01. Showgeschäft
02. Oh Jonny
03. Ein Leben Lang
04. Überdosis Fremdscham
05. Abschussball
06. Hoffnung
07. B-Boys & Disko-Girls
08. Large
09. Kommando Bauchladen
10. Little Miss Anstrengend
11. Rave Against The Machine
12. Disko
Nicht nur Freunde des Hamburger HipHop-Urgesteins, sondern auch Liebhaber des Soul, sowie Hörer, denen mit Inhalt gefüllter Rap am Herzen liegt, dürfen sich auf Jan Delays neues Album "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" freuen.
Es findet sich eine hörenswerte Mischung verschiedenster Themen auf der Platte, die einen runden Bogen um das Thema Soul ziehen. "Showgeschäft", "Ein Leben Lang", "B-Boys & Disko-Girls": Bereits ein Blick auf die Tracklist verbreitet die richtige Suggestion, dass in sehr starkem Maße unterschiedlichste Themen auf dem Album behandelt werden. Wer sich als Fan Sorgen macht, Eizi Eiz könnte seine musikalische Eigenständigkeit und Individualität dadurch verlieren, dass der große Rahmen eines Soul-Albums seine Musikerpersönlichkeit untergräbt, hat sich stark geirrt. Um genau zu sein, ist eben das die große Stärke des Albums, weil das Album vor allem eines ist: vielfältig. Im Opener "Showgeschäft" setzt sich Jan mit dem falschen Bestreben der Jugend auseinander, unbedingt in der Medienwelt mitzumischen. Er hebt dabei hervor, dass nur ein sehr kleiner Bruchteil derjenigen, die sich in die Medien wagen, auch tatsächlich erfolgreich werden, und dass Talent und Hartnäckigkeit dafür verantwortlich sind, wenn jemand langfristig vor großem Publikum spielen darf und lange an der Spitze bleibt. Auch das Thema Liebe wird in "Ein Leben lang" aufgegriffen: In diesem Track schlüpft Jan Eißfeldt in die Rolle eines Mannes, der so verliebt in seine Angebetete ist, dass ihn seine Liebe über all sein persönliches Unglück hinwegtröstet. Der Liedtext ist sehr prägnant und es fallen schöne und außergewöhnliche Zeilen wie:
"Ich sage: 'Bist du da, dann komm' ich auf alles klar'/
Schau' in deine Augen und Armageddon kann mich mal/
Keine Arbeit, kein Erfolg und auch kein Geld ham'/
Ja, sogar Chill'n mit deinen wahnsinnigen Eltern/"
Kreativ, witzig und ungezwungen – ein gelungenes Stück. Wenige Tracks später kämpft sich Jan noch weiter in die Herzen der Hörer hinein und man denkt sich, dass eine "Überdosis Fremdscham" Eizi Eiz vielleicht gar nicht schadet, da genau diese ihn auf die sehr kreative Idee bringt, Fremdscham als eine echte Krankheit zu interpretieren und aus selbigem Grund auch zum Arzt zu gehen:
"Hallihallo, Herr Onkel Doktor/
Ich habe da ein riesiges Problem/
[...]
Denn, wenn das hier so weiter geht, bekomm' ich Angst/
Dass ich bald sterben werde an 'ner Überdosis Fremdscham/"
Bedauernswert, dass die Ursache der Fremdscham wenig bis gar nicht konkretisiert wird. Bestimmt hätte sich der ein oder andere Zuhörer dank konkreter Beispiele mit Eißfeldts Krankheit besser identifiziert, mehr nachempfunden und das Stück würde mehr Substanz in sich tragen. In "Large" verpackt der selbsternannte Delay Lama die Vorteile seines Daseins als bekannter Künstler und verrät:
"Ich brauch' kein' Stempel, keine Blender und auch keine Pässe/
Komm' auch überall rein dank meiner Fresse/
[...]
Doch is' okay, denn ich hab' Platin an der Wand/
Und mach' die dicken Hallen voll im ganzen Land/"
Selten, ja, wirklich sehr selten hört man Jan Delay so stolz und überschwänglich über sich selbst reden. Er behält dabei aber völlig die Bodenständigkeit und amüsiert auch mit Lines, die seinen Glanz ironisch stark relativieren:
"Und wenn ich mal Kohle brauch', wenn meine Platten floppen/
Dann verkauf' ich halt auf eBay meine alten Socken/"
Man sieht also: Jan Delay bewahrt sich seine Selbstironie und genau so kennen und lieben ihn schließlich auch seine Fans.
Aus musikalischer Sicht ist das Album hörenswert, aber man kann trotz Band leider nicht von dem absoluten musikalischen Höhepunkt in Jan Delays Karriere sprechen. Das liegt auf der einen Seite daran, dass seine Stimme trotz lobenswerter Anstrengungen nicht den versprochenen Soul in sich trägt. Auf der anderen Seite liefert die Band ihre volle Leistung trotz jahrelanger gemeinsamer Erfahrung nicht auf jedem Titel ab. Fakt ist: Es fehlt das gewisse Etwas, ein Zünder, der den Hörer zum Mitwippen anregt.
Fazit:
Insgesamt ein schönes Album, aber ein Stück mehr Leidenschaft hätte die Emotionen besser transportiert. Auch mehr Swing und Euphorie und bei introvertierten Songs mehr Tiefe hätten gut getan. Zudem wären Features keine schlechte Idee gewesen. Kurz gesagt: Wegen vieler kleiner Macken ist dies eine Platte, die leider nur fast rund ist. Für Fans ist es auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Und selbst jemand, der kein großer Jan Delay-Fan ist, sich aber für Themenrap oder Soul interessiert, kann eigentlich ruhigen Gewissens zugreifen.
(tomass89)
[REDBEW]272 [/REDBEW]
Bewerte diese CD:
[reframe]reviewthread.php?reviewid=272 [/reframe]
[azlink]Jan+Delay+%96+Wir+Kinder+vom+Bahnhof+Soul [/azlink]