen, spanischen Sonneninsel und währenddessen war ZarteLust dort, ich weiß also nicht, wie das da drinnen aussieht. Deswegen treffen wir uns heute hier und nicht direkt im Studio (lacht). Außerdem haben ein paar meiner Jungs hier nebenan ein Büro, in dem ich auch ab und an arbeite und meine Videos teils selbst schneide. Die sind selbstständig und machen Videokram und haben sich daneben dann noch einmal ein Foto- und Videostudio gebaut. [/indent]


    rappers.in:
    Wurde hier auch das Album aufgenommen?


    [indent]Steasy:
    Teils.[/indent]


    rappers.in:
    Ansonsten ist das hier aber dein kreativer Fixpunkt?


    [indent]Steasy:
    Voll. Also das meiste habe ich nicht hier geschrieben, weil es einfach schon letztes Jahr vorher entstanden ist. Einige Songs habe ich aber hier geschrieben und aufgenommen, zwei, drei davon sind auch auf dem Album. Hier kann man schon sehr kreativ sein. Ansonsten habe ich noch einiges in Hamburg aufgenommen oder einfach zuhause.[/indent]


    rappers.in:
    Mittlerweile ist ja auch einiges an Zeit ins Land gegangen, wir alle haben schon relativ lange gewartet. Ich habe mal ein bisschen recherchiert und du hattest 2013 schon während des VBT-Hypes in einem Interview erzählt, dass bald ein Album kommt. Danach noch einmal 2015 angekündigt, nachdem ab und an mal was gekommen war. Dieses Jahr kam wieder eine Ankündigung und ich hatte das Gefühl, dass es diesmal etwas wird. Gibt es einen Grund für die Wartezeit? War das eher spontan, warst du lange Zeit nicht zufrieden oder kam dir einfach immer etwas dazwischen?


    [indent]Steasy:
    Es gibt viele Gründe – die jetzt alle aufzuzählen, das würde wahrscheinlich den Rahmen sprengen. Das sind verschiedene Sachen: Zum einen hatte ich nach dem Hype erst einmal Urlaub gemacht, danach war noch eine Tour mit Weekend. Hinzu kam, dass ich noch meinen Master gemacht hatte; es war mir wichtig, mein Studium abzuschließen. Daraufhin habe ich mich erst ans Album gesetzt, mich zurückgezogen und ausschließlich daran gearbeitet, auch das hat noch ein wenig gedauert. Ein Großteil war dann eigentlich schon im letzten Jahr fertig, aber das ist dann wiederum an so verschiedenen Dingen gescheitert, sodass es erst dieses Jahr kommt. Zum Beispiel ist mein Mischer vom Studio in Hamburg umgezogen, dann war er auf Tour, teilweise war ich auch noch nicht zufrieden, das ist dann so ein bisschen meinem Perfektionismus geschuldet.[/indent]


    rappers.in:
    Du bist ein Perfektionist?


    [indent]Steasy:
    Ich denke, ich habe das in letzter Zeit ein wenig abgelegt, sonst wäre das Album wahrscheinlich immer noch nicht da. Letztendlich haben da einfach viele Faktoren mitgespielt, sodass ich froh bin, dass es jetzt kommt.[/indent]


    rappers.in:
    Also ist es fertig?


    [indent]Steasy:
    Es ist fertig, ja, ich habe es abgegeben.[/indent]


    rappers.in:
    Und kommt dann auch am 17.11.? Du drückst dich gerne über Hashtags aus und man weiß nicht immer genau, was gemeint ist, vielleicht ist das ja auch gewollt.


    [indent]Steasy:
    Genau, wird jetzt auch noch einmal angekündigt, 17.11.[/indent]


    rappers.in:
    Würdest du sagen, dass der ganz große Hype von 2013 abgeschwächt ist? Welche Erwartungen hast du daraus resultierend an die Resonanz des kommenden Albums? Oder gehst du einfach davon aus, dass alle, die dich damals gefeiert haben, auch jetzt das Album auf dem Schirm haben oder backst du kleinere Brötchen?


    [indent]Steasy:
    Nee, ich backe noch viel größere Brötchen (beide lachen). Der Hype ist auf jeden Fall vorbei, keine Frage, aber Qualität setzt sich durch. Da das Album Qualität hat, wird es sich auch durchsetzen.[/indent]


    rappers.in:
    Ist es denn ein anderes Level als früher? Da kamen ja immer so ein paar EPs, mal ein bisschen was auf Soundcloud. Bist du da jetzt mit einem anderen Anspruch herangegangen?


    [indent]Steasy:
    Definitiv, ja. Gerade die Themen sind vielfältiger: Ich hatte ja auch vorher schon so ein paar persönliche Dinger, aber da sind jetzt auch noch einmal ein paar in die Richtung auf dem Album. Natürlich kommt der Poser-Rap nicht zu kurz, das ist es im Prinzip. Um noch einmal auf diese Hypegeschichte zurückzukommen: Der ist vorbei, für mich ist das hier ein Neuanfang. Ich sehe mich hier als Newcomer, "Statussymbol" wird ein Neustart. Klar sind noch Fans da: Ich habe beispielsweise gestern das Cover gepostet und die Resonanz war echt nice. Ich bin einfach gespannt und weiß noch nicht, wo die Reise hingehen soll. Dennoch habe ich jetzt Bock, bin motiviert und das Album steht auf jeden Fall in keinem Vergleich zu alten Songs, die ich bisher herausgebracht hatte. Da ist meiner Meinung nach jeder einzelne Song vom Album stärker.[/indent]


    rappers.in:
    Erwartet uns denn mehr Persönliches auf dem Album? Denn sonst habe ich das immer nur so ein paar Male durchblitzen sehen: Der Diamonds-Remix war ja relativ beliebt. Gibt es in dieser Richtung jetzt auch mehr, gibt es da einen roten Faden?


    [indent]Steasy:
    Es blitzen immer wieder persönliche Dinge auf, oft vermischt mit diesem Poser-Rap-Ding. Der rote Faden ist schon eher das Selbstgefällige, definitiv. Die Persönlichkeit dahinter wird jedoch auch ein Thema sein. Das persönlich-persönliche Album kommt dann erst danach. [/indent]


    rappers.in:
    Das Marius-Album? Du meintest tatsächlich einmal, du seiest in echt weitaus bodenständiger, als du dich gibst.


    [indent]Steasy:
    Habe ich das gesagt? Ja, natürlich. Wäre schlimm, wenn nicht.[/indent]


    rappers.in:
    Noch eine Standardfrage, schließlich ist das das erste Interview zum Album: Features?


    [indent]Steasy:
    (Überlegt) Es geht hauptsächlich um mich auf dem Album, deswegen gibt es auch nicht viele Features. Aber es wird ein, zwei, drei Features geben, die ich später bekannt gebe.[/indent]


    rappers.in:
    Nun sind ja viele, oft ehemalige, Weggefährten den weiteren Weg mit einem Label zusammen gegangen. Gab es bei dir diesen Gedanken auch mal oder gibt es tatsächlich schon einen Deal, der verkündet wird?


    [indent]Steasy:
    Das kann ich jetzt so sagen. Also ich hatte die Möglichkeit, diesen Labelweg zu gehen, gerade direkt nach dem VBT, da kamen viele Anfragen. Ich saß halt bei einem Major und habe mit denen geschnackt, zu der Zeit konnte ich es mir jedoch nicht wirklich vorstellen, gerade auch mit einem Major. In letzter Zeit hatte ich dann in Anbetracht des kommenden Releases noch viel verhandelt, mich mit vielen unterhalten und habe für mich dann festgestellt: Warum soll ich das mit einem Label rausbringen, also einem "Label-Label", und denen 70% oder noch mehr abgeben, obwohl ich alles bisher alleine gemacht habe?[/indent]


    rappers.in:
    Du hast tatsächlich alles alleine gemacht?


    [indent]Steasy:
    Ja. Ich habe mein Geld, das ich verdient hatte, in das Album reinvestiert, habe mir nirgendwo einen Vorschuss geholt oder sowas, habe alles selbst bezahlt, die komplette Produktion. Warum soll ich dann irgendjemandem das fertige Produkt geben, der das dann für mich vielleicht halbherzig herausbringt? Dementsprechend habe ich jetzt einen eigenen Weg gefunden, das herauszubringen, zusammen mit Believe Germany als Vertrieb und mit Marc Leopoldseder, den wahrscheinlich die meisten hier auch noch kennen.[/indent]


    rappers.in:
    Sonst hättest Du wahrscheinlich auch aus Kiel wegziehen können oder sogar müssen. Kam dir dieser Gedanke schon mal?


    [indent]Steasy:
    Ich fühle mich hier auf jeden Fall wohl. Klar, ich spiele immer mit dem Gedanken, nach Hamburg zu ziehen.[/indent]


    rappers.in:
    Haben ja auch einige deiner Kollegen aus Schleswig-Holstein gemacht.


    [indent]Steasy:
    Echt?[/indent]


    rappers.in:
    Scotch zum Beispiel.


    [indent]Steasy:
    Ja, gut. War der nicht auch zwischendurch noch in Berlin? Klar, Hamburg ist immer noch ein Thema, wenn es um Musik geht, ist Berlin natürlich das Ding. Aber nö, ich fühle mich hier wohl, hab' meine Leute, mein Umfeld – kein Grund, wegzugehen.[/indent]



    rappers.in:
    Wir haben noch eine Schnellfragerunde. Ich stelle dir ein paar Fragen und du gibst am besten eine möglichst kurze Antwort. Gibt es bei dir jetzt eine Silvester-Tradition, kommt immer an Silvester was Neues?


    [indent]Steasy:
    Nein, keine Tradition.[/indent]


    rappers.in:
    Lieblingsrapalbum?


    [indent]Steasy:
    Puh, schwierig, ich muss kurz nachdenken. Ich will nicht "Illmatic" sagen. Steasy – Statussymbol.[/indent]


    rappers.in:
    Hast du einen Lieblingsfilm?


    [indent]Steasy:
    Ja, Goodfellas.[/indent]


    rappers.in:
    Schafft Holstein diese Saison den Aufstieg in die 1. Bundesliga oder erst nächste?


    [indent]Steasy:
    Boah, das wär killer. 2045 international auf jeden Fall. Sagen wir mal nächste.[/indent]


    rappers.in:
    Schönste Stadt in Deutschland außer Kiel?


    [indent]Steasy:
    Plön.[/indent]


    rappers.in:
    Merkel oder Schulz?


    [indent]Steasy:
    Schulz.[/indent]


    rappers.in:
    WG oder Pärchen-Wohnung?


    [indent]Steasy:
    WG.[/indent]


    rappers.in:
    Premium-Box Ja oder Nein?


    [indent]Steasy:
    Wenn überhaupt, dann ne Überbox.[/indent]


    rappers.in:
    Lieber entspannte Promophase und weniger verkaufen oder nervige Promophase und viel verkaufen?


    [indent]Steasy:
    Entspannte Promophase.[/indent]


    rappers.in:
    Ab jetzt jedes Jahr ein Steasy-Album?


    [indent]Steasy:
    Nein, das wird weiterhin davon abhängig sein, wann ich mit etwas zufrieden bin und wann nicht.[/indent]


    rappers.in:
    Das war's erstmal. Jetzt muss ich eine wichtige Sache ansprechen: Und zwar warst du beim Perfekten Dinner. Wie kam es dazu? War das eine spontane Idee, wolltest du das schon länger machen oder war das die Eröffnung der Promophase, die dann doch nicht losging?


    [indent]Steasy:
    Genau, das war der Anfang der Promophase, längste Promophase Deutschrap (lacht). Ich hatte einfach Bock darauf: Auf die Erfahrung Fernsehen und auf die Sendung, denn ich hatte mir gedacht, wenn Fernsehen, dann sowas. Das ist für mich schon ein Format, in dem sich die Kandidaten so geben können, wie sie sind und nichts verzerrt wird. So war es dann auch. Letztendlich war es eine coole Erfahrung.[/indent]


    rappers.in:
    Ist ja tatsächlich auch eine der wenige Sendungen, in denen wirklich etwas geschaffen wird. Da wird sich nicht nur über Leute lustig gemacht oder über Fremde berichtet, sondern da machen eben die Personen auch selbst etwas. Würdest du das nochmal machen?


    [indent]Steasy:
    Jap, Promi Dinner halt. Bisher gab es nur eine Kandidatin, die beim normalen und beim Promi-Dinner mitgemacht hat, und zwar diese Dschungelkönigin, die auch Pornos gemacht hat, Melanie Müller. Das ist das Ziel: Promi-Dinner (lacht). [/indent]


    rappers.in:
    Wird dann auf Tour, die es hoffentlich bald geben wird, auch gekocht?


    [indent]Steasy:
    Es wird eine geben, aber da werde ich nicht kochen. Ich kann noch nicht genau sagen, wann die sein wird, aber ich schätze irgendwann Anfang nächsten Jahres.[/indent]


    rappers.in:
    Hast du viel Deutschrap gehört in letzter Zeit? Gibt es da etwas zu empfehlen? Du hast dich ja auch gern mal negativ über Deutschrap geäußert.


    [indent]Steasy:
    Ja, ich höre viel. Das meiste höre ich mir an, natürlich gerade die großen Sachen. Azzlack-Kram ist für mich gerade etwas viel, da bekomme ich nicht alles mit, sonst höre ich mir vieles an. Die großen Alben finde ich schon sehr stark, vor allem jetzt Cro und Casper. Ansonsten sind das immer so vereinzelte Tracks, es ist ja mittlerweile so, dass man ganze Alben kaum noch durchhört, sondern eher einzelne Songs. Von DCVDNS habe ich noch ein paar Sachen gefeiert, ich müsste auf mein Handy gucken, ich bin da schlecht und irgendwie nicht so spontan (holt sein Handy und schaut nach). Von Bausa habe ich einiges sehr gefeiert, "High Life" von den 187ers habe ich totgehört. Achso: Sero fand ich richtig nice, ist aber, glaube ich, ein bisschen untergegangen. Anscheinend wurde da irgendwie die falsche Strategie gewählt. Hat mir aber sehr gut gefallen. [/indent]


    rappers.in:
    Lässt du dich davon dann auch inspirieren oder schaust du eher nach Frankreich oder Richtung USA?


    [indent]Steasy:
    Nee, von den neuesten Rapsachen habe ich mich eigentlich gar nicht inspirieren lassen. Hauptsächlich habe ich meinen eigenen Stil weiterentwickelt und bin dem weitestgehend treu geblieben. Klar: Die Beats sind ein bisschen zeitgemäßer, ansonsten würde mir nichts einfallen, wovon ich mich habe inspirieren lassen. [/indent]


    rappers.in
    Glaubst du denn an eine Deutschrap-Blase?


    [indent]Steasy:
    (Überlegt) Nö. Also ich hab' das Gefühl, dass der Markt gerade krass von Trap beziehungsweise Frankreich-inspiriertem Rap überschwemmt wird und dass das irgendwann platzt und die Leute da keinen Bock mehr drauf haben. An sich ist Rap jedoch so vielfältig geworden, da wird nichts mehr platzen. [/indent]


    rappers.in:
    Bei dir wird es also nicht in die Trap-Richtung gehen?


    [indent]Steasy:
    Ich habe mich jedenfalls nicht aus Frankreich inspirieren lassen, auch nicht unbedingt aus den USA. Wie gesagt: Die Beats sind teilweise zeitgemäßer, gehen auch vereinzelt in diese Richtung, gerade die erste Single. Aber ich rappe nach wie vor so, wie ich es für richtig halte und nicht wie jemand aus Frankreich.[/indent]


    rappers.in:
    Ich hab' mal ein Zitat aus dem VBT-Wiki herausgesucht: "Steasys zahlreiche Merkmale sind unter anderem Cap, Sonnenbrille und seine gerade Körperhaltung, bei der er seinen Kopf nach oben streckt, was ihm trotz Sonnenbrille einen 'hochnäsigen Blick' verleiht, sowie hochnäsiges Benehmen. Außerdem holt Steasy beim Rappen zwischendurch ziemlich oft und stark zwischen zusammengebissenen Zähnen Luft und verwendet ebenso wiederholt das Wort 'Motherfucker'. Auch bezeichnet er sich immer gerne selbst als 'viel zu dope für die Masse' und erwähnt immer seinen 'übertriebenen Style'." Beschreibt das das Album?


    [indent]Steasy:
    Mh, teilweise schon (lacht). Von wann ist das Zitat?[/indent]


    rappers.in:
    Ich glaube, 2013.


    [indent]Steasy:
    Es beschreibt das Ganze schon, jetzt wird es aber ausgereifter, wobei ich "Motherfucker" nicht mehr so oft sage.[/indent]


    rappers.in:
    Moralische Bedenken?


    [indent]Steasy:
    Nö, ist einfach abgedroschen. Aber ich sage es noch, keine Frage. (lacht)[/indent]


    [youtube]mi8nEXINmgM[/youtube]


    rappers.in:
    Es gibt da noch einen Vorwurf an dich. Wir haben nämlich geschaut, was an negativen Statements öfter über dich zu lesen war oder kommentiert wurde. Dabei wird oft behauptet, du seiest zu inaktiv und habest deinen Hype verspielt. Siehst du das ähnlich?


    [indent]Steasy:
    Mir war der Hype eigentlich immer egal. Ich droppe lieber ein vernünftiges Debütalbum als einen Schnellschuss, bei dem ich dann vielleicht mehr verkaufe, aber das Produkt einfach scheiße ist. [/indent]


    rappers.in:
    Tatsächlich hat man ja auch bei einigen, die direkt was rausgehauen haben, gesehen, dass das schnell wieder abstürzen kann. Bei EstA war das ja teilweise der Fall.


    [indent]Steasy:
    Joa, gut. EstA droppt aber einigermaßen kontinuierlich noch was und hat seine Fanbase. Ich glaube aber daran, dass, wenn man es ein wenig ernster angehen und sich tatsächlich auch etablieren will, dann, klar: Ich hätte vielleicht auch früher was Ordentliches bringen können, halte ich den Vorwurf doch für komisch, schließlich kann es dem Fan egal sein, welchen Hype ich nutze und welchen nicht. Entweder du hast Bock auf ein gutes Album oder du willst ein schnell hingeficktes Album, was dann irgendwelche Hypes mitnimmt. [/indent]


    rappers.in:
    Tatsächlich halten sich ja viele Fans und Mags für den besseren PR-Berater.


    [indent]Steasy:
    Klar, es wäre auf jeden Fall der einfachste Weg gewesen. Genauso gut hätte es aber dann auch jetzt schon wieder vorbei sein können. Von daher bin ich sehr zufrieden damit, wie es jetzt gelaufen ist. Vielleicht hätte ich es lieber noch ein Jahr früher herausgebracht, dafür ist es jetzt noch besser als vor einem Jahr. [/indent]


    rappers.in:
    Was hältst du denn von Formaten wie "Straßenwahl"?


    [indent]Steasy:
    Ich wollte mir dieses Bushido-Ding noch anschauen, habe es bisher aber nicht geschafft. Was genau passiert da?[/indent]


    rappers.in:
    Da treffen Spitzenpolitiker bestimmte Rapper, die oft auch in ihrer Meinung einen Gegenpol zu den politischen Ausrichtungen der jeweiligen Partei darstellen. Meist streiten die sich daher eher über einige Minuten und werfen sich irgendwas vor. Du hast davon also nichts geschaut?


    [indent]Steasy:
    Nein. Vielleicht werde ich es mir noch einmal anschauen, aber gerade ist einfach wegen des Albums viel los.[/indent]


    rappers.in:
    Hast du denn angesichts der kommenden Wahl Sorge wegen der AfD? Du hattest dich ja schon mal gegenüber MZEE geäußert und erwähnt, dass bei dir schon eine gewisse Sorge vorhanden ist. Ist das jetzt angesichts des kommenden Einzugs in den Bundestag stärker geworden oder siehst du das eher entspannt und man sollte erstmal abwarten?


    [indent]Steasy:
    Mir bereitet das schon Sorgen, ich verfolge den Wahlkampf auch mit Spannung. Ich glaube tatsächlich noch ein bisschen an das Gute in den deutschen Wählern. Die werden schon in den Bundestag einziehen, aber ich denke, dass die nicht so viel Prozent bekommen, wie es aktuell erwartet wird. Zumindest hoffe ich das. [/indent]


    rappers.in:
    Sollten sich HipHop-Magazine denn da stärker positionieren oder findest du das unangebracht?


    [indent]Steasy:
    Ich finde es nicht unangebracht, es sollte aber letztlich jedem selbst überlassen sein. Ich habe da auch noch was fertig, was ich aber, wenn überhaupt, erst nach der Wahl raushauen werde. [/indent]


    rappers.in:
    Musikalisch?


    [indent]Steasy:
    Ja, aber auch visuell (lacht). [/indent]


    rappers.in:
    Ich meine nur, ob du da jetzt ein Facebook-Statement raushaust.


    [indent]Steasy:
    Nein. Ich finde, Künstler sollten sich irgendwie auch künstlerisch ausdrücken, so bekommen sie mehr Aufmerksamkeit und werden einfach ernster genommen, als wenn sie da son Statement meinetwegen auf Facebook raushauen. Sowas finde ich teilweise schwierig. Ich halte es für wichtig, dass Leute mit großer Reichweite, die viele Menschen, teils auch dumme Menschen, erreichen, sich äußern. Ich will nicht sagen, dass das eine Pflicht ist, dennoch finde ich es wichtig. Wenn so ein Til Schweiger "fick die AfD!" oder "wählt nicht die AfD" postet, dann hat das, glaube ich, einen ziemlich guten Effekt. Wenn andererseits Marteria sowas postet, ist es vielleicht ein bisschen dünn, dafür würde der das dann eher künstlerisch machen. [/indent]


    rappers.in:
    Was er ja auch schon des Öfteren gemacht hat, gerade mit dem letzten Album.


    [indent]Steasy:
    Genau. Dementsprechend finde ich es nice, wenn Leute mit großer Reichweite sich äußern. [/indent]


    rappers.in:
    Und die Magazine? Sollten die Leuten keine Plattform geben, die sich problematisch äußern? Ist es dir zu viel Promomaschinerie geworden und würdest du dir generell mehr Kritik wünschen?


    [indent]Steasy:
    Ich finde es tatsächlich auch wichtig, den problematischen Leuten eine Plattform zu bieten und die zu Wort kommen zu lassen – es ist natürlich schwierig, da dann neutral zu bleiben, die Medien sollten auch kritisch mit dem Ganzen umgehen. Schwieriges Thema. [/indent]


    rappers.in:
    Bist du denn ein problematischer Künstler?


    [indent]Steasy:
    Nein, was Politik angeht, zumindest nicht. [/indent]


    rappers.in:
    Damit wären wir schon am Ende, vielen Dank für deine Zeit. Gibt es noch Worte an die Leser?


    [indent]Steasy:
    Ja, ich bin sehr erleichtert, dass das Album jetzt kommt und hoffe, es weiß zu gefallen. Wer also Bock hat, mich zu unterstützen, der hat jetzt zum ersten Mal die Chance. (lacht)[/indent]



    (Max)


    Es ist mittlerweile schwierig geworden, in einem Album über Liebe, vor allem über gescheiterte Liebe, um eine Geschlechterdebatte herumzukommen, was ich bewusst mit meiner Review versucht hatte. Mein geschätzter Kollege Yannik hat jedoch einige kritische und kluge Gedanken über die Texte auf dem neuen Album von Cro geäußert. Als Verfasser der hochlobenden Review zu "tru." sehe ich mich daher gezwungen, selbst einige, oft andere, Gedanken zu den Texten dieses Albums zu benennen und klarzustellen, warum ich die von Cro gerappten Inhalte keinesfalls für sexistisch oder gar chauvinistisch halte. Denn in Wahrheit ist "tru." weitestgehend ein emanzipiertes Album. Eine Verteidigung.


    Zugegeben: Natürlich gibt es die ein oder andere Zeile, die einem übel aufstoßen kann. Wenn Cro sich in "computiful" darüber ärgert, dass aus seiner Maria "plötzlich eine Slut" wird, weil sie es ihm zu leicht macht, mit ihr nach Hause zu gehen, dann hinterlässt das vor allem aufgrund der musikalisch-stimmlichen Präsentation der Zeile einen faden Beigeschmack. Wenn Liebe scheitert, weil diese Frau sich so verhält und dargestellt wird, als würde der Protagonist zwischen verschiedenen Modellen wählen und sich einfach nicht entscheiden können, dann ist das sicher keine sehr klug gewählte Denkweise. Bei aller Liebe sei aber darauf hingewiesen, dass so ziemlich jeder Rapper auf der Welt mit Klischees arbeitet, mit ihnen teilweise spielt oder gerade in Deutschland sich bei jedem zig Zeilen finden, bei denen man sich schon mal an den Kopf fasst. Doch genau das gehört zu Rap und wer nicht mit einer verrohten Sprache in der Musik zurechtkommt, bei der natürlicherweise vor Frauen kein Halt gemacht wird, dem kann ich so gut wie kein Rapalbum empfehlen. Doch das, was Yannik an "tru." kritisiert, geht weitaus tiefer. Ihm geht es vor allem um den latenten Chauvinismus, das Gesamtbild, das textlich auf diesem Langspieler vermittelt wird. Das Entscheidende hierbei vergisst er jedoch: Kontext.


    Lieber zwei Mal zuhören


    Die Probleme mit Maria auf "computiful" und eben erwähnte Zeile sind dafür das beste Beispiel. Betrachtet man die Parts von Cro isoliert, so zeichnet der Song ein Bild von einem Mann, der verzweifelt nach der Liebe sucht und sie anscheinend in jener Maria auf Tinder gefunden zu haben scheint, als er sie jedoch nach einiger Überwindung angeschrieben hat, feststellen muss, dass es ihm diese Maria viel zu leicht macht und er schnell das Interesse verliert. Ein einfaches, chauvinistisches Muster, klar. "Die bietet sich so an, das ist langweilig." Entscheidend ist jedoch nicht ausschließlich, was Cro auf diesen Parts rappt, die Pointe findet sich erst im Outro: Wiedergegeben wird dort nämlich ein Ausschnitt aus einer Rede der HipHop-Ikone Lauryn Hill von 2000, in der sie das zuvor vom Interpreten wiedergegebene Verhalten einordnet. Sie erzählt etwas von bedingungsloser Liebe, was ihr in der Wörtlichkeit noch nie begegnet sei. Denn jeder höre dann auf, zu lieben, wenn er von dieser Person nicht mehr gereizt würde. "If a person stops stimulating us, we stop loving them." Diese Rede spiegelt genau wider und allem voran kritisiert sie das Verhalten von Cro. Während er nämlich aufgeregt ist, nicht weiß, ob es mit dieser Maria was wird, scheint er zumindest Anzeichen von Verliebtheit zu spüren – sobald sie aber auf seine Avancen ohne weiteres eingeht, verliert das Spiel für den Protagonisten seinen Reiz; und damit er auch das Interesse. Genau diese Art, die Cro wiederum durch seine Parts zumindest teilweise mit Dating-Apps wie Tinder in Verbindung bringt, wird von Lauryn Hill kritisiert. Wir sehen hier keinen Carlo, der sich als Chauvinist über die Frauen aufregt, sondern einen Rapper, der nachdenklich ist: Über sein Bild von dieser Maria, über seinen Umgang mit Frauen generell, wenn er aufhört, zu lieben, sobald die andere Person ihn nicht mehr auf irgendeine Weise stimuliert – zumindest Lauryn Hill sagt ihm und uns, dass die Liebe dann keinesfalls bedingungslos, vielleicht nicht einmal echt war und dass auch Cro sich Unwegbarkeiten stellen muss, wenn er echte Liebe erfahren will. "But that real love, that love that sometimes is difficult, difficult to have. That's that love." – so schließt die Rednerin ihren Satz und damit "computiful".


    Wir erleben sehr oft einen Rapper, der sich beim ersten Anhören schlecht verhält und nicht einmal darüber nachzudenken scheint. Doch hören wir genauer hin und sehen die Melancholie, die in all diesen Songs auch über das eigene Verhalten mitschwingt, sehen wir einen Cro, der sich sowohl über sich als auch seinen Gegenüber Gedanken macht, stets unter dem Motto der Suche nach dem Grund für das Scheitern dieser und jener Beziehung. Die simpelsten Geschichten und Gründe erleben wir beispielsweise in "noch da", in dem offensichtliche Ursachen wie Eifersucht und das häufige Unterwegs-Sein der Beziehung einen Strich durch die Rechnung machen, oft sind am interessantesten aber die latenten Zwischentöne, die sowohl den Interpreten als auch dessen Partnerin unter die Lupe nehmen.
    Eine Schlüsselrolle kommt dabei "no. 105" zu. Cro versucht, sich die perfekte Partnerin nach seinen Vorstellungen zu basteln – und scheitert stets nach allen Regeln der Kunst. Uns präsentiert er nur einen kleinen Ausschnitt aus diesem Verfahren, denn 105, das ist die Zahl der Versuche, die er selbst bereits verbraucht hatte, die Enttäuschungen häufen sich. Am naheliegendsten ist dabei natürlich: Keine Frau wird seinen Ansprüchen gerecht, er selbst ist unglaublich wählerisch und sucht selbst nach dem zigsten Anlauf die Schuld für dieses Scheitern in den erschaffenen Frauen, nie aber bei sich selbst. Doch diese Interpretation verfehlt die psychologische Brisanz dieser Metapher. Diese Konstrukte, Maschinen fast schon, die Cro sich baut, sind doch gerade, wie schon beim griechisch-mythologischen Original, nicht etwa echte Persönlichkeiten; sie sind lediglich Konstrukte aus seiner eigenen Fantasie, seinen eigenen Ansprüchen erwachsen, geformt aus nichts weiter als den Gedanken in seinem Kopf. Wenn der Protagonist in dieser kleinen Geschichte also von Enttäuschung zu Enttäuschung rennt, verzweifelt er nicht etwa an realen Menschen, sondern an seinen eigenen Ansprüchen, Denkmustern, Fantasien. Er versagt förmlich und muss sich mit jedem erneuten Versuch mehr und mehr eingestehen, dass er selbst das Problem ist, dass er selbst derjenige ist, der keine Ahnung hat, was er braucht und was er will (wie übrigens schon in der Review geschrieben, ein Hauptthema des gesamten Langspielers) und stellt fest, wie stark er sich durch den Wahnsinn der letzten Jahre in Klischees und einer Planlosigkeit von der Liebe verloren hat, die eigentlich doch keine sein will. Schliesslich deutet er an: Auch Versuch 106, 107 und zig weitere werden nicht zur perfekten Beziehung führen, weil er schlicht und ergreifend nicht in der Lage ist, aus seinem Kopf konkret den Willen zu formulieren, der ihn dorthin führt. Das ist die hochreflektierte, deprimierende und zugleich extrem fortschrittliche Message dieses Songs: Die Schuld für das Scheitern etlicher Beziehungen liegt auch bei ihm, vielleicht sogar ausschließlich bei ihm und so kann die einzige Schlussfolgerung sein, dass jeder Versuch, sich eine Frau zu bauen "wie sie mir gefällt", Pyrrhussiege für maximal ein paar Minuten sind. Will man dies unbedingt in eine Geschlechterdebatte hineindrücken, sagt sie dem Mann doch gerade, dass es nicht nur aus moralischen Gründen falsch ist, sich seine Partnerin zurechtzukonstruieren und den eigenen Vorstellungen zu unterwerfen, sondern schon aus Eigeninteresse unbedingt notwendig ist, dass jeder sich in einer Beziehung immer noch nach seinem Gusto entfalten darf. Denn sich den anderen zurechtzubasteln, wird früher oder später natürlich denjenigen kaputtmachen, der sich dem einen unterwerfen muss, genauso aber denjenigen, der sich den anderen konstruiert hat – irgendwann nämlich wird es langweilig, später vermisst man alle perfekten Unperfektheiten und zuletzt kommen die berechtigten Zweifel auf ("ist ihre Liebe echt?"). Cro wird es erst einige Anläufe später merken, doch uns wird dann schon klar: So kann es überhaupt nicht funktionieren und das soll es auch gar nicht. Die perfekte Beziehung kommt nicht aus unseren Vorstellungen heraus, die wir auf einen Partner übertragen, sondern nur durch den Willen zweier eigenständiger Persönlichkeiten, die sich finden. Echte Liebe – das bewusst gewählte Gegenbeispiel hierzu stellt "no. 105" anschaulich dar und schießt nebenbei noch einige gehörige Schüsse vor den Bug einiger Rapper, die gerne einmal von "der einen unter tausend" oder der "guten Frau" erzählen; solche Konstrukte zerschlägt dieser Song im Vorbeigehen.


    [YOUTUBE]0hwDNGOReiU[/YOUTUBE]


    Durchschnittstyp? Viel mehr echte Gefühle


    Die wie vom Kollegen erwähnte conclusio dieser Anhäufung von Liebesgeschichten findet sich jedoch nicht in "2kx", das eher das gesamte Album abschließt und einen Bogen zum Intro schlägt, sondern eine Anspielstation davor: In "slow down" nämlich hat Cro eine Partnerin gefunden, mit der es irgendwie zu passen scheint. Zusammen mit Durchstarterin Ace Tee erzählen die beiden von einem Abend, den sie entspannt und in Zweisamkeit verbringen. Beide schwärmen dabei völlig gleichberechtigt jeweils davon, was für Banalitäten sie an dieser Zeit so schätzen und genießen. Von Netflix, über Pianospielen, bis hin zu "Kuss auf die Wange". Natürlich blitzt dabei der erwähnte "schwäbische Durchschnittstyp" hervor – nicht aber als Charaktereigenschaft des Protagonisten, sondern als echte Alternative für dieses Paar, als vielleicht auch logische Option in dem Leben zweier Personen, das sonst so voller Wahnsinn jenseits jeglicher Spießigkeit stattfindet. Ein bisschen Durchschnitt, ein wenig Pause und Entspannung; das scheint die Voraussetzung für eine perfekte Beziehung zu sein oder zumindest ein Teil davon und lässt Cro in diesem Moment menschlicher und im positiven Sinne langweiliger erscheinen. Die Message dabei könnte sein, dass es egal ist, ob man reich oder arm, kreativ oder unkreativ ist – am Ende gibt es doch viele Sachen, in denen wir uns und auch unsere Liebe wiederfinden. Das mag vielleicht naiv klingen. Uns sollte aber auch klar sein, dass hier zwar musikalisch und auch textlich neue Wege gegangen wurden, am Ende reden wir aber immer noch von dem Cro von "Einmal um die Welt". Und sich ein Leben zu wünschen, in dem alles irgendwie passt und sei es für andere noch so durchschnittlich und langweilig, mag für den tumblr-geprägten Besserwisser (Schüsse in die Luft) vielleicht verächtlich sein, viele sehnen sich aber genau danach – wer sind wir also, das zu verurteilen?
    "tru." ist ein Album echter Gefühle und Geschichten. Dass man sich dabei auch Mal im Ton vergreift, ist nicht nur ehrlich, sondern auch menschlich und sollten wir gerade im Rap tolerieren, da gerade dort auch schon immer ein Sprachrohr für diejenigen war, die vielleicht ihren Text nicht gendern konnten oder erst einmal sozialwissenschaftlich reflektierten, was sie damit vielleicht ausgesagt haben könnten. Dabei geht der Künstler hier sogar einen Schritt voraus: Er beschäftigt sich sowohl mit seinen Partnerinnen als auch mit seinem eigenen Verhalten und gelangt letztlich zu der Einsicht, dass nicht die Kunstfigur mit Pandamaske, die von Stadt zu Stadt reist und der Schnelllebigkeit unterworfen ist, die perfekte Beziehung finden kann, sondern nur er selbst, der sich vielleicht doch nur nach einem klassischen Einfamilienhaus mit Frau, zwei Kindern und Hund sehnt. Das ist vielleicht spießig, aber auch ein klassisches Modell von Liebesgeschichte, das auch heute noch Respekt verdient, transformiert in ein modernes Gewand. Cro daher als Sexisten abzustempeln, was Yannik nicht, aber beispielsweise der Musikexpress getan hat, ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht all jener, die versuchen, sich nicht mit simplen Parolen à la Sookee mit Partnerschaften und der Liebe auseinanderzusetzen, sondern auch derjenigen, die alltäglich für Frauenrechte in einer Weise kämpfen müssen, wie wir es uns in Europa nur noch stellenweise vorstellen können. So wird am Ende natürlich ein Bild von einem Typen gezeichnet, der vielleicht manchmal auch wie wir alle simpel gestrickt ist, sich einmal im Ton vergreift oder falsche Entscheidungen trifft. Nicht aber jemand, der von Frau zu Frau springt, ohne sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und letztlich lediglich in die Vergangenheit, seine Heimat flüchtet. "tru." ist ein Album über Liebe, in der man viele Fehler machen kann. Doch diese Fehler sieht Cro, oft in Zwischentönen, die er vielleicht nicht einmal selbst so genau bewusst setzen wollte, oft werden sie uns aber wie in der Rede von Lauryn Hill geradezu aufgedrängt. Daher sehen wir nicht einen verzweifelten Aufreißer, der sich zu großartig für die Frauen dieser Welt fühlt, sondern einen im Wahnsinn seiner Kunstfigur gefangenen Carlo, der sich letztlich doch nur nach dem großen Durchschnitt sehnt. Solche Ehrlichkeit ist es daher, die diesem Klassiker seinen Charme gibt. Voller Zweifel und Widersprüche – doch auch voller Hoffnung und einer Mentalität des Nicht-Aufgebens. Voller Cro, gespickt mit mehr Carlo als je zuvor.



    (Max)


    Hier findet Ihr die Kritik von Yannik

    Nachdem ich jetzt das vierte Mal von der Box gelesen habe und mich jedesmal kurz gefragt hab, was drin ist, aber keiner von euch fieslingen schreiben wollte, was es ist (oder ich habs überlesen), take ich jetzt einen fürs team und schaue selbst, weil bestimmt genug andere auch halbneugierig und faul sind: Es ist eine Plastikmaske, sonst scheinbar nichts


    [YOUTUBE]

    [/YOUTUBE]


    Was für eine Frechheit man.

    Dennoch finde ich so eine hohe Bewertung direkt am Releasetag für unnötig. Da hätte man schon mal 1-2 Wochen warten können, denn eine Bestwertung sollte es wirklich nur geben, wenn es auch wirklich über Wochen durchgängig gut ist und man es auf Dauerschleife laufen lässt. Daher finde ich das ein wenig überstürzt.


    Ich habe es nun einmal durchgehört und fand es relativ gut für das erste Mal hören.


    Das Album liegt uns seit ca. einer Woche vor. Sowohl die Bewertung als auch die Review selbst waren daher einem intensiven Diskussions- und Denkprozess über mehrere Tage unterzogen.