Beiträge von holi


    Was machen eigentlich die Stieber Twins...? Wer je auf irgendeine Art mit dem rappenden, produzierenden, tanzenden, sprühenden, auflegenden und absolut alles, was überhaupt echt zu halten ist, echt haltenden Geschwisterpaar in Berührung gekommen ist, dürfte an dieser Stelle bereits mutmaßen: Was immer es ist, HipHop wird ein wesentlicher Bestandteil davon sein. Und das vollkommen zu Recht! Mittlerweile auch schon fast 10 Jahre ist es her, dass Wu-Tangs GZA an der Seite eben unter anderem der zwei Heidelberger in gebrochenem Deutsch kundtat: "Isch lebe für HipHop!" Doch auch heute – nach einem unglaublichen viertel Jahrhundert aktiver Mitgliedschaft in unser aller (selbstverständlich nach rappers.in zweit)liebster Community – scheint jenes Credo für Mr. Mar und Luxus Chris noch immer so gültig wie am ersten Tag. So wusste Christian Stieber beim Interview mit rappers.in von Auftritten zu berichten, von Jam-Besuchen und sogar von geplantem neuen Output. Und auch, wenn wir mit ihm letztlich nur den ganze drei Minuten jüngeren der beiden Twins zum Gespräch trafen, so sollte dabei doch eines deutlich geworden sein: Die Stiebers sind längst noch nicht bereit, die Geschehnisse auf HipHop-Deutschlands Streets nur noch durchs Altenheimfenster zu betrachten. Aber lest selbst...



    rappers.in: Hallo! Schön, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast! Steigen wir doch gleich ein: Ihr schreibt ja von euch selbst, dass ihr momentan weniger rappt, aber weiterhin produziert. Gibt es denn dafür aktuelle Stieberproduktionen?


    Christian Stieber: Es ist so, dass ich momentan wieder Texte schreibe. Es geht ja auch immer um den Knoten, der irgendwann platzen muss. Also, wie soll ich's beschreiben... Ich steh' jetzt normal im Leben, bin 36 Jahre alt, hab' 'ne Familie, bin Architekt, arbeite den ganzen Tag und hör' Musik in meiner Freizeit. Für mich ist Rap jetzt ein Freizeitding und wir haben das auch früher als Freizeitding betrieben. Und von daher schreiben wir und wir machen auch auf jeden Fall Beats, aber es ist jetzt nicht so, dass wir jetzt direkt morgen mit 'ner Platte rauskommen werden. Aber es gibt schon was, was wir dann auch an den Mann bringen werden. Und wir haben ja auch zwei Instrumentalplatten nach "Fenster zum Hof" rausgebracht und so weiter. Und wir produzieren auch eifrig. Ob wir dann nochmal mit Rap richtig an' Start gehen, das wag' ich jetzt nicht zu bezweifeln. Aber es wird auf jeden Fall nicht in der Form passieren, sondern anders.


    rappers.in: Wie darf man es sich vorstellen, wenn die Stiebers als DJs das Land unsicher machen? Wo legt ihr auf und welche Musik spielt ihr bei euren DJ-Gigs?


    Christian Stieber: Wir sind überall unterwegs. So richtig clubmäßig. Immer so drei- bis vierhundert Mann. Ja, da fahren wir hin, dann legen wir auf, vielleicht geht da noch rapmäßig was. Im Endeffekt ist es so, dass es immer Spaß macht. Wir legen auch Funk auf, Soul, Rock. Alles im Kontext und es muss immer 'ne gewissen Linie haben.


    rappers.in: Nun habt ihr ja mit sehr vielen Leuten zusammengearbeitet, die bis heute wegweisend für den deutschen Rap sind, oder ihn zumindest geprägt haben. Gibt es nach all den Jahren darunter ein besonderes Highlight für euch? Eine Zusammenarbeit, die immer noch besonders heraussticht? Wenn ja, mit wem fand diese Zusammenarbeit statt und warum ist sie so in Erinnerung geblieben?


    Christian Stieber: Ja, das war ja zu 'nem Zeitpunkt, da war Rap, glaub' ich, in aller Munde. Da kamen dann plötzlich Leute, die konnten schneller rappen als du. Oder hatten mehr Silben oder hatten noch 'nen geileren Satz als du. Und mit diesen Leuten haben wir dann zusammengearbeitet. Ob das jetzt La Familia ist oder Samy Deluxe, Maximilian – wer auch immer. Das waren Leute, die waren prägend und mit denen haben wir dann Songs aufgenommen. Wie soll man das beschreiben? Die mochten uns, wir mochten die. Es sind viele Freundschaften entstanden. Mit vielen hab' ich auch noch Kontakt. Nicht so, dass man sich jeden Tag trifft, aber auf jeden Fall so, dass, wenn man sich sieht, eine gewisse Grundliebe da ist.


    Unbekannter: Heidelberg war früher HipHop-Deutschland-Hauptstadt!


    Christian Stieber: Ja, so war das. Wir hatten Torch, Advanced Chemistry.


    rappers.in: Welches Jahr eurer Rapkarriere würdet ihr gerne noch einmal erleben, wenn ihr eine Zeitmaschine hättet?


    Christian Stieber: Ja, ein geiles Jahr war '89. War ein gutes Jahr. Also, alle Jahre waren gut, aber '89 ist mir echt im Gedächtnis geblieben. Es gibt ja immer so Jahre, die gehen an dir vorbei, da weißt du überhaupt nichts mehr. Was weiß ich, was '97 war. Im Jahr '89, da sind wir halt auch zu HipHop gekommen – richtig zu HipHop. Wir haben früher Breakdance gemacht, '84. Rocksteady Crew und so. Da kam HipHop gerade rüber zu uns nach Deutschland. Dann sind wir wieder von dem Pfad weggekommen. Das war so Niemandsland, '85 und '86. Und dann sind wir quasi '87 wieder dazugekommen. Da war ich auf meinem ersten Konzert, ... (Unbekannter ruft aus dem Hintergrund: "In Frankfurt!") ...das war LL Cool J in Frankfurt. Und die Vorgruppe von Cool J – halt dich fest – war Public Enemy. Die kannte zu dem Zeitpunkt noch niemand! Public Enemy. (wiederholt es ungläubig) Es waren praktisch nur Afroamerikaner da. Schwarze Afrikaner. Und mein Bruder und ich. Als totale Blassbacken, ja? Und der Torch. Ich hab' mir das von meinen Eltern zum Geburtstag gewünscht. Ich weiß noch genau, wie das war. Ey, das Konzert war so: Public Enemy stand auf der Bühne und dann haben die "Yo! Bum Rush the Show" gespielt, die erste Public Enemy. Wenn du die Platte hast, da haben die nur Kracher gespielt. Das war '87. Und danach kam Cool J auf die Bühne. Da war der noch verhältnismäßig schlank. Da ist der auf die Bühne, da stand hinten auf der Bühne ein überdimensionaler Ghettoblaster. Der war vier Meter lang, 3 Meter hoch. Und dann ging vorne die Kassettenklappe auf (macht die Geräusche der Klappe nach) und dann kam Nebel raus und dann kam der raus. (der Unbekannte von hinten: "Ey, Cool J, HipHop!") Das war das Coolste in meinem Leben. Ich mein', als Kind sieht man das eh immer mit anderen Augen. Aber das war so fett. Der hat ein Handtuch reingeschmissen in die Crowd. Da haben sie sich erstmal die Köpfe eingeschlagen. Da waren Frauen, Männer, alles! Das war Exodus! Von daher: '87 war prägend. Da kamen auch alle guten Platten raus: Boogie Down Productions, alle möglichen. Ice-T war mit "Rhyme Syndicate" unterwegs.


    Unbekannter: Ihr wart die Letzten, die mit Akim dick waren. Aber eure Wege haben sich '99 auch getrennt, oder? Und Torch meinte so zu mir: "Ich will gar nicht über das Thema sprechen."


    Christian Stieber: Ja, Torch. Torch ist halt irgendwie anders. Aber im Endeffekt ist der Akim ein großer Teil meines Lebens. Der hat auch sehr viel gemacht.


    Unbekannter: Aber ich muss sagen: Was der Akim gemacht hat in Deutschland...


    Christian Stieber: (unterbricht) Wegweisend, wegweisend!


    Unbekannter: Die waren alle bei MZEE-Records auf dem Label. Und man muss sowas erstmal aufziehen.


    Christian Stieber: Auf alle Fälle. Die Vision haben. Schau, ich kann auch drüber nachdenken: Ich werd' Millionär. Oder du sagst: Ich will kein Millionär werden und bin trotzdem glücklich und nehm' mir vor, einfach 'nen Sozialjob zu machen, mit Liebe und Leidenschaft. Das ist auch in Ordnung. Für mich ist es einfach so: Das, was du machst, damit musst du irgendwie glücklich sein. Und alles andere spielt keine Rolle, ja? Was du für 'nen Status in der Gesellschaft hast, ist eh scheißegal. Du musst mit dir selbst zufrieden sein, alles andere spielt keine Rolle. Du musst den Leuten mit Respekt entgegentreten und zuhören. Das ist ganz wichtig.


    Unbekannter: (unterbricht) Ihr seid allein aufgewachsen. Nur mit Mutter, oder?


    Christian Stieber: Nein, auch mit Vater. Mein Vater ist aber früh gestorben...





    rappers.in: Wie ist dieser Wechsel: Am einen Tag Familienvater zu sein und am nächsten Tag auf einem Open Air wie hier oder auf dem Splash! zu spielen? Kommt euch das manchmal unwirklich vor, weil ihr aus eurer normalen Welt gerissen werdet?


    Christian Stieber: Ja, logisch. Klar. Sprung ins kalte Wasser.


    rappers.in: Sind das dann eher so Pflichttermine für euch? Oder betrachtet ihr das Ganze immer als einen Ausflug?


    Christian Stieber: Ja, für mich ist das wie ein Familienausflug mit Freunden und mit Leuten, mit denen ich das gerne mach'. Wir machen das ja auch ein, zwei Mal im Jahr. Es ist immer verbunden mit Lampenfieber und es ist immer wieder Aufregung.


    rappers.in: Und ihr habt echt nicht öfter Bock auf Liveshows?


    Christian Stieber: Es gibt schon öfter Anfragen. Es gibt schon Leute, die das wollen. Aber ich will's einfach nicht zu oft machen. Was du zu oft machst, ist Alltag und Alltag ist total träge.


    rappers.in: Es geht das Gerücht um, dass ihr über ein Projekt mit Aphroe nachgedacht habt. Könnt ihr dazu was sagen?


    Christian Stieber: Ja, das wird auch irgendwann stattfinden. Der Aphroe ist zum Beispiel einer von denen, wo eben auch Freundschaften entstanden sind. Aphroe ist zum Beispiel einer, den schätze ich sehr. Der ist mir ans Herz gewachsen. Als Freund einfach. Das ist eine große Person. Der hat Humor, der ist geil, der kann rappen, der hat Ideen, der ist gebildet.


    rappers.in: Ist das bis jetzt nur angedacht, oder wurde wirklich schon was gemacht?


    Christian Stieber: Nee, es ist so: Er hat 'nen geilen Text, ich hab' 'nen geilen Text und dann gucken wir, dass man da was Geiles raus zaubert. Rapmusik halt.


    rappers.in: Ihr seid ja beide nicht gerade dafür bekannt, dass ihr sehr releasefreudig seid...


    Christian Stieber: Ja, nee, das wird irgendwann rauskommen. Macht euch da keine Sorgen.


    rappers.in: In einem Interview von '98 mit euch hab' ich gelesen, dass ihr '88 auf Jams wart und '98 immer noch. Jetzt ist meine Frage: Seid ihr weitere zehn Jahre später immer noch als Besucher auf Jams unterwegs?


    Christian Stieber: Das ist immer noch so. Früher war's allerdings so, dass 'ne Jam halt auch HipHop-Kultur war, in erster Linie. Heut ist es eher als Konzert angelegt. Man muss auch immer sagen: "Auf was lässt man sich ein?" (überlegt) Wie soll ich's beschreiben? Wenn einer zum Beispiel sagt "Okay, du kommst heute zu mir, meine Mutter wird 70.", dann ziehst du dich anders an, wie wenn jetzt dein Freund 23 wird. Das ist einfach ein anderer Anlass. Und früher war halt HipHop Anlass. Das war halt Graffiti, Breakdance, Rapmusik. Kultur in erster Linie. Man hat sich ausgetauscht, es war ein Miteinander und man hat vor allem auch... Die Rapper haben dann auch den Graffitileuten Respekt gezollt und umgekehrt. Es war eigentlich wie im Video "Wildstyle". Das war ja auch so, da war halt Jam. Dann waren die Leute auf der Bühne, das war dann zum Schluss auch so das Feuerwerk, ja? Da gab's Musik, da wurd' getanzt, da hat man 'ne gute Stimmung gehabt. Tagsüber haben die Leute gemalt. Aber so was gibt's ja auch in vielen Städten. Es gibt immer wieder Veranstaltungen, wo die HipHop-Kultur zum Beispiel auch zelebriert wird. Das ist ganz wichtig.


    rappers.in: Bist du damals eher als Aktiver oder als Fan dort hin?


    Christian Stieber: Ich bin in erster Linie als Fan hingegangen. Ja gut, aber als Fan bist du halt automatisch auch Aktiver. Das war halt so.


    rappers.in: Und wie ist das heute?


    Christian Stieber: Ich geh' auf jeden Fall als Fan auf Konzerte, ja. Ich geh' jetzt auf Liza Minelli zum Beispiel. In der Frankfurter Oper mit meiner Frau. Da guck' ich mir nochmal Liza Minelli an, bevor die Frau ins Gras beißt. Weil die hat mich als Kind begleitet. Meine Eltern haben Liza Minelli gehört. Diese ganze amerikanische große Riege, ja? Oder auch so James Brown. Der ist ja mittlerweile auch wieder weg. Das ist so ein Stück Historie – ist gut, wenn man das noch mitkriegt einfach. Und deswegen muss man auch ab und zu auf Konzerte gehen. Ich geh' aber auch auf Kurtis Blow. Aber auch auf aktuelles Zeug, keine Frage. Ich geh' auch aufs AC/DC-Konzert, wenn die auf Tour sind. Weiß der Geier. Es besteht auch grad so ein Umbruch im Rap. Es gibt so 'nen Hype und wenn der Hype abbricht, ist immer die größte Chance für die Musik. Dann konzentrieren sich die Leute weniger aufs Geschäftliche, sondern in erster Linie wieder auf das Wesentliche. Und das Wesentliche war einfach Output, ja? Geilen Output. Und es gibt so viele geile amerikanische und auch deutsche Platten. Musst du halt danach graben. HipHop ist halt früher auch graben gewesen – nach Sampleplatten, nach Dosen, nach allem. Und wenn du dich einfach hinstellst und willst dich bedienen lassen, ja, wo ist das? Das gibt's nirgends! Und das war auch so ein bisschen der Untergang von HipHop, dass sich die Leute einfach hingestellt haben und sagten: "Ich will bedient werden!" Das kannst du nicht machen. Und das wird auch nie gut. Jetzt ist Rapmusik wieder da, wo sie hingehört. Bissl auf die Straße, bissl ins Wohnzimmer, bissl romantisch auch. Mit Romantik können viele Rapper nichts anfangen. So ein bisschen Herzblut. Man sagt ja auch "Ghettoromantik". Aber das ist auch so: In deinem kleinen Ghetto. Mit deinen Leuten, die um dich rum sind und diese pflegen und mit denen auch irgendwas Geiles zu machen. Das ist für mich Romantik. Und das haben viele Leute im Rap vergessen. Da geht's immer nur um Verkaufszahlen, da hat der noch was Geiles zu erzählen. So "Kommt der noch krasser als der und ist der noch irgendwie böser als der?". Das interessiert mich überhaupt nicht. Macht doch, was ihr wollt. Im Endeffekt geht's darum, ich geh' hin und hör' mir das an und denk' mir: "Mann, der sagt 'nen Satz, der mir auf der Seele brennt. " Warum soll ich dem dann nicht sagen "Ey, du bist ein geiler Typ. Du hast jetzt was gesagt, was ich fühle."? Und das ist doch was Schönes. Das ist Austausch, das ist sozial, das ist Gesellschaft. Und es geht um Gesellschaft im Rap, was viele Leute vergessen.


    rappers.in: Ihr werdet irgendwie fast immer in einem Atemzug mit eurem Album "Fenster zum Hof" genannt, wenn man etwas über euch hört oder liest. Was war oder ist in euren Augen das Besondere daran, so dass euch Leute noch Jahre später dermaßen Props dafür geben?


    Christian Stieber: Weil es völlig nur für die Sache geschrieben wurde! Es wurde aus mir geschrieben. Zu einem Zeitpunkt, wo ich mich wirklich nur mit der Sache beschäftigt hab', wo wir praktisch 'ne Gesellschaft in der Gesellschaft waren. Da ging's nicht um Geld, da ging's nicht um Verkaufszahlen, da ging's nicht um Label und Properties und weiß der Geier was, weißte? Da ging's einfach nur um Spaß an der Freude. Und wir haben auch Sachen gesagt, wo viele Leute auch heute noch sagen, 20 Jahre später oder 15 Jahre später: "Geil. Super. Was der grade gesagt hat, das liegt mir auf der Seele." (fängt an zu rappen) "Writer, die Writer verarschen, sind für mich das Letzte." Das ist auch heute noch so. Wenn du mit jemandem unterwegs bist, dann stellst du den nicht bloß. Dann ist das dein Kollege, dann zollst du dem Respekt und fertig. Ob das 'ne Frau ist oder ein Mann, ob der behindert ist oder schwul. Kackegal! Es geht darum, dass man einfach sich korrekt aus der Affäre zieht und am Schluss den Deckel zumachen kann und sagen kann: "Okay, Klappe zu, Affe tot."


    rappers.in: Vielen, vielen Dank für das Interview!





    Kurzinfo:
    Die Zwillingsbrüder Martin und Christian Stieber (Stieber Twins) sind ein seit Mitter der 80er disziplinübergreifend tätiges HipHop-Duo aus der einstigen Kultur-Hochburg Heidelberg. Ab Anfang der 90er erblickten über MZEE Records erste Rapparts der beiden das Licht der Welt. Also über jenes Label, das zu der Zeit Urgesteinen wie Advanced Chemistry, Cora E., MC Rene, Ferris MC und Massive Töne zu ihren ersten Veröffentlichungen verhalf. In ihrer Rolle als Pioniere hiesiger Rapmusik waren die Stieber Twins – in erster Linie durch Martin Stiebers an zeitgenössischen New Yorker Vorbildern orientierten Produktionen – stilprägend für die damalige deutsche Szene. Breit gefächerte Kollaborationen sowohl in Beat als auch Rap hielten das Gespann über viele Jahre hinweg präsent und relevant, obwohl die Zwei es mit "Fenster zum Hof" (MZEE, '96) auf bis heute nur ein einziges Solo-Rapalbum gebracht haben. Auch, wenn sie das Mic noch nicht offiziell an den Nagel gehängt haben, treten die Stieber Twins inzwischen hauptsächlich als DJs und in Form gelegentlicher Production Credits in Erscheinung. Martin Stieber widmet sich weiterhin verstärkt seinem Heidelberger HipHop- und Graffiti-Shop "The Fame", während sich sein jüngerer Bruder Christian der Architektur verschrieben hat.



    (Martin Gattinger & Nico Mönnig)



    Wir fassen uns kurz: Seit wenigen Minuten steht hier ("Ziel speichern unter..." zum Download) das offizielle Snippet zu Kollegahs finalem, dritten Zuhältertape bereit. Jedes weitere Wort überlassen wir an der Stelle dem Boss selbst...


    Quelle


    [pushit]1741 [/pushit]



    01. Intro
    02. S&P-Shit
    03. Kill, Kill, Kill
    04. Ruhrgebiet
    05. La La La
    06. Kommt
    07. Pillath – Sag es allen
    08. Macho-Sound
    09. Asozialen-Lifestyle II
    10. Hol mich raus
    11. Snaga – Von der Gosse ins Glück
    12. Keiner macht es so wie wir
    13. So muss es sein
    14. Wohin führt uns unser Weg


    Robbie Williams hat sie bekommen. Jesus sowieso. Der Vokuhila hat sie bekommen. Ja, sogar George W. Bush hat man sie gegeben. Im Leben verdient jeder eine zweite Chance. Also. Next up: Snaga & Pillath, die freundlichen Pott-Proleten.
    Wir erinnern uns. Es war 2005 und die Hure Deutschrap kassierte ein paar ordentliche Bitchslaps durch "Die linke & die rechte Hand Gottes". Für mich damals Liebe auf das erste Brrrät! Dipset-Ästhetik? Schon. Aber man kann eben Shakespeare spielen und die Leute sagen "Der spielt den Macbeth aber gut!" oder man spielt Shakespeare und sie sagen "Der ist aber ein guter Macbeth!". Und mit etwas regional eingefärbter Mundart, (Selbst-)Ironie und den nötigen Ecken und Kanten gelang Timm Zumbrägel und Oliver Pillath damals das Kunststück, selbst fast eins zu eins übersetzten Zeilen noch ihren Stempel aufzudrücken. Ein Jahr später schlicht "Eine Frage der Ehre", jenes Kunststück unterm neuen Dompteur Deluxe noch einmal darzubieten. Nur dass das, was darauf folgte, tatsächlich alles "Aus Liebe zum Spiel" war, wollte manch einer dann doch nicht mehr so recht glauben. Einem hochkarätigen Line-up von Produzenten und Featuregästen stand eine halbgare Mische aus ungewohnt viel bemüht Deepem und einigen wenigen eher schlappen Aufgüssen der Hausmarke S&P gegenüber.
    Scheiß drauf, Schwamm drüber! Zwei Jahre und einen zweiten Labelwechsel später sind die zwei mit ihrem zweiten Album – wer 1 und 1 zusammenzählen kann, ahnt es – "II" wieder da, um "deutschem HipHop" und wohl vor allem auch ihrem eigenen Rap "seinen Sack zurück" zu geben (Pillath im "Intro"). Beats kommen von Cats wie Shuko, 7inch, Joe Rilla, den Beatgees, X-Plosive Beats und natürlich wieder Joshimixu. Features braucht kein Mensch.


    "Guck, ich mach' das so – ich nehm' ein' Stift und ich ratter' los/
    Ganzes Album auf Niveau von Helge Schneiders 'Katzeklo'/
    "
    (Pillath auf "Keiner macht es so wie wir")


    Und ganz ohne Stift rattert es auch bei Pretty Snaga. Schon mit den ersten Tracks wird klar: Während Big Pillath nach wie vor auf Sprüche ("Und ihr steckt so tief in mei'm Arsch, meine Backen ham sich Tage nich' gesehen") und Vergleiche ("Geht und macht paar Euros an der Stange so wie Kippenschmuggler") setzt, widmet sich der Kollege mehr denn je Experimenten mit Flowvariationen und Stimmeinsatz. Wo Ps Parts meist pointierter (ab und an leider auch nur gezwungener), jedoch im Vortrag uninspirierter erscheinen, wirken S' Darbietungen zwar manchmal inhaltlich leblos, doch unterm Strich dennoch lebendiger. Ein Glück, dass auf (fast) allen Tracks beide MCs vertreten sind. Ebenso, dass sich mit "II" der Themenschwerpunkt der zwei wieder ein wenig zurück verlagert hat:


    "Mann, guck mich an – Arme so wie andre Leute Beine/
    Dafür Beine so wie andre Leute Arme – das' schade/
    Aber scheißegal, gar keine Frage/
    Ein Schlag und dein Kopf wechselt danach jeden Tag seine Farbe/
    "
    (Snaga auf "Macho-Sound")


    Tschia! Aber auch die drei, vier, fünf Leute, die Snaga & Pillath vor allem für die eher nachdenklichen Töne schätzen, sollen auf ihre Kosten kommen: Auf einem geradezu hymnischen X-Plosive Beat marschiert Snagz im Alleingang "Von der Gosse ins Glück" und auf einem endzeitlich dramatischen ebensolchen lässt er sich mit Pillath gar zu Inhalten hinreißen, welche schon Kaas damals richtige Aufmerksamkeit aus falschen Gründen bescherten ("Kommt"). Und ganz zum Schluss begeben sich die zwei Horndogz dann sogar noch auf die Fährte eines möglichen Lebenssinnes jenseits von allgemein als Wertäquivalent anerkanntem Papier...


    "Und du siehst nich', jemand liebt dich, doch kriegt nix/
    Von dir zurück, weil du denkst, Liebe gibt's nich'/
    "
    (Snaga auf "Wohin führt uns unser Weg")


    Aber den Vorzeigeproleten unterscheidet vom Vorzeigepoeten dann eben doch mehr als uns das geschriebene Wort Glauben machen möchte und wer Cockyness und Fäkalhumor als zwei seiner elementarsten Stilmittel führt, gerät im Wechselbad der Gefühle naturgemäß ein wenig ins Schwimmen, sobald es deeper wird. Doch was nicht passt, wird bei S&P bekanntlich passend gemacht und das heimatverbundene Wolfgang-Petry-Cover "Ruhrgebiet" und auch das eigentlich unnötigerweise auf den großen Namen zurückgreifende "Asozialen-Lifestyle II" machen vor, wie's geht. Mit fast widersinnig fröhlich-kitschigem Sound und stolz-sarkastischen Lines wie "Kein Berufsverkehr mehr hier, also wenigstens keine Staus" (Snaga auf "Ruhrgebiet") stellen S-N-A und P-I-doppel-L einmal mehr ihr vielleicht größtes Talent unter Beweis. Die Fähigkeit, eine scheinbar mit der eigenen unvereinbare Stilrichtung nicht nur zu erlernen, sondern viel mehr zu verändern und sich zu Eigen zu machen.


    "Es gibt vielleicht kein Bier auf Hawaii/
    In Gladbeck-Mitte gibt's dis siebte Bier um halb zwei/
    Prost, das spendet Trost/
    Kalle will Werner paar auf die Fresse hau'n, et geht schon wieder los/
    Rechte Ecke – frisch bei Caritas aus der Umkleide/
    Kalle in ei'm Traum aus blasslila Ballonseide/
    "
    (Snaga auf "Asozialen-Lifestyle II")


    Fazit:
    Nach 14 Tracks ist alles gesagt. Auch mir fällt nicht viel mehr ein als zufrieden zu grinsen. Brachten all die Ambitionen und Erwartungen das lange angekündigt gewesene Debütalbum einst merklich ins Wanken, steht sein direkter Nachfolger nun da wie eine 1 – beziehungsweise "II". Okay: Beim zigtausendsten "Ich wende so und so Gewalt an und mit deinem Körperteil xy passiert das und das" nach dem Baukastenprinzip machen sich erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Auch die Instrumentals kommen nicht ganz an die etwas aufwändigeren Produktionen des Vorgängers und schon zweimal nicht an die Übersee-Importe der Vorvor- und Vorvorvorgänger ran. Tatsächlich bewegen sich die allermeisten nur zwischen "ganz nett" und "passabel". Aber Snaga & Pillath machen definitiv wieder Spaß und mit "II" liefern sie – um noch einmal den Prinz des Potts im "Intro" zu zitieren – "ein saustabiles Album" ab. Zweite Chance ganz klar genutzt!



    holi (Nico Mönnig)

    [REDBEW]312 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=312 [/reframe]
    [azlink]Snaga+%26+Pillath+%96+II [/azlink]



    Ab sofort gibt es auf Selfmade Records' Homepage den zweiten Track aus Kollegahs nun am 19.12. erscheinendem "Zuhältertape 3" zum kostenfreien Download.


    "Lovesong Reloaded" heißt das Ding und ist eine Neuauflage der bekannten Schnulzen-Verballhornung "Lovesong" vom ersten Zuhältertape. Und so viel sei verraten: Wie schon die erste Pre-Single "Endlösung" ist auch der "Lovesong Reloaded" wieder mit Reminiszenzen an Kollegahs Debüt-CD gespickt.


    Ob der Boss damit aber tatsächlich an einstige Großtaten anknüpfen kann, hört ihr hier (für Download "Ziel speichern unter...").


    Quelle


    [pushit]1721 [/pushit]



    Nicht erst seit gestern ist bekannt, dass Samy Deluxe' Label die Segel gestrichen hat. Nun soll es allerdings noch ein letztes Abschiedsrelease geben:


    Am 11.12. diesen Jahres wird ein finales Mixtape aus dem Hause Deluxe Records seinen Weg in die Welt finden. "Der letzte Tanz" soll es heißen. Auf den insgesamt 15 Anspielpunkten zu hören: bis auf einen Gastbeitrag von Ali A$ ausschließlich der Baus persönlich. Beats kommen ebenfalls von Samy selbst sowie den Instrumens, Monroe, Dead Rabbit, Sam Gilly, Petone, Dash, Baby Dooks und DJ 360.



    Tracklist:


    01. Intro
    02. Neue Saison
    03. Der letzte Tanz
    04. So viele Fragen
    05. Katze aus dem Sack
    06. Hin und Her
    07. Truf is Back
    08. Draussen aufm Dauf
    09. Hamburg 2009
    10. Sag mir was du von mir willst
    11. Samsimilias Rache
    12. Samsimilias letzten Worte
    13. Hussel und Flow
    14. Nie genug feat. Ali A$
    15. Outta hier


    Quelle


    [pushit]1720 [/pushit]


    Freidenker haben mehr vom Leben. Im Ernst! Als waschechter Freidenker kann man wirklich die abenteuerlichsten Dinge erleben – um dann später der rappers.in-Leserschaft ausführlich davon zu berichten. Wirklich, so jemand kann dir erzählen, Grönland wäre in Großbritannien und er habe mit Eisbären am Verhandlungstisch gesessen und irgendwie macht das dann auf einmal sogar Sinn. Wo wir vielleicht nur ein bisschen Gerappe, ein bisschen Getanze, Gemale und Ge... ähm DJing sehen, sieht ein Freidenker viel mehr so etwas wie einen Urlaubsort. Wo wir nur hören, wie uns mal wieder irgendjemand mit seiner Lebensgeschichte langweilen will, hört ein Freidenker möglicherweise seinen nächsten Song. Glaubt ihr nicht? Na, dann macht euch auf eine Überraschung gefasst. Free your mind and read on...



    rappers.in: Der Name "Freidenker" ist ja eigentlich schön griffig, aber man kann sich anhand dessen jetzt noch nicht unbedingt vorstellen, was da für eine Musik dahintersteckt. Statt euch jetzt so standardmäßig vorzustellen: Überlegt euch doch mal ein paar vielleicht weniger kompakte, dafür aber bezeichnende Namen. So was wie "Zwei Rapper und ein DJ erzählen von..." oder "Die, die Rap machen, weil...".


    Freidenker: Drei Jungs aus Heilbronn, die Mitte der 90er Jahre Rap für sich entdeckten, seither Musik machen und gar kein anderes Sprachrohr für ihre Gedanken und Gefühle kennen. Außerdem machen wir Musik zum Spaß, für uns und nicht zuletzt für unsere Fans.


    rappers.in: Wunderschön! Vielleicht ja als Zweitname 'ne Überlegung wert... Aber als "Freidenker" habt ihr jedenfalls vor etwa fünf Jahren euer Debütalbum "Denk-zettel" veröffentlicht. Über Herbert Grönemeyers Label "Grönland Records". Danach habt ihr euch wegen künstlerischen Differenzen allerdings recht schnell wieder von "Grönland" getrennt. Was genau ist denn die Geschichte dahinter?


    Freidenker: Zunächst: Herbert ist ein feiner Kerl, er mochte unsere Musik wirklich sehr gern und bekam auch ab und an von gewissen Freidenker-Tracks Gänsehaut. O-Ton! Das begann alles recht träumerisch an einem regnerischen Tag in einem kleinen Büro irgendwo in London. Da saßen wir auf einer roten Couch und rechts neben uns saß ein überlebensgroßer Teddy-Eisbär – zu sehen im Video von "Mensch". Dann kam er tatsächlich mit 15-minütiger Verspätung, nahm Platz, schnorrte eine Zigarette und gratulierte uns zu unserer großartigen Musik. Mit großen Erwartungen flogen wir wieder in die Heimat. Es gingen drei Jahre ins Land und tausende Tracks fanden ihren Weg nach London. Aus Studios wie Headrush, aus Koops mit Deichkind et cetera. Man fand schon während diesen Aufnahmen irgendwie keinen gemeinsamen Nenner. Herbert gefielen immer die Ursprungsdemoversionen am besten, dem einen A&R jene Version, dem anderen A&R diese Version. Es entstand ein heilloses Durcheinander, in dem wir selbst die Kontrolle verloren. Letztendlich spielt dann der Hauptgeldgeber – hier: Virgin – eine große Rolle. Ziel der Strategen war ein politisches Album. Ergebnis war Mittelmaß, ein Kompromiss zwischen allen Beteiligten. Jeder durfte etwas im Brei rühren, Virgin gab noch schnell 50.000 Euro dazu und durfte dann auch noch etwas im Brei rühren. Die Erwartungen waren hoch und wurden natürlich nicht erfüllt. Politische Alben laufen in Deutschland einfach nicht. Wir machten danach unbekümmert weiter, nahmen Lieder auf und schickten diese nach London, Herbert fand ein paar toll, die A&Rs fingen wieder an mit diesem Geschwafel, dass der politische Ansatz fehle. Es folgten ein Telefonat mit Herbert und eines mit dem Chef-A&R, danach war klar, dass wir getrennte Wege gehen.


    rappers.in: Und seht ihr dieses Kapitel denn heute als verpasste Chance oder doch eher als bestmöglich genutzte? Sprich: Würdet ihr sagen, es kam damals, wie es kommen musste, oder würdet ihr heute Dinge vielleicht ganz anders machen, wenn ihr nochmal die Möglichkeit hättet?


    Freidenker: Ich glaube, wir hätten nicht viel anders machen können. Hätten wir nicht gemacht, was die Chefetagen wollten, wäre das Album entweder gar nicht rausgekommen oder einfach ins Regal gestellt worden. Weißt du, uns wurde damals klar, warum wir Musik machen. Natürlich geht man Kompromisse ein, aber alles hat seine Grenze. Es muss auch ein Stück von mir in meiner Musik stecken. Wenn ich über Amerika rappe und George W. Bush, dann bin das nicht unbedingt ich. Für uns beginnt Politik im Kleinen. Ein persönliches Lied kann genauso politisch sein. Nur das verstehen nicht alle Leute. Es musste so kommen. Abgesehen davon ist bei Grönland noch kein Act groß rausgekommen und ich bezweifele auch, dass das jemals passieren wird. Obwohl großartige Artists auf diesem Label sind und waren.


    rappers.in: Ihr selbst seid nun ja jedenfalls bei Wortsport untergekommen und fangt dort quasi nochmal neu an. Euer zweites Album heißt jetzt "...und dann kamen die Touristen". Wer genau sind denn für euch "die Touristen" in der HipHop-Szene und was stört oder gefällt euch an ihnen?


    Freidenker: Das stimmt so nicht! Wir sind nicht bei Wortsport untergekommen, wir haben dieses Kollektiv mit aufgebaut. Wortsport ist Ende der 90er aus Freunden, die Rapmusik gemacht haben, entstanden. In den letzten Jahren ist das Label gewachsen. Mit Dexter gehört einer der derzeit besten deutschen Produzenten zum Label. Wir gehören da gerne dazu und es ist alles sehr familiär. Zum zweiten Teil der Frage: Touristen sind wir grundsätzlich mal alle, wenn wir fremdes Terrain betreten. Es geht aber um den Respekt, den wir mitbringen gegenüber denjenigen, die schon da waren. Letztendlich kann man diese Metapher auf so ziemlich alles anwenden... Im Hiphop war es aber für uns so, dass wir Anfang der 90er anders waren als der Rest der Menschheit. Man fiel auf mit Baggy Pants, Caps und so weiter. Es ging darum, sich abzuheben. Das ist heute völlig anders. HipHop ist Einheitsbrei geworden, die Jugendkultur Nummer 1 auf der Welt. Das freut uns auf der einen Seite, macht uns aber auch traurig. Ähnlich, wie wenn du vor Jahren an einem wunderschönen kleinen Fischerdorf in Spanien Urlaub gemacht hast und jetzt kommst du wieder dahin und alles steht voll mit Hotelbunkern und die Speisekarten sind auf Deutsch.





    rappers.in: Ja, verstehe. Und dieses Album ist jetzt quasi auch so, wie ihr schon zu "Grönland"-Zeiten eins hättet machen wollen? Und was wäre denn, wenn ich jetzt sagen würde, ich hab' das damals aber total gefeiert, wie es war? Denkt ihr, ich könnte das neue Ding letztendlich trotzdem wieder genauso gut finden?


    Freidenker: Nein. Wir waren damals selbstverständlich auch politisch – sehr sogar. Aber es war eine andere Zeit. Irak-Krieg, elfter September et cetera. Wir wollten auch so ein Album, aber nicht so radikal, wie es dann war. Der Hörer bekam ein rohes Stück Fleisch ohne jegliche Zutaten oder Beilagen. Wenn du das damals gefeiert hast, ist das cool. Da hast du aber sehr viel Zeit und Ruhe für dieses Freidenker-Album gebraucht. Das neue Ding kannst du genauso feiern, weil du mit uns älter geworden bist. Deine und unsere Welt dreht sich heute um andere Dinge. Politische Resignation ist wahrscheinlich auch bei dir eingetreten, wie auch bei uns. Dennoch ist unser Interesse an Politik immer noch vorhanden. Wir kommentieren nur nicht mehr so viel. Musikalisch wie auch textlich ist das ganze viel ausgereifter. Das Themenspektrum ist breiter und du kannst die Platte auch einfach mal so nebenbei laufen lassen, was aber nicht heißt, dass die Texte oberflächlich sind. Es dreht sich einfach darum, ob Musik rund geworden ist und dieses Album ist defintiv mit das Rundeste, was es die letzten Jahre so auf die Ohren gab. Word!


    rappers.in: Viele der Songs basieren auf jeden Fall auf realen Begebenheiten. Passiert sind die aber ja wohl meist nur einem von euch. Darüber rappen hört man euch trotzdem beide. Habt ihr eventuell eine bestimmte Vorgehensweise, mit der ihr den anderen nachträglich an euren Erlebnissen teilhaben lasst, damit er die Stimmung dann auch wirklich in seinen Raps einfangen kann?


    Freidenker: Zunächst ist dieses Album tatsächlich eine ziemlich autobiografische Geschichte geworden. Passiert sind uns aber viele Geschichten auf ähnliche Weise. Die Vorgehensweise ist so, dass ich meistens den ersten Part einrappe und Heiko kann fast immer etwas damit anfangen. Wenn nicht, holen wir uns Jaques Shure oder Fleisz ins Studio, dann ballern die noch einen Part rein. Wortsport 2009! Am besten ist es übrigens, wenn man bei Musik gar nichts erklärt. Man kommt am nächsten Tag ins Studio, da ist ein Rap drin, mit dem du so nicht gerechnet hast, der den Song eben auf eine andere Art und Weise bereichert. Sonst braucht man keine Band, sondern könnte das Ganze auch solo machen.


    rappers.in: Bleiben wir noch kurz bei diesen biografischen Inhalten. Einiges basiert ja auch, wenn schon nicht auf euren eigenen Erfahrungen, vielleicht auf denen von Leuten aus eurem Bekanntenkreis. Ich denke da etwa an "Das verflixte Siebte" mit der nach sieben Jahren gescheiterten Beziehung. Zeigt ihr solche Songs eurer Quasi-Muse denn vorher beziehungsweise bittet vielleicht sogar vorab um Erlaubnis, so etwas machen zu dürfen?


    Freidenker: Nein, das tun wir selbstverständlich nicht. Es war aber tatsächlich schon so, dass ein Homie von mir mal längere Zeit stinksauer auf mich war, weil ich aus seiner Geschichte einen Song gemacht habe. Ich sehe das aber recht entspannt, weil jeder Künstler, der schreibt, gewisse Erfahrungen widerspiegelt oder aus seinem Umfeld erzählt, reflektiert et cetera. Woher soll er sonst seine Geschichten nehmen? Er braucht ja eine gewisse Basis, mit der er arbeiten kann. Es besteht dann die Kunst darin, das Ganze zu überspitzen beziehungsweise einen künstlerischen Anspruch daraus entstehen zu lassen. "Das verflixte Siebte" ist aber völlig fiktiv und lehnt sich tatsächlich an einen Artikel in der NEON an, den ich wirklich ziemlich lustig fand und mir dachte, daraus müsste man mal einen Rap-Song machen.


    rappers.in: Achso, okay. Aber was ist mit eurer Single "Weit weg" zum Beispiel? Also, die ist doch wirklich mehr oder minder einem Freund gewidmet, der von jetzt auf gleich vom Fernweh gepackt wurde und weg war. Hatte der denn inzwischen die Chance, das Lied selbst einmal zu hören?


    Freidenker: "Weit weg" ist in erster Linie für unseren Homie Musti in Berlin. Musti hat den Song inzwischen selbstverständlich gehört und war zu Tränen gerührt. Mit der Story kann sich aber auch jeder identifizieren, weil jeder von uns schon Freunde wegen der plötzlichen Distanz verloren hat. Nur stellt sich eben immer die Frage, was man daraus macht und dass man eben den "Link" zueinander nicht verlieren darf.


    rappers.in: Anderes Thema: Ihr unterscheidet euch in vielen Dingen ja doch recht deutlich vom Großteil der aktuellen Rap-Szene, distanziert euch teils auch von ihr. Fühlt ihr euch denn überhaupt noch als Teil davon? Oder – gerade auch, weil eurer Musik ja auch andere Einflüsse wie etwa aus dem Reggae-Bereich anzumerken sind – fühlt ihr euch letztlich vielleicht einem anderen Genre auf gewisse Art näher, auch wenn ihr eben immer noch Rapmusik macht?


    Freidenker: Wir haben gesprüht, gebreakt, aufgelegt und heute rappen wir nur noch, aber was will uns denn jemand aus der heutigen HipHop-Szene über HipHop erzählen? Wir waren von Anfang an dabei, wir haben alles miterlebt – vom 20-Mann-Jam bis heute. Was die aus unserem HipHop gemacht haben, dafür können ja wir nichts, dafür kann niemand etwas. Und HipHop ist entstanden aus sehr vielen Einflüssen. Der Ursprungsgedanke ist ja, dass da ein DJ verschiedene Platten – Soul, Funk et cetera – ineinander mixt und einen neuen Sound daraus macht. So ist HipHop entstanden irgendwo in der Bronx. Insofern sind wir mehr HipHop denn je.


    rappers.in: Gerade auch wegen diesem "Wer will uns denn was erzählen?": Wie sehr beschäftigt ihr euch denn dann noch mit dem, was eure Rap-Kollegen und -innen so treiben? Und sofern ihr das tut: Seht ihr da auch positive Entwicklungen?


    Freidenker: Ich beobachte ganz genau, was raptechnisch so abgeht. Heikouality und DJ Kaiser dagegen wissen nichts und es interessiert sie auch sehr selten. Ich muss auf jeden Fall sagen, dass ich Leute wie Damion Davis oder aktuell Tim Plus sehr abfeiere. Ich finde auch Morlockk Dilemma sehr fresh, wenn es auch nicht ganz mein Sound ist. Ich finde es vor allem wichtig, dass es auch noch um Skills geht, weil die in den letzten Jahren eigentlich fast keine Rolle mehr gespielt haben!





    rappers.in: Irgendwie will man euch ja doch ziemlich schnell in diese "Studentenrapper"-Schublade stopfen. Räumt doch mal ruhig ein bisschen mit diesem Klischee auf und überrascht uns mit etwas über euch, was da mal so gar nicht reinpassen will. Also, vielleicht hat jetzt keiner von euch 'ne Schusswunde zu zeigen, aber trotzdem... Oder fügt ihr euch eigentlich bereitwillig in diese Rolle?


    Freidenker: Mir persönlich ist egal, was für ein' Hintergrund jemand hat. Es geht mir am Ende des Tages um die Musik. Diese Studentenrap-Backpack-Diskussion ist doch völlig überflüssig. Wir sind zu alt, um uns mit solchen Themen zu beschäftigen. Glaubst du denn, dass wir so langweilig und studentisch sind? Ich hab' mal studiert und das ziemlich lange, was das aber mit meinem Rap zu tun hat, weiß ich nicht. Meine beiden Bandkollegen haben nicht studiert, insofern ade Klischee. Wir haben keine Vorstrafen und keine Schusswunden. Wir können in der Richtung also keine Promo machen, sorry.


    rappers.in: Okay, dann fassen wir doch nochmal zusammen: Ihr hattet schon einen namhaften Vertrieb im Rücken, Rotation im Fernsehen und so weiter, habt euch dann aber dagegen und für mehr künstlerische Freiheit entschieden. Ihr habt den Anspruch an euch selbst, Geschichten aus dem wahren Leben zu erzählen. Was also wollt ihr mit eurer Musik erreichen? Worum geht es euch bei all dem letztlich?


    Freidenker: Wir haben uns nicht dagegen entschieden. Wir wollen immer noch im TV laufen, aber Musikfernsehen gibt es ja leider nicht mehr. Wir müssen für uns selbst authentisch bleiben, sonst ist eh alles im Arsch. Du bist nicht glücklich mit Millionen auf dem Konto, aber mit niveauloser Scheiß-Musik im Rücken. Du musst ja deine Mucke feiern, sonst ergibt das alles keinen Sinn. Zumindest nicht für uns.


    rappers.in: Okay, also in nächster Zeit keine niveaulose Scheiß-Musik von euch. Stattdessen? Euer zweites Album ist nun erhältlich, wie geht es denn in nächster Zeit mit euch weiter?


    Freidenker: Das wissen wir nicht. Die Medien haben das Album teilweise sehr gut angenommen, das Radio mag uns wohl und wie der Rest läuft, das ist auch immer so eine Glückssache... Ich hab' letzte Woche zwei Songs fürs nächste Album geschrieben. Also, wenn wir jetzt nicht Top10 gehen, dann 2010.


    rappers.in: Aber hallo! Abschließend dürft ihr eurem Crew-Namen jetzt nochmal alle Ehre machen und die Gedanken frei wandern lassen – und sie uns dann mitteilen, versteht sich. Die letzten Worte gehören ganz euch und ihr dürft loswerden, was immer euch in den Sinn kommt...


    Freidenker: "Die Gedanken sind frei" klingt doch schon mal gut. Was soll man da noch hinzufügen? Bier schmeckt gut? Keine Ahnung. Wir wünschen euch viel Spaß mit "...und dann kamen die Touristen". Ihr könnt auf http://www.frei-denker.com ein 20-minütiges Snippet runterladen und die Single. Ihr bekommt also einen guten Eindruck, ohne einen Cent auszugeben. Zieht's euch rein beziehungsweise runter. Peace!


    rappers.in: Okay, alles klar. Dann danke fürs Interview!



    (Nico Mönnig)



    01. Intro (Sony Rechtsabteilung)
    02. Welcome to the Ghetto
    03. Eiszeit
    feat. Basstard
    04. Original Massiv
    05. Gangster-Rap Tag Team
    feat. Beirut
    06. NaNaNaNa
    07. Oberarme angespannt
    feat. Kollegah
    08. Falls es nicht klappt
    09. Das ist die Strasse
    feat. Sido
    10. Sternenstaub feat. Ziya
    11. Der Ghettotraum in Handarbeit
    12. Ibrahim und Bilal
    13. Wir sind Fleischfresser
    feat. Beirut
    14. Guck wie du guckst
    15. Du kannst diesen Weg nicht alleine gehen
    feat. Senna
    16. My Life
    17. Al Massiva kommt
    feat. Beirut


    Es war die Geburt eines Stars. Wann? Anfang 2003. Wo? Einfach überall! Binnen weniger Tage ging ein Name um die ganze Welt: 50 Cent. Der Typ war einfach zu perfekt. Mit dem richtigen Aussehen, um Herzen zu stehlen – oder Handtaschen. Dann natürlich die vielzitierten neun Kugeln. Neun! Wen hätte da bitte noch interessieren sollen, dass dieser Curtis Jackson ein höchstens durchschnittlicher Rapper war? Hallo, sogar sein leichtes Nuscheln beim Rappen zeugte ja angeblich nur von einer der prestigewirksamen Schussverletzungen. Jedenfalls war auf einmal ein einziges Stück von 50 Cent locker eine Million 50-Cent-Stücke wert.
    Und Massiv? Die Frage, ob der 27-Jährige nun tatsächlich der deutsche Fifty ist oder doch nur ein falscher Fuffziger, kann man getrost weiter kommentierfreudigen Heranwachsenden auf YouTube überlassen. Ja, vielleicht ist er aus Imagegründen in die Hauptstadt umgezogen. Ja, vielleicht war der Überfall auf ihn inszeniert. Allerdings: Einer Szene, die mehr als jede andere Authentizität fordert, sie sich jedoch von allen wohl am wenigsten leisten kann, hielte Massiv so ohnehin nur den so dringend benötigten Spiegel vor. Mir persönlich war sowieso schon immer Schnuppe, ob Giovanni vom Italiener in der Innenstadt wirklich der sympathische Südländer-Macho ist, als der er sich gibt. Die Tortellini da sind nun mal einfach die besten. Liegt aber sicher nicht an 'ner Extraprise sympathischem Südländer-Machogehabe. Konzentrieren wir uns also im Folgenden einfach mal nur auf die Tortellini...
    Diese Tortellini sind im engeren Sinne eigentlich gar keine richtigen Tortellini, sondern eher so etwas wie ein Album und hören auf den Namen "Der Ghettotraum in Handarbeit". Handarbeit vor allem von (Nicht-)Größen wie Brisk Fingaz, DJ Rocky, Tango & Cash, der Solvo Music Group, Bulenzho Beatz und einem scheinbar ganz besonders arbeitseifrigen Abaz, auf dessen Konto gleich sieben der siebzehn Produktionen gehen. Vornehmlich mit dem Mund gearbeitet haben dann noch Basstard, Sido, Kollegah, Al Massiva-Schützling Beirut sowie Ziya und die Monrose-Senna.


    "Ein' Pressesprecher gab es nicht, Massiv stand unter Tatverdacht/
    Die Bertelsmann AG hat mich intern in einen Sarg verpackt/
    Aufgewacht seid ihr dann erst, seit ich euch und der Firma schade/
    Eure Sony Rechtsabteilung klärt eh nichts im Schnellverfahren/
    "
    ("Intro (Sony Rechtsabteilung)")


    Die Koffer stehen bei Fight 4 Music noch unausgepackt in der Ecke, der Platz am runden Tisch von Sony BMG ist noch warm... Scheiß drauf! Gleich zum Auftakt reißt der Al Massiva-Löwe wieder gewaltig das Maul auf. Und wenn die ersten zwei Albumminuten ein Pirmasenser Palästinenser und ein paar Streicher Drohgebärden austauschen, kann einem als Hörer wahrlich Angst und Bange werden. Früher wollte ich Massiv nicht im Dunkeln begegnen, hiernach bin ich geneigt, zu sagen: "Wenigstens siehst du dein Ende dann nicht kommen!"
    Die akustische Präsenz des Weddinger Muskelberges steht der optischen jedenfalls in nichts nach und M-A-S tut gut daran, weite Strecken seiner Platte mit der Kombi dunkel grollender Rap und grollend dunkler Beat zu absolvieren. Druckvoll energetische Performances wie auf der Vorab-Single "Eiszeit" trösten mehr als einmal über lyrische Massivhölzernheit und unfreiwillige Komik hinweg.


    "Ey, der Halbkanadier und der Palästinadeutsche/
    Rapper starren wie betäubt in zwei Submachinegunläufe/
    Es gibt Bullets in die Atemwege plus Magengegend/
    Wir steh'n vor dir, die Finger an den Triggern sind am Pullen wie Glasgefäße/
    "
    (Kollegah auf "Oberarme angespannt")


    Für die textlichen Finessen hat der Wahl-Berliner sich ja ohnehin wen ins Boot geholt. Und so kommt es, wie es kommen muss und Massiv sieht beim raptechnischen Oberarmumfangsvergleich einmal mächtig schmächtig aus. Nun nicht so schön für Massiv, aber schön für uns allemal. Denn obgleich es beim Boss der Bosse so kurz vorm eigenen Release auch nicht ganz fürs A-Game gereicht hat, sorgt er hier doch für einen zwischenzeitlichen Höchststand auf der Unterhaltungswertskala.
    Nicht ganz so viel Spaß macht der inzwischen endgültig demaskierte Siggi auf der leicht altbackenen Kummernummer "Das ist die Strasse" – dem ersten einer Reihe von Abstechern in ruhigere Gefilde. Unnötige Umwege größtenteils. "Du kannst diesen Weg nicht alleine gehen" mit Senna ist die Hörbuchversion eines Poesiealbums und der Nachruf auf "Ibrahim und Bilal" ist... Nun, über die Toten soll man nicht schlecht reden! Aber schlecht rappen dann doch wohl eigentlich auch nicht, oder?
    Mit Abstand am launigsten in dieser Kategorie: "Sternenstaub", Massivs wundertoll trashiger Nachtflug entlang des funkelnden Firmaments. Hochgepitchte Vocals und Geklimper von Jilly King und GeeMaLi, eingeflochtene Gesangspassagen von Ziya, etwas Grup-Tekkan-Flavour und eine gute Hand voll von irgend 'nem Glitzerzauberzuckerzeugs. So eine Kollaboration mit Kaas hinterlässt eben doch Spuren!


    "Es is 'ne Menge passiert, ich wär' jetz' gerne bei dir/
    Ich schrieb dieses Lied für dich auf einem Sternenklavier/
    "
    ("Sternenstaub")


    Fazit:
    Irgendwann sind alle siebzehn Tortellini verputzt und ich stelle fest: Nicht ganz wie bei Giovanni, aber essen kann man's! Dieser Ghettotraum mag stellenweise doch eher grobschlächtig handgearbeitet sein, aber was will man bei solchen Pranken auch erwarten? Massiv versucht sich an Screwing plus sogar dem ein oder anderen Flowwechsel und der Instrumentation ist ein jüngst vollzogener Major-Weggang eigentlich nicht anzuhören. Nur brauch scheinbar jeder Superman sein Kryptonit und jeder Achill seine vom unverwundbar machenden Styx-Wasser unbenetzt gebliebene Ferse. Und Massivs Achillesferse ist nunmal die deutsche Sprache. Das selbsternannte "Sprachrohr für die Jugend" ("Welcome to the Ghetto") muss wohl ganz schön verbeult sein, wenn am anderen Ende Sätze wie "Jeder haltet hier die Fresse!" (ebenso "Welcome to the Ghetto") rauskommen. Auch dass Queensbridge eine Brücke sein soll und ich angeblich "Die Sendung mit der Maus mit 'ner Prise Dr. House" will – im Original Massiv auf "Original Massiv" –, macht mich immer noch ein wenig stutzig. Eben alles Dinge, wegen denen ich mir spätestens beim "In Grammatik schwach – euer Gelaber hier ergibt keinen Sinn!" ("Falls es nicht klappt") dann doch ein wenig verulkt vorkomme. Was dann unterm Strich bleibt, ist ein unverholen seichter, doch nicht zwangsläufig Entertainment-freier Langspieler, bei dem der ein oder andere Straßenrap-Freund durchaus nicht gleich weg-, aber gerade bei den Texten denn bitte auch nicht sooo genau hinhören sollte. That's it. Eines noch zum Schluss: 50 Cent hat dieser Tage sein wohl letztes Studioalbum veröffentlicht. Die Verkäufe, so heißt es, laufen schleppend...



    holi (Nico Mönnig)

    [REDBEW]305 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=305 [/reframe]
    [azlink]Massiv+%96+Der+Ghettotraum+in+Handarbeit [/azlink]

    Zitat

    Original von ProRipper
    Dann isses nur seltsam, dass Alben von Künstler wie MOK oder Massiv besser bewertet werden, obwohl die einfach schlechter SIND...oder? :suspekt:


    ...wollten wir die Diskussion nicht beenden? :suspekt:


    hmm, in dem moment, wo sich jemand anmaßt, zu wissen, was faktisch gut/schlecht oder richtig/falsch IST wie du scheinbar, existiert eigentlich ohnehin keine diskussionsgrundlage...



    aber jo, wollen wir nun auch... :]

    Zitat

    Original von ProRipper
    Was bringt die Rezension, wenn nur ER es so sieht, sonst aber (fast) niemand?


    ist dem denn so...? dass in einem forum, in dem hauptsächlich untergrundrapper aktiv sind, beispielsweise bushido-fans hingegen eher anecken, ein untergrundrapper-"verriss" auf mehr wiederstand stößt als ein bushido-"verriss", ist nur natürlich... unsere aufgabe ist allerdings nicht, stammusern nachzuplappern, sondern tendentiell JEDEM potentiellen leser einen (EINEN, mangels kapazitäten nicht mehrere und ganz sicher auch nicht den absoluten) blick auf das rezensionsobjekt zu gewähren...


    wenn eine hand voll untergrundrapper plus die auf dem release vertretenen künstler der rezension so nicht zustimmen können, bedeutet das noch nicht unbedingt, dass es niemand bzw. wenige können... dazu müsste hier so was wie ein querschnitt durch, sagen wir, die deutschrap-hörerschaft, vorliegen, oder...?



    aber wie lupa schon gesagt hat, ist das eigentlich nicht der richtige ort, entschuldigung...



    b2t: ich fand das album persönlich auch ein wenig enttäuschend... gerade von jotta und kash kenne ich pointenreicheres...



    Der Boss gewährt Rest-Rapdeutschland überraschend weitere 7 Tage Gnadenfrist. Der abschließende dritte Teil von Kollegahs "Zuhältertape"-Reihe wird nun, statt wie geplant am 12.12., erst eine Woche später am 19.12. exklusiv über Selfmade Records' hauseigenen Online-Shop erscheinen.


    Grund dafür ist laut SR-Homepage das Wegfallen zweier angedachter Features, welches der Toni nun mit zwei zusätzlichen Solo-Nummern im Alleingang kompensieren möchte. Als kleine Entschädigung für die verlängerte Wartezeit wurde die offizielle Single zum Tape für kommenden Mittwoch, den 25sten November zum kostenfreien Download angekündigt.


    Weiterhin gibt es hier ab sofort Impressionen in Form bewegter Bilder von Favorite beim Gastpart-Einrappen...


    Quelle


    [pushit]1714 [/pushit]



    01. Intro
    02. Sido
    03. Hey Du!
    04. Geburtstag
    05. Skit 1
    06. Der Tanz
    feat. K.I.Z.
    07. Wenn das alles ist feat. J-Luv
    08. Marie & Jana
    09. Skit 2
    10. Ich bereue nichts
    feat. G-Hot
    11. Sicher?
    12. Skit 3
    13. Seniorenstatus
    feat. Samy Deluxe
    14. Siggi & Harry feat. Harris
    15. Ruf mich feat. Kitty Kat & Bintia
    16. Schlampen von gestern feat. Doreen
    17. Skit 4
    18. Sie bleibt
    19. Für jeden
    feat. B-Tight & Alpa Gun
    20. 10 Jahre feat. Die Sekte
    21. Outro


    Hidden Track: Seniorenstatus RMX feat. Samy Deluxe, Liquit Walker, Greckoe & Laas Unltd.


    Es ist ein Problem, dem sich die allermeisten von uns wohl leider niemals werden stellen müssen. For rap superstars only! Wer als Junge aus armen Verhältnissen in der Musiklandschaft nach Chart-Gold buddelt, hat mit großem Glück das große Pech, sich dabei seine Hauptinspirationsquelle abzugraben: die armen Verhältnisse. Und spätestens, wenn dann mal wieder ein Album fällig wird, guckt manch einer unter Umständen ganz schön dumm aus der Maske. Doch wo sein in dieser Sache vielleicht einzig echter Leidensgenosse, Anis Ferchichi, immer lauter werdenden Fragen nach einem Verfallsdatum für Street Credibility zum Trotz weitermacht wie gehabt, ist Paul Würdig – einen hab' ich noch – Maskenmanns genug, sich der neuen Situation zu stellen. Dumm aus der Maske gucken, Maskenmanns genug – Last-Minute-Wortwitzeleien, denn Sidos jüngstes mal wieder fällig gewordenes Album "Aggro Berlin" hat tatsächlich nur noch so wenig mit Vorvorvorgänger "Maske" zu tun, dass sich der mittlerweile 28-Jährige bereits im Non-Rap-Intro endgültig von seinem einstigen Erkennungsmerkmal trennt. Seltsam nur: Was dann folgt, lässt ihn maskierter erscheinen als jemals zuvor...


    Aber der Reihe nach! Features? Von A wie Alpa Gun bis Z wie "ziemlich viele andere" wartet "Aggro Berlin" standesgemäß mit dem gesamten süßlich riechenden Dunstkreis des Namenspate stehenden Ex-Arbeitgebers auf. Hinzu kommen Fremdklangkörper à la Sam Semilia oder K.I.Z. und, nach anfänglich nur Worten ("Sido"), bekennt der Hausherr mit dem finalen Guestspot schließlich auch in Taten: "Ich bin ein Laas Unltd. Fan!". Und die Produzenten? Nach dem Motto "wenn's kein Hit wird, ist der Andere schuld" kommen die Beats von so dynamischen Duos wie Paul NZA und Marek Pompetzki, Djorkaeff und Beatzarre, M3&Noyd sowie DJ Desue und niemandem. Tönt im Prinzip wieder nach einem waschechten Sägeblattschuss? Let's find out!


    "Wie ich gewonn', mich gefeiert und gelacht habe/
    Ihr müsst es einseh'n, das war'n achtbare acht Jahre/
    Wir ha'm das Land regiert von Ansage zu Ansage/
    Guck, wie ich mit Stolz dieses Tattoo auf meiner Hand trage/
    "


    Aggro-Nachruf, Abrechnung mit den "Popstars"-Machern und ein letzter Blick durch die verchromten Augenhöhlen – auf ein deutschrapgeschichtsträchtiges Jahr 2009. Selfmades Berlin-Tourstop und die Reunion von Sonny & Fler mit inbegriffen. Dazu ein zertifiziertes Gerät der Bauart NZA/Pompetzki inklusive "Sidoooo"-Chören, eingeleitet von einem neckischen "mach ihn auf, den Mund, hier kommt 'ne Ladung...". Gleich zum Auftakt macht (im doppelten Sinn) "Sido" alles richtig. Doch schon wenn zwei Tracks weiter die als Desinteresse missverstandenen Überraschungspartyvorbereitungen seiner Freunde den unerwartet selbstmordgefährdeten Rapper spontan Todes- statt "Geburtstag" feiern lassen, fragt man sich doch, ob es nicht ein Fehler gewesen sein könnte, derartig früh derartig viel thematisches Pulver zu verschießen.
    Der Maestro selbst jedoch fühlt sich allem Anschein nach zu Höherem berufen und kann sich mit Szenegeplänkel schlicht nicht länger aufhalten. Auch die schwer melancholische Nummer "Sicher" macht deutlich, dass Sido nicht länger gewillt ist, auf selbige zu gehen, sondern mehr denn je inhaltlich wie musikalisch expandieren möchte:


    "In deiner Beziehung bist du der Mann – bist du sicher?/
    Für sie tust du alles, was du kannst – bist du sicher?/
    Du fühlst dich wohl, wenn sie dich anlacht – bist du sicher?/
    Aber irgendwas is' anders – sicher?/
    "


    Doch nicht nur bezüglich "ihr" kann mich unser Goldjunge mit solchen Exkursen verunsichern. Ich habe Fragen. Zum Beispiel: Soll ich mir wirklich von einem MC, der sich vor wenigen Sonnenumrundungen noch bevorzugt als unverbesserlicher Sozialversager inszeniert hat, das Leben erklären lassen? Und warum versucht mir ein Millionenstar allen Ernstes einen leidlich als metaphorisch zu deutenden Song lang einzureden, ich könne mich jederzeit melden, wenn ich mal ein Problemchen habe? Warum mussten all die trotzig-stolzen Selbstbekräftigungen von G-Hot, J-Luv, B-Tight und natürlich C-Dough selbst gleich auf so viele Stücke verteilt werden? Warum denke ich als eigentlich Krömer-Fan nach dieser gänzlich unlustigen Skit-Reihe bloß "Gott sei Dank sind Kurts Auftritte Kurzauftritte"? Ist eine Marihuana-Vermenschlichung mit Reggae-Anleihen plötzlich wieder innovativ, nur weil man dabei statt einer Sie gleich zwei besingsangt? Und am allerallerdringlichsten: Wie viel "Marie & Jana" muss man denn bitte konsumieren, um auf so was wie diese "Siggi & Harry"-Hook zu kommen?


    "Eigentlich wollte Ramona nur Kippen holen, aber sie kam nich' mehr heim/
    Diese Luise hat mich bestohlen, für Cora war er zu klein/
    Marene lies mich allene, für Gabi war ich zu dumm/
    Maria lebt jetzt bei Pia – sie steht jetzt nich' mehr auf Jungs/
    "
    ("Schlampen von gestern")


    Jawoll! Der süffisante Abgesang auf alle des Namens Würdig unwürdigen Frauen dieser Welt bringt für dreieinhalb Minuten den Sido aus'm Block zurück: So entwaffnend selbstironisch, dass vollkommen unpeinlich und stets mit diesem augenzwinkernd kindlichen Charme. Für volle dreieinhalb Minuten. Bis dann Doreen – ohrenscheinlich begeistert ob der Tatsache, unerwähnt geblieben zu sein – daherkommt und die ganze schöne "Ach, die gute alte Zeit!"-Stimmung binnen Sekunden wieder kaputtträllert. Scheinbar gibt's passend zur rosaroten Brille neuerdings auch noch den rosaroten Kopfhörer. Schade, denn in eine ähnliche Kerbe schlagen nur noch die Schmonzette "Der Tanz" mit K.I.Z. plus Sidos allesamt fehlschlagenden Schlussmachversuche auf "Sie bleibt". Letzteres übrigens – auch hier lassen die Menschenfresser in Alltagskluft grüßen – ein Cover des Yankees-Evergreens "Halbstark".


    Fazit:
    "Aggro Berlin" ist... Hmm. Noch nie ist mir dieser Satz am Ende einer Rezension so schwer gefallen. "Aggro Berlin" ist alles und nichts. "Aggro Berlin" ist Scheitern auf hohem Niveau. Auf der Suche nach einer neuen musikalischen Identität ist Sido zweifellos rumgekommen, hat uns auch einiges an Eindrücken mitgebracht, doch so richtig angekommen ist er nirgends. Dumm nur, dass er wohl irgendwie auch nicht mehr zurück nach Hause zu können scheint. So ist es eventuell doch sinniger als man auf den ersten Blick meinen möchte, wenn der Mann auf "Seniorenstatus" Parallelen zu ausgerechnet Samy Deluxe zieht. Egal. Auch auf die Gefahr, hier den Künstler mit dessen Kunstfigur zu verwechseln: Als einschlägig vorbelasteter Hörer bekomme ich zunehmend den Eindruck, das superintelligente Drogenopfer könne von Album zu Album immer weniger "er selbst" sein. Und zumindest mir persönlich war im Grunde stets gleich, ob die Totenkopfmaske nun aktuell aufgesetzt ist oder nicht – nur die Texte sollten es doch wirklich zu keiner Zeit sein! Schade. Irgendwie vermisse ich ohnehin die Zeit, als Mama mir das neue Sido-Album noch wegen der meinen jugendlichen Verstand vergiftenden Lyrics weggenommen hat und nicht, weil sie "dieses witzige Lied da" nochmal hören wollte.



    holi (Nico Mönnig)

    [REDBEW]297 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=297 [/reframe]
    [azlink]Sido+%96+Aggro+Berlin [/azlink]

    Zitat

    Original von Rapture


    Und mein Name bitte, wir haben das im Duett geführt ;)



    jo, und meinen bitte, weil ich fragen gemacht, formatiert, korrigiert und den teaser verfasst habe... und natürlich marios bitte, weil er satte vier rechtschreibfehler rot markiert hat... ach, und können wir lupa nich zwei, drei mal reinschreiben bitte, weil sie auch abgetippt, gekürzt, umgeschrieben und die einleitung geschrieben hat... wobei das natürlich alles nich so viel wert is wie in der landschaft rumzustehen und paar fragen fehlerfrei abzulesen... 8o