Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf Facebook oder Massenmails im Instantmessenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: "Hey, ich habe mein Album fertig gestellt! Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab." Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Beginn des Internetzeitalters rumgeistern, ist das nahezu unmöglich. Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem – da kann er ja (meistens) nichts falsch machen –, während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen.
Mit dieser Rubrik haben wir uns das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die unserer Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypter Internetgrößen zu finden sein noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen. Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.
RRG – SUKIMEBI
Menschen, die das Videobattleturnier von rappers.in verfolgen, kennen die RRG: Pat Riot, Mikzn, akf und Fid Rizz. Ob sie schon Geiler Vater, Henry Moustache, Fußballmann und Don Senilo kennen? Ich denke schon. Aber egal. Denn die Gang hat einen neuen Freund mitgebracht. Tim Bourbon ist noch nicht für Jedermann ein Begriff, aber mit ihm zusammen hat das Quartett etwas Kleines gezaubert. Die EP ist ein Eintopf – gefüllt mit schwachsinnigen, plumpen Sprüchen, witzigen Textideen und schrillen Beats. Und dieser Eintopf wurde zweifellos von 5-Sterne-Köchen hergestellt, denn man kann nicht bestreiten, dass die Truppe der RosaRandGang technisch fehlerfrei rappen kann. Und hier haben sie scheinbar alles, was ihnen in den Kopf gekommen ist, in einen Pott geschmissen: Lovesongs, Gangsterrap, Chillout-Musik und so weiter. Wer mal probieren möchte:
rappers.in – kostenloser Download
Jimmy Spliff – Die Ballantine's Monologe
Das Erste, was mir bei Jimmy Spliff in die Ohren ging, war ein unfassbar schöner Beat mit Voicesample von einer Sängerin, der mit einem bumsenden Brummbass unterlegt war. Bei Titeln wie "Abgrund", "Finde kein Ende" und "Kein Halten mehr" wunderte es mich schon beinahe, welch smoothe Atmosphäre die Stimme von Jimmy und die Beats von unter anderem Mortis One schufen. Ich dachte vor dem Hören des Albums und beim Erblicken der Tracklist, mich erwartet jetzt casperartiger Heulsusenrap. Doch auf dem Großteil der Tracks kommt Herr Spliff einfach viel zu chillig, um wirklich Depressionen rüberzubringen. Er klingt sehr nach Laidback-Rap – trotz Zeilen wie "Aus Freunden wurden Lügner, aus Prinzessinnen Huren/ Verliere grade den Glauben an das Gute/" (Treibe umher feat. Kurtis Blow).
Bandcamp.com – kostenloser Download
Cr7z – TR7NITY
Letztens las ich einen Begriff in einer Biografie von Jinx aus dem Hause 58Muzik, dem Label aus Lüdenscheid. "Offensiv-Poesie". Muss ja nicht unbedingt was mit Cr7z zu tun haben, aber an diesen Begriff hatte ich mich beim Hören der kurzen und knackigen Drei-Track-EP "TR7NITY" erinnert. Cr7z bringt durchdachte Aggression. Auf dem ersten Track der EP zum Beispiel ist es nicht direkt Battlerap, wie man ihn kennt, sondern eher ein kritischer Angriff. Durch Zeilen wie "Im Gegensatz zu euch bleibe ich nicht klatschen auf 'nem Film/" kommt "Equinox" fast schon rüber wie eine Lehrstunde, die zeigen soll, wie echter Rap sein sollte. Ich mag gar nicht so viel reininterpretieren und eher sachlich bleiben, aber dass der Interpret viel Gefühl in seine Texte steckt, wird mir schon im hier klar. Auf Piano- und Geigenbeats flowt er einfach eiskalt und technisch versiert – und das auf jedem Song. "Offensiv-Poesie"! Wer sich überzeugen möchte, dass Angriff die beste Verteidigung ist:
58Muzik.com – kostenloser Download