Beiträge von endlizZ



    (CD 1):
    01. Intro
    02. Noch Einmal
    03. Skit 1: Rapstarz 4
    04. Partytime
    feat. Frauenarzt
    05. Sie Will Mich
    06. Egoist
    07. Skit 2: Rapstarz 5
    08. Voll OK
    09. Wir Sind Hart
    feat. Tony D.
    10. Skit 3: Rapstarz 6
    11. Kingmäßig
    12. Sündenbock
    13. Hart Aber Herzlich
    feat. M-Hot


    (CD 2):
    01. Leben Nach Dem Tod
    02. Schattenseiten
    03. Ghettostar
    04. Weißt Du
    feat. She-Raw
    05. Schaukelpferd feat. Sido & Shizoe
    06. Es Sind Die Drogen
    07. Ich Bin Es Leid
    feat. Shizoe
    08. Könnte Ich feat. Alpa Gun
    09. Glücklich feat. Greckoe & Freddy Cool
    10. Erste Liebe
    11. Weine Nicht
    feat. Zoe Mazah



    Er ist solariumgebräunt, überaus gelenkig und... Niederländer. Ein begnadeter und leidenschaftlicher Rollschuhläufer, der in den Discos der 70er Jahre sein Unwesen treibt. Er liebt es, seine abfallenden Hautschuppen zu bewundern, zu sammeln und zu verzehren. Und er besitzt offensichtlich eine Schwäche für Gold. Aber genug von Austin Powers’ Gegenspieler!


    Kommen wir endlich zu B-Tights neuestem Streich! Nach „B-Tight Sein Album“ und „Neger Neger“ versucht Bobby Dick mit „Goldständer“, seinem, wenn ich mich jetzt nicht verzählt habe, dritten Longplayer, an den Erfolg des Vorgängers (Chartplatz 6) anzuknüpfen. 13 Tracks (inkl. drei Skits) soll(t)en dieses Vorhaben in die Tat umsetzen.


    Schon die für den einstigen HipHop-Scheuklappenträger atypische erste Single („Sie Will Mich“) sorgt durch gitarren- und electrolastige Klänge für Aufsehen und weiß auf erfrischende Art und Weise zu überzeugen. Das Video dazu, das durch (typische) weibliche Überpräsenz glänzt und selbst Alice Schwarzer hinterm Ofen vorholt, tut sein Übriges. Die Erwartungen an das Album sind gestiegen, doch können sie auch befriedigt werden? Teilweise!


    Ich bin nich’ back und auch nich’ wieder zurück/
    Nein! Ich war nie weg, ich hab euch alle im Blick/
    Jap! Jetzt wird wieder euer Leben zerfickt/
    Ich mache wieder mal die Szene verrückt/

    („Intro“)


    Auf das, wie ihr merkt, belanglose, Standardphrasen dreschende und demnach durchaus enttäuschende Intro folgen jedoch glücklicherweise Lieder, die zumindest den Vibe von „Sie Will Mich“ aufnehmen. Da hätten wir den Partybanger „Noch Einmal“, der sich durch einen nach vorn gehenden Beat und eine simple, aber eingängige Hook auszeichnet, die von der mittlerweile entblößten Maskenlady Kitty Kat erst den besonderen Flair erhält. Zum anderen haben wir da „Egoist“. Wie der Name schon sagt, feiert B-Tight hier seine Ich-Bezogenheit. Im Grunde unspektakulär. Jedoch schafft er es, insbesondere durch diesen unglaublichen Grime-Beat, nicht nur kalten Kaffee – Falco lässt grüßen – wieder aufzuwärmen, sondern durchaus auch zum Überkochen zu bringen. Der dritte im Bunde ist der Track „Sündenbock“. Thematisch etwas an Sido erinnernd, aber anders angehend, nämlich ironisch, behandelt Bobby die inzwischen leidige Schuldzuweisung, für die Verrohung der Jugend und der Gesellschaft an sich verantwortlich zu sein.


    Ich bin so cool – Gesetze gelten nich’/
    Wegen mir respektiern sie ihre Eltern nich’//
    Deutschland ist asi, das ist alles meine Schuld/
    Doch die Eltern und die Regierung, die ham keine Schuld/


    Mit Hilfe des genannten Schusses Ironie eine wirklich gute Umsetzung. Des Weiteren propagiert der Berliner, dass „Schlampe sein“ völlig klargeht („Voll OK“). Interessant und... sicher mal erwähnenswert.
    Dennoch finden sich halt auch andere Songs auf der Platte, die eher auf der Festplatte ihr Dasein hätten fristen sollen. Beispiel gefällig? „Wir Sind Hart“ mit dem übertalentierten Tony „Wo-sind-die-Gegners“ Damager ist leider nicht mal unter dem Aspekt „Nimms halt nich’ so ernst“ zu ertragen. Die Grenze zwischen Musik und Lärm ist hier schon beinahe überschritten. In eine andere, aber trotzdem unterirdische Kategorie scheint sich „Hart Aber Herzlich“ einzureihen, da eine schon tausendmal gehörte Sexgeschichte auf eine gähnend langweilige Weise präsentiert wird. Dass der Refrain, gesungen von M-Hot, Ohrkrebs hervorruft, lassen wir mal außen vor.


    Klar gibt es auch Skits – und zwar die Fortsetzung von Rapstarz. Aber Skits sind halt immer so eine Sache. Entweder sind sie gut und lustig oder schlecht und, na ja, unlustig. Bei Bobbys Rapstarz-Skits tritt leider Fall zwei ein. Nette Idee, aber an der Umsetzung hapert es gewaltig, so dass man sich das hätte sparen können.


    Bei der Premium Edition finden wir noch weitere elf Songs des Aggroberliners. Das Verblüffende daran ist, dass er endlich mal persönlich wird. Der Grund, warum diese Stücke „nur“ auf der zweiten CD gelandet sind? Sie würden nicht zu den anderen Tracks passen, aber vorenthalten wolle er sie uns auch nicht. Zum Glück!
    Sei es der Track „Leben Nach Dem Tod“, der mit dem Horrorszenario eines jeden Rappers beginnt, dem Niederstich durch einen Fan, in dem er – ungewohnt intim – sein Leben Revue passieren lässt. Oder seien es Tracks wie „Schattenseiten“, „Weißt Du“ mit einer erneut beeindruckenden She-Raw und „Weine Nicht“, den er für seine kleine Tochter geschrieben hat. Man kann einfach nicht leugnen, dass es B-Tight damit schafft, überraschend überzeugende, gehaltvolle Songs fernab jeder Halligalli-Partymucke abzuliefern.


    Scheiß mal auf Bitches, davon gibts unendlich viele/
    Ich red von dieser einen, von dieser ersten Liebe/
    War ich mal mies drauf, dann hat sie mich aufgemuntert/
    War ich mal aggressiv, dann sagte sie: Hör auf, komm runter/

    („Erste Liebe“)


    Sicher, irgendwie jeder Musiker bezeichnet Musik als seine erste Liebe, und dennoch hatte man bei B-Tight nicht das Gefühl, dass er das jemals thematisieren würde. Zu hart wirkte er, so etwas nach außen zu tragen. Tja, was man mit dem Alter alles offenbart.
    Erwähnenswert sind gewiss noch die Kollaboration mit Sido und Shizoe („Schaukelpferd“), eine Reminiszenz an die Kindheit, und „Es Sind Die Drogen“. Hier preist Bobby auf einem sehr perversen Brett von Beat (made by Tai Jason) seine Lieblingsspielerei: die Drogen! Was ein Apparat!


    Sehr schade nur, dass diese elf Lieder, die wirklich weitaus besser und bedeutender sind als die vorangegangenen zehn, nicht die erste CD besiedeln, und damit auf der Standard Version zu finden wären.



    Mein Fazit:
    B-Tight war noch nie der Techniker vor dem Herrn und wird es wohl auch nie sein. Doch seine Steigerung von Album zu Album ist beachtlich. Hinzu kommt, dass er als einer der ersten den Wandel hin zu (gutem!) Electrorap erkannt hat und dessen Vorzüge auf wohltuende Art und Weise für sich nutzt.
    Goldständer“ in seiner Reinform ist erstens zu kurz und zweitens nicht mehr als nur Durchschnitt, da sich gute und schlechte Tracks die Waage halten. Über die inhaltliche Eintönigkeit brauchen wir erst gar nicht sprechen.
    Bei der Premium Version (auf CD zwei) jedoch kommt ein ganz anderer Bobby Dick zum Vorschein. Plötzlich nutzt er thematische Vielfältigkeit, bringt Tracks, die man so nicht von ihm erwartet hat, und überzeugt damit auf ganzer Linie. Wenn er weiter in diese Richtung geht, ohne dabei seinen Drang nach Partymusik zu verlieren, dann könnte er eines Tages eventuell sogar ganz oben mitspielen.




    (Uli Mativ)

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    01. Intro
    02. Hemmschwelle
    03. Landesverrat
    04. Remmi Demmi
    feat. NMZS
    05. Kranich (Skit)
    06. Vogel
    feat. Violetta Parisini
    07. Zahnpasta (Teil 2)
    08. Dein Name
    feat. Violetta Parisini
    09. Neid-Ish (Interlude) feat. Violetta Parisini
    10. Supermarkt
    11. Wie Wir Tanzten
    12. In Ruhe
    13. Endzeit
    14. Zungenbrecher
    feat. Crying Woelf
    15. Verkaufen
    16. Die Natürliche Ordnung
    17. Outro




    AZ, SZ, TZ. In München werden Tag für Tag Blätter mit informativem Inhalt beschriftet. Und auch Lion Häbler, besser bekannt als Lea-Won, ist kein unbeschriebenes Blatt mehr. In den letzten Jahren konnte er der Rapszene der bayerischen Landeshauptstadt unter anderem mit seinen Releases „Trotzdem Und Gerade Deshalb“, „Lernt Mich Lieben (Vol. 1)“ und „Anti-Style 4 Life (Vol. 1)“ seinen Stempel aufdrücken.


    Und eins solltet ihr euch mer-ken/
    Ihr seid nicht besser, nur weil euch ein paar mehr kenn'/

    („Remmi Demmi“)


    Ob der Münchener HipHop-Aktivist – diesmal im Verbund mit dem Produzenten Nad als Lautleben – halten kann, was er hier zum Ausdruck bringt? Die mit 17 Tracks bestückte Langspielplatte namens „Ohne Titel“ wird das unter Beweis stellen müssen.


    Auf das vielversprechende, auf Maschinen- und dreckige Drumsounds beschränkte Intro, in dem dem Hörer schon beigebracht wird, was ihn in den kommenden Tracks flow-, text- und beattechnisch erwartet, folgen eher unspektakuläre Anspielpunkte wie der Deutschland-kritisierende Song „Landesverrat“, der Representer „Vogel“ mit der Wiener Sängerin Violetta Parisini und der eher einschläfernd wirkende zweite Teil von „Zahnpasta“. Eine gewisse Skipbereitschaft, verbunden mit einem Schuss Widerwillen, Lea-Won die Chance zu geben, auf anderen Tracks das Gegenteil zu beweisen, macht sich breit. Doch früh genug schafft er eben dies. Vor allem das entspannte, melancholische „In Ruhe“, das im Vergleich zu den anderen musikalischen Ergüssen eine willkommene Abwechslung bietet, weiß zu überzeugen.


    Lass mich in Ruhe, lass mich weich sein, keine Lust, dich zu stoßen/
    Lass mich nicht allein, lass mich in Frieden, lass mich dich lieben, lass mich hier liegen/


    Aber auch das Interlude „Neid-Ish“, das vom schon angesprochenen österreichischen Goldkehlchen Violetta Parisini gestaltet wird, der experimentelle „Tanz“-Song „Wie Wir Tanzten“ sowie das bedrohliche, apokalyptische „Endzeit“, zu dem du auch ein Video auf dem Videoportal deines Vertrauens findest, tragen ihren Teil dazu bei, das Album mit Lichtblicken zu durchfluten.


    Die anderen zwei Feature-Gäste - mit Namen: NMZS und Crying Woelf - fügen sich teils gut, teils minder gut in das Lautleben'sche Klangbild ein. Der heulende Wolf versucht es in englischer Sprache, mit leichtem jamaikanischen Unterton, weiß aber nicht wirklich zu überzeugen. Der Düsseldorfer MC NMZS hingegen liefert einen soliden, frischen Rappart auf schon zitiertem „Remmi Demmi“ ab, das - wohl auch dadurch - noch mit zu den besseren Tracks gehört.


    Kommen wir zum scheinbaren Manko dieser Platte: den Beats! Der gemeine Raphörer in der heutigen Zeit wird mit den Instrumentalen von Nad wohl nicht mehr viel anfangen können, da sie oldschoolig, massenuntauglich, speziell, experimentell und aufs Wesentliche beschränkt daherkommen. Samples wurden zerstückelt und neu zusammengeflickt, roughe, dreckige Drumsets drunter gelegt. Die Realkeeper und älteren Semester werden das feiern, die Jungspunde vermutlich eher als langweilig und klanglich unvollkommen abhandeln.



    Mein Fazit:
    Ohne Titel“ ist eine klanglich gewollte Zurückversetzung in der Zeit. Das funktioniert auf dieser Ebene auch gut und klingt in sich stimmig. Dass damit heutzutage jedoch nicht mehr viel zu erben sein wird, sollte Protagonisten und Sympathisanten gleichermaßen bewusst sein. Doch wer Lea-Won kennt, der weiß, dass er weiterhin unbeirrt und aus voller Überzeugung seinen Weg gehen und seine Schiene fahren wird. Und das ist auch gut so.



    (Uli Mativ)





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    Zitat

    Original von MoretimeProductions
    hört einfach auf Freebeats rauszuhauen, dann sehen die Leute früher oder später ein, dass man für nen guten und dann auch exklusiven Beat mal was hinlegen muss, dann wird sich die Spreu vom Weizen trennen, das ist doch gut für alle:


    Die Beatleute sehen mal Kohle für ihre Arbeit und es gibt nen Haufen wannaberapper weniger...90% der "rapper" hier sind eigentlich sowieso die Leute, die die CDs kaufen sollten und nich versuchen selber was zu machen, da es hoffnungslos ist. Wäre schön wenn es eines Tages wieder Musiker und Fans (im sinne von KAUF DIE CD) gibt und nicht jeder Musik machen und damit Kohle scheffeln will, aber sich im endeffekt jeder alles irgendwo illegal runterlädt


    Ausserdem erwarten die nicht n paar gute Beats, sondern irgendwas, was Ihr Leben radikal positiv verändert und alles gut macht...dream on


    Da hat er wohl nich ganz Unrecht!


    Zum Sampler: Geile Aktion! Klar, da gibts den einen oder anderen Beat, der mich nich so anspricht, aber im Großen und Ganzen gute Arbeit von allen Beteiligten!


    Max: Jetzt häng dich doch nich ständig an "Beatelite" auf. Das is ein freigewählter Titel, der eben Leute anziehen soll und das sicherlich auch schafft. Meine Güte, Probleme gibts... die hätt ich auch gern. :rolleyes:



    01. Barfuss
    02. Augen Zu
    03. Niemand An Dich Denkt
    04. Wir Wolln Sommer
    05. Geisterstadt
    06. Mitnehm
    07. Gewinner
    08. Schreibe Dir
    09. Keinen Zentimeter
    10. So Sein Wie Du
    11. Utopie
    12. Verlierer
    13. Pause
    14. Jede Stadt
    15. So Sehr Dabei
    16. Abspann (Weck Sie Nicht Auf)




    Erfurt. Die beschauliche Landeshauptstadt des Bundeslands Thüringen. Bis auf die Tatsache, dass zahlreiche Mitglieder der Familie Bach im 17. und 18. Jahrhundert dort ihr Unwesen trieben, scheint sie in der Neuzeit eher einer Brache in der Musiklandschaft gleichzukommen. Doch ein Mann versucht das seit Jahren vehement zu ändern – mit Erfolg. Ein Mann, der seine Friseurlehre abgebrochen, einen Plattenvertrag bei Four Music bekommen und für das Goethe-Institut Reisen angetreten hat. Der Vorgruppe von Herbert Grönemeyer war, zweimal beim Bundesvision Songcontest (beim letzten Male sogar als zweiter Sieger) dabei gewesen ist und seiner Stadt immer noch die Treue hält. Sein Name? Clueso!


    Nachdem er „Text und Ton“ zusammenbrachte, „Gute Musik“ machte und „Weit Weg“ war, ist er nun „So Sehr Dabei“. Dem will ich natürlich in nichts nachstehen und widme all meine Aufmerksamkeit dem vorliegenden, mit 16 Tracks bestückten Silberling.
    Dass aus den HipHop-Wurzeln Cluesos nach und nach ein popmusikalischer Spross mit Singer-Songwriter-Blättchen heranwuchs, wird wohl nicht mal dem letzten Musikbanausen entgangen sein. Dass das aber nicht immer auch Verwelken, Verdorren, Eingehen nach sich ziehen muss, beweist er mit seiner Entwicklung eindrucksvoll. Schon mit „Barfuss“, dem Intro, bewegt sich seine Stimme leichtfüßig über akustische Gitarrenklänge und stellt klar:


    Doch ich fühl mich federleicht, weil es sich fast immer lohnt/
    Und so erscheint, dass nichts so bleibt, wie’s ist, fast schon wie gewohnt/


    Die beiden Singles „Keinen Zentimeter“, mit der er eben Zweiter bei Raabs Bundesvision Songcontest wurde, und „Mitnehm“, die eine gesunde Prise Lockerheit und Wärme ausstrahlt, erweisen sich als gut gewählt und radiotauglich. Mit dem Wissen, dass das Album in einer spanischen Finka aufgenommen wurde, erscheint ein Track wie „Wir Wolln Sommer“ jedoch etwas grotesk. Hat aber genauso wie „Geisterstadt“, in dem die Umstände im Osten thematisiert werden, seine Daseinsberechtigung, denn das muss ja auch mal gesagt werden!
    Höhepunkte bilden gewiss „Augen Zu“, „Utopie“ – das erst elektronisch, fröhlich beginnt und plötzlich in melancholische Sichtweisen, teilweise dissonante Töne switcht – und „So Sein Wie Du Willst“. Ersterer ganz klar durch den Stimmungswechsel von härteren Klängen in den Strophen zu sanften, ja schon träumerischen in der Ohrwurmhook. Letzterer wohl durch den ersten gesungenen Battletext:


    Worum geht’s in deinen Songs? Um Kleinigkeiten, die für dich selber scheinbar alles sind/
    Nicht nur jetzt, sondern auch sonst machst du mir deutlich: Du und ich, wir sind nicht gleichgesinnt/
    Du kannst mal schauen, wie weit du kommst auf meiner Bühne, bis mein Publikum dich kurz bei Seite nimmt/
    Denn wir kennen kein Pardon, wenn’s darum geht, dass Typen wie du endlich leise sind/


    Klar, singender Punchlinekönig wird er wohl eher nicht werden, aber vielleicht bald als der Schöpfer des Battle-Pops gepriesen. Wer weiß?! Auch der Track „Gewinner“, der durch eine lyrische Meisterleistung auf einem dafür Platz lassenden entspannten Akustik-Beat hervorsticht, setzt ein Highlight auf „So Sehr Dabei“. Auffällig wird zusätzlich, dass Clueso dieses Mal keinen Gastvokalisten zu Worte kommen ließ, wie es bei seinen vorherigen Alben mit z.B. Blumentopf der Fall war. Damit gibt er sich (und seiner Band) den Raum zur freien und eigenen Entfaltung. Hätte schief gehen können. Ging es aber nicht. Denn auf die Art und Weise, wie sie es machen, beinhaltet es kein fehlgeschlagenes Experiment, sondern vielmehr eine musikalische Weiterentwicklung als auch stimmige Glaubwürdigkeit.


    Was man als kleinen Kritikpunkt nennen muss, ist, dass Clueso mit seinem neuesten Streich etwas zu melancholisch, zu schwermütig, zu nachdenklich daherkommt. Mir fehlen die lustigen, humorigen Songs, die etwas abgespaceten, verrückten Lieder, schlichtweg Tracks, die zu diesen tiefergehenden ein Gegengewicht bilden und dadurch ein Gleichgewicht hervorrufen könnten.
    Und dennoch bleibt mir nur eins zu sagen:


    „[...] Und solang die Musik noch läuft und mein Tabak noch reicht, nehm ich das volle Programm!
    („So Sehr Dabei“)


    Mein Fazit:
    Die lyrischen Welten, die er in Kombination mit den brillant geknüpften Soundteppichen erzeugt, suchen in diesem Genre ohne Weiteres ihresgleichen. Clueso hat sich mit jedem Album weiterentwickelt und scheint mit „So Sehr Dabei“ den momentanen Höhepunkt seiner musikalischen als auch kommerziellen Karriere erreicht zu haben. Und trotzdem scheint es noch Luft nach oben zu geben. Die eingefleischten HipHop-Nerds werden mit seinem jetzigen Sound wohl nichts mehr anfangen können. Jedoch kündigte er in Europas größtem HipHop-Printmagazin an, wieder Lust auf ein Rapalbum zu haben. Na, wir sind gespannt!




    (Uli Mativ)

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    Tracklist:
    01. Zwei Welten Intro
    02. Verliebt Darin Geliebt Zu Werden
    03. Schade, Arschloch
    04. Kunst Über Vernunft
    05. Missin’ The Train
    06. Alkoholabhängige Piloten
    07. Weihnachten 04
    08. Gebet Einer Heidin
    09. Don’t Ask
    10. Unausgesprochen Gut (Bonustrack)




    Wer kennt das nicht?! Man verliebt sich. Man entliebt sich. Man trennt sich. Um damit klarzukommen, wird sich gern alles von der Seele geschrieben, und der ein oder andere sucht seine Zuflucht in der Musik. Verarbeitet wird das Ganze jedoch immer allein. Zusammen? Niemals! Oder... doch?


    Die Berlinerin Celina, die im vergangenen Jahr ihr Solodebüt „Das Original“ veröffentlicht hat, und der Stuttgarter Maeckes, der mit seinem kongenialen Partner Plan B die Rapszene mit Freshness bereichert, taten genau das. Obwohl beide Musiker sind, gab es während ihrer fünfmonatigen Beziehung keine musikalische Kooperation. Diese kam absurderweise erst zustande, nachdem sie sich getrennt hatten. Sie entschieden sich, die gemeinsame Vergangenheit zusammen aufzuarbeiten und zu verarbeiten. Und auch wenn sie die Vernunft kurz vor dem Release noch einmal fragte, ob sie damit das Richtige tun würden, siegte schlussendlich die Kunst – zum Glück.


    Play. Das Intro („Zwei Welten Intro“) klingt wider Erwarten anders, verstörend. Man wundert sich, ob man die richtige Platte in Schwung gebracht hat. Auf einem Shadow’schen, rohen Beat kommt ein leicht aggressiver Maeckes daher, ehe schließlich Celina das Konzept ihres Machwerks verlauten lässt:


    „Zwei Seelen, eine Idee, Musik.
    Ein Wort, ein Ton, ein Mikro.
    Zwei Welten, Einblicke, ein Blick.“


    Sehr treffend formuliert! Mit „Schade, Arschloch“, das schon vor dem Release auf MySpace kursierte und Lust auf mehr machte, geht es dann in die im Vornherein vermutete Richtung. Was der Song bereithält? Klar, eine Abrechnung. Aber auch der Genuss, beide getrennt voneinander zu hören, wird einem nicht verwehrt. Celina hat gleich drei Solotracks: „Missin’ The Train“, „Gebet Einer Heidin“ und „Verliebt Darin Geliebt Zu Werden“, dessen Quintessenz dem Titel gleichkommt und durch die gute Umsetzung ihrer persönlichen Aufarbeitung der Vergangenheit überzeugt. Maeckes hingegen erzählt auf „Weihnachten 04“ eine Story über ein Mädchen – dass das Celina ist, läge nahe, ist aber ungewiss. Der Gag, „Jingle Bells“ in der Technoversion als Hook herzunehmen, mag im ersten Moment kreativ erscheinen, aber letztlich empfinde ich ihn als (zer)störend und unpassend.
    Natürlich gibt es auch Highlights auf dieser Platte. Eins ist sicherlich der Titeltrack („Kunst Über Vernunft“) selbst, den ich für den besten deepen Song des bisherigen Jahres halte. Während ein wunderschönes Piano-Sample für die musikalische Untermalung sorgt, erzeugt Maeckes sehr persönliche Bilder mit Text und Ton, und Celina lässt sowohl ihrer Trauer als auch ihrer Hoffnung freien Lauf:


    „I hope, one day love will overrule your fears.
    And you can say, you found someone that you can really trust.
    I’m on my way though we were not meant to be.
    I want you to be happy, even if it’s not with me.“


    Weitere Glanzlichter sind der Track „Don’t Ask“, in dem Maeckes viele essenzielle Fragen auf bewundernswerte Weise beantwortet, und auch „Alkoholabhängige Piloten“, der von Stimmung und Klangbild so gar nicht zum Rest des Albums passt, aber genau dadurch eine wohlwollende Abwechslung als auch andere Seite darstellt.
    Die kurze Spieldauer von nur zehn Tracks scheint hier das einzige Manko zu sein. Der ein oder andere wird wohl aber auch die teils roh wirkenden Beats und die teils nicht so gute Aufnahmequalität (z.B. bei „Gebet Einer Heidin“ hörbar) bemängeln.


    Mein Fazit: So absurd das Konzept eigentlich ist, so einzigartig und interessant ist es. Ein getrenntes Paar gibt seine Erfahrungen der Öffentlichkeit preis und gewährt einen Einblick in seine Seelen. Durch die Vielseitigkeit – sowohl textlich als auch musikalisch (Mix aus Blues, Swing, Soul, HipHop...) – weiß das Album sehr zu gefallen.
    Und am Schluss hat man trotz allem das Gefühl, dass sie nun so miteinander umgehen, als wären sie Freunde.


    „Schade, Arschloch“ auf Celinas MySpace

    „Alkoholabhängige Piloten“ auf Maeckes MySpace



    (Uli Mativ)

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