Beiträge von Philipp_

    Einer der guten, ganz klar. Höre ich auch immer wieder gerne, gerade aufgrund der hohen Vielseitigkeit von politischen Liedern über Chansons bis zu Balladen und Neuaufnahmen (z.B. Bellmann, Schubert). Das hier finde ich nach wie vor sehr gut:


    [YOUTUBE]DugOQK_tQ1I[/YOUTUBE]


    Wobei ich auch Klaus Hoffmann und Reinhard Mey gerne höre, wobei Hoffmann mehr der Chansonnier und Mey mehr der Geschichtenerzähler ist.



    01. Im Ascheregen
    02. Hinterland
    03. Alles endet (aber nie die Musik)
    04. ... nach der Demo ging's bergab!
    05. 20qm
    06. Lux Lisbon
    feat. Tom Smith
    07. Ariel
    08. Ganz schön okay
    feat. Kraftklub
    09. La Rue Morgue
    10. Jambalaya
    11. Endlich angekommen


    Ein künstlerischer Werdegang ist in den seltensten Fällen eine strategisch durchgeplante Laufbahn mit dem schematischen Ablauf eines Phasenmodells. Oft entstehen Veränderungen im Gesamtwerk durch das Spannungsfeld zwischen Künstler und sozialer Umgebung, persönlichem Schicksal oder externen Einflüssen. Reine Entertainer unterhalten ein Publikum durch Anpassung an den Konsensgeschmack der Audienz, Künstler biedern sich im Idealfall im Sinne der "L'art pour l'art" keinem Zeitgeist an, mitsamt aller Konsequenzen, kommerziell wie musikalisch. Bei Casper ziehen sich die skizzierten Spannungen in besonderer Intensität durch die Diskografie: "Hin zur Sonne" (2008) und der kommerzielle Durchbruch "XOXO" (2011) waren beide musikalische Standortbestimmungen eines sich permanent verändernden Künstlers, der sich als überzeugter Generalist in allen großen Sparten deutschen Sprechgesangs versuchte, musikalisch und thematisch. Auf hohem Niveau. War das Debüt noch eine fulminante Mischung aus Alltagsbetrachtung und persönlichem Aufbruch, markierte "XOXO" den Schritt zu weniger Autobiographie und mehr Mainstreamthemen über Liebe, Leben und Leidenschaft. Was danach folgte, war der kommerzielle Durchbruch und die immer wiederkehrende Frage nach der eigenen künstlerischen Identität. Drei Pfade standen zur Auswahl: Ein zweites "XOXO", ein pures Rapalbum oder eine grundsätzlich neue Idee. Casper hörte in der Folge verstärkt Nick Caves' legendäres "Murder Ballads". Das neue Ziel: Ein "Stadionalbum". Das Ergebnis trägt den Namen "Hinterland" und erzählt bruchstückhaft die Geschichte einer Jugend in Deutschland, irgendwo zwischen Americana und jenem Teil der deutschen Provinz, für den es außer dem englischen "Wasteland" wohl keine adäquate Bezeichnung gibt.


    "Immer Steine schmeißen, Hauptsache laut/
    Für alles zu haben, zu kaum was zu gebrauchen/
    In diesen Hinterwelten getrieben von Kindergeld/
    Wenn Taten mehr sagen als Worte, sind wir Stille selbst/
    "
    (Casper auf "Hinterland")


    Was als vermeintliches Konzeptalbum erscheint, ist in Realität eine komplexe Collage vielfältiger Einflüsse. So unterschiedliche musikalische Vorbilder wie Arcade Fire, A$AP Rocky und Frank Turner haben die Entstehung von "Hinterland" beeinflusst und wurden zusammen mit den Produzenten Konstantin Gropper (Get Well Soon) und Markus Ganter (Sizarr) zu einem komplexen Gesamtwerk mit Folkeinschlag, Bläsern und Chören geschneidert. Während das langgezogene "Im Ascheregen" noch den Übergang von "XOXO" zum neuen Stil markiert und "lieber Neubeginn, als was das Alte verspricht" postuliert, beginnt bereits mit dem gitarrenlastigen Titelstück der Umschwung, weg vom Indierock zu entspannteren Klängen. Auf "20qm" wird über eine autobiografische Beziehung im engeren und Liebe im allgemeineren Sinne philosophiert, mit der Erkenntnis, dass "vielleicht [...] 20 Quadratmeter zum Träumen zu klein" sein könnten. Mit "La Rue Morgue" gibt es eine stimmungsvolle Hommage an die düstere Balladenästhetik von Nick Cave und Tom Waits, während auf dem elegischen "Lux Lisbon" der stimmlich überzeugende "Editors"-Frontmann Tom Smith mitmischt. Ein mutiges Unterfangen und auf allen Ebenen weit hinter den englischssprachigen Vorbildern, dennoch atmosphärisch dicht und künstlerisch auf vielen Ebenen avantgardistisch. Der musikalisch verunglückte Schunkelpop von "Alles endet (aber nie die Musik)" und "... nach der Demo ging's bergab!" fällt ebenso wie das marginal unterhaltende "Ganz schön okay" mit Kraftklub negativ auf. Es fehlen hörbar ein musikalisch zündendes Konzept und wirklich packende Lyrics. Das wurde auf "XOXO" mit "So perfekt" deutlich vielsagender und musikalisch spannender gelöst. Das bläserlastige "Jambalaya" erinnert trotz nervigem Chor dagegen angenehm an die letzten "reinen" Rapsongs der Marke "Halbe Mille" und bildet einen schönen Kontrast zum sonst dominierenden Indiesound. Weitere Highlights auf "Hinterland" sind die nachdenklichen und persönlichen Facetten, welche hinter der über weite Strecken sehr verkopften Sprachästhetik zu selten durchscheinen. Ganz besonders "Ariel" ist eine reduzierte und daher umso überzeugendere Ballade an eine verstorbene Halbschwester:


    "Und sag mir wie das war, wo du gingst/
    Ist es wahr, mit den Farben, alles warm und gedimmt?/
    Als ich den Anruf bekam, die Sprache verging/
    Alle warten, dass ich was sag', war nie stark in so Dingen/
    Aber sag, wie war's, gab's, wo du kamst/
    Den immer währenden Chor, die Parade, so wie man sagt?/
    Ein überwältigendes Nichts, hinter blendend grellem Licht/
    Die größte Party von allen, hoff' es hält, was es verspricht/
    "
    (Casper auf "Ariel")


    Am Ende des Albums wird auf dem melancholischen "Endlich angekommen" über die jüngere Vergangenheit der eigenen Karriere, die schwierige Selbstbehauptung als Künstler und die Vergänglichkeit und Unzulänglichkeit des Lebens an sich reflektiert. "Nur was immer bleibt, sind Bilder zur Zeit" heißt es da nachdenklich. Es braucht keine übernatürlichen Kräfte, keine überbordende Perfektion, um am Ende einer langen Reise bei sich selbst anzukommen. Die Frage, inwiefern das Motto des letzten Songs auf "Hinterland" als künstlerisches Werk selbst im Kontext von Caspers bisherigem Schaffen zu bewerten ist, kann nur schwierig beantwortet werden. Ein Konzeptalbum ist "Hinterland" nicht geworden, dazu ist es thematisch und musikalisch zu inkonsistent. Es ist ein mutiges, weil innovatives und vielfältiges Album, dem es in seiner Ganzheit an einer künstlerischen Richtung mangelt. Die Einflüsse sind vielfältig, die Themen ebenfalls und die Ambition ohnehin maximal. Bei all der Vielfalt fehlt eine klare Richtung über den Kern des Albums. Atmosphäre, Emotionalität, inhaltliche Tiefe? Bei "Hinterland" findet sich alles in begrenzter Form wieder. Aber für eine poetische Platte sind die Texte zu verkopft, für ein primär emotionales Album finden sich zu wenig berührende Thematiken und für ein atmosphärisches Album fehlt musikalische Kohärenz und gesangliche Ausdruckskraft. Das Ergebnis ist, dass "Hinterland" stellenweise erstaunlich einfach nebenbei gehört werden kann, ohne den Hörer zu berühren und mitzureißen. Konstantin Gropper und Markus Ganter schaffen einen vielschichtigen Sound, aber packend und melodiös mitreißend wird das Album zu selten, auch wenn mit "Im Ascheregen", "Lux Lisbon" und "Endlich angekommen" deutliche Ausrufezeichen gesetzt werden.


    Es mag sein, dass Casper in vieler Hinsicht mit "Hinterland" bei sich angekommen ist. Aus künstlerischer Sicht aber ist "Hinterland" nicht das Meisterwerk, auf das er nach eigener Aussage so vehement hinarbeitet. Es ist ein Übergangsalbum auf der Suche nach dem eigenen Stil, voller Experimente und neuer Ansätze. Durch den Anspruch der Neuartigkeit und Veränderung macht er sich in vieler Hinsicht angreifbar, doch genau das zeichnet einen Künstler aus. Nur wer sich angreifbar macht, entwickelt sich konsequent weiter. "Hinterland" ist dieser Übergang und es zeigt mehr als genug Potenzial, das eine Fortsetzung rechtfertigt. "Keine Supermänner, dennoch verdammt nah dran" heißt es ganz am Ende des Albums. Das ist, wie vieles weitere in dem Song, ein Selbstzitat. Aber für eine musikalische Retrospektive ist es sicherlich noch zu früh. Das ist gut so.



    (Philipp)

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    Rap ist seit über 40 Jahren Teil der Musikgeschichte. Und obgleich diese Zahl im Vergleich zu anderen Musikstilen gering scheint, war die Entwicklung in hohem Maße dynamisch und einflussreich. Wie kaum eine andere Musikrichtung hat das Rap-Genre politische, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen reflektiert und künstlerisch verarbeitet. Ein Verständnis der Vergangenheit ermöglicht daher in besonderem Maße eine differenzierte und facettenreiche Wahrnehmung der heutigen Szene. Im Rahmen dieser Kolumne versuchen wir eine kritische Würdigung herausragender Alben der Rap-Geschichte. Basierend auf einer subjektiven Auswahl, unter Berücksichtigung der Fachliteratur, präsentieren wir euch die unserer Meinung nach prägenden Alben deutschsprachiger Rapmusik. Die Auswahl umfasst Werke, deren Relevanz auf künstlerischer Qualität und/oder Innovation beruht, welche aber auch kommerziell wahrgenommen wurden. Gleichzeitig wurde auf eine Balance der verschiedenen Stilrichtungen geachtet, um einen möglichst ausgewogenen Blick auf die Entwicklung zu ermöglichen. Von jedem Künstler, den wir berücksichtigt haben, wurde jenes Werk ausgewählt, welches unserer Einschätzung nach zu einem Meilenstein geworden ist. Eines wird bei diesem knapp zwanzigjährigen Streifzug durch die Geschichte deutlich: Rap in Deutschland hat eine lehrreiche, kontroverse und sehr spannende Vergangenheit.




    Various Artists – Alte Schule (1993)



    01. Just writin' my Name
    02. Hardcore Gladiator
    – Toni L & DJ Mike MD
    03. Kreativität – TecRoc & Grodio
    04. Kapitel 1 – Torch
    05. Toy Terminator – Scopemann
    06. Back to the Old School – DJ Stylewarz
    07. Die alte Schule – Linguist
    08. Eski Okul – Boulevard Bou
    09. Die neue Reimgeneration – Rene
    10. Breakers Revenge 93 – Zeb-Roc-Ski & Stieber Twins


    Bonus-Track (Vinyl-Erstauflage 1993):
    11. Freestyle Session (Live-Mitschnitt Insel Open Air Jam vom 12. September 1992) – Cora, Torch, Rene, TecRoc & Boulevard Bou


    Als die Fantastischen Vier mit der Single "Die da" und dem dazugehörigen Album "4 gewinnt" im Jahre 1992 die Charts stürmten, wurden viele Musikhörer in Deutschland erstmals auf deutschsprachigen Rap aufmerksam. Innerhalb kurzer Zeit gelangte eine Stilrichtung in den Fokus des Musikmainstreams, der bisher ein Nischendasein im Untergrund vorbehalten war. Die Kontroverse in dieser Entwicklung bestand darin, dass diese Szene in ihrem Selbstverständnis nichts mit jenen Fantastischen Vier verband, welche von den Medien zu Repräsentanten deutschsprachiger Sprechgesangsmusik überhaupt erhoben worden waren. Ein kurzer Rückblick: Anfang der 1980er-Jahre erlebte Breakdance (damals B-Boying genannt) durch den Film "Flashdance" (1983) eine weltweite mediale Aufmerksamkeit. Drei weitere Produktionen machten die HipHop-Kultur auch in Deutschland bekannt: "Style Wars" (1983), "Wild Style" (1983) und "Beat Street" (1984). Die Breakdance-Welle und das öffentliche Interesse an HipHop ließen schnell wieder nach, aber es entstanden landesweit lokale HipHop-Szenen, beispielsweise an Standorten der amerikanischen Armee. In Jugendzentren oder privaten Einrichtungen traf sich die Untergrund-Szene zu Jams (auch: Jam-Sessions), auf welchen sich Künstler aus den Bereichen Rap, DJing, Breakdance und Graffiti künstlerisch präsentierten und konkurrierten. Die Erwartung an den Einzelnen war, dass er HipHop "lebt" im Sinne eines Lebensstils und einer Weltanschauung. Die aktive Praxis und Partizipation in den verschiedenen Disziplinen der Kultur war essenziell und "reale" Anhänger waren in mindestens einem der Stile aktiv, im Normalfall sogar in mehreren. Sozialer Status und Respekt wurde erworben über einen unverwechselbar eigenen Style, Skills und die Performance der eigenen Fähigkeiten gegenüber der Community. Die Möglichkeiten dazu waren begrenzt und viele HipHop-Aktivisten reisten durch ganz Deutschland, um Jams zu besuchen. Über diese Jams vernetzte sich diese "Tramperticket-Generation" und wuchs kontinuierlich. Man spricht im Rückblick von den Künstlern, die deutschen HipHop in den 80er-Jahren auf diese Weise leben und verbreiten, von der "Alten Schule".


    Doch wie stand es um Rap selbst als eines der vier HipHop-Elemente? Gerappt wurde in der Regel auf Englisch, oft nach Vorbild der US-Rapper. Veröffentlichungen geschahen meist im kleinen Maßstab durch Eigenproduktion oder Nischenlabels. Sozialisiert wurden die meisten Künstler der "Alten Schule" durch eine Vielzahl von musikalischen Einflüssen, darunter amerikanischer Rap der 80er-Jahre und Funk. Die Szene war in einer Pionierrolle und wer nicht Vorbilder aus den USA kopieren wollte, musste selbst eine künstlerische Vorreiterrolle einnehmen. Dieser Aufgabe stellte sich die junge Szene mit Erfolg. Sie wuchs kontinuierlich und erfuhr von Medien, Hörerschaft und Industrie eine höhere Aufmerksamkeit. Das vorher Punk-lastige Hamburger Kultlabel Buback veröffentlichte 1992 den Sampler "Kill The Nation With A Groove" und versammelte dort Künstler wie No Remorze, Cora E, Absolute Beginner und Advanced Chemistry. Letztere gründeten im gleichen Jahr zusammen mit Akim Walta (Zeb.Roc.Ski/Zebster) das Label MZEE Records, eines der ersten reinen HipHop-Labels in Deutschland. Dort erschien 1993 ein Meilenstein, der den Stil der Alten Schule in besonderer Weise abbilden sollte, der Sampler "Alte Schule". Auf besondere Weise wurde damit das Selbstverständnis dieser frühen Szene dokumentiert und eine eindrückliche Sammlung von Reminiszenzen an eine alte Zeit zusammengefasst:


    "Ich seh' die heutige Szene und denke daran, wie es damals war/
    Schließe die Augen und die Bilder erscheinen klar/
    Anfang '80, als alles begann/
    Brachten viele meiner Brüder die Breakdancebewegung voran/
    Den Anfang der heutigen Kultur/
    Stolz bewege ich mich nun heute auf ihrer Spur/
    "
    (Boulevard Bou auf "Eski Okul")


    Für heutige Hörer unter Umständen ungewohnt, aber aus damaliger Sicht konsequent und notwendig, ist die Repräsentation aller vier Bestandteile der HipHop-Kultur auf dem Sampler. Neben Rap gibt es ein DJ-Instrumental ("Back to the Old School"), eine Hommage an die Graffiti-Künstler ("Just writin' my Name") und einen Breakdance-Titel ("Breakers Revenge 93"). Auf den beiden letztgenannten Tracks debütiert ein Duo aus Heidelberg als Produzenten, die Stieber Twins. Auch die sieben textbasierten Songs des Samplers folgen einem roten Faden: HipHop. Ob Toni L und Scopemann mit ihrer anti-kommerziellen Attitüde oder Boulevard Bou und Linguist mit ihren stärker die historische Entwicklung reflektierenden Songs: Alle Beiträge behandeln zahlreiche Aspekte rund um die deutsche HipHop-Kultur, mit einem breiten Spektrum an Themen von kommerziellem Ausverkauf über die geschichtliche Veränderung der Szene bis hin zur Rolle von Zuwanderern für die Entwicklung der HipHop-Community. Alle Beiträge rücken direkt oder indirekt die kulturellen Veränderungen der Szene seit den 80er-Jahren in den Mittelpunkt ihrer Songs und betonen die Notwendigkeit von Werten, Authentizität und Einheit der HipHop-Kultur mit ihren Bestandteilen Rap, DJing, Graffiti und Breakdance.


    "Kapitel 1" von Torch ist wohl der repräsentative und zentrale Song auf "Alte Schule". Auf Basis eines Samples der 80er-Jahre-Synthie-Pop-Ballade "I don't believe in you" der genialen Tears for Fears liefert der Advanced Chemistry-Mitgründer eine so persönliche wie politische Bestandsaufnahme deutscher HipHop-Kultur. "Wir fahren auf Jams, schauen uns alles an, wollen jeden kennenlernen und machen uns ein Bild von dem, was wirklich passiert. Nicht nur Pop-mäßig durch Platten und Medien", beschrieb Torch 1993 in der Zeitschrift "Spex" im Interview seine Einstellung zu HipHop als eine Kultur, in der jedes Mitglied Künstler ist. Eine Szene ohne den Spalt zwischen Popstar und ausschließlich auf passiven Hörgenuss ausgerichtetes Massenpublikum. Nicht ohne Grund samplet der Song Afrika Baby Bams berühmtes "You see they call me a star, but that's not what I am" an vielen zentralen Stellen. "Kapitel 1" hat auch nach mittlerweile 20 Jahren nichts von seiner Ausdruckskraft eingebüßt:

    "HipHop war meine erste Freundin, sie machte mich zum Mann/
    Gab mir meinen Stolz und Wissen, das ich lehren kann/
    Wie am ersten Tag bin ich noch verliebt/
    Weil es für mich nichts anderes gibt, was mir mehr Kraft gibt/
    Perfekt wie ein Kreis, dreihundertsechzig Grad/
    Umschließt mein Leben und begründet jede Tat/
    Wenn ich sterbe, stirbt zwar auch ein Teil dieser Kultur, bloß/
    Wenn HipHop stirbt, werden viele obdachlos/
    "
    (Torch auf "Kapitel 1")


    Am Ende des Samplers ruft ein junger (MC) Rene dann noch eine auf der alten Schule aufbauende "Neue Reimgeneration" aus, welche die Tradition fortsetzen sollte. Es sollte anders kommen, wie die nächsten Ausgaben der Kolumne zeigen werden. Die Mitglieder des "Alte Schule"-Samplers blieben zum großen Teil bis heute musikalisch aktiv. MC Rene ist bis heute als Rapper und Schriftsteller aktiv, DJ Mike MD ist Produzent, DJ und Audio Engineer, Boulevard Bou legt als DJ in Heidelberger Clubs auf, DJ Stylewarz ist ein renommierter Produzent und arbeitete unter anderem mit Ferris MC, Deine Lieblingsrapper und Aphroe. TecRoc wechselte in das Elektro-Genre, Scopemann brachte noch ein paar Rap-Underground-Veröffentlichungen heraus. Über Advanced Chemistry (Torch, Toni L, Linguist) und die Stieber Twins wird im Rahmen dieser Kolumne noch ausführlich zu sprechen sein. Die Ideale der Alten Schule mit ihrer Betonung des künstlerischen Schaffens, des Community-Gedankens und Ablehnung kommerziellen Ausverkaufs haben ihren bleibenden Eindruck in der Entwicklung deutschsprachiger Rapmusik behalten. Doch selbst abstrahiert vom musikhistorischen Hintergrund bleibt "Alte Schule", vereinfachend ausgedrückt, vor allem eines: ehrlicher, gut produzierter Rap mit Skills und zeitloser Botschaft.


    Der Streit zwischen Advanced Chemistry und den Fantastischen Vier sowie die damit verbundene Kommerzialisierungsdebatte belebte die Szene zu Beginn der 90er-Jahre und führte zu kontroversen musikalischen und verbalen Auseinandersetzungen. Deutscher Rap begann, sich in verschiedene Richtungen auszudifferenzieren und eine Reihe neuer Künstler und Gruppierungen erregte Aufsehen. Darunter war 1994 ein Debüt, das einen gänzlich anderen künstlerischen Weg beschritt, abseits der Debatten um Alte oder Neue Schule: "Direkt aus Rödelheim" von Moses Pelham und Thomas Hofmann. Mehr dazu im dritten Teil der "Meilensteine"-Kolumne.



    (Philipp)



    Meilensteine-Kolumne Teil 1: Die Fantastischen Vier – 4 gewinnt (1992)


    Meilensteine-Kolumne: Kommentare/Diskussionen/Ideen zur Kolumne

    In Sachen Musik und Produktion mit Sicherheit eines der besten Releases dieses Jahr. Es hängt jetzt viel davon ab, wie stark Raf gesanglich und textlich über die ganze Albumlänge ist. Wenn das passt, ist es wohl eines der besten Alben des Jahres.



    01. 00:00
    02. Krone
    03. Sorry
    04. Scheissegal (Skit)
    05. Scheissegal
    06. So wie es kommt
    07. Der Morgen danach
    feat. Vega
    08. Kame-ha-me-ha! (Skit)
    09. Kame-ha-me-ha!
    10. Schwarzer Schwan
    11. Baphomet
    12. Was ist Fame?
    13. Seven Oaks
    14. Vergiss deinen Exfreund
    15. Rapgame
    feat. Eko Fresh
    16. Spieglein Spieglein


    Bonus-Tracks:
    17. All die Menschen feat. MoTrip & RAF Camora
    18. Weck mich auf


    Wenn Eminem einen bleibenden Meilenstein geschaffen hat, dann war es die "Marshall Mathers LP" – eine perfekte Symbiose aus schonungsloser Autobiografie, gesellschaftlicher Auflehnung und künstlerischer Ambition. Einen Schritt weiter eben, als das offizielle Debütalbum, welches ganz auf dem Alter Ego Slim Shady basierte. Timeless, der Eminem eine "Vaterrolle" in seinem Leben einräumt ("00:00"), hätte sein Debüt "00:00" im Prinzip auch nach seinem bürgerlichen Namen benennen können. Denn es ist nicht weniger als eine sehr persönlich gehaltene Suche nach künstlerischer Identität und dem persönlichen Platz in der Welt. Kein konzipiertes Image, kein Alter Ego, kaum Abgrenzung zwischen Mensch und Künstler. "Hör meine Platte und du kennst mich" heißt es da in "00:00". Aber im gleichen Atemzug auch die Notwendigkeit, mehr zu repräsentieren als die stilistische Schnittmenge anderer Künstler: "Es gibt tausende wie Vega und tausend wie Trip, doch ich glaube, dass sie jemand brauchen wie mich" ("00:00"). Das ist im Grunde der Anspruch, dem sich Timeless stellen muss: auf authentische Weise persönlich zu sein, aber gleichzeitig künstlerisch einen eigenen Weg zu gehen. Original statt Kopie darzustellen. Diese Spannung prägt das Album vom ersten Song bis zum nachdenklichen Abschlusstrack "Weck mich auf":


    "Jetzt weck mich auf, weil ich versunken in 'nem Traum war/
    Bin on stage und denk': Wie gerne wäre ich der Junge in der Crowd da/
    Wünsch' die letzten Jahre wär'n wie ausradiert, ein leeres Blatt/
    Doch nein, mit dieser Platte kaufst du mir mein Leben ab/
    "
    (Timeless auf "Weck mich auf")


    Was zwischen "00:00" und "Weck mich auf" passiert, ist überwiegend nachdenklich, introvertiert, aber weder monoton noch weinerlich. Reminiszenzen der eigenen Vergangenheit ("Sorry") wechseln mit der kritischen Verarbeitung eigener Alkoholabhängigkeit auf "Der Morgen danach" mit Vega und dem schonungslos offenen "Seven Oaks". Auch Timeless' Reflexion über die Schattenseiten des Künstlerdaseins, "Was ist Fame?", gehört zu den inhaltlichen Schwergewichten des Albums. Alle diese Themen finden sich auch auf dem trotzigen "So wie es kommt". Beinahe symptomatisch heißt es da: "Du hast nix gemerkt – weil ich Ängste nie nach außen trage". Auch auf dem atmosphärischen "All die Menschen", mit exzellenten Featureparts von MoTrip und RAF Camora, ist die Sehnsucht nach persönlicher Zeit abseits der künstlerischen Stressfaktoren ebenfalls ausgeprägt. Mit der starken Bezogenheit auf die eigene Persönlichkeit ähnelt Timeless sehr seinem musikalischen Ziehvater Eminem und steht im Kontrast zu vergleichbar deepen Werken, wie beispielsweise "Geteiltes Leid 3" von Moses Pelham, das sich fast ausschließlich über das Zwischenmenschliche definiert. Wenn es auf "00:00" um andere Menschen geht, dann meist in Form von Storytellern wie "Spieglein, Spieglein" und dem etwas klischeehaften, aber gleichzeitig poetisch ausdrucksstarken "Schwarzer Schwan":


    "Wenn sie tanzt, ist jeder Mann endlos hungrig und verzehrt sich selbst/
    Sie liebt ihre verkehrte Welt, doch merkt nicht, dass ihr Herz verwelkt/
    Denn einst galt ihr ein schönes weißes Federnkleid/
    Heute regiert sie ein dunkles Königreich und lebt allein/
    "
    (Timeless auf "Schwarzer Schwan")


    So stark die deepen Tracks des Albums über weite Strecken sind, so durchwachsen ist die Bilanz bei den anderen Songs. Die beiden Skits sind verzichtbar, das poppige "Vergiss deinen Exfreund" lockert angenehm auf, ist textlich aber wenig für eine männliche Zielgruppe genießbar. Die beiden Representer "Kame-ha-me-ha" und "Baphomet" sind technisch stark, aber inhaltlich vergleichsweise banal und unspezifisch ausgefallen. "Scheissegal" mit seiner trotzigen Anti-Attitüde ist eher harmlos, als cool und provozierend. Zumindest der raplastigste Track des Albums, "Rapgame" mit Eko Fresh, ist durch seinen Competition-Faktor sehr überzeugend geworden. Flowtechnisch und stimmlich präsentiert sich Timeless ohnehin über die gesamte Albumlänge hin souverän. Allein die Hooks offenbaren noch deutlich Steigerungsbedarf in Intonation, stimmlicher Ausdruckskraft und melodischer Präzision ("Weck mich auf"). Ohnehin fühlt sich "00:00" stellenweise an, als wäre es mit angezogener Handbremse aufgenommen worden. Das liegt einerseits am Stimmeinsatz in den Hooks, andererseits auch an den Beats. Die überwiegend von Johnny Pepp und Cristal stammenden Produktionen sind atmosphärisch stimmig und melodisch, aber mehr druckvolle Beats im Stil von "Kame-ha-me-ha" hätten dem Album einen stärkeren Ausdruck verliehen. Auch die Einspielung von Songs mit Begleitband im Sinne von Casper und Moses Pelham wäre ein Experiment, dem Timeless stimmlich und technisch gewachsen wäre. Eminems zweite Single "The Way I Am" verband damals perfekt textliche Deepness, einen treibenden Beat und aggressive Attitüde. Genau das könnte ein Konzept für ein Nachfolgealbum sein. Seinen künstlerischen Standpunkt hat Timeless jedenfalls gefunden. Oder wie MoTrip es auf "All die Menschen" ausdrückt: "Sie sagen, ich hab' hier nie reingepasst und trotzdem fand' ich meinen Platz".



    (Philipp)



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    01. Intro
    02. Ewa Sahbi
    03. One Touch
    feat. Jonesmann
    04. Fiesta
    05. Skit
    06. Tandem
    feat. Vega
    07. Fötus feat. CJ Taylor
    08. Radoz
    09. Face off
    10. Picos
    feat. Yassir
    11. Das ist Frankfurt feat. Hanybal
    12. Yemma feat. Kopf an Kopf
    13. Déjá Vu feat. PA Sports
    14. Gangsta oder Gentleman?
    15. Outro


    "Gangsta oder Gentleman?" – dies ist die zentrale Frage, welche Dú Maroc auf seinem ersten Soloalbum als thematischer Leitfaden dient. Nach der Trennung von Saads Label Halunkenbande, einem Split mit Kollabo-Partner SadiQ und dem Aufbau eines eigenen Labels ist der Drang nach künstlerischer Selbstverortung und Identitätssuche nachvollziehbar. Ein Debütalbum ist immer auch eine erste Standortbestimmung, wo es inhaltlich, musikalisch und künstlerisch in der Zukunft hingehen wird. Wie bereits das Cover illustriert, geht es auf "Block Bladi Gentleman" um den Zwiespalt zwischen hartem Gangsterleben und stilvoller Upper-Class-Existenz. Der Anspruch liegt auf der Hand: "Mit 'Block Bladi Gentleman' spiegelt Dú Maroc das Bild der Gesellschaft zwischen Armut und Reichtum wider", heißt es im Promotext. Von dieser Vielschichtigkeit ist im "Intro" und dem ersten Track "Ewa Sahbi" erstmal wenig zu spüren. Stattdessen dominiert die straighte Straßenrhetorik:


    "Dú Maroc, Frankfurt, Nador, darf ich vorstellen/
    Gangsterrap auf 3D, es gibt Ohrschellen/
    Ich breche Nasen mit Jab oder Frontkicks/
    King Rap, Blockhits, frag Savas oder Toxik/
    "
    (Dú Maroc auf "Ewa Sahbi")


    Über die gesamte Albumlänge hinweg kommt "Block Bladi Gentleman" dem vielschichtigen Anspruch stärker nach. Gangstarap, wie etwa auf "Das ist Frankfurt" mit Hanybal, und Thementracks halten sich die Balance. Für die erste Kategorie hat Dú Maroc eine Reihe von Featuregästen aufgeboten. So steuert Vega auf "Tandem" einen Part bei, PA Sports gibt sich bei "Déjá Vu" die Ehre und Yassir bietet mit seiner beeindruckend rau-tiefen Stimme auf "Picos" einen sehr effektvollen stimmlichen Kontrast. Inhaltlich kommt dabei, bis auf solides Representing und manchen lyrischen Tiefpunkt wie "Wir ficken deutschen Rap im Tandemeffekt" (Dú Maroc auf "Tandem"), nicht viel rum. Aber gerade durch den Umstand, dass Dú Maroc wenig variabel flowt, bringen alle Features, insbesondere auch die Gesangsfeatures Kopf an Kopf und CJ Taylor, die notwendige Abwechslung. Einzig eine weibliche Gesangsstimme fehlt im Klangbild. Ein Storyteller mit "Bonnie und Clyde"-Thematik wäre sicherlich spannend gewesen. Die Thementracks des Albums sind dennoch vielschichtig. Auf der Single "Radoz" werden soziale Probleme, Medienkritik und die Rolle der Jugend aufgearbeitet. "Yemma" ist eine emotionale Hommage an die eigene Mutter. Auf "Face Off" geht es auf einem gepitchten Sample von Europes "Open Your Heart" um die Frage nach Schicksal, Identität und erneut um das Leben als Gangster und Gentleman. Der deepste Track ist dann zweifellos "Fötus" mit CJ Taylor, wo es aus Sicht eines Ungeborenen um Abtreibung, Schuld und Vergebung geht:


    "Ich bin dein Kind und werd' es immer bleiben/
    Wir seh'n uns dann im Himmel, dann sind wir wieder vereint/
    Aber Mama, tu mir einen Gefallen, tu sowas nie wieder/
    Denn so leiden wir alle, yeah/
    "
    (Dú Maroc auf "Fötus")


    Bei aller Ambition: Das lyrische Ergebnis ist moralisch gut gemeint, aber textlich oftmals nahe an der Banalität. Dú Maroc hat nicht nur auf der durchaus gelungenen Single "One Touch" feat. Jonesmann ein sehr starkes moralisches Mitteilungsbedürfnis. Das ist durchaus lobenswert, aber künstlerisch noch nicht so gereift, dass es vielschichtig, provokant oder mitreißend erzählt wird. Besonders die oben erwähnten Themen wie Abtreibung, soziale Probleme und Familie können sehr schnell ins Triviale abgleiten. Gerade das ist oft der Fall und selbst wenn Zeilen wie "Egal wie tief du fällst [...] sie gibt dich nicht auf, diese wunderbare Frau" ("Yemma") durchaus authentisch rüberkommen, wirkt es im Gesamtpaket eher kitischig. Dabei ist der Ansatz, neben Straßenrap einen starken Fokus auf emotionale und soziale Themen zu legen, mehr als begrüßenswert. Vor allem, wenn die Beats so stark sind wie auf "Block Bladi Gentleman". Die mehrheitlich von KD Beatz stammenden Produktionen sind durchgehend abwechslungsreich, egal ob Klavierballade ("Yemma"), arabisch angehaucht ("Fiesta") oder Bombast ("Ewa Sahbi"). Aber Dú Maroc schafft es auf dem Debüt noch nicht, diese ambitionierte Vielseitigkeit raptechnisch und inhaltlich anspruchsvoll genug umzusetzen. So bleibt auch der Schlusspunkt "Gangsta oder Gentleman?" bei der simplen Schlussfolgerung, dass am Ende wohl doch beides zusammengehört: Gangsta und Gentleman. Was das in der Praxis bedeutet, wäre eine gute Vorlage für ein nächstes Soloalbum.



    (Philipp)



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    Zitat

    Original von Bill Door


    dann darf man auch terranigma nich vergessen.


    Final Fantasy VI und Lufia II ebenfalls. Einige Rollenspiele auf dem SNES waren schon Meisterwerke.

    Ich würde mir wünschen, dass er mal wieder Inspiration für wenigstens 1-2 richtig gute deepe Tracks findet und ein "Frühling" oder "Winter" macht (vorausgesetzt, dass es auf dem Niveau von "Sommer" oder "Herbst" wäre).



    01. Intro feat. Isa
    02. Das ist Alpa
    03. Rapperpolitik
    04. Alles kommt zurück
    05. Grüner Schein
    06. Taxi
    feat. DJ Gan-G
    07. Skit – Jackpot feat. Isa
    08. Müde
    09. Hater
    10. Hunger
    11. Skit – Kiosk
    feat. Isa
    12. Karma
    13. Halim
    14. Angst
    feat. Moe Mitchell
    15. Zehn harte Rapper
    16. Die Welt brennt
    17. Skit – Verliebt
    feat. Isa
    18. Verbotene Liebe 2 feat. Dilan Koshnaw
    19. Turkish Style feat. Ceza
    20. Du weißt nicht
    21. AL/PA
    feat. PA Sports
    22. Ertränk den Alkohol feat. Silla
    23. Skit – Alles kommt zurück feat. Isa
    24. Outro


    Wenn alles im Leben zurückkommt, dann muss Alpa Gun während der "Aggro Berlin"-Ära ein besonders gutes Karma angehäuft haben. Mit dem neu eingeschlagenen Karrierepfad beim Independent-Label Major Movez und der Veröffentlichung des Albums "Ehrensache" avancierte das ehemalige Sektenmuzik-Mitglied zu einem medial präsenten und kommerziell erfolgreichen Soloact. Mit "Alles kommt zurück" ist nun der Nachfolger erschienen, welcher bereits im Titel die moralische Grundbotschaft präzise auf den Punkt bringt. In der Tradition vergangener Werke kommt auch "Alles kommt zurück" mit mehreren Skits daher, welche die in Dialogform erzählte Geschichte des naiven Playertypen Isa erzählt. Diese ist allerdings sehr kurz gehalten und führt zu keinem Zeitpunkt zu einem klassischen Konzeptalbum. "Alles kommt zurück" ist thematisch sehr vielseitig ausgefallen. Straßenthemen und Representertracks sind noch präsent ("Rapperpolitik"), aber nur eine inhaltliche Nuance von vielen. Insbesondere die politischen Tracks "Die Welt brennt" und "Grüner Schein" stechen diesmal hervor. Letzterer reflektiert über die gesellschaftliche Lage aus der Sicht jener titelgebendenden Banknote:


    "So viele Menschen hier verändern sich für mich/
    Und wenn ich ehrlich bin, ist noch lange kein Ende hier in Sicht/
    Sie zerstören diese Welt und penetrieren nur wegen mir/
    Siehst du die Krawattenträger, wie sie oben zelebrieren/
    Jeder will meine Macht, aber viele sind nicht fair/
    Ohne mich bist du auf dieser Welt nix wert/
    "
    (Alpa Gun auf "Grüner Schein")


    Materialismus und Geld als Statussymbol spielen auf "Alles kommt zurück" keine Rolle. Lediglich auf dem clubbigen "Taxi" mit einem Savas-Zitat und dem Partysong "Zehn harte Rapper" wird es stellenweise gewollt oberflächlich. Der überwiegende Teil der Songs auf dem vierten Album von Alpa Gun besteht aber aus reflektierten Betrachtungen über die eigene Gefühlswelt ("Müde", "Angst" mit Moe Mitchell), das Leben als Künstler ("Hater" und "Hunger") und zwischenmenschliche Erfahrungen wie der Hommage "Halim" an einen verstorbenen Freund. Auch das Thema Alkoholismus wird, passenderweise mit Silla als Featurepartner, auf "Ertränk den Alkohol" mit einem nachhaltigen Appell an innere Stärke und Überwindung der Sucht aufgegriffen. Den emotionalen Höhepunkt bildet neben der tragischen Geschichte einer türkisch-kurdischen Liebe auf "Verbotene Liebe 2" der Song "Karma". Auf dem traurigsten Beat des Albums (produziert von Lamagra) geht es darin um die gescheiterte Beziehung zu einer Ex-Freundin. Wie in den anderen deepen Songs des Albums zeigt sich die Stärke Alpas, tiefgehende Themen ohne Weinerlichkeit und sentimentale Gefühlshascherei zu verarbeiten:


    "Weißt du noch, was wir uns mal geschworen haben/
    Du wolltest immer mit mir sein, weil die anderen für dich Idioten waren/
    Heute gibt es nichts, was mich treibt, außer meine Wut/
    Warum hast du nicht gekämpft, wenigstens nur ein Versuch/
    Ich kann erst heute drüber schreiben, nach so vielen Jahren/
    Auch wenn ich drüber weg bin, warst du mir noch nie egal/
    "
    (Alpa Gun auf "Karma")


    Dabei verkörpert "Karma" gleichzeitig eine inhaltliche Eigenständigkeit, die dem Künstler Alpa Gun über weitere Strecken auf "Alles kommt zurück" abhanden kommt. Weite Teile des Solowerks sind schlichtweg zu konventionell und überraschungsfrei geraten. Insbesondere den härteren Tracks wie "Alles kommt zurück", "Du weißt nicht" oder "AL/PA" mit PA Sports mangelt es an packender Atmosphäre oder technischer Finesse. Dabei hat er mit The Royals, KD-Supier und Gjana Khan gute Produzenten verpflichtet, die für einen abwechslungsreichen Sound sorgen. Wirklich eigenständig und gelungen wird es, wenn Alpa Gun musikalisch oder inhaltlich Bezug zur türkischen Kultur herstellt ("Turkish Style" mit Ceza), persönlich wird ("Karma") oder Experimente wagt ("Grüner Schein"). Das geschieht noch zu selten und genau davon sollte es auf dem fünften Album mehr geben. Denn das wird, bei allen Längen des Albums, definitiv gerechtfertigt. "Nimm dir keine Rechte raus, wenn dir hier kein Recht gehört/ Auf dieser Welt kann dich ein schlechtes Karma echt zerstören" heißt es ganz am Schluss im "Outro" noch prophetisch. Rein künstlerisch jedenfalls dürfte Alpa Gun mit diesem Album sein gutes "Karma" weiterhin behalten.



    (Philipp)



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    01. Intro
    02. Ruhrpott Rydermusic
    03. Zeichen und Wunder
    04. Früher war es anders
    feat. DJ Dier
    05. Real Talk feat. DJ Rocksta
    06. Wofür mach ich das
    07. Reflektionen

    08. Pottracer feat. Mr. Nice & DJ Unkut
    09. Tabbi's Song feat. Tabata
    10. Serious Spitter
    11. Straight aus Witten
    12. Xclusive Radio
    feat. Mr. Flipstar
    13. Das letzte Wort
    14. Seelischer Schaden
    15. 3 nicht allein
    feat. Mr. Flipstar & Lenny


    "Wisst ihr morgen noch, wer heute euer Held war?", fragte Torch zu Beginn der Jahrtausendwende in DJ Tomekks "Return of HipHop". Eine berechtigte Frage, denn gerade Rapmusik legt viel mehr musikalisches Vergessen an den Tag als andere Musikrichtungen. Während auf Metalfestivals regelmäßig Headliner der letzten drei bis vier Jahrzehnte gastieren, zählen Namen wie Public Enemy oder A Tribe Called Quest nicht unbedingt zum Allgemeinwissen der jüngeren Raphörer. Gleiches gilt leider im Deutschrap für Creutzfeld & Jakob, deren Albumdebüt "Gottes Werk und Creutzfelds Beitrag" Klassikerstatus beanspruchen kann. Die beiden ursprünglichen Gründer waren Flipstar und Lakmann. Ebenjener Lakmann, der nach jahrelanger Abstinenz nun ein neues Tape vorlegt. Einen Bruch mit der Vergangenheit gibt es dabei nicht: Neben zwei Flipstar-Features ist auch der Titel "2 Gramm gegen den Stress" eine deutliche Anspielung auf das letzte gemeinsame Album "Zwei Mann gegen den Rest" von 2003. Seitdem ist viel Zeit vergangen, was passenderweise in dem Track "Reflektionen" gedanklich verarbeitet wird:


    "Und Mr. Flipstar hab' ich lang nicht gesprochen/
    Ich geh' meinen Weg alleine, die Hälfte nur gekrochen/
    Ein Schreien nach Hilfe steckt in jeder Silbe/
    Soll ich jetzt auch irgendein Label bilden?/
    "
    (Lakmann auf "Reflektionen")


    Künstlerisch ist "2 Gramm gegen den Stress" ein klares Statement in Richtung Oldschool-Attitüde. Kommerziellen Zuschnitt sucht man vergebens und auch die Single "Wofür mach ich das" kommt ohne eingängige Hook oder charttauglichen musikalischen Zuschnitt aus. Je nach Konzept kann das Vor- oder Nachteil sein – hier auf diesem Album zahlt es sich positiv aus. Die Mischung aus deepen Tracks, wie dem der Tochter gewidmeten "Tabbi's Song", "Das letzte Wort" und Spitter-Tracks wie "Serious Spitter" und "Xclusive Radio" ist insgesamt ausgewogen. Die Flipstar-Features sind durchweg gelungen und profitieren von einem hohen Nostalgie-Bonus durch den vertrauten Sound von Creutzfeld & Jakob. Gerade der Schlusspunkt "3 nicht allein" mit Flipstar und Lenny besticht durch einen chilligen Beat und gut aufgelegte MCs mit unterhaltsamen Lines wie Lakmanns "Viele Bitches klopfen an meine Tür, doch ich lass nur Meg Ryan". Neben dem Schlusstrack gehören der textstarke Representer "Ruhrpott Rydermusic" und der atmosphärischste Song des Albums, "Zeichen und Wunder", zu den Highlights. Gerade Letzterer ist ein exemplarisches Beispiel, wie deepe Lyrics, interessante Samples und ein deeper Beat gelungen kombiniert werden können:


    "Wenn die Geschichte mal zu Ende geht, dann nicht in Frieden/
    Ich tu' schon alles, was ich kann, um meinen Kopf zu besiegen/
    Wenn mal was Gutes kommt, dann bleibt's in der Familie/
    Wenn mal was Schlechtes kommt, dann war's von mir persönlich/
    Doch so einen Scheiß hat kein kleines Kind noch nötig/
    Ich seh' die Kraft und nichts erscheint unmöglich/
    "
    (Lakmann auf "Wunder")


    Im Vergleich zu "All In" ist Lakmanns neuestes Werk künstlerisch ein deutlicher Schritt nach vorne, gerade in den Punkten Stringenz und Stimmung. Die Kritikpunkte sind ebenso offensichtlich wie perspektivenabhängig. Zum Ersten verzeichnen die Texte eine gewisse Beliebigkeit, die sich in teils endlosen Reimketten ausdrückt, die nicht durchweg konzipiert scheinen. Zum Zweiten fehlt dem Ganzen eine klare musikalische Note. Lakmann steckt nicht viel Arbeit in stimmliche und flowliche Variation, melodiöse Hooks oder Gesangsfeatures. Drittens sind die Beats gut ausgewählt und ergänzen sich musikalisch, klingen aber wie die Mische des Albums streckenweise mehr nach Konserve ("Real Talk"), als nach der gewollten Old-School-Attitüde. Auf "2 Gramm gegen den Stress" sind diese drei Umstände offensichtlich weniger dem Können geschuldet, als dem bewussten Style, den Lakmann hier verkörpern will. Trotzdem wird der leichte Mangel an Sorgfalt beim Songwriting und die defizitäre musikalische Seite manchen Hörer abschrecken. Die traditionellen HipHop-Heads allerdings nicht. Die kleine, erste Auflage des Tonträgers war bereits nach kurzer Zeit ausverkauft. Es gibt immer noch viele, die wissen, wer gestern noch ihre Helden waren.



    Philipp

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    Wenn ihr spontan sein könnt und Du das Risiko eingehen willst, dann benutze eine der Last-Minute-Apps wie booking.com tonight oder justbook.com (bei letzterem mit 5 Euro Gutschein). Da kriegst Du dann für die gleiche Nacht teilweise gute Prozentabschläge auf den Normalpreis. Aber Garantien gibt es natürlich nicht.