Beiträge von Redaktion


    Zwar hat Kitty Kats kommendes drittes Studioalbum noch kein Releasedate, dafür aber schon einen Titel: "Kattitude" soll noch in diesem Jahr auf dem Musikmarkt erscheinen. Einen ersten Vorgeschmack lieferte die Berliner Rapperin vor einigen Monaten bereits mit dem Titel "900 Meilen" ab. In unserem Kurzinterview erzählt sie ein wenig darüber, was sie von anderen weiblichen Rappern hält, wie sie Femalerap in Deutschland aktuell beurteilt und gibt uns einige Hintergrundeinblicke in ihre TV-Präsenz.


    rappers.in: Zu Beginn des Interviews würden wir gerne von dir wissen, was deine "Kattitude" gegenüber der Attitüde anderer Rapper auszeichnet?


    Kitty Kat: Ich mache einfach das, was ich will. Ich sage, was ich will. Ich veröffentliche, was ich will. Ich trage, was ich will. Produziere, was ich will ... Ich bin ein "Selfmade-Girl".


    rappers.in: Während die ersten Videos zu den Vorgängeralben immer in die etwas aggressivere Kerbe schlugen, ist deine erste Singleauskopplung "900 Meilen" das komplette Gegenteil. Werden wir auf "Kattitude" eine andere Kitty Kat kennenlernen?


    Kitty Kat: Ja, auf jeden Fall. Es ist dieses Mal ein Mix – deswegen auch der Titel "Kattitude". Das Album hat viele Facetten ... so, wie wir Frauen eben sind.


    rappers.in: Vor dem Release deines letzten Tapes hast du das Label DEINEMAMA Records gegründet. Bei diesem bist allerdings nur du als Künstlerin aktiv. Werden weitere Signings dazustoßen? Und wie lief die Labelführung in den letzten Monaten?


    Kitty Kat: Mein Label läuft super. Ich habe ein tolles Team um mich herum. Und wenn "Kattitude" funktioniert, dann können wir auch weitere Acts signen ... was ich auch unbedingt machen möchte.


    rappers.in: Kommen wir auf deine Heimat zu sprechen: Inwiefern hat das Aufwachsen in Berlin deine Musik geprägt? Hättest du denselben Musikgeschmack gehabt, wenn du zum Beispiel auf dem Land groß geworden wärst?


    Kitty Kat: Als ich zwölf Jahre alt war, kamen nach der Schule Warren G und TLC im Fernsehen auf MTV. Ich glaube, ganz egal, wo ich gewohnt hätte: Ich hätte das auf jeden Fall mitbekommen.


    rappers.in: Raptechnisch warst du längere Zeit nicht zu hören, dafür aber immer wieder mal im TV zu sehen, unter anderem beim "perfekten Promi Dinner", "Cover my Song", "Promi-Frauentausch" und zuletzt bei "taff". Bei welchen Shows könntest du dir noch vorstellen, mitzuwirken?


    Kitty Kat: Ich versuche immer, Sachen zu wählen, die etwas mit Musik zu tun haben. Beim "Promi Dinner" war die Clique von "Cover my Song", also hab' ich das dazugezählt. Aber ich habe auch einige Sachen, für die es sehr, sehr viel Geld gegeben hätte, einfach abgesagt. Ich mache nicht alles. Ich möchte nur, dass die Leute mitbekommen, dass es mich gibt und dass ich Musik und jetzt auch Mode mache ... "Pinkmafia" – der Name des Fashionlabels.


    rappers.in: In welche Richtung fühlst du dich denn aktuell mehr hingezogen – Showbusiness oder Musik?


    Kitty Kat: Ich mag beides, aber Musik wird wohl immer meine Nummer eins bleiben.


    rappers.in: In letzter Zeit hat die ein oder andere Rapperin geschafft, von sich reden zu machen. Wir würden gerne erfahren, ob du momentan die Karrieren anderer Female-MCs mitverfolgst.


    Kitty Kat: Ehrlich gesagt: Ich verfolge das gar nicht. Ich mach' mein Ding und höre privat gar keinen deutschen Rap ... ich mache ihn nur. (grinst)


    rappers.in: Zu guter Letzt hätten wir gerne eine Prognose für die nächsten Jahre: Wie wird sich Femalerap in Deutschland entwickeln? Und willst du unseren Lesern noch etwas mitteilen?


    Kitty Kat: Femalerap wird es immer geben. Ich habe gute Pionierarbeit geleistet, auch wenn es manche nicht zugeben wollen. Wir rocken das easy! Ich drück' auch allen die Daumen. Holt euch mein neues Album "Kattitude" – es ist mein bestes, sagt man mir dauernd, also lohnt es sich, mal reinzuhören. Kisses an meine Fans ... an meine Miezen.



    (Florence Bader & Pascal Ambros)
    (Foto von Samienne)



    Die Halunkenbande um Baba Saad, EstA und Punch Arogunz veröffentlicht am morgigen Freitag ihren ersten Label-Sampler "Beuteschema". Für alle noch Unentschlossenen publizierte das Trio nun noch ein Snippet:


    [youtube]LKetx7wnUyo[/youtube]


    Quelle


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    Click Clack Clique-Mitglied Dee Hoo veröffentlicht in Kürze seinen Solo-Longplayer "Zweckreimking". Das 17 Tracks starke Album könnt Ihr hier bereits vorbestellen. Zusätzlich feierte nun eine dritte Vorab-Videoauskopplung ihre Online-Premiere – "Im Haschichregen" ist eine Hommage auf Caspers "Im Ascheregen", den Clip findet Ihr hier:


    [youtube]pI6_33euvFk[/youtube]


    Quelle


    [pushit]12605 [/pushit]



    01. Arbeit ist out
    02. NWA
    03. Warum ich das mach ...
    04. Ice-T
    05. Immer immer mehr
    feat. Bushido & Sido
    06. Rentner
    07. Springfield 2
    feat. Bushido
    08. Highschool Musical
    09. Mein Shit
    10. Lieblingslied
    feat. Julian Williams
    11. Stress mit Grund feat. Bushido & Haftbefehl
    12. Bruce Wayne feat. Eko Fresh
    13. Oma
    14. Spiegelbild
    feat. Julian Williams
    15. Slow Motion
    16. Cabriolet
    17. Panamera Flow
    feat. Bushido


    Besser konnte es kaum laufen: Da ist also dieser Sidekick des Rappers Kay One, der, wie später behauptet, wohl beträchtlich zu wenig bis gar keine Gage für seine Backup-Auftritte bekommt. Also wendet sich der Rapper vom selbst ernannten Prinzen ab und veröffentlicht den Disstrack "Alkoholisierte Pädophile". Ganz nebenbei wird er bei einem der größten Plattenlabels der deutschen HipHop-Szene gesignt, nachdem er 2012 bereits ein erstes Angebot zurückwies. Damit konnte sich Shindy also in Ruhe an die Produktion seines Nummer-eins-Albums machen. Die Chart-Platzierung könnten böse Zungen natürlich darauf zurückführen, dass Label-Chef Bushido sich keine Blöße gab, jeden Politiker, den er kennt, zu beleidigen. Die Promophase mutierte dadurch immer mehr zu wirklichem "Stress ohne Grund" und die Indizierung von "NWA" durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, kurz: BPjM, wirkt dann eben nur noch wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Im Endeffekt sorgte die Sperrung sogar nur dafür, dass die Kassen bei ersguterjunge erneut klingelten – mit vier neuen Tracks konnte man "NWA 2.0" nur wenige Wochen nach der Erstveröffentlichung auf Platz 6 der Albumcharts hieven. Wie sich die neue CD eigentlich anhört, die sogar ein Haftbefehl-Feature dazu liefert, erfahrt Ihr nun hier.


    Schon im ersten Track "Arbeit ist out" merkt man: Shindy ist gar nicht so sehr auf "Stress mit Grund" aus. Sehr smooth kommt er auf einem lockeren Pianobeat an, während er erzählt, dass er doch eigentlich nur das Frühstück, frisch gemacht von Mutti, genießen und chillen will. Das Feeling, das hier bereits verdeutlicht wird, setzt sich ohne große Abstufung auf dem zweiten Track "NWA" fort. Diesmal ohne Piano, dafür aber hervorragend und lässig geflowt über einen Elektrobeat. Man sieht, wie gut Shindy sich selbst beurteilt. Dass er sich für den King und "Mr. Nice Guy" in einer Person hält, kriegen wir hier also nicht zum letzten Mal zu hören. Auch auf "Warum ich das mach ..." ist noch wenig von "Stress mit Grund" zu hören – doch was wir geboten bekommen, ist feinster Representer-Rap mit Sommerfeeling. So könnte man dieses Album genauso gut auch im Radio spielen. Generell zeigt sich Shindy auf "NWA 2.0" textlich recht vielseitig. Beispielsweise rappt er auf "Immer immer mehr" gemeinsam mit Bushido und Sido über seinen Weg ins Rap-Geschäft.


    "Dann waren Sido und Bushido in den Charts/
    Damals hab' ich auf mein allererstes Mikrofon gespart/
    Mein Direktor hat gemeint, dass er alles besser weiß/
    Hab' gesagt: 'Wenn du so schlau bist, wieso bist du dann nicht reich?'/
    "
    (Shindy auf "Immer immer mehr")


    Während das Soundbild beinahe durchgängig auf Radiomusik getrimmt ist, nimmt Shindy also die verschiedensten Themen in seine Texten auf. Im Gegensatz dazu ist er seinen Features recht treu geblieben – so findet sich Bushido auf vier der 17 Tracks wieder. Der zweite Bushido-Part ist auf "Springfield 2" zu hören, auf dem der Label-Chef mit Zeilen wie "Du willst entertaint werden? Digga, hol dir T-Home" nicht unbedingt sein Meisterstück abliefert. Generell bekleckert sich Bushido mit seinen Feature-Parts keinesfalls mit Ruhm. So zählt, nicht zuletzt dank ihm, "Panamera Flow" zu den schwächsten Tracks des Albums. Feature Nummer vier wäre eigentlich "Stress ohne Grund" gewesen: Nun gab es leider aber doch einen Grund für die Presse, sich über dieses Werk herzumachen. Die Indizierung nutzte man zum Umbenennen des Songs in "Stress mit Grund". Obendrein kam ein Feature mit Haftbefehl zustande, der sich via Facebook klar gegen die Journalisten der BILD aussprach und sich zu den beiden Rappern bekannte. Das Ergebnis ist ein sehr viel besseres, denn, sind wir ehrlich: Raptechnisch war "Stress ohne Grund" so gar nicht interessant.


    "Shindy ist 'ne Rap-Stilikone/
    Politiker sind sauer so wie Nestea-Zitrone/
    Es ist Shindy Cool, Sonny Black, Baba Haft/
    Jeder scheiß Kanacke mit 'nem Benz macht auf Arafat/
    Mein Hype übertrieben, diesen Heißblüter lieben/
    Bitches, wenn ich sterbe, baut mir drei Pyramiden/
    "
    (Shindy auf "Stress mit Grund")


    Das Feature mit der meisten Überzeugungskraft bleibt jedoch Eko Fresh. Sein jüngstes Album "Eksodus" stieg nicht umsonst an der Spitze der Charts ein, und auch auf "Bruce Wayne" präsentiert er sich gewohnt stilsicher. Hier rettet Eko ein wenig die Ehre aller "NWA 2.0"-Features, denn Julian Williams, seines Zeichens vierter und letzter Gast, gesellt sich auf die gleiche Stufe wie Bushido. Eigentlich schlimmer, denn Julian denkt wohl, Autotune könne seine fehlenden Gesangsqualitäten kompensieren ... Nein, das kann kein Programm der Welt. So quälen sich beide recht hart über "Lieblingslied", das dem Titel keineswegs gerecht wird. Schon besser ist da "Spiegelbild", aber auch nur, weil hier die Seite von Shindy herausgekitzelt wird, die unbedingt deepe Texte rappen möchte. Eine erstaunlich gute Facette, wie sich zeigt. So kann er dann auf dem Track "Oma" sein ganzes Potenzial ausschöpfen.


    "In deinem kleinen Haus brennt nie wieder Licht/
    Ich kann nicht ausdrücken, wie ich dich vermiss'/
    Ich war so ein Bengel, Oma war ein Engel/
    Nur das Allerbeste genug für ihren Enkel/
    Kannst du dich an den Tag erinnern, als ich mir Ohrlöcher stechen lies/
    Du hast geweint vor Enttäuschung, das vergess' ich nie/
    "
    (Shindy auf "Oma")


    Mit dieser doch sehr tiefgreifenden Einsicht in Shindys Privatleben präsentiert das neueste Mitglied von egj einen der vielleicht besten Tracks auf "NWA 2.0". Die deepe Schiene würde ihm vielleicht sogar noch besser stehen, doch auf meine und im Endeffekt alle anderen Meinungen gibt er "kein' Fick", wie er auf dem gleichnamigen Track rappt ... Na ja, eigentlich will er das sagen, aber die Bundesprüfstelle findet das nicht so cool wie er selbst. Deswegen ist aus "Kein Fick" auf "NWA" "Mein Shit" auf "NWA 2.0" geworden. Das Sample hat man hierbei weitläufig geändert, genau wie den Text. Vielleicht sollte man zwischen all dem Representer-Rap und den Thementracks auch die Konzeptsongs hervorheben. Auf "Rentner" rappt Shindy über sein Leben als alter Mann, auch wenn seine Vorstellung über das Leben im Alter komplett over the top ist. Wie Shindy mit dem "Sportwagen jedes Wochenende fortfahren" will, weiß er wohl auch noch nicht so ganz, denn sonderlich schnell ist Shindy auch jetzt keineswegs, wie er uns in "Slow Motion" erzählt. Richtig cool ist der Track aber auch nicht. Denn egal, wie gechillt man klingen will, Zeilen wie "Meine Freundin schreibt mir, die Beziehung ist beendet" leiert man dann doch nicht monoton herunter.


    Fazit:
    "Stress ohne Grund" hätte es im Vorfeld gar nicht gebraucht, beweist Bushido doch ein wahnsinnig glückliches Händchen mit Shindy. Als Debütalbum ist das sehr stark, was der Künstler hier abliefert. Wenn auch auf Mainstream getrimmt, harmoniert er grandios mit jedem seiner Beats. Das, was letztendlich den guten Gesamteindruck ein wenig schmälert, ist die Länge des Albums. Mit 17 Tracks bekommt man zwar sehr viel für sein Geld, doch letztendlich strecken Tracks wie "Highschool Musical", "Cabriolet" oder "Ice-T" das Album nur unnötig. Im Großen und Ganzen kann man aber sagen, dass "NWA 2.0" von allem etwas bietet: deepe Texte, Representer-Rap und speziell tolle Beats, bei denen definitiv ein Könner am Werk war. Für die meisten Beats zeichnet Shindy selbst verantwortlich, aber auch Beatzarre, Djorkaeff und Bushido steuerten einige Instrumentals bei. Da klingt keiner gleich, da ist überall ein wenig Innovation und Coolness hinter. Wer hier zuschlägt, den erwartet eine Platte, die man einfach durchgehend hören und genießen kann. Man kann sich auf ein künftiges Release jetzt schon freuen – vielleicht klappt es dann auch ohne Stress im Vorfeld, denn den hat dieser Künstler bei Weitem nicht nötig.



    (Sven Aumiller)

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    01. Zurück dahin
    02. Geheime CD
    03. FCKWKND
    04. Schlechter Star
    05. Life is a bitch
    06 Z.B.
    feat. Edgar Wasser
    07. Schatz, du Arschloch!
    08. Praktikum als Gangster
    09. Einer für alle
    feat. Emkay & Dobbo
    10. Muskeln sind hässlich
    11. Unbedacht
    12. Applaus
    feat. Mach One
    13. Rolf
    14. Ich weiß wie das ist
    feat. Lakman
    15. Sommer meines Lebens


    ___________________________________________________________


    Review von WoboSolagl:


    Wir schreiben das Jahr 2011. Vor der Kulisse einer DVD-Sammlung steht ein blonder Typ in einem türkisgrünen Cleptomanicx-Shirt. Auf einem recht simplen Pianobeat bezeichnet er sich selbst als "elendigen Lulatsch", der aus seinen Gegnern "so was Ähnliches wie Gulasch" machen will. Sowohl Audio- als auch Videoqualität sind noch mehr als ausbaufähig, und doch beschreibt dies den Anfang eines kometenhaften Aufstiegs. Denn was wir hier hören und sehen, ist Christoph Wiegands Qualifikationsvideo für das VBT 2011, in dessen Verlauf er sich von Battle zu Battle gewaltig steigern und qualitativ stets enorm verbessern wird, während seine Videos die bis dahin gewohnten Klickzahlen des Turniers sprengen. Mit seiner Fähigkeit, simpelste Tatsachen über seine Gegner und deren Runden mit jeder Menge Witz und fast schon sympathischer Arroganz zu treffenden Spitzen zu feilen, gelingt es ihm, Runde um Runde zu überzeugen, bis Weekend letztlich als Sieger des Videobattleturniers 2011 feststeht. Spätestens, als er auch die 2012 stattfindende Splash!-Edition für sich entscheiden kann, wird klar, dass Weekend für den Schritt hin zu einer erfolgreichen Rapkarriere durchaus prädestiniert ist. Mit dem Ende August über Chimperator Productions erschienenen Album "Am Wochenende Rapper" begibt er sich nun vollends auf diesen Pfad.


    "Sagt mir, ich hab' den Scheiß nicht verdient/
    Hau rein VBT, mich hat keiner besiegt/
    Steh mir im Weg und du kriegst Lines in deine dumme Fresse/
    Wochenende – ich bleib' ungebattlet/
    "
    (Weekend auf "Zurück dahin")


    Auch wenn der Gelsenkirchener bereits 2009 ein Album mit dem Titel "Fans gesucht" zum kostenfreien Download veröffentlichte, kann hier in gewisser Weise durchaus vom Debüt des Rappers gesprochen werden, scheint seine Wahrnehmung durch die Medien seit der Teilnahme am VBT doch erst wirklich existent. Seine Anfänge verleugnet er jedoch nicht im Geringsten, spricht im Gegenteil sogar davon, dass er jederzeit bereit wäre, "zurück dahin" zu gehen. Nach den einleitenden Auszügen aus seinen Battlerunden als Referenz zur neugewonnenen Aufmerksamkeit durch das Turnier, rappt Weekend auf hellen Synthieklängen und donnerndem Bass über erste Konzerte und Jams, welche ihm ebenso wichtig waren, wie der Auftritt auf dem Splash! 2012. Zudem betont er, dass er, sofern der ganz große Erfolg ausbleiben sollte, problemlos auch wieder bei bescheidenen Anfängen ansetzten könne, ohne der erhaltenen Chance nachtrauern zu müssen. Überhaupt spielt Weekend auf dem Album oft und gerne mit den Gegensätzlichkeiten zwischen der doch recht geringen Resonanz, welche er vor, und der aktuellen Aufmerksamkeit, welche er nach den Turniersiegen erhielt. So stellt er sein Album auf dem durch die HDF-Reihe bereits seit Mai bekannten Track "Geheime CD" als seinen ganz privaten Schatz dar, den er eigentlich mit niemandem teilen will. Im Vergleich zum Zeitpunkt des Videoreleases erscheint es hier jetzt natürlich leicht paradox, wenn auf dem Album selbst davon geredet wird, dass die CD geheim gehalten werden soll. Letztlich geht es in erster Linie aber nur darum, die Erwartungen an die Verkaufszahlen auf die Schippe zu nehmen. Und das funktioniert auf dem Album ebenso wie vor dem Album. Auch zu "Schatz, du Arschloch!" und "FCKWND" erschienen bereits vor Albumrelease Videos. Letzteres thematisiert hierbei Weekends Problem, den Hype um seine Person wirklich realisieren zu können. Der Beat, der, wie fast das gesamte restliche Album, von Peet produziert wurde, baut sich leise und monoton auf, setzt dann gemeinsam mit Weekends Stimme voll ein und sorgt für einen der energiegeladensten Tracks auf "Am Wochenende Rapper", der auch ohne "Schreit mein' Nam'!" zum Mitrappen zwingen würde. In krassem Kontrast dazu weist die humoristische Ode an die Faulheit, "Life is a bitch", geradezu schlafliedähnliche Züge auf, ohne dabei einschläfernd zu wirken. Seinen angenehm ausgeglichenen Charakter erhält das Lied durch die entspannten Rapparts und den ruhigen Klang von Spieluhrsound und "Aristocats"-Sample. Ganz so unnütz scheinen Katzenbabys dann also doch nicht zu sein, wie es der gute Wiegand seiner Freundin vermitteln möchte.


    "Ich hoff', dass du mit deinen High Heels auf die Fresse fliegst/
    Und, ach ja, ich hasse 'Grey's Anatomy'/
    Und natürlich wird man fett, wenn man nur rumsitzt/
    Katzenbabys sind nicht süß, die sind unnütz/
    "
    (Weekend auf "Schatz, du Arschloch!")


    "Schatz, du Arschloch!" und "Praktikum als Gangster" sollten auch die letzten Zweifler überzeugen, wenn es um die Frage geht, ob der Rapper die bissige Ironie aus seinen VBT-Runden auch auf Thementracks transferieren kann. Mit seiner Freundin beziehungsweise dem Gangsterimage als "Gegner" rechnet er einmal als unterdrückter Pantoffelheld, einmal als weicher Rapper, der vom dem Wunsch beseelt ist, Gangster zu sein, auf gewohnte und vor allem gekonnte "Weekend-Weise" ab. Dafür stellt Peet einen unschuldig-glücklichen, das andere Mal einen kratzigen E-Gitarre-Beat zur Verfügung, so wie die Vielseitigkeit des Producers das gesamte Album mit verschiedensten, passenden Instrumentals bereichert. Einzig "Ich weiß wie das ist" bildet hier eine Ausnahme, wurde der Track doch vom Wittener Rooq produziert, der bereits an einigen anderen Tracks für unter anderem Lakman mitwirkte, welcher hier auch als Feature vertreten ist. Die Zusammenarbeit mit der "Creutzfeld & Jakob"-Hälfte, ein lange gehegter Traum Weekends, beschert dem Album einen sehr angriffslustigen Titel, der sich thematisch vor allem auf Hype- und Szenekritik konzentriert und bei dem Mitnicken einfach Pflicht ist. Während Lakman typisch lässigen, ignoranten Rap von sich gibt, überrascht Weekend mit ungewohnt aggressivem Flow, der beweist, dass der Rapper zur Not auch mal ganz ohne Witz und Ironie auskommt. Das Feature mit Edgar Wasser hingegen punktet "z.B." besonders durch die lustigen Wortspiele, während der Inhalt etwas mager ausfällt. "Doch eigentlich geht es ja nur um die Hook", zumindest wenn man dem absichtlich schrecklich schief gesungenen Refrain glauben darf, auf den eine Aufzählung klischeehafter, hohler Hook-Phrasen folgt.


    "Schon Jahre, bevor ich das erste Mal am Mic war/
    Hing' wir im Park und hörten 'Gottes Werk und Creutzfelds Beitrag'/
    Dinge, die schon vor vielen Jahren meine Träume war'n/
    Werden heute wahr/
    "
    (Weekend auf "Ich weiß wie das ist")


    Wo sowohl Lakman als auch Edgar Wasser als Featuregäste irgendwo vermutbar waren, entsprechen beide doch sehr seinem Musikgeschmack, ist die Zusammenarbeit mit Mach One durchaus überraschend, ergibt jedoch einen höchst amüsanten Track, auf dem die beiden für ganz alltägliche Tätigkeiten wie Duschen und freihändiges U-Bahnfahren "Applaus" einfordern. Dass Christoph – also der mit der Sonnenbrille – tatsächlich aber alles andere als abgehoben und noch immer so bodenständig ist, wie er es auf dem Album mehrmals betont, zeigt der Track "Einer für alle". Nicht nur featured er hier seine langjährigen Wegbegleiter Emkay und Dobbo, sondern hält sich regelrecht zurück und liefert nur den letzten Part, während seine Freunde die Hauptakteure geben. Wenn auch flowtechnisch nicht immer perfekt ausgefeilt, "disst" man sich mit diversen Tourerlebnissen und Insidern, was den Eindruck verstärkt, hier würden sich schlicht ein paar Kumpels auf freundschaftliche Weise übereinander lustig machen und dazu einen Track aufnehmen, der mehr füreinander, als für die Käufer des Albums entstand. Ebenso verhält es sich mit "Rolf", auf dem Weekend mit entspannter Beatuntermalung ausschließlich seinen Live-DJ Upset und dessen Namen thematisiert. Wer auf seinem Debüt Platz hat, seinen langjährigen Freunden zwei Lieder zu widmen, muss eigentlich gar nicht weiter betonen, dass er zunächst einmal Freund und Kumpel und erst danach ein erfolgreicher Rapper ist. Die Woche über eben ein ganz durchschnittlicher Sozialarbeiter und Rapfan und "am Wochenende Rapper".


    Fazit:
    Oberflächlich betrachtet mag "Am Wochenende Rapper" thematisch zunächst etwas dünn wirken, geht es auf 15 Anspielpunkten doch jeweils nur um entweder den naiven Wiegand, der die Welt nicht immer so ganz verstehen mag, den bescheidenen Christoph, der mehr Fan als selbst Rapper ist, und den arroganten Star Weekend, dem sein Ruhm etwas zu Kopf stieg. Jedoch beschreibt der Rapper in diesen drei, nicht immer ganz ernst gemeinten "Rollen" eine so breite Palette unterschiedlichster Situationen, dass das Album nie wirklich langweilig oder eintönig wirkt. Peet-Beats und Upset-Cuts sind vielseitig, jederzeit ausgesprochen gut gewählt und trotz ihrer Eindringlichkeit stehlen sie dem Rapper selbst nie die Show. Stattdessen teilt er diese lieber mit seinen Featuregästen, die allesamt passend sind und zu keinem Zeitpunkt den Eindruck eines schlichten "Promo-moves" erwecken. Viel mehr geht Weekend sogar so weit, zwei Tracks, die im Grunde nur für seine Freunde entstanden sind, auf dem Album zu präsentieren. Am Ende des Tages – oder der Woche – ist "Am Wochenende Rapper" kein Album, das als Folge des VBT-Hypes entstanden ist, sondern das Album, welches Weekend sowieso immer machen wollte und das nun einfach von der neugewonnenen Bekanntheit des Interpreten profitiert. Ähnlich wie bei seinem Qualifikationsvideo vor zwei Jahren steckt Christoph Wiegand auch in das Album nicht zwingend hohe Erwartungen und liefert doch etwas ab, das wohl nur der Anfang von etwas noch viel Größerem sein wird.


    Redakteur-Bewertung der CD:

    ___________________________________________________________



    Review von Die Robbe:


    Es sind wahrlich leidige Fragen, denen sich ein ehemaliger Teilnehmer des VBTs vor Mikrofonen stellen muss: "Wird er vom ausgelösten Hype auch auf Albumlänge profitieren? Wird er mit überraschender Themenvielfalt abseits des musikalischen Wettkampfs aufwarten? Wird er bei den neugewonnenen Hörern auch von Käufern sprechen können?" – ja, wird er nun oder was?! Derart schwammig formulierte Fragen führen uns regelmäßig auf Allgemeinplätze. Was bei ehemaligen Teilnehmern oft außen vor bleibt, ist die vermeintlich unrühmliche Vergangenheit, dabei liest die sich beim Gelsenkirchener Weekend etwa wie der mustergültige Lebenslauf eines Rappers, der sich der Realness verschrieb. Seit 2005 sammelt er Live-Erfahrung auf kleineren Bühnen, trat in Jugendzentren auf, freestylte im Park und stellte im Internet Mix- und Street-Tapes kostenlos für die hiesige Community zum Download bereit. Der Mittzwanziger battelte sich als bislang einziger ungeschlagen durch zwei VBTs – und bewahrt bei all dem Trubel um seine Person eine angenehme, Rap-untypische Bodenständigkeit, wenn ihm die üblichen Fragen gestellt werden. Die nächsten Sprossen auf der Karriereleiter kennzeichnen eine Unterschrift bei "Tschimperator" sowie einen zweiten Splash!-Auftritt. Er gibt zwar vor, nur "am Wochenende Rapper" zu sein, dennoch hat er das Album überwiegend unter der Woche aufgenommen – Kenner werden die augenzwinkernde Ironie im Titel zu deuten wissen. Gilt für das Album dasselbe?


    "Kein Geld, keine Reklame/
    Wir haben das alles auch getan für zehn Arme/
    Und haben gewartet, dass es irgendwann mal zwanzig sind/
    Irgendwann bestimmt – ganz bestimmt/
    "
    (Weekend auf "Zurück dahin")


    Weekend steht auch für "zehn Arme" noch immer auf der Bühne, ist sich dem Trubel um seine Person nicht nur unbewusst, sondern weist ihn von sich und würde jederzeit wieder Konzerte in Jugendzentren für eine handvoll Fans spielen ("Zurück dahin"). Unzählige Male unterstreicht er, wie geerdet er noch immer ist, oder: des Realkeepers liebste Ansage, völlig abgesehen davon, wie unwahrscheinlich das angesprochene Szenario anmutet. Die Milchmädchen-Rechnung, nach der man auf der Authentizitäts-Leiter durch häufiges Betonen seiner Herkunft und den fehlenden Allüren Schritt um Schritt macht, ist am Ende ein Nullsummen-Spiel, das musikalisch den Hörgenuss ungefähr so sehr bereichert, wie eine aufgesetzte Sonnenbrille als Markenzeichen tarnt. Dennoch gut, dass man darüber gesprochen hat. Aber natürlich greift der schlaksige Brillenträger gerne "unbedacht" auf die alt bekannten, ironisierten Ansagen zurück, die ihn in VBT-Zeiten populär werden ließen. Diese Ironie entwickelt sich jedoch von einer Facette zum alles überstrahlenden Mantra, das nahezu jeden Track dominiert. Folglich entspinnt sich ein selbstironisches Feuerwerk. Und so wird ein ums andere Mal in die Kiste der einmalig lustigen Schenkelklopfer gegriffen, um dem vermeintlich einfältigen VBT-Publikum zu geben, was es erwartet, und um sie von geneigten Hörern zu überzeugten Käufern zu rekrutieren. Keine Frage, die Comedy-Einlagen gehören zu seinem Steckenpferd. Aber muss das zwangsläufig dazu führen, dass herrlich dahingerotzte, teils sinnentleerte und vielleicht gänzlich unlustige Einschübe, die seine früheren Tracks dann und wann angenehm imperfekt werden ließen, vollends auf der Strecke bleiben müssen? Offensichtlich schon. Das Bedauerliche dabei ist, dass die Halbwertszeit eines Tracks somit der eines Witzes gleicht. Ein semilustiger Scherz löst den vorherigen ab, Track für Track, Zeile für Zeile. Repeat-Potenzial: Fehlanzeige.


    "Und ich brenn' eine CD/
    Doch irgendwie brennt am Ende mein PC/
    Darum versuche ich, das Feuer auszupissen/
    Dann reiße ich wegen der Rauchentwicklung/
    Erstmal die Fenster auf, hier drinnen steht der Rauch/
    Am besten mache ich den Brand mit meinem Deo aus/
    "
    (Weekend auf "Unbedacht")


    Die Herangehensweise, das Thema eines Tracks um vorgefertigte Späßchen herum zu schreiben, wirkt mittlerweile alles andere als abwegig. Track X beginnt über weite, Peet-typische Synthieflächen. Weekend steigt ein und kontrastiert durch schiefe Betonungen und monotone Stimmlage die durchweg überdurchschnittlich ausproduzierten Instrumentals, die es ihrerseits Wert sind, ohne stimmlichen "Mehrwert" gehört zu werden. Par excellence harmonieren Drum, Snare und Melodie auf "Schlechter Star" miteinander, die Hook des Protagonisten skizziert im Gegensatz zum instrumentalen Höhepunkt den stimmlichen Tiefpunkt. Der schiefe Singsang kann, bei allem Kalkül, vom universell-entschuldigenden Ironie-Einwurf nicht getragen werden, denn lustig ist es ebenso wenig. Doch kommen wir noch einmal kurz auf die bereits erwähnten Interviews zu sprechen. Was konnte der Christoph schon lange vor dem Release kategorisch ausschließen? Richtig, er wollte fiktive Gegner keinesfalls auf Platte batteln. Tracks wie "Schatz, du Arschloch" und "Rolf", als auch der eher deplatzierte Mobilfunkanbieter "Base" auf "FCKWKND" gehen mit einem zugedrückten Auge noch durch. Doch auch Massiv bekommt sein Fett weg, aus welchem Jahrhundert auch immer diese Seitenhiebe ausgegraben wurden. Waren ebenjene sowie das "Praktikum als Gangster" nicht angebrachter, als die öffentliche Meinung tatsächlich gespalten war? Doch wozu die vorurteilbehafteten Späßchen anno 2013? Das Gros der Heads, die sich in unserem Kreise bewegen, legen keinen Wert darauf, sich öffentlich von Backpack- oder Gangster-Rap abzugrenzen. Geschweige denn, Anhängern der ungeliebten Szene durch ironische Sticheleien ein Schnippchen zu schlagen. Weekend schon, und zwar so, wie er das schon vor über fünf Jahren tat, als er in "3 Minuten zum Gangster" wurde und damit ganz gezielt eine gewisse Käuferschicht erschloss, was alles andere als verwerflich war. Nun aber erzählt er uns denselben Witz, mit dem er 2008 Gangster-Rapper auf die Schippe nahm, in abgewandelter Form erneut. Das alles wäre leichter abzutun, wenn sich dem Guten neben Comedy-Einlagen ein weiterer Schwerpunkt zuschreiben ließe. Doch diese Suche endet vergebens. Produzent Peet, dessen Händchen im Fruity Loops-Studio wie gewohnt einen sehr synthetischen, neuartigen Boom-bap-Sound hervorbrachten, merkt man die Leistungssteigerung hingegen merklich an.


    "Oh mein Gott, ich bin leider nicht hart/
    Das der Grund, warum keiner mich mag/
    Doch um das zu ändern/
    Mach ich ein Praktikum als Gangster/
    "
    (Weekend auf "Praktikum als Gangster")


    Weniger verwunderlich – als die nicht vorhandene Abwechslung – überzeugen die eingeladenen Gäste, die ihren Gastgeber meiner Meinung nach größtenteils in den Schatten stellen. Um die anfänglichen Realkeeper-Beteuerungen ein weiteres Mal aufzugreifen: Christophs Versuch, selbstironische Possenspiele kurz ad acta zu legen, geht insofern daneben, als dass Lakmans Zeilen "[...] Der ganze Hype ist das eigentliche Scheiß-Problem/ Und reine Skills will keiner mehr sehen" eher als Spitze gegen den Gastgeber anmuten, als mit ihm und dessen Part einen harmonischen Track aufzubauen. Der Versuch, der Ruhrpott-Legende ebenbürtig gegenüberzutreten, wirkt eher holprig.


    Fazit:
    Der ohnehin schon zu genüge gepeinigte DJ Upset hätte seinem Freund mit einem einfachen "Hey Christoph, vielleicht solltest du so manche Hook anderen überlassen. Sorry, aber du hast dafür kaum das stimmliche Talent, das du eventuell glaubst zu haben, und deine Tracks sollten nicht exklusiv für ironische Scherze reserviert sein – wie wäre es mit einem ausgewogeneren, gesünderen Maß?" sehr geholfen – Freunde können sich sowas doch sagen? Nein, stattdessen hangelt sich der Gute von Track zu Track mit der Absicht, einen einnehmenden, wohlklingenden Refrain anzustimmen, und dazwischen mit dem ein oder anderen Scherz für Heiterkeit zu sorgen. Das darf gefallen, muss es aber nicht, denn Humor ist bekanntlich Ansichtssache. Anspruch und Wirklichkeit klaffen für meinen Teil gefühlsmäßig meilenweit auseinander. Warum ein Mikzn im VBT 2011 Wiegand in so auffälliger Regelmäßigkeit einen Refrain trällerte, ergibt plötzlich mehr Sinn denn je. Summa Summarum halten wir Peets stark produzierte Synthie-Produktionen, externe Gastbeiträge – die ausnahmslos den Hausherren in den Schatten stellen –, größtenteils disharmonisch geträllerte Hooks sowie vor Ironie triefende Scherze – deren Impact ausschließlich im Moment des ersten Hörens liegt – fest. Sich einen Track öfter anzuhören, gleicht dementsprechend dem mehrmaligen Erzählen ein und desselben Witzes.

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    01. Intro
    02. Ghostbuster
    03. Fakker Lifestyle 2013
    04. Abrakadabra
    05. Problem & Lösung
    06. Ego
    07. An manchen Tagen
    08. Sweet 16
    feat. Projekt Elias
    09. Pyramiden hinterm Mond feat. Projekt Elias
    10. Mephisto
    11. Streetfighter Pt. 3
    12. Good Life Crew
    13. Nazarfakker Pt. 3
    14. Galaxie
    15. Outro


    Bonus-Tracks:
    16. Chill
    17. Wüstenblume
    18. Bis ans Ende der Welt
    19. Wenn das alles sein soll


    Wer bei Erwähnung des Landes Österreich noch immer bloß an Berge, Wiener Schnitzel, traditionelle Trachten und Jodeln denkt, liegt – natürlich – falsch. Auch in die hügeligen Gefilde unserer Nachbarn ist die HipHop-Kultur mittlerweile eingezogen und mit ihr natürlich auch die Rapmusik. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Vertreter ebendieser nennt sich Nazar. Der aus dem Iran stammende Ardalan Afshar, so der bürgerliche Name des Interpreten, bringt mit "Fakker Lifestyle" sein mittlerweile fünftes Soloalbum auf den Markt. Nach dem bereits in Österreich auf Platz fünf und in Deutschland auf Platz zehn gecharteten Vorgänger "Narkose" konnte er mit dem neuen Langspieler sogar einen noch größeren Erfolg erzielen und platzierte ihn in seiner Heimat auf dem zweiten Rang und in den hiesigen Charts auf der Drei. Aber was genau ist dieser "Fakker Lifestyle", von dem man auch auf vorherigen Veröffentlichungen Nazars immer wieder zu hören bekam? 50 Minuten nimmt sich der Künstler, um mir seinen Lebensstil und den großen Erfolg seiner neuen Platte zu erklären.


    "Rapper hängen zugekifft in' Niederlanden, ja ja/
    Setzen sich ein Ziel doch werden nie da landen, ah ah/
    Alles, was ich mach', ist tight wie Schiebertanzen/
    Ich bin auch in' Niederlanden und shoppe paar Diamanten/
    "
    (Nazar auf "Fakker Lifestyle 2013")


    So ungefähr sieht der "Fakker Lifestyle" also aus. Auf den ersten fünf Tracks des Albums beweihräuchert Nazar sich selbst in vollen Zügen und stellt klar, dass der Rest der deutschsprachigen Rapper, egal, ob aus Österreich oder aus Deutschland, an ihn natürlich nicht herankommt. Die Themen erstrecken sich vom Reichtum und Luxus, den der Fakker genießt, über seinen herausragenden Flow bis hin zu dem ihm scheinbar sehr zugetanen weiblichen Geschlecht. Vermittelt wird dies durch teils kreative, meist jedoch eher plumpe Zeilen und Vergleiche. Spits wie im Zitat oben sind schon eher die positivere Erscheinung, wenn der Interpret dem Zuhörer erklärt, dass irgendein anderer Sprechgesangsartist ein "fettes Opfer wie ein Nilpferd" sei. Dies ist nur ein Beispiel von einigen wirklich seltsamen Textstellen, die der Österreicher formuliert, um Representer und Standard-Battlezeilen auszuschmücken. Bezüglich seines Flows lässt sich allerdings sagen, dass seine Ausführungen hierzu immerhin berechtigt sind. Ob er der Beste ist, sei mal dahingestellt. Außergewöhnlich ist er definitiv. Viele Flowvariationen sowie Veränderungen des durchaus innovativen Reimschemas fallen auf und machen die textlich eher eintönigen Stücke etwas individueller und interessanter. Für die Produktion und Instrumentierng der Titel zeichnet der Züricher Produzent O.Z. verantwortlich. Der Sound ist, wie man es von Nazar gewohnt ist, elektronisch und futuristisch gehalten. Die Synthiebeats dieser ersten Titel sind aber genau wie die Tracks an sich eher auf niedrigem Niveau und können keine besondere Atmosphäre oder grandiose Untermalung der Songs erzeugen. Nachdem ich Nazars ersten Texten über seinen Lifestyle nun also Gehör schenken durfte, komme ich zum Mittelteil des Albums, wo mich ein anders aufgelegter Interpret erwartet.


    "An manchen Tagen bin ich alles für dich/
    Doch an anderen gefall' ich dir nicht/
    An manchen Tagen würd' ich sterben für dich/
    Doch an anderen beerdigst du mich/
    "
    (Nazar auf "An manchen Tagen")


    Der Österreicher zeigt sich in diesem Teil des Albums von einer sehr viel persönlicheren, emotionaleren Seite. Den Übergang bildet der Titel "Ego", auf dem sich Nazar mit seiner selbstverliebten Seite, die zuvor behandelt wurde, kritisch auseinandersetzt und einsieht, dass eben dieses "Ego" manchmal doch etwas zu sehr ausgeprägt ist, auch wenn ihn dies nicht wirklich zu stören scheint. Die weiteren Texte sind bestimmt von Liebe, Beziehungsproblemen und Selbstkritik sowie von Erzählungen aus dem eigenen Leben. Die Songs an sich haben viel größeren Gehalt als die Battletracks zu Beginn. Nun gelingt es dem Interpreten, mich wirklich zum Zuhören zu bewegen; er schafft es, dass ich mich voll und ganz auf den Text konzentriere. Auch die Beats von O.Z. stellen nun eine passendere und individuellere Untermalung der Titel dar, atmosphärische Instrumentals schaffen eine Basis und verschmelzen mit den authentischen Lyrics des Interpreten. Langsamere Piano-Melodien und Streicher leisten hierzu genauso ihren Beitrag wie gelungene, leicht mit dem Autotune-Effekt hinterlegte Hooklines, für die die Jungs von Projekt Elias verantwortlich zeichnen. Nazar gelingt es gut, die Sehnsucht nach einer Frau, die Probleme in einer bestehenden Beziehung sowie Prozesse wie Selbstfindung in den Titeln zu verarbeiten. Außerdem zu erwähnen ist der Track "Mephisto", der einmal mehr eine tiefergehende Behandlung des exzessiven Lebensstils Nazars liefert, indem er das Partyleben et cetera als Verführungen des Teufels darstellt, denen er sich stets zu entziehen versucht, was ihm aber speziell am Wochenende meist nicht gelingt. Der religiös angehauchte Kampf des Rappers mit sich selbst und dem Teufel wurde, auch durch den mit Chören hinterlegten, düsteren Beat, zu einem fesselnden Stück Musik verarbeitet, das zu überzeugen weiß. Gegen Ende des Albums fällt Nazar allerdings größtenteils wieder in das Muster der ersten Tracks der Platte zurück, bringt abgenutzte Battlephrasen und gehaltlose Representertracks. Erneut finden sich absurd wirkende Wortkombinationen und Vergleiche in den Texten wieder, die ab und an wirklich zum Kopfschütteln anregen. Auch auf dem womöglich etwas tiefergehenden "Galaxie", das den Weltraum als Metapher für den Lebensweg des Einzelnen heranzieht, verliert sich der Interpret in abgenutzten Vergleichen und Formulierungen. Die Danksagung an Unterstützer und Freunde als letzter Titel der Standard Edition stellt einen guten, wenn auch nicht außergewöhnlichen Abschluss des Ganzen dar.


    "Er hat Lockmittel, auch wenn ich meinen Kopf schüttel'/
    Kenn' ich genug Block-Kids, die gern an seinem Stoff schnüffeln/
    An den Werktagen kann ich zwar nicht hören, was er sagt/
    Doch an Wochenenden wachsen meine Hörner wieder nach/
    "
    (Nazar auf "Mephisto")


    Die Bonus-Tracks können alles in allem überzeugen. "Chill" spricht für sich, kommt mit einem wirklich sehr entspannten Piano-Beat daher und garantiert Hörgenuss. Auch "Bis ans Ende der Welt" und "Wenn das alles sein soll" sind gute Rapsongs, souverän vorgetragen und ausproduziert, wenn auch nicht besonders. "Wüstenblüme" hingegen ist für mich mit der beste Song der LP und quasi ein kleines Geschenk beziehungsweise "Dankeschön" von Nazar an seine Fans, die ihn mit dem Kauf der "Fakker-Edition" besonders unterstützen. In Interviews verriet er, dass er dieses sehr persönliche Stück nur diesen zugänglich machen wollte. Die von Dankbarkeit und Liebe erfüllte Ode an die Mutter des Interpreten ist der emotionalste Vortrag, den ich von ihm bisher hören durfte und überzeugt völlig. Sowohl musikalisch als auch textlich ist dem Lied anzuhören, was für eine enorme Bedeutung es für den Interpreten hat.


    Fazit:
    Nazar bringt mit "Fakker Lifestyle" unterm Strich ein solides Release mit einigen Höhen, aber auch vielen Tiefen. Wenn der Österreicher sein Inneres nach außen kehrt, Gefühle zeigt und diese auf passende Instrumentals legt, kann er überzeugen. Doch die Battletracks und Representer, durchzogen von Phrasendrescherei und teils extrem seltsamen Lines, ziehen das Gesamtbild stark herunter. So verschenkt Nazar einiges an Potenzial und macht es schwierig, das Album an einem Stück durchzuhören. Das Ganze verleitet den Hörer eher dazu, sich nur an den Mittelteil des Albums mit positiven Gedanken zu erinnern. Ein Album, das komplett ein solches Konzept verfolgt, vielleicht durchzogen von zwei bis drei härteren Titeln, in denen Nazar seine raptechnischen Fähigkeiten und Besonderheiten, die definitiv vorhanden sind, vorführen und ausleben kann, würde größeren künstlerischen Wert und Hörgenuss versprechen.



    Alexander Hollenhorst (Holle)

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    01. Na wie gehts?
    02. Der Apfelschnitzschneider
    03. Ich tret die Blumen kaputt


    Bonus-Track:
    04. An der Moldau feat. Jasmin Shakeri


    Kennt ihr noch Plan B? Diesen kleinen, quirligen, leicht verschrobenen Polen, der im Alleingang sowie gemeinsam mit Maeckes eine ganze Reihe an Releases wie "Zack! Boom! Peng!" und "Als wären wir Freunde" veröffentlichte? Der 2004 bei Chimperator Productions unterschrieb und als Teil des "Team Stuttgart" im ersten Teil der "Feuer über Deutschland"-Reihe zu sehen war? Der 2007 mit eben erwähntem Kollegen Maeckes auch das "Rap-Up-Comedy"-Theaterstück "Zimmer 601" schuf und in letzter Zeit vor allem als ein Viertel der Gruppe "Die Orsons" zu sehen war und Erfolge feierte? Ja, kennt ihr? Vergesst ihn! Plan B gibt es nicht mehr. Denn bezüglich der Wahl seines Künstlernamens greift Plan B jetzt zu Plan B und ist fortan Bartek. Aber vergesst auch den! Denn Bartek ist nicht Bartek, sondern der "Apfelschnitzschneider", was zumindest die gleichnamige EP vermuten lässt, die man sich seit kurzem für 'nen Appel und 'n Ei auf seiner neuen Facebook-Präsenz pflücken kann.


    "Wer sliced die Apples im Club wie sonst keiner?/
    Das kann nur einer: der Apfelschnitzschneider/
    Wer sliced die Apples im Club wie sonst keiner?/
    Das kann nur einer: der Apfelschnitzschneider/
    "
    (Bartek auf "Der Apfelschnitzschneider")


    Auch wenn Bartek kein Alter Ego von Plan B, sondern dieselbe Person mit lediglich neuem Namen ist, lassen sich auf der EP dennoch musikalische Unterschiede zu früheren Werken entdecken. Denn obwohl jeder Orson ein eigenständiger, individueller Charakter ist und ihre Fähigkeiten auf einen Nenner zu bringen dem Vergleichen von Äpfeln mit Birnen gleichkäme, sind die Einflüsse dieser Zusammenarbeit deutlich spürbar. EP-Titel, Beatwahl, Thematiken sowie deren textliche Umsetzung wirken noch ein ganzes Stück abstruser als je zuvor, geben sich teilweise recht tiefsinnig und bleiben dabei doch dem Plan B- beziehungsweise Bartek-typischen Humor weiter treu. Um dies an einem Beispiel zu zeigen, ist "Na wie gehts?" bestens geeignet. Hier kann man einerseits dutzende Metaphern und Andeutungen zum inneren Kampf zwischen Weiterentwicklung und Beibehaltung alter Werte finden, andererseits aber auch einfach nur lauschen, wie der Rapper den Nüssen von Eichhörnchen hinterherjagt und sich in frisch rasierte Mädchen verliebt. Ziemlich Banane eben. Für die instrumentale Schale, in die der etwas kurze Spagat aus nachdenklichem Inhalt und absoluter Blödelei gekleidet ist, zeichnet, wie für alle anderen Beats auf der EP, der jahrelange Live-DJ der Orsons DJ Jopez verantwortlich. Eingeführt von Paukenschlägen leitet uns der Synthie- und Basssound zu einer Hook, die aus einem sich wiederholenden, runtergepitchten "na wie gehts?" besteht, was ebenso eintönig wie eingängig rüberkommt. Auch der Titeltrack wartet mit einem Chorus auf, den man recht schnell verinnerlicht, teilweise vielleicht sogar schon lange vor dem ersten Hören verinnerlicht hat. Stark an der einstigen Sido-Hook orientiert, werden hier zwar keine Fuffies geschmissen, aber immerhin Apples durch den Club gesliced und dies mit dem obligatorischen "Woh, woh" kommentiert. Mit ordentlich Bass und Drums donnert der Beat aus den Boxen, während Bartek die unterschiedlichsten, apfelbezogenen Wortspiele und abgeänderten Redensarten, etwa, dass der Apfel nicht weit vom Pferd falle oder man als Wurm manchmal eben in den sauren Apfel scheißen müsse, zum Besten gibt. Dass das Instrumental von DJ Jopez gefühlt aus nur einem Tubasound-ähnlichen Loop besteht, ist keineswegs negativ zu werten, zumal sich der Beat – abgesehen von hämmernden Bässen – nie aufdrängt, sondern lediglich die Untermalung für Barteks Apfelsprüche bildet. Diese sind zwar durchaus lustig, ändern aber nichts daran, dass der (Apfel-)Kern des Tracks in der gut gelaunten, eingänigen Hook liegt.
    Wenn man so einen Kern einpflanzt, könnte es sein, dass eines Tages ein Baum daraus wächst – im Fall von "Ich tret die Blumen kaputt" zwar kein Apfelbaum, sondern eine Eiche, aber nichtsdestoweniger Plinchs Lieblingsholz. Daher ist mit ihm auch nicht gut Kirschen essen, als er feststellen muss, dass zwei Bagger und ein Kran die Eiche entfernt und gegen einen Schornstein ersetzt haben. Unter dem dumpfen Getöse und dem knallenden Donnern des Beats brummt Bartek von der Ignoranz, mit welcher die westliche Welt die Natur behandelt. Rachegefühle keimen in ihm auf und so begibt sich der Rapper zum Haus des Chefs der dafür verantwortlichen Firma und sagt sich: "Ich tret die Blumen kaputt!". Dies geschieht in einer Hook, die absichtlich so übertrieben ernst geknurrt ist, dass sie einerseits zum Mitknurren, andererseits zum Mitlachen einlädt und sich der Wurm im Apfel so in Windeseile zum Ohrwurm entwickelt. Als kleinen Bonus bildet "An der Moldau" mit Jasmin Shakeri das Ende der EP, wobei Soundqualität und diverses Zwischengemurmel vermuten lassen, dass es sich eher um den Mitschnitt einer Probe handelt, bei der Text und Gesang mit Piano getestet wurden, als um die Frucht einer abgeschlossenen Aufnahmesession.


    Fazit:
    Dass ein fauliger Apfel das gesamte Obst im Korb verderben kann, kriegt der Hörer der "Apfelschnitzschneider"-EP durchaus zu spüren. Die zwei grandiosen Titel plus Intro und einem eher Skit-ähnlichen Bonus können nicht darüber hinwegtäuschen, wie wahnsinnig kurz das Ganze ist. Die EP wird sowohl Plan B- als auch Orsons-Fans begeistern, weist mit der Spiellänge jedoch ein gewaltiges Manko bezüglich des Hörgenusses auf, sodass hier wohl eher ein Apfelschnitz, als die ganze Frucht dargeboten wird. Nichtsdestotrotz lässt die EP auf weitere Releases dieser Art hoffen, fällt der Apfel doch nie sehr weit vom Stamm. Schlussendlich ist die "Apfelschnitzschneider"-EP definitiv ein Grund, den Namen Bartek nicht so schnell wieder zu vergessen.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)

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    Erst vor wenigen Wochen wagten Benny und Kraatz, besser bekannt unter dem gemeinsamen Namen Herr von Grau, den "Freiflug": Sie veröffentlichten eine gleichnamige neue Platte, die wie gewohnt in kompletter Eigenregie entstand. Bei den Fans fand das Album abermals Anklang – der im Oktober startenden Deutschland-Tour wird in den Reihen der Herr von Grau-Anhängern schon eifrig entgegengefiebert. Wir trafen das Berliner Rapduo in der Hauptstadt und plauderten ein wenig über ihren "Freiflug", Themen wie Selbstfindung oder Beziehungskrisen in ihrer platonischen Partnerschaft und ließen Benny und Kraatz ihr eigenes Wunsch-Dinner durchplanen.


    rappers.in: Ihr habt vor Kurzem euer neues Album "Freiflug" veröffentlicht. Könnt ihr uns zu Beginn des Interviews etwas über euer Release sagen, das man nicht ergoogeln kann und das ihr einfach loswerden wollt?


    Kraatz: Wäre ganz toll, wenn es Leute gibt, die das ...


    Benny: (unterbricht) ... kaufen ...


    Kraatz: ... wertschätzen, was wir gemacht haben. Und es wäre toll, wenn das einige Leute sehen ...


    Benny: ... weil wir das alles nämlich ohne Unterstützung und komplett alleine machen. Ich hatte tatsächlich das erste Mal das Gefühl, mit einer Platte fertig zu sein.


    rappers.in: Lasst uns mal inhaltlich ein paar eurer Tracks durchgehen. Ihr pöbelt auf "Freiflug" ja gerne ein wenig in Richtung eurer Heimatstadt Berlin. "Er läuft" klingt beispielsweise nach einem Diss gegen Berlin-Mitte, aber nicht gegen den Rest Berlins. Ist das so?


    Benny: Ich dachte erst, du meinst "Menschenhass". Weil das geht wirklich gegen Berlin-Mitte. "Er läuft" geht eher gegen Kreuzberg, wo das alles ja aber auch mittlerweile losgeht.


    rappers.in: Was taugt euch denn im Gegenzug an dieser Stadt?


    Benny: Fast alles. Sonst würde ich hier nicht wohnen.


    rappers.in: ... bis auf die Autofahrer?


    Benny: Bis auf die Autofahrer! Genau! Ich bin Fahrradfahrer und werde ganz oft fast totgefahren. Das ist so das Negative. Ansonsten fühle ich mich hier pudelwohl. Ich hab' hier alle Möglichkeiten, mir dann die Kultur zu geben, auf die ich gerade Bock habe. Da fällt mir nicht viel Negatives ein.


    Kraatz: Ich finde es super, dass man sich immer alles besorgen kann, was man braucht. Egal, um welche Uhrzeit. Da, wo ich eigentlich herkomme, gab es keine Spätis und die Tanke hat um elf Uhr nachts zugemacht. Wenn ich jetzt mal eine Cola brauche oder was zu essen, gehe ich einfach raus. Ein Späti neben dem anderen. Die Restaurants haben fast durchgehend geöffnet. Das ist schon ein Vorteil, weil man nie Pause machen muss. Man kann auch nachts arbeiten.


    rappers.in: Kann man denn noch Pause machen?


    Kraatz: Es ist eine sehr lebendige Stadt. Man wird gezwungen, aktiv zu bleiben. Einfach so abzuhängen ist bestimmt schwer.


    Benny: Wobei ich genau das gemacht habe die ersten sechs Jahre. Da habe ich durchgefeiert und weiß davon gar nicht mehr viel.


    Kraatz: Aber feiern ...


    Benny: ... ist ja auch 'ne Beschäftigung. Stimmt.


    Kraatz: Also, wenn hier nachts der Krach losgeht mit den Touris und so, kann ich hier nicht chillen. Immer am Machen, zwangsweise Musik.


    rappers.in: Also, ins Bett legen, 20 Minuten rumliegen, runterkommen und einschlafen ist nicht drin?


    Kraatz: Nein, das geht auch.


    Benny: Bei mir nicht. Ich fall' um. Ich bin kein guter Chiller. Das ist ein bisschen mein Problem. Ich steh' immer unter Strom. Vorher 'ne halbe Stunde runterkommen ... Da komme ich gar nicht drauf klar.


    rappers.in: Jetzt mal weiter bei den Tracks von "Freiflug": Ihr benutzt in euren Texten unter anderem Musik als Anker und erzählt von Selbstfindung. Findet man sich selbst irgendwann auch mal und hört dieser Prozess dann auf?


    Benny: Nö, das ganze Leben ist ein Prozess. Ich glaube, sobald man ein "fertiger" Mensch ist, fängt es an, langweilig zu werden. Sich ständig neu zu finden ist eine tolle Sache.


    rappers.in: Kann man nicht gleich bleiben und sich trotzdem entwickeln?


    Benny: Weiß ich nicht. Bei mir hat das nicht funktioniert. Natürlich habe ich viele Eigenschaften von früher beibehalten. Dieses ständige unter Strom stehen zum Beispiel. Aber ansonsten bin ich schon ständig im Wandel.



    rappers.in: Gibt es denn ein Ideal von dir selbst, das du siehst?


    Kraatz: Ich sehe das von ihm.


    Benny: Alles ein bisschen geregelter angehen, auch mal chillen und viel weniger Sachen konsumieren.


    rappers.in: (an Kraatz gerichtet) Entspricht das auch dem Ideal, dass du von ihm hast?


    Kraatz: Tja, seinen Partner möchte man ja immer ein bisschen anders haben. Niemand ist in einer Beziehung, bei der man zu 100 Prozent zufrieden ist. Und da wir so etwas wie eine Beziehung führen, seit über sechs Jahren ...


    Benny: (wirft ein) ... platonisch ...


    Kraatz: Natürlich platonisch. Klar hat man da immer so ein paar Sachen, bei denen man sagt: Wäre cool, wenn die Eigenschaft nicht da wäre.


    Benny: Er hätte mich sicher gern ein bisschen weniger chaotisch.


    Kraatz: Nee, das gar nicht. Das Chaotische macht dich ja aus. Und das ergänzt uns ja so gut, wenn ich das Chaos in eine reine Form bringe. Es sind halt manchmal so Kleinigkeiten. Wie auf der Bühne nach dem zehnten Song mal lieber nach dem Wasser als dem Jägermeister greifen solltest, weil das Konzert ja noch nicht mal halb gespielt ist.


    Benny: Tatsächlich ist das mein Vorhaben. Ich will wirklich mal ein Konzert nüchtern spielen.


    Kraatz: Beziehungsweise mit der richtigen Dosis?


    Benny: Na ja, ich neige halt zum Exzess.


    rappers.in: Und umgekehrt?


    Benny: Er könnte öfter mal weniger jähzornig sein und ein bisschen netter. Er neigt dazu, unter Druck sehr ernst zu sein.


    Kraatz: Professionelle Ernsthaftigkeit ...


    Benny: ... die dann manchmal in so komischem Rumgehitler mündet.


    rappers.in: Aber fühlst du dich selbst deinem Ideal nahe?


    Kraatz: Nee. Ich versuche mich auch gerade zu ändern. Ich möchte erwachsen werden.


    rappers.in: Wie sieht "erwachsen" denn aus?


    Kraatz: Ich mache viel Sport – versuche ich zumindest ... Da fängt es doch schon wieder an! Nur ein wenig gesünder leben, an die Zukunft denken. Das sind so Sachen, die man bis 30 ein bisschen zur Seite schiebt, weil man sein Leben so wegknallt, wie es kommt, weil "man ja nur einmal jung ist". Solche Sprüche kann ich nicht mehr hören. Und ich kann auch keine Besäufnisse mit Scheiße laberndem Pack haben. Ich versuche, einige Dinge auf die richtige Bahn zu bekommen.


    rappers.in: Habt ihr generell einen Masterplan? Auf ein oder zwei Jahre?


    Kraatz: Träume habe ich. Aber Masterplan?


    Benny: Weiter Mucke machen. Ich will mir auf jeden Fall mein Kind in mir erhalten. Das ist mir extrem wichtig. Ansonsten? Ich will auch noch andere Musik produzieren. Mit neuem Kram auf Tour gehen. Ich plane nie so lang.


    Kraatz: Mach doch was du willst, Alter.


    rappers.in: Ihr habt schon was von Statler und Waldorf ...


    Benny: Das wurde uns schon öfter gesagt. Ein altes Ehepärchen. Wir hängen jetzt seit sechs Jahren zusammen rum, da entwickelt sich das so.


    rappers.in: Mal zurück zum Album. Auf dem Track "Gedichte und Genozide" heißt es: "Es steckt in allem Guten etwas Negatives". Funktioniert der Umkehrschluss auch?


    Benny: Der Umkehrschluss hätte der Düsternis des Beats widersprochen. Ich bin eher pessimistisch, also ein ziemlicher Miesepeter. Ich schreibe Songs eher, wenn es mir kacke geht, als wenn es mir total toll geht. Der Song ist eine ziemlich düstere Nummer. Tatsächlich habe ich in dem Moment auch alles negativ gesehen.


    rappers.in: Also, du machst das Mögliche aus dem Moment und bist Pessimist?


    Benny: Ich arbeite daran, keiner mehr zu sein. Herr von Grau: pessimistisch, jähzornig ...


    Kraatz: ... hasst die Jugend. Eigentlich wollte ich vorhin noch was dazu sagen, aber da warst du schon wieder abgedriftet.


    Benny: Dann sag jetzt.


    Kraatz: Stichwort: Das innere Kind bewahren. Ich rede nicht davon, alles zu ändern, sondern in Maßen das Leben zu verschleudern und mehr zu genießen. Jetzt nicht auf das Spießerleben wechseln. "Man ist erst erwachsen, wenn man sich traut, kindisch zu sein", ist ein ganz toller Spruch.


    Benny: Wow, das ist eine Postkarte.


    Kraatz: Das ist Erich Kästner, du Pfeife. (lacht) Jetzt können wir weitermachen. Wo waren wir?


    Benny: Beim Pessimismus. Bei meinem Pessimismus. Könnte auch meinem Lebenswandel entsprungen sein. Ich erwische mich im Moment dabei, immer optimistischer zu werden.


    rappers.in: Das ist aber nicht Jahreszeiten-bedingt?


    Benny: Hmm ... scheiße. Dazu kommt, dass ich die meisten Lieder im Winter schreibe.


    Kraatz: Dazu kommt, dass er zu Hause keine Heizung hat. Wir haben ja durch einen Spanienaufenthalt versucht, das aufzuhellen, das hat aber auch nicht geklappt.


    Benny: Ich mag ja düster.


    rappers.in: Melancholie ist super, aber Depressivität ... ?


    Benny: So wirklich depressiv ist da ja nichts. Wobei "Gedichte und Genozide" wahrscheinlich schon in die Richtung geht.



    rappers.in: Mal zum Thema "Früher war alles besser". Das kam bei eurem Track ...


    Benny: ... "Brot, Obst und Klopapier"!


    rappers.in: Ist das denn nun so? War früher alles besser?


    Benny: Nö, das ist ja auch ironisch gemeint. Manche Sachen sind heute auch besser als früher.


    rappers.in: Was war denn früher besser?


    Benny: Michael Jackson, da war der noch am Leben.


    Kraatz: Das Ding mit der Pünktlichkeit. Du kennst das ja auch noch, die Zeit ohne Handy. Da hat man aufs Festnetz angerufen, sich verabredet und konnte auch nicht mehr absagen. Das ist alles mittlerweile sehr kurzlebig. "Hast du meine WhatsApp-Nachricht nicht gelesen? Meinen Facebook-Status? Warum likest du das nicht?" ... Früher hätte ich vielleicht ein Mal die Woche ins Internet geschaut.


    Benny: Deswegen habe ich kein Internet. Ich hatte mal für eineinhalb Jahre Internet, aber das ist nicht meine Welt.


    rappers.in: Wollt ihr über Wahlen reden oder nicht?


    Kraatz: (überlegt) ... Wale sind schön?


    Benny: Wahlheimat Berlin! Ich bin extrem politikverdrossen und gehöre zu den Menschen, die nicht mehr wirklich daran glauben.


    rappers.in: Du bist also verdrossen aus Überzeugung und nicht, weil es dich nicht interessiert?


    Benny: Nee nee, ich bin relativ politikinteressiert und deswegen habe ich auch so exzessiv im Internet nachgeforscht. Inzwischen ist das, was hier gespielt wird, meiner Meinung nach keine Demokratie mehr. Großkonzerne und Politik sind derart verflochten. Ich bin extrem politikverdrossen, gehe aber trotzdem wählen.


    rappers.in: Um den größten Schaden abzuwenden und nicht, weil irgendwas toll ist?


    Benny: Mir fällt nichts ein, was ich ohne Vorbehalte ganz toll finden würde. Dass ich kein CDU/FDP-Fan bin, das geht sicherlich aus der Musik hervor. SPD/Grüne sind auch so krass in Kriegslügen-Scheiß verwickelt. Da komme ich mir blöde bei vor. Von links kommen meiner Meinung nach ganz gute Ideen. Aber es gibt da so einen Satz: "Es gibt 'ne Sache, die ich gar nicht peil' – wie kann man Hitler scheiße finden, aber Stalin geil?" ... Keine Ahnung. Ich kann mich mit nichts wirklich anfreunden. Vor allem, wenn Politiker anfangen zu reden und man ausschließlich das Bemühen mitbekommt, so zu sprechen, dass es die anderen nicht verstehen. Eine Riesensalve Worthülsen abzufeuern, die kein Mensch verstehen soll ... Ich fühle mich von der Politik verarscht.


    rappers.in: "Viel reden, nichts sagen" ist für dich also schlimmer als Polemik?


    Benny: Ein Hauch Polemik kann Wunder wirken, ändert aber nichts daran, dass ich komplett politikverdrossen bin.


    rappers.in: Wenn die ganzen Wahlplakate da hängen, dann bekommst du da auch direkt ...


    Benny: ... 'nen richtigen Hals! Klar. Wenn die FDP mit "mehr Freiheit, mehr Mut, mehr Markt" ankommt: natürlich. Am Geilsten war das NPD-Plakat mit "Gas geben".


    Kraatz: Das erste, das ich bei den ganzen Plakaten gedacht habe, war: Geile Sache, können wir Promo mit machen. Jetzt darf man ja so Plakate aufhängen.


    Benny: Wir sollten eine Grau-Partei gründen.


    rappers.in: Kommen wir mal zur letzten Frage. Euer perfektes Dinner mit vier Gästen – ob tot oder lebendig. Wer ist da und was gibt es zu essen?


    Kraatz: Komplett Nirvana und ...


    Benny: ... Jim Morrison! Der lässt was übrig. Also, wen haben wir jetzt? Kurt Cobain, Dave Grohl und Jim Morrison.


    Kraatz: Der Bassist ist egal.


    Benny: Wir brauchen noch wen zum Mobben. Stalin oder Hitler?


    Kraatz: Hitler wäre lustig.


    rappers.in: Der war Vegetarier.


    Benny: Ach, das ist okay, ich habe sogar mal ein halbes Jahr vegan gelebt.


    Kraatz: Den würde ich mit Essen beschmeißen.


    rappers.in: Fleischbällchen?


    Benny: "Du hast da in deinem hässlichen Schnurrbart hässliche Essensreste."


    Kraatz: "Mett! Hier hast du dein Mettbrötchen."


    rappers.in: Dann dazu jetzt noch die Gänge zum perfekten Dinner ...


    Kraatz: Erster Gang: Salat mit Mettbrötchen.


    Benny: Zweiter Gang: auf jeden Fall ein Süppchen. Eine Suppe aus den Tränen schöner Mädchen.


    rappers.in: Das Parfum.


    Benny: Yeah! Stimmt! Daher ist das. (lacht)


    Kraatz: David Hasselhoff wäre aber auch gut.


    Benny: Wir ersetzen Hitler durch David Hasselhoff.


    Kraatz: Dann gibt es tolle Burger. Und als Nachspeise ...


    Benny: Wir sind dann schon im vierten Gang. Das geht nicht.


    Kraatz: Dann machen wir Suppe und Mettsalat zu einem. Letzter Gang: Götterspeise. Gestapelt. Alle drei Farben!



    (Jasmin N. Weidner)


    Der Major Movez-Künstler Alpa Gun geht auf "Alles kommt zurück"-Tour. Im April dieses Jahres veröffentlichte der Berliner Rapper das gleichnamige Album, welches mit Features von unter anderem Kool Savas und PA Sports bis auf Platz #05 in den Albumcharts kletterte. Nun, einige Monate später, tourt er durchs Land und bringt die Songs in die Clubs. Hier alle Haltestationen:


    05.09.2013 Berlin – Crystal Club
    06.09.2013 Köln – Essigfabrik
    07.09.2013 Frankfurt am Main – SKY Club
    12.09.2013 Nürnberg – Hirsch
    14.09.2013 München – Theaterfabrik/Optimolwerke
    19.09.2013 Hannover – Musiktheater BAD
    20.09.2013 Kaiserslautern – Kammgarn
    21.09.2013 Ingolstadt – Eventhalle Westpark


    In exakt einer Woche, am 6. September, macht Alpa Stop in der Essigfabrik in Köln. Dieses Konzert wird von rappers.in präsentiert, weshalb Ihr nun exklusiv die Chance erhaltet, zwei Tickets für diesen Abend zu gewinnen.


    Du hast noch kein Ticket gekauft, möchtest aber unbedingt dabei sein? Dann musst Du folgendes tun: Sende eine private Nachricht mit dem Betreff "Alpa" an den Redaktionsaccount, in welcher Du einfach Deinen vollständigen Namen angibst. Einsendefrist ist diesmal Montag, der 2. September, wie üblich um 23:59 Uhr.


    Weitere Informationen zur Tour und Tickets für alle, die leider nicht gewonnen haben, findet Ihr hier.


    Wir wünschen allen Teilnehmern viel Glück!


    Eure Redaktion



    Teilnahmebedingungen:
    [list=1]
    [*]Mitarbeiter von rappers.in und deren Angehörige sind von der Verlosung leider ausgeschlossen.
    [*]Jede (versuchte) Mehrfachteilnahme führt zur Sperrung des Teilnehmers für die jeweilige Verlosung.
    [*]Die Gewinner werden innerhalb von 2 Wochen nach Ablauf der Verlosung benachrichtigt.
    [*]Mit der Teilnahme am Gewinnspiel erklärt sich jeder Teilnehmer ausdrücklich damit einverstanden, soweit dieses für das Gewinnspiel notwendig ist, dass rappers.in übermittelte Daten für die Dauer des Verlosungszeitraums sowie zur Abwicklung des Gewinnspiels speichert.
    [*]Die gespeicherten personenbezogenen Daten werden grundsätzlich nicht an Dritte weitergegeben. Lediglich, soweit das erforderlich ist, um das Gewinnspiel abzuwickeln.
    [*]Teilnehmer unter 18 Jahren müssen für die Teilnahme am Gewinnspiel und Übermittlung der Daten die Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters einholen.
    [*]Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
    [*]Die Teilnahme am Gewinnspiel ist nur online möglich und der jeweilige Gewinner wird per privater Nachricht informiert.[/list=1]

    Rap ist seit über 40 Jahren Teil der Musikgeschichte. Und obgleich diese Zahl im Vergleich zu anderen Musikstilen gering scheint, war die Entwicklung in hohem Maße dynamisch und einflussreich. Wie kaum eine andere Musikrichtung hat das Rap-Genre politische, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen reflektiert und künstlerisch verarbeitet. Ein Verständnis der Vergangenheit ermöglicht daher in besonderem Maße eine differenzierte und facettenreiche Wahrnehmung der heutigen Szene. Im Rahmen dieser Kolumne versuchen wir eine kritische Würdigung herausragender Alben der Rapgeschichte. Basierend auf einer subjektiven Auswahl, unter Berücksichtigung der Fachliteratur, präsentieren wir euch die unserer Meinung nach prägenden Alben deutschsprachiger Rapmusik. Die Auswahl umfasst Werke, deren Relevanz auf künstlerischer Qualität und/oder Innovation beruht, welche aber auch kommerziell wahrgenommen wurden. Gleichzeitig wurde auf eine Balance der verschiedenen Stilrichtungen geachtet, um einen möglichst ausgewogenen Blick auf die Entwicklung zu ermöglichen. Von jedem Künstler, den wir berücksichtigt haben, wurde jenes Werk ausgewählt, welches unserer Einschätzung nach zu einem Meilenstein geworden ist. Eines wird bei diesem knapp zwanzigjährigen Streifzug durch die Geschichte deutlich: Rap in Deutschland hat eine lehrreiche, kontroverse und sehr spannende Vergangenheit.




    Die Fantastischen Vier – 4 gewinnt (1992)



    01. Vier gewinnt
    02. Die da!?!
    03. Hört Euch den hier an
    04. Saft
    05. Dicker Pulli
    06. Na gut
    07. Einen noch
    08. Es wird Regen geben
    09. Nenn ihn Präsident
    10. Plattenspieler
    11. Hip Hop Musik
    12. Lass die Sonne rein
    13. Thomas und die Frau'n
    14. Nonixnarretz
    15. Jaaa
    16. Reich
    17. Individuell aber schnell
    18. Arschloch


    Als deutsche Rapmusik den kommerziellen Durchbruch feierte, geschah dies in einem jungen, wiedervereinigten Deutschland, dessen Identität weder gesellschaftlich noch kulturell gefestigt war. Massenkompatible Stars aus dem Westen wie BAP, Westernhagen oder Lindenberg avancierten schnell zu gesamtdeutschen Pophelden, aber die junge Bundesrepublik stand ohne Zweifel vor einem Neubeginn. Die von der Zeitschrift "Tempo" anno 1988 als "Sinnjahrzehnt" titulierten 90er-Jahre machten ihrem Ruf alle Ehre. Die Arbeitslosigkeit stieg erstmals über 3 Millionen und ein neuer Nationalismus keimte vor allem in Ostdeutschland auf. Die rechtsextrem motivierten Anschläge auf ein Asylheim in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 reaktivierten die Friedensbewegung der 80er-Jahre. Wenig später würde eine Heidelberger Formation namens Advanced Chemistry mit ihrer Single "Fremd im eigenen Land" die politische Kultur der Nation thematisieren und nachhaltig deutsche Rapmusik beeinflussen. Doch erstmals erschien in eben jenem August 1992, zwei Tage nach Ende der rassistischen Ausschreitungen in Lichtenhagen, ein Album, welches nicht weniger als die Etablierung deutschen Sprechgesangs im kommerziellen Mainstream darstellte: "4 gewinnt" von den Fantastischen Vier.


    Mit dem Song "Die da!?!" stürmten die vier Stuttgarter Smudo, Thomas D, And.Ypsilon und DJ Hausmarke kurze Zeit nach Albumveröffentlichung die Charts in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mitte der 1980er-Jahre hatte sich die Gruppe als Terminal Team gegründet und dem Zeitgeist entsprechend angefangen, in englischer Sprache zu rappen. Als jedoch 1991 der erste deutsche Rap-Sampler "Krauts with Attitude" auf den Markt kommt, sind die Fantastischen Vier bereits der einzige Act mit deutschen Texten. Ein Jahr später erscheint "Die da!?!", ein humorvoller Song über die tragikomische Geschichte einer Dreiecksbeziehung zwischen einer Frau und zwei betrogenen Liebhabern. Plötzlich geht alles ganz schnell. Die Single steigt bis auf Platz zwei der Charts und schafft in Österreich und der Schweiz sogar die Pole Position. Der erste deutsche Rapsong in den deutschen Charts, er klang beinahe wie ein Schlager:


    "Ist es die da, die da am Eingang steht?/
    Oder die da, die dir den Kopf verdreht?/
    Ist es die da, die mit 'm dicken Pulli an?/
    Nein, es ist die Frau, die freitags nicht kann!/
    "
    (Smudo und Thomas D auf "Die da!?!")


    Die Fantastischen Vier finden schnell Anklang in der deutschen Medienlandschaft. Der "Spiegel" feiert die Gruppe als "Helden der Lyrik". Ähnlich wie 1979 der Sugarhill Gang mit "Rapper's Delight" gelang einer Gruppierung der kommerzielle Durchbruch, welche nicht dem Untergrund entstammte. "[Wir] waren nie Bestandteil der Szene, haben von Anfang an unser eigenes Ding gemacht", fasste Smudo 1994 rückblickend zusammen. Bereits der Song "Hip Hop Musik" reklamierte diese Sonderstellung auf dem Album. Tatsächlich war "4 gewinnt" eine klare künstlerische Abgrenzung zu Untergrund-Acts wie Advanced Chemistry, LSD oder No Remorze. Die junge Rapszene in Deutschland findet sich umgehend in einer Identitätsdebatte über Realness, Kommerzialität und den eigenen Status als Kunstform wieder. Schnell setzten sich Begriffe wie "Alte Schule" und "Neue Schule" durch.


    Im Angesicht dieser Umwälzungen wundert es kaum, dass "4 gewinnt" immer im Schatten des Erfolgs seiner Single "Die da!?!" stand. Dabei ist das Album ein grundsolides Werk, auf allen Ebenen gereifter als das Debüt "Jetzt geht's ab". Die Wortverliebtheit, Raptechnik und Unverbrauchtheit des Albums waren damals wie heute originell. Musikalisch und inhaltlich gab es zwar keine künstlerisch wegweisenden Akzente, aber Songs über Sex ("Saft"), Frauen ("Thomas und die Frau'n") und gute Laune ("Lass die Sonne rein") erfüllten ihren Unterhaltungszweck. Ein kalkuliertes Kommerzprodukt ist "4 gewinnt" nicht. Bis auf "Die da!?!", das seinen Charme wesentlich dem Sample von Asha Puthlis "Right Down Here" verdankt, finden sich nur wenige charttaugliche Refrains, Textideen oder musikalische Arrangements. Die Melodien waren simpel arrangiert und hatten nur selten Ohrwurmfaktor. Das verunglückte "Arschloch" als Versuch eines "harten" Songs unterstrich zum Ende noch die mangelnde Variabilität in Stil und Attitüde. Im Gesamtbild ist "4 gewinnt" die Momentaufnahme einer jungen Rap-Combo auf der Suche nach der eigenen künstlerischen Identität jenseits des herrschenden musikalischen Zeitgeistes. Auf diesem Weg war das Album ein großer Schritt nach vorne.


    Die folgenden Alben "Die 4. Dimension" (1993) und "Lauschgift" (1995) sollten die Fantastischen Vier später zu Popstars und Deutschrap-Millionären machen. Vieles, was dann zur Entfaltung kam, war in "4 gewinnt" bereits angelegt, aber nicht ausgereift. Ohnehin hat die Musikgeschichte oft bewiesen, dass neue Stilrichtungen musikalische Vorreiter benötigen und erst später Künstler hervorbringen, die das musikalische Potenzial zu voller Entfaltung bringen. Mozart war nicht der erste Komponist klassischer Musik und Metallica waren nicht die Begründer des Metal. Ebenso beginnt die Geschichte deutschen Raps als populärer Musikgattung nicht mit dem künstlerischen Höhepunkt des Genres. Es brauchte Zeit und provokante Experimente abseits konventioneller Vorbilder. Diese Funktion erfüllte "4 gewinnt" und darin liegt zu einem großen Teil der musikhistorische Verdienst des Albums.


    Durch ihren Erfolg ebneten die Die Fantastischen Vier deutscher Rapmusik den Weg zu den Major-Plattenlabels, in die Medien und auf die große Bühne deutscher Popmusik. Die Berührungsängste mit der bislang stark amerikanisch geprägten Sprechgesangskultur verschwanden und es wurde deutlich, dass Rap auf Deutsch Potenzial hatte, auch abseits der eingeschworenen Untergrund-Szene. Wie es Smudo damals zusammenfasste: "Ich denke nicht, ich muß 'n bißchen sprühen können und 'n bißchen breaken und mich dann um 20 Uhr nach Heidelberg verneigen und dann noch'n bisschen HipHop machen". Deutschrap hatte spätestens mit "4 gewinnt" seinen ersten Richtungsstreit um die Definitionsmacht des eigenen Genres. Wie kommerziell und mehrheitsfähig durfte deutscher Rap sein? Gab es tatsächlich eine simple Dichotomie von "Alter Schule" und "Neuer Schule"? Oder ganz generell: Was war authentischer deutscher Rap – und was nicht? Die künstlerischen Antworten auf diese Fragen ließen nicht lange auf sich warten. Die Kontroversen ohnehin nicht.



    (Philipp)

    Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf Facebook oder Massenmails im Instantmessenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: "Hey, ich habe mein Album fertiggestellt! Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab." Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre, wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Beginn des Internetzeitalters rumgeistern, ist das nahezu unmöglich. Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem – da kann er ja (meistens) nichts falsch machen – während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen. Mit dieser Rubrik haben wir uns das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die unserer Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypter Internetgrößen zu finden sein, noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen. Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.




    Aem 16 & Apfel – Erntefunk



    "'Erntefunk' ist ein Intermezzo von Aem 16 & Apfel, bei dem die Basis der Funk ist." Der Infotext zur EP der beiden Freiburger verrät schon einiges. Um zu verstehen, was das genau bedeutet, sollte man sich das acht Songs umfassende Release dann doch anhören. Die klangliche Grundlage liefern unveränderte Loops von Originaltracks bekannter – wer hätte das gedacht? – Funk- und Soul-Größen wie James Brown oder Hamilton Bohannon, die lediglich mit Cuts verstärkt wurden. Dieses Konzept wirkt simpel, ist gleichzeitig aber mehr als gut gelungen, denn dadurch entsteht ein smoother, sommerlicher Funk-Sound, der gut ins Ohr geht. Über diese Instrumentals rappen Apfel & Aem 16 dann auch meist locker und entspannt mit einer ordentlichen Portion Witz, mal aber auch mit der Szene-bekannten "Wir sind besser als ihr"-Attitüde – da macht man sich schon mal Gedanken über die negativ-dominante Ader des weiblichen Geschlechts ("Deine Freundin") oder bewirft einfach andere Rapper mit dem teils namensgebenden Obst ("Kanal 79"). Technisch und flowlich stehen die beiden MCs sich hierbei in nichts nach, was auch ein Grund dafür sein dürfte, dass sie so gut miteinander harmonieren und das Gesamtpaket absolut überzeugen kann. Wenn also dieser heiße Sommer bald vorbei ist, bietet sich die EP an, ein alternatives Erntedank- ... ähm, "Erntefunk"-Fest zu feiern, während andere draußen die Äpfel von den Bäumen pflücken.


    Bandcamp-Page von Aem 16 – Download gegen Spende oder kostenfrei




    Hades – Sinnbild der Zerrissenheit



    Den Fans der HipHop-Formation Die Mitte des Nordens wird Hades bereits bekannt sein. Mit seinem aktuellen Solo-Album "Sinnbild der Zerrissenheit" will der aus Schleswig-Holstein stammende Rapper nun auch den Rest der Szene auf sich allein aufmerksam machen. Auf insgesamt 13 Tracks liefert er, dem Titel entsprechend, sehr persönliche, ernste und gedankenreiche Themen. So behandelt beispielsweise "Tief unter die Haut" die Verarbeitung von Schicksalsschlägen, "Ein Auge fürs Wesentliche" die Handhabung existenzieller Lebenssituationen oder "Der Winter naht" die fehlende Realness in der Rap-Szene aufgrund mangelnder ernsthafter Lebenserfahrung der Künstler. Passend dazu sind die Beats gewählt; diese untermalen mit teils düster-langsamen, teils melancholich-wirkendem Sound perfekt die Inhalte Hades'. Bemerkenswert: Das Ganze erscheint wohl deshalb so gut zueinander passend, da Hades die Produktion der Instrumentals sowie das Mixing ebenfalls selbst in die Hand nahm – Prädikat "Selfmade". Und auch die Features von Jana, Toomb, Complex, Jannik und Crew-Kollege Kwesi Kulture unterstreichen das qualitativ hochwertige Level dieses Albums. Viel mehr bleibt da eigentlich nicht zu sagen – außer, dass man sich "Sinnbild der Zerrissenheit" unbedingt anhören sollte. Punkt.


    Homepage von Die Mitte des Nordens – kostenfreier Download




    Serious-M – Einzelkämpfer



    Ende August dieses Jahres erscheint via intono records "Einzelkämpfer", das Debütalbum des Soesters Serious-M. Einen kleinen Vorab-Einblick in das Werk des Bespoke Family-Miglieds konnten rappers.in-User bereits durch das Exclusive-Video zu "Tagebuch" erlangen (zum Artikel) – doch auch die restlichen 14 Anspielstationen haben es in sich. Auf einem stimmigen Beatteppich, der vorwiegend von Piano- und Synthie-Samples zu abwechslungsreich angeordneten Drums getragen wird, stellt der Rapper sein Können unter Beweis. So bewegt er sich technisch einwandfrei zwischen druckvollen, battletypischen Songs ("Der Weg eines Kriegers", "Einzelkämpfer") und nachdenklichen, sehr persönlichen Inhalten ("Traumwelt", "Zwiespalt"). Ganz so allein, wie es der Titel suggeriert, tritt Serious-M den Kampf allerdings doch nicht an: Neben Das W, der das bereits erwähnte "Tagebuch" mit einer gefühlvollen Hook besingt, liefern die Bespoke-Kollegen Kevnox, B-Chris und ISSO ("La Familia") sowie VBT-Urgestein Rec-Z ("Ein ganz normaler Samstag") ansprechende und zum Sound passende Features ab. Mit diesem Release sollte es Serious-M also durchaus möglich sein, in der Szene Aufmerksamkeit zu erlangen und genügend neue Fans hinter sich zu versammeln.


    Bespoke-Shop – Album-Vorbestellungslink (Releasdatum voraussichtlich 30.08.2013)




    Du kennst jemanden (oder bist gar selbst der Meinung, dass du jemand bist), der dem Titel "Unknown King" gerecht werden kann? Diese Person hat erst vor Kurzem einen Tonträger oder Freedownload veröffentlicht, der eine Erwähnung in diesem Artikel wert ist? Schick eine Bewerbung mit dem Betreff "Kings – *Künstlername*" an [email protected]. Bitte beachtet aber, dass wir nicht auf jede Anfrage persönlich antworten können. Ihr werdet sehen, ob das Release dann letztendlich seinen Platz in dieser Sammlung findet. Viel Erfolg!



    SK-pe (Sascha Koch)



    01. Die Stimme die den Schall bricht (Intro)
    02. MBIYAD feat. Farid Bang
    03. Jetzt kommt der Prototyp Kanacke/BGB3
    04. Check mein Magazin
    feat. Haftbefehl
    05. Starr in meine 9mm feat. Beirut & Granit
    06. Massaka Kokain 3 feat. Farid Bang
    07. Schnapp die Kalash feat. SadiQ
    08. Crack-verjunkte Whitney
    09. Ghettolied Intifada
    feat. Celo & Abdi
    10. Wo sind eure Eier hin? feat. Schwesta Ewa
    11. Opferfest 2 (Album-Version)
    12. Wir sind wie wir sind Bruder feat. MoTrip, Vega & JokA
    13. HDF Kanacken
    14. H-S
    feat. RAF Camora
    15. Ich peitsch dich mit ner Königskette
    16. Ich bin nicht wie du
    feat. Kurdo
    17. Kriegszeit 2
    18. Wo sind die Kanacken hin?
    feat. Eko Fresh & Summer Cem
    19. Power Power feat. Nazar
    20. Massiv vs. Teufel
    21. Ich bin Araber
    feat. Baba Saad
    22. Aus welchem Land kommst du? feat. Veysel & Olexesh
    23. Ich ficke alle feat. Afrob


    Ist es nun harter Gangsta-Rap von der Straße oder eine clever konzipierte Persiflage des genannten Genres? Das war seit jeher die entscheidende Frage bezüglich Massivs "Blut gegen Blut"-Reihe. Was 2006 mit "Blut gegen Blut" begann und fünf Jahre später fortgesetzt wurde, findet nun, anno 2013, mit "BGB 3" seinen Abschluss. Jedes Mal der Versuch, "das härteste Album Deutschlands" zu präsentieren oder es mit dem Nachfolger zu übertreffen. Selbst die BPjM rätselte über den vermeintlichen Ironiegehalt der gewaltgeladenen Straßenphantasien, in denen Massiv mit einem vielfältigen Waffenarsenal zuverlässig Menschen ins Jenseits beförderte und, wenn nötig, auch mal die "Bullenpanzer" überrollte. Soviel lyrische Gradlinigkeit war letzten Endes im Fall des Vorgängers "Blut gegen Blut II" zuviel für die Jugendschützer und das Album landete auf dem berüchtigten Index. Gleiches Schicksal könnte auch dem letzten Teil der Trilogie blühen, was sich im Vorfeld als effektiver Kaufanreiz entpuppte und dem Album trotz fehlendem Mainstream-Zuschnitt einen Charteinstieg in die Top fünf ermöglichte.


    Vom künstlerischen Gesamtbild her gesehen ist "BGB 3" weniger ein klassisches Album als ein in Albumlänge gezogenes Mixtape. Die künstlerische Formel lautet: brachiale Beats, harte Texte und ein Maximum an Features und Produzenten. Allein die Gästeliste liest sich stellenweise wie ein buntes Stelldichein der deutschen Rapszene: Farid Bang, Haftbefehl, Celo & Abdi, MoTrip, Vega, JokA, RAF Camora, Eko Fresh, Summer Cem und Afrob sind nur ein Teil der langen Reihe von Artists mit einem Gastpart auf "BGB 3". Die Annahme, dass daraus ein besonders vielseitiges Album resultieren würde, erweist sich beinahe über die gesamte Spielzeit als Fehlschluss. Massiv gibt die thematische Ausrichtung vor, seine Featuregäste liefern ihren Beitrag dazu. Inhaltlich lässt sich das im Grunde auf das bekannte Standardthema reduzieren: Männlichkeit, Härte und Penetration oder gewaltsame Verformung von Deutschrapkünstlern mit oder ohne familiärem Anhang. Das wird in vielen Varianten leicht abgeändert: Manchmal stehen die Waffen altbekannt im Vordergrund ("Check mein Magazin", "Starr in meine 9mm", "Schnapp die Kalash"), mal die Suche nach echten Männern ("Wo sind eure Eier hin?", "Wo sind die Kanacken hin?") oder sogar nach der eigenen Identität ("Ich bin nicht wie du"). Der Kampf mit dem Belzebub wird ebenso thematisiert ("Ich peitsch dich mit ner Königskette", "Massiv vs. Teufel") wie Fragen von Herkunft und Nationalität ("Ghettolied Intifada", "Ich bin Araber", "Aus welchem Land kommst du?"). Eine wirkliche Fokusverschiebung hin zu dezidierten Thementracks gibt es vor allem an zwei Stellen: Zum einen die Auseinandersetzung mit Loyalität und falschen Freunden auf "H-S" mit einem starken Part von Raf Camora. Zum anderen der obligatorische Hoffnungstrack "Wir sind wie wir sind Bruder", der glücklicherweise viel mehr ist als das: Mit tiefgängigen Featureparts von MoTrip, Vega und JokA ist es der thematisch facettenreichste Track des Albums. Auch Massiv tritt hier auf die Bremse und liefert einen nachdenklichen Part:


    "In den meisten Fällen sind wir nur 'n Augenblick/
    Weit entfernt von unserm wahren Glück, und/
    Manchmal reflektiert sich Sternenstaub in unser'm Licht/
    Manchmal ist vor lauter Nebel um uns alles grau und trist/
    Wir laufen barfuß über Scherben, ohne Land in Sicht/
    Träume werden zwar real, doch sie zerbrechen dich/
    "
    (Massiv auf "Wir sind wie wir sind Bruder")


    Die Stärken von "BGB 3" liegen vor allem in zwei Bereichen: Erstens hat Massiv wie gewohnt eine hochwertige Auswahl an Beats von gestanden Produzenten zusammengestellt, darunter musikalische Untermalungen von Abaz, Phat Crispy, Juh-Dee, Reflectionz und Jumpa. Orchestral, episch und atmosphärisch zieht sich die musikalische Linie durch das ganze Album und schafft ein einheitliches Gesamtbild. Zweitens gleitet Massiv thematisch auch auf den auf hart gebürsteten Tracks wie "Kriegszeit 2" und "HDF Kanacken" nie in geschmacklose Gewaltdarstellungen oder gar morbiden Horrorcore ab. Alle Tracks sind in ihrer comicartigen Machohaftigkeit zu unterhaltsam und harmlos, als dass es wirklich provozierende oder verstörende Elemente gäbe. Wenn es selbstironisch wird und in "Ghettolied Intifada" Lines wie "Wir kauen alle Hubba Bubba im Gerichtssaal" kommen, hat das Album seine angenehmen Kontraste. "BGB 3" ist am Ende auch nicht gemacht für den entspannten Feierabend mit französischem Rotwein auf der Designer-Couch. Diese Musik will physisch rezipiert werden, idealerweise im Fitnessstudio oder beim Kampfsport. Es geht nicht um Technik, nicht um Inhalte, sondern um Energie, Muskeln und Schweiß. Da überrascht die bereits erwähnte Monotonie nicht weiter, ebenso wenig die banalen Lyrics und das anstrengende Proletengehabe, das immerhin durch die vielen Features etwas aufgelockert wird. Was fehlt, ist künstlerische Ambition. Gerade an deepen Tracks ist der dritte Teil sehr mager und lässt Dramatik und Storytelling, wie beispielsweise bei "Bis in die Ewigkeit" auf dem ersten Teil von "Blut gegen Blut", vermissen. Für neue Akzente war Massiv wohl zu beschäftigt, die althergebrachten Erwartungen an ein "BGB"-Album zu erfüllen. Und die lauten nun mal: hart, männlich und laut. Eben das ist "BGB 3". Leider auch nicht mehr.



    (Philipp)

    [REDBEW]1219 [/REDBEW]

    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=1219 [/reframe]
    [azlink]Massiv+%96+Blut+gegen+Blut+3 [/azlink]



    01. Dankbar
    02. Gedichte und Genozide
    03. Er läuft
    04. Gassi
    05. Ziehn Digger
    06. Robocock
    07. Brot, Obst und Klopapier
    feat. Phase
    08. Wart ma feat. Amewu
    09. Freiflug
    10. Pommes
    11. Übernehmen Sie
    12. Schnee
    13. Der Supergau
    14. Zu schön
    feat. Finn
    15. Lieb
    16. Schafe


    Ich will offen sein: Ich lege nicht besonders viel Wert darauf, wenn Künstler darüber schwadronieren, sich treu geblieben zu sein und Brief und Siegel darauf schwören, dass sich unter ihren Tracks keine Räubergeschichten tummeln – so, als hätten sie sich für überragende Leistungen um ein Sonderlob verdient gemacht. Doch Ausnahmen bestätigen nun mal die Regel. Benny und dessen Partner Kraatz am Mischpult, die unter dem Pseudonym Herr von Grau seit mittlerweile sechs Jahren gemeinsam Musik machen, genießen, an der viel zitierten Authentizität gemessen, einen mehr als vorzeigbaren Ruf. Ob sie, wie bis vor Kurzem noch, mit einem klapprigen Bus durchs Land tourten oder mit sogenannten "Audio-Flyern" – die wildfremden Menschen etwa in der U-Bahn zugesteckt werden – für verdutzte Blicke bei den überraschten, potenziellen Herr von Grau-Hörern sorgen. Ob sie mit gut produzierten Low-Budget-Videos beachtliche Klick-Zahlen generieren, ihr aktuelles Album in einer mickrigen, limitierten Auflage pressen – oder die Einkünfte ihrer aktuellen Platte lediglich ihre entstandenen Kosten decken. Die Berliner, die ihr Label Grautöne Records in Eigenregie führen, verkörpern die fleischgewordene Selfmade-Mentalität. Der vorherige Tonträger wirft im besten Fall gerade noch so viel ab, dass er dem folgenden Projekt den Weg ebnet, künstlerisch wertvoller zu sein als sein Vorgänger. Herr von Grau denken unverkennbar im kleinen Stil und halten es mit kommerziellen Ansprüchen wie eine lokale Garagen-Band, die nicht mehr benötigt als eine tolerante Nachbarschaft. Das liebevoll gehaltene Hobby-Projekt der zwei mündet dieser Tage im dritten Tonträger, in "Freiflug". Klingt nach Seele baumeln lassen, ein bisschen nach Selbstverwirklichung – nach allem und nichts. Die Feder prangt auf dem Cover so, als würde sie die vollständigen 56 Minuten in diesem eingefangenen Augenblick nichtssagend erklären wollen. Wie kunstimmanent sind die "sprudelnden Wortkaskaden" auf "verwobenen Samples und Synthesizern"?


    Dass Benny zeitweilig seiner eigenen Person die Hauptrolle zuschreibt, erscheint für angestammte Hörer nicht ungewöhnlich. Dabei spielt er zumeist mit seiner gestörten Beziehung zu so mancher Spirituose. In einer humoristischen Atmosphäre wird zudem über Lebensinhalt und kleinbürgerliche Probleme philosophiert. Auf "Dankbar" präsentiert er sich hingegen in einer bedrückten, depressiven Fasson, dass seine unverklemmt erzählte und so hemmungslos ausgeführte Geschichte über seine verschwendete Jugend, zerstörerische Alkohol- und Drogenmissbräuche und die daraus resultierende Gewaltbereitschaft empathische Mitmenschen rührend zurücklässt. Er ist letztlich der Musik "dankbar", ihm in einer in vielerlei Hinsicht schweren Zeit den Lebensmut zurückgegeben zu haben. Spätestens wenn der Chorus mit den Worten "Ich lebe noch und ja, ich bin dankbar" angestimmt wird, fühlt man sich berufen, den 32-Jährigen in den Arm zu nehmen. Instrumental tragen Xylophon, Streicher und seicht brummende Elektrobässe zum melancholischen Grundtenor bei. Der Musik auf gleich mehreren Tracks ein Ständchen zu trällern, verrät viel über den Stellenwert, den sie in Bennys Leben einnimmt: Sei es die Schlaflosigkeit, die ihn bis tief in die Nacht an den Drumcomputer fesselt ("Schafe"), die erfüllende Genugtuung aus dem schöpferischen Prozess am Regler und das Versinken in der Soundcloud ("Freiflug"), oder die eingangs erwähnte Dankbarkeit gegenüber wohlklingenden Akkorden:


    "Ich lebe noch und ja, ich bin dankbar/
    Ich trieb ab, doch Musik war mein Anker/
    Ich weiß nicht genau, was wann war/
    och blicke in die Sonne und ich schwör', es wird anders/
    "
    (Benny auf "Dankbar")


    Tonangebend ist diese sehnsuchtsvoll zurückblickende Grundstimmung jedoch nicht, denn Benny ist ein virtuoser Texter: Der Wortwitz, der sich als roter Faden durch die Songs zieht, scheint ihm unentbehrlich, vereinzelt lässt er die ursprünglich angedeutete Intention in den Hintergrund rücken, was auf tiefschürfenderen Tracks eher fragende Blicke denn zustimmendes Nicken evoziert. Während er Anekdoten zu packenden Geschichten aufbaut und daraufhin – Exemplie Causa – reimt, "Ich könnte schlafen, hätt' ich nicht da noch ein paar Bars auf Lager, die müssen raus wie Stuhlgang", ist der Track seiner anfänglichen Potenz geringfügig beraubt. Apropos "Potenz": Der exklusiv ausgekoppelte "Robocock" knallt in einer herrlichen Aufzählung, in der verschiedenste Hollywood-Klassiker in höchstem Maße anstößig umgedichtet werden, den Wächtern des guten Geschmacks sowie patrouillierenden Sittenhütern eins vor den Latz – "großes Kino mit Schindlers Wichse" sag' ich dazu nur. "Der Supergrau" knüpft an die heitere Stimmung nahtlos an, er hält seinen Kollegen durch skurrile Wie-Vergleiche, kopfloses Geprahle sowie überschüssiges Konfliktpotenzial den Spiegel vor das langweilige HipHop-Einmaleins. "Sowas setzt sich fest so wie Sex mit Papa in der Wäschekammer". Ein klassisches Highlight bieten sie jedoch nicht, die Tracks sind ein einziges Feuerwerk. Auszug gefällig?


    "Großes Kino mit 'Schindlers Wichse'/
    Oder 'Schluck langsam' – den find' ich spitze/
    'Die vögeln' oder 'Stadt der Schwengel'/
    'Der Sperminator' ist ein eisenharter Bengel/
    "
    (Benny auf "Robocock")


    Unanständiger Fäkal-Humor und HipHop'sche Kabarett-Einlagen sind bedauernswerterweise nur auf zwei Tracks zu finden, denn es wird latent psychedelisch. Inwiefern Benny auf "Er läuft" von sich selbst redet, ist ungewiss. Erzählt wird in der dritten Person. Wahrscheinlich auch, um aus dem Langspieler keine Egomassage werden zu lassen. Sichtlich mitgenommen und gerührt beschreibt er die Niederungen, dreckigen Ecken und Gesichter, die das Leben in einer Großstadt heraufbeschwört. Er inszeniert hierfür einen typisierten Beobachter auf nächtlicher Streife. "[...] Ohne einen Plan, was ihn da draußen erwartet", stößt er auf den verrohten Nachwuchs, der sich obskurer Substanzen bedient, Dienstleistungen käuflich erwerbbarer Damen beansprucht, und sichtet so allerlei streunende Gestalten – ich kann mir die dreckig-stinkende Gosse bildhaft vorstellen. Auch Team Avantgardes Frontmann Phase wird vom Frust gegeißelt: Er gesellt sich zum fröhlichen "Früher war's irgendwie besser als heute" und sinniert nostalgisch über all das, was gestern war und heute nicht mehr ist. James Bond war damals irgendwie in, Facebook ersetzt unlängst den romantischen Liebesbrief, "No Homo" und "YOLO" gehören längst zum Pflicht-Vokabular ("Brot, Obst und Klopapier"). Wenn das tatsächlich bedauernswerte Probleme wären, von denen wir uns in irgendeiner Form eingeschränkt fühlen müssten, wäre jeder Tag von unzähligen Erschwernissen behaftet. Kein Grund zum Trübsal blasen also.


    "Damals hat die Zukunft geleuchtet/
    Und meine Freunde waren blutjunge Leute/
    Heute, da hab' ich ein paar Haare weniger/
    Und meine Homies stehen mit Baby aufm Arm am Edeka/
    "
    (Benny auf "Brot, Obst und Klopapier")


    Der nachfolgende Track "Wart ma" klagt von Schnelllebigkeit, der Hektik des Alltags und dann noch dieser "mühselige[n] Arbeit, sich aus dieser Sucht zu retten", die sich Konsum schimpft. Hier klinkt sich zusätzlich Amewu ein, der bekannte kritische Töne gegen Gesellschaft und System zum Besten gibt. Mir drängt sich die Frage auf: Warum ist der Berliner so betrübt vom Lebenswandel seiner Mitmenschen, die weder sich noch ihm – körperliches oder seelisches – Leid antun? Es wird sich an Kleinigkeiten aufgehangen, in schwungvolle Worte verpackt und zur Menschenkraft übersteigenden Ballast erklärt. Globaleren Themen widmet sich indes der textend-rappend-singend-produzierende Teil des Duos, kurz: Benny. Was bis dato nur eine handvoll Verschwörungstheoretiker und Computernerds für möglich hielten, wusste Benny schon auf "Schnapp sie dir" – Stichwort "Prism". "Übernehmen Sie" wirft – womöglich zum Zeitpunkt der Aufnahme – zwei Verschwörungstheorien in den Raum: Überwachungswahn und die Vermutung, 9/11 sei ein "Inside-Job" gewesen. Bewahrheitete sich die erste, ist man von den Ausführungen der zweiten nicht mehr ganz so verdutzt. Produzent Kraatz hielt sich seinerseits dezent im Hintergrund und versuchte sich diesmal weder an Raps noch an Beats, wie etwa beim letzten Langspieler der zwei. Lediglich Benny saß am Drumcomputer und schraubte an Instrumentals, die wiederum von Kraatz abgemischt wurden.


    Fazit:
    In ihrer Ehrlichkeit und Offenheit sind die persönlichen Reflexionen teilweise rührend, manchmal komisch-lustig oder einfach nur verstörend, wenn Benny beispielsweise von Entzugserscheinungen, den dazugehörigen Halluzinationen und der finalen Genugtuung des befreienden Konsums spricht ("Schnee"). "Freiflug" setzt den Schwerpunkt primär auf die Vergänglichkeit des Augenblicks, teils lakonische Gesellschaftskritik, die Liebe zur Musik, die persönlichen Erkenntnisse Bennys über sich selbst und nicht zuletzt die wortwitzigen Spielereien mit der Sprache, wenn der Rapper mit Worten kleckert beziehungsweise "Wörter malen und in Farben" erzählen möchte. Es ist – wie vermutet – vieles und doch wieder wenig. Sieht man von einzelnen Aussetzern ab ("Ziehn Digger", "Gedichte und Genozide" und "Brot, Obst und Klopapier"), fühlt man sich nach 56 Minuten aufgewühlt, aber dennoch angeregt zurückgelassen. Das Gros der Tracks sind keine Muzak-Nummern, billige Ständchen oder Floskel-überladene System-Songs. Hier hat ein Künstlerkollektiv eigene Gedankengänge entwickelt und – wie man das kennt aus dem Hause Grautöne Records –, ihre ganz persönliche Auffassung von Ästhetik zwischen Text und Instrumental umgesetzt und so gesehen musikalisch wie auch textlich ihr Hobby-Projekt geliebkost.



    (Die Robbe)

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    Mit ihrem aktuellen Soloalbum "D.N.A." charteten Rapper Karuzo und Produzent Sikk alias Genetikk kürzlich auf Platz 1 der LP-Charts. Für die beiden seit Neuestem als Aliens verkleideten Selfmade-Records-Künstler ist der Erfolg allerdings kein Grund zum sprichwörtlichen Abheben – man konzentriert sich bereits auf die nächsten Projekte, unter anderem eine große Tour, die im September startet. Auf dem diesjährigen Splash! trat das Rapduo zum zweiten Mal auf Ferropolis' Bühnen auf. Von ihren Erfahrungen während der Show, ihrer Sicht auf die HipHop-Kultur und dem, was wohl noch so von ihnen folgen könnte, erzählten sie uns ausgiebig in unserem Interview.


    rappers.in: Wir sind gerade auf dem Splash!-Festival, auf dem ihr in diesem Jahr euren zweiten Auftritt hattet. Was ist euch im Vergleich zu letztem Jahr aufgefallen?


    Karuzo: Der Auftritt war auf jeden Fall krass – es waren doppelt so viele Leute da wie letztes Jahr. Letztes Jahr konnten die Leute auch schon die wichtigsten Sachen mitrappen, die Singles etwa ... dieses Jahr konnten alle alles. War auf jeden Fall richtig geil.


    rappers.in: Ihr habt gestern ein Video zu "Yes Sir" gedreht und dafür Masken verteilt. Wir würden gerne wissen, warum die Wahl ausgerechnet auf diesen Track gefallen ist und wie ihr die Aktion von der Bühne aus miterlebt habt? Hatten alle ihre Masken auf?


    Sikk: Ich finde, es haben fast alle mitgemacht.


    Karuzo: Ich auch! Man wird's im Video ja sehen können. 80 Prozent waren auf jeden Fall dabei. "Yes Sir" haben wir ausgewählt, weil er ballert und zu unserem Sound passt. Das hat bei den Singles, die wir bisher rausgebracht haben, noch ein bisschen gefehlt. "Yes Sir" ist der, der am meisten knallt, darum haben wir ihn gewählt.


    rappers.in: Dass euer Album "D.N.A." sehr gut angekommen ist, hat man ja gemerkt. Ihr seid damit auf Platz eins der Charts eingestiegen – was war eure erste Reaktion, als ihr davon gehört habt? Und wie geht ihr ganz allgemein mit diesem Erfolg um?


    Karuzo: Verändert hat das ehrlich gesagt nicht so viel. Wir haben uns auf jeden Fall darüber gefreut, weil Platz eins eine schöne Sache ist. So hat man halt was für die Ewigkeit – wir sind einmal auf der Eins gewesen. Aber kaufen kann man sich davon jetzt auch nichts und wenn das nächste Album Schrott ist, ist das auch bedeutungslos. Deswegen ist das Einzige, das zählt, weiter gute Musik zu machen – ganz einfach. Lieber jetzt nochmal was Gutes nachlegen.


    rappers.in: Zum Thema Erfolg hast du, Karuzo, kürzlich gesagt: "Es gibt da draußen eine neue Generation von HipHop-Fans und wir verkörpern, was diese neue Generation hören möchte." Könnt ihr uns kurz umschreiben, wie diese neue Generation und somit auch eure Zielgruppe aussieht?


    Karuzo: Es gibt, glaube ich, eine Entwicklung zurück zur Normalität. In den letzten Jahren wurde viel über das Thema HipHop als Jugendkultur gesprochen und dass sich das alles sehr in Extremen bewegt. Dass sich vor allem die Jugend in Extremen bewegt, besonders in Sachen Partys, Saufen, was weiß ich, was. Es gibt die ganz Braven und die ganz Krassen. Und ich glaube, dass sich das so entwickelt, dass es irgendwann einfach eine große Masse gibt, die ganz normal ist. Ganz normale Jungs und Mädels, die Bock auf guten HipHop haben und denen die ganz krassen Sachen zu krass und die soften Sachen zu soft sind. Eine Nummer härter als Cro, aber Automatikk ist ihnen auch zu stramm, also suchen sie sich guten, echten HipHop dazwischen – und das sind wir.


    rappers.in: Ihr habt ebenfalls sinngemäß gesagt, dass "HipHop diejenigen auffängt, die am Rand stehen". Glaubt ihr, dass das immer so gewesen oder erst mit der Zeit gekommen ist?


    Karuzo: Auf jeden Fall. Das ist, wie damals Rock'n'Roll auch, eine junge Bewegung. HipHop hat so eine Außenseiterrolle am Rand der Gesellschaft, wenn man es so will. Wenn man in diesem Bereich affin ist, findet man einfach schnell seine Rückzugsmöglichkeit. Außenseitermucke kann man bei den heutigen Verkaufszahlen zwar auch nicht mehr sagen, aber das ist auf jeden Fall das, wo es herkommt, und das schwingt immer latent mit.


    rappers.in: Und was glaubt ihr, warum gerade HipHop ein Medium ist, über das sich Leute ausdrücken oder darin wiederfinden können, die sonst gegebenenfalls als Minderheiten gelten würden? Oder ist das kein HipHop-, sondern allgemein ein Kunst-Phänomen?


    Karuzo: Das ist ein allgemeines Kunst-Phänomen. Es gibt eine riesige Deutschrap-Community und die ist sehr viel im Internet unterwegs, deshalb bekommt man das so mit. Andere Genres wie Punkrock oder Indierock haben nicht ein so krasses Internetding, aber trotzdem eine riesige Szene. Die verkaufen ja auch viele Platten und haben erfolgreiche Künstler und da gibt's auch 100.000 Kids, die sich damit identifizieren können. Das ist nicht nur HipHop-gebunden, sondern allgemein Kunst. Und unsere Musik hat auf jeden Fall das Potenzial, das alles zu bündeln.



    rappers.in: Kommen wir mal zu euren Inhalten. Zu "Foetus"- und "Voodoozirkus"-Zeiten waren eure Masken noch mehr oder weniger die Clownsschminke – das hat sich damals auch auf die Track-Inhalte ausgewirkt. Auf "D.N.A." tragt ihr hingegen Alienmasken und seid von der Clown- in die Alienrolle reingerutscht. Wie eng sind eure Masken mit der Musik, die ihr mit ihnen macht, verbunden?


    Karuzo: Gar nicht und komplett. (lacht) Das, was wir jetzt tragen, ist eine Weiterentwicklung der Schminke und unsere Musik jetzt ist auch eine Weiterentwicklung von dem, was wir vorher gemacht haben. Das ist einfach das "next Level". Bei uns gibt's halt jedes Mal ein Update – sowohl im Sound als auch visuell. Insofern ist das schon miteinander verknüpft. Aber trotzdem ist auch alles eigenständig.


    rappers.in: Ihr würdet also auch nicht ausschließen, dass sich euer Äußeres noch mal verändern könnte?


    Sikk: Kann passieren, ja.


    Karuzo: Wenn wir Bock haben und der Sound der nächsten Platte zu etwas Anderem besser passt, machen wir auch das.


    rappers.in: Generell soll es ja keinen Song von euch zwei Mal geben, weder thematisch noch Feature-technisch. Fällt es euch dadurch im Lauf der Jahre nicht immer schwerer, neue Tracks zu schreiben?


    Karuzo: So featuregeil sind wir ja sowieso nicht.


    Sikk: Wir suchen auch keine Features. Wenn's passt, dann passt es. Es kann auch passieren, dass jemand zwei Mal gefeaturet wird.


    Karuzo: Genau, aber dann nach Möglichkeit nicht der gleiche Track. Mit MoTrip hatten wir ja auch zuerst so einen Representer und auf dem "Outro" vom Album dann ein komplett anderes Feeling. Das ist einfach ein komplett anderer Track geworden, der sich stark vom ersten unterscheidet. Wie Sikk sagt: Es werden keine Features gesucht. Manchmal schreib' ich einen Track und 'ne Hook und dann zeig' ich Sikk das, frag' ihn, wer da gut drauf passen würde, und dann versuchen wir mal, da anzurufen. Aber eigentlich auch nicht mit Fremden. Wir machen Features normalerweise, wenn wir jemanden kennen oder sich halt was ergibt.


    rappers.in: Es fällt euch also auch nicht schwer, über die Jahre hinweg immer neue Themen für eure Texte zu finden?


    Karuzo: Ich hoffe, dass uns immer wieder was einfällt. Klar, es gibt auch Representertracks, in denen nicht sonderlich viele Themen drinstecken. Das sind halt Sachen, die natürlich wiederkehren.


    rappers.in: Dank dem Song "König der Lügner" könnt ihr thematisch natürlich auch tief in die Trickkiste greifen und so ziemlich über alles rappen – können wir irgendwann vielleicht nochmal komplett andere Themen, abseits der Clown- und Alienrolle, von euch erwarten?


    Sikk: Wenn wir Bock haben, behandeln wir auch komplett andere Themen. Und wenn nicht, dann nicht.


    Karuzo: Wenn uns jetzt Sachen inspirieren, die komplett anders sind, als das, was uns bisher inspiriert hat, kann das auf jeden Fall passieren. Wir machen einfach, worauf wir Bock haben und lassen uns nicht einschränken – egal, worum es geht.


    Sikk: Wir akzeptieren auch gar nicht so viel, wie man immer meint. Wir machen.


    rappers.in: Und wie kann man mit anderen Künstlern Tracks zusammen machen, ohne sich im Geringsten beeinflussen zu lassen?


    Karuzo: Wenn wir für unser Album featuren, machen wir auch die Vorgabe, weil es ja unser Album ist. Wenn wir den Track sozusagen anbieten, müssen also die Anderen schauen, wie sie dazu passen, nicht wir. Wir waren bisher auch noch auf keinem anderen Release als auf unseren eigenen. Es wird so ein paar Sachen in Zukunft geben, aber das werden Ausnahmen bleiben. Und dann schauen wir mal, wie wir dieses Problem lösen werden – bisher hatten wir das noch nicht.



    rappers.in: Selbst habt ihr aktuell viel Einfluss auf andere Künstler. Ihr habt mal erwähnt, dass es möglich sei, dass ihr als Vorreiter in der Deutschrapszene angesehen werden könntet und sich andere Künstler an euch vielleicht orientieren werden. Was denkt ihr, wie viele Genetikk-Nachahmer in den nächsten Jahren auf der Bildoberfläche erscheinen werden?


    Karuzo: Das wird die Zeit zeigen, das kann man so nicht sagen. Im Idealfall werden die Leute sagen: "Das ist für mich eine Inspiration". Das mit den Nachahmern ist immer so eine Sache ... Wir sind beispielsweise ja auch keine Wu-Tang-Nachahmer, sondern machen schon unser eigenes Ding. Der Clan ist nur eine von vielen Inspirationsquellen für uns, aber es gibt noch tausend andere Sachen. Wie wir mit anderen Deutschrappern früher werden jetzt aber auch Kids mit unserer Mucke groß und das wird deren Soundbild prägen und deswegen wird es in diesem Sinne keine Nachahmer geben, sondern Leute, die sich von uns inspirieren lassen ...


    rappers.in: In der Vergangenheit habt ihr mal in Paris gelebt und seid allgemein viel mit der französischen Kultur in Kontakt getreten. Könntet ihr euch für die Zukunft weitere Kooperationen mit französischen Künstlern vorstellen, die hier in Deutschland Bestand haben?


    Sikk: Natürlich, wenn's passt, machen wir's.


    Karuzo: Da hat sich bis jetzt halt nur noch nichts ergeben. Vielleicht haben wir aber auch auf dem nächsten Album einen Track, bei dem wir sagen: "Okay, da muss jetzt der und der Franzose mit drauf". Und wenn man den Kontakt dann irgendwie herstellen kann, versucht man das auch. Aber es muss halt passen. Wir werden mit niemandem einen Track machen, weil wir ihn cool finden. Das wird so ablaufen: Wir machen einen Track und dann kann man sagen, wer das Ding vielleicht noch rund machen und dem Track etwas geben könnte, was wir ihm nicht geben können. Das ist zwar sehr selten der Fall, kann aber passieren.


    rappers.in: Eure aktuelle Heimat ist ja das Saarland. Hat es euch zur Albumproduktion denn auch in andere Städte verschlagen? Und könnt ihr euch generell vorstellen, das Saarland der Musik halber mal ein paar Jahre zu verlassen? Vielleicht sogar ganz Deutschland?


    Karuzo: Generell schon. Im Süden leben wäre cool.


    Sikk: Aber wenn, dann ins Ausland.


    Karuzo: Ja. Es gibt keinen Grund, innerhalb Deutschlands umzuziehen. Höchstens, wenn sich das ergibt.


    rappers.in: Das heißt, ihr habt auch euer komplettes Album in Saarbrücken produziert?


    Karuzo: Ja. Also, produziert haben wir zu Hause, aufgenommen in Düsseldorf. Es gibt für uns keinen Grund, das umzustellen – wegen der Musik werden wir nicht umziehen müssen. Warum auch, uns redet niemand rein und wir machen alles selbst. Ansonsten fährt man halt einmal für eine Woche durch die Republik und nimmt das Album auf, aber das ist ja kein Thema. Deshalb: Warum weg da?


    rappers.in: Wir hätten jetzt noch gerne einen Ausblick in die Zukunft. Im Prinzip beginnt ihr ja immer mit einem neuen Projekt, sobald das alte abgeschlossen ist. Sitzt ihr somit schon am vierten Album oder habt zumindest schon Ideen dafür?


    Sikk: Wir haben Ideen, aber jetzt touren wir erst mal von September bis Dezember.


    Karuzo: Wir sind natürlich schon in der Akkumulationsphase. Es wird gesammelt, dann schaut man, worauf man Bock hat und versucht, eine Vorstellung zu entwickeln. Wir sind schon wieder dran, aber jetzt ist erst einmal Pause.


    rappers.in: Ihr habt gerade schon die Tour, euer nächstes großes Projekt, erwähnt. Zum Abschluss würden wir gerne wissen, ob es da eine Stadt gibt, die ihr schon immer besuchen wolltet, oder ob ihr euch auf etwas Anderes auf der Tour freut?


    Karuzo: Nee, da gibt's jetzt nichts. Aber wir sind dieses Mal im Osten unterwegs. Das ist auf jeden Fall cool, da waren wir auf der letzten Tour nämlich nicht. Wir sind in Österreich und der Schweiz, das wird oft ein bisschen vernachlässigt, da freuen wir uns auch sehr drauf. Ansonsten hoffen wir, dass die Leute überall Bock auf uns haben – der Vorverkauf läuft auf jeden Fall super, in manchen Städten wird es sogar schon eng. Es gibt halt ein paar HipHop-Hochburgen wie Hamburg und Frankfurt, in denen wir immer gern gesehen sind, aber das heißt nicht, dass man in Köln jetzt nicht krass abgehen kann und ich glaube, das wird auch einer unserer größten Gigs. Wie auch immer – wir freuen uns auf zwei Stunden "D.N.A."-Universum. Abtauchen und dann passt das.



    (Kristina Scheuner & Niklas Potthoff)
    (Fotos von Antonia Sturma)



    01. EstAtainment
    02. Es läuft
    03. Allein gegen alle
    04. Sommer
    05. M.I.C.
    06. Lass dich gehen
    07. Telefon Skit
    08. Hancock
    09. Nice
    10. 24/7
    11. Little Miss Perfect
    12. Lass sie reden
    13. Dschungel


    ___________________________________________________________


    Review von XTOWNWORLD:


    Internetphänomene gibt es wie Sand am Meer – herausragende leider nur wenige. Kein unbeschriebenes Blatt mehr ist Halunkenbande-Signing "EstA", welcher vielleicht ein Beispiel für einen ehemaligen VBT-Rapper ist, der es geschafft hat, dass die VBT-Hörer – schlimme Zungen stufen diese als "Nicht-Käufer" ein – sein Album kaufen. Zumindest konnte er den Hype der Battles in einen Hype für sein Album umwandeln. "EstAtainment" heißt das Werk, welches der Protagonist sein erstes Album nennen kann. Wenn der Name das hält, was er verspricht, sollte es eine interessante und unterhaltsame Reise mit musikalischer Begleitung EstAs werden.


    "Und ich weiß, du gehst nun dein' eigenen Weg/
    Es ist Zeit, mir das einzugesteh'n/
    Ja, ich lass' dich gehen/
    Wir ham' so viel Geiles erlebt, diese Zeit kann uns keiner mehr nehm'/
    "
    (EstA auf "Lass dich gehen")


    Freundschaft beruht auf einer positiven Beziehung zwischen zwei oder mehr Menschen, bei der keiner der befreundeten Personen ein Gewinner oder Verlierer ist und Überlegenheit keine Rolle spielt. EstA hatte einen besonderen Freund und zeigt diesem mit dem Song "Lass dich gehen", dass man sich trotz verschiedener Wege nur das Beste für die Zukunft wünscht und man sich gerne an die Zeit zurückerinnert. Diesen – für mich sehr besonderen – Titel gibt es auf einem Beat des Produzenten 2Bough, welcher mit Drums und einem Klavier eingespielt wurde, mit einem sehr traurig wirkenden Protagonisten, dem man einfach abnimmt, dass er die Zeit von Herzen vermisst.
    Ein weiterer erwähnenswerter Titel des Werks ist "Es läuft". Scheinbar läuft es sogar ganz gut, denn neben der Erwähnung dieser Wendung in der Hook des Songs läuft das Lied aktuell in sämtlichen Radioportalen rauf und runter. Der Beat ist ein, von den anderen Beats des Albums sehr abweichender, Gitarren-Beat, der durch ein Pfeifen verschönert wurde.
    In "M.I.C" personifiziert EstA sein Mikrofon und drückt in den letzten Zeilen des ersten Parts und in der Hook die Lösung des kleinen "Rätsels" in Form einer Homophonie aus. Der 2Bough-Beat ist ein einfacher Piano-Beat. Der Flow des Protagonisten ist in diesem Fall sehr freundlich, nicht zu arrogant und der Feinschliff ist präzise eingearbeitet worden. Was im ersten Moment wie eine weitere Ode an einen Freund des Künstlers wirkt, ist im Vergleich zu anderen Tracks des Künstlers eine auffallende lyrische Leistung. EstA spielt auf dem gesamten Album mit seinem Flow und passt ihn durchgehend sehr präzise und genau an die gewollte Stimmung an. Die Hook bietet, wie auch der Refrain im oben genannten Track "Lass dich gehen", eine tolle Möglichkeit, mitzusingen. Das liegt daran, dass der Saarbrückener in einer tiefen Tonlage singt und somit auch jeder noch so bärtige Mann die Hooks mitgröhlen könnte.


    "Ohne dich hätt' ich das Ganze nie geschafft/
    Sorry, dass ich dich die Tage so oft angeschrien hab'/
    Egal, was ich vorhab', du ziehst einfach mit/
    Ich weiß nicht, wie du heißt, obwohl man dich mit Mike anspricht/
    "
    (EstA auf "M.I.C.")


    Die Schlüsselfigur EstA kennt man aus den letzten Jahren des VBTs, in denen er meist mit arrogantem Flow und Punches unter der Gürtellinie polarisierte. Ohne seinen Freund, den er in "M.I.C" erwähnt und beschreibt, hätte er wohl den nächsten Track namens "Hancock", in dem er die alte Leidenschaft zu battlen mehr als passend in Szene setzt, nicht aufnehmen können. Man nimmt ihm diese hochmütige Haltung aber definitiv ab – sie passt einfach zu seinem Image. Der Protagonist war es wohl leid, dass ihn alle für eingebildet halten, denn es scheint so, als wäre dieser Titel eine Botschaft an jeden Hater, der es schlicht nicht verstehen wollte, dass der Newcomer einfach sein Ding durchzieht. Das Lied zeichnet sich durch Schnelligkeit und weniger durch die Melodie aus. Oberarroganter Flow plus schneller Drum-Beat. Eine tolle und anhörbare Kombination für alle, die EstAs hochnäsige Art feiern.
    Die Deutschen meckern oft über das Wetter: Wenn es regnet, wünscht man sich Sonne und wenn es dann heiß ist, geht man mit der Begründung, dass es "zu heiß" ist, nicht raus. Genau diese (zu) heiße Jahreszeit beschreibt EstA im Track "Sommer". Dieser Track ist ein vermeintlicher Sommertrack, der leider nur durch den Namen erkennbar ist. In diesem Song stimmt irgendetwas vorne und hinten nicht, denn die Rap-Parts des Saarländers werden durch gesungene Phasen unterbrochen, die leider ein bisschen den über das Album erworbenen Respekt verloren gehen lassen. Bedauerlicherweise wirkt EstA auf diesem Track gar nicht so, wie man ihm im Verlauf des Langspielers kennengelernt hat. Textlich passt es gut zum Thema Sommer, aber flowlich wirkt es eher krampfhaft – der wohl schlechteste Song auf "EstAtainment".
    Im Verlauf dieser Review lernte man den dankbaren Freund EstA, die oberarrogante Battlerap-Seite des Halunken und den lyrischen Artist kennen. Ein letzter, aber dennoch für das Album wichtiger Teil fehlt noch: Der verliebte Ex-VBTler.
    Seine Liebste beschreibt der entertainende Held des Albums wie folgt: "Sie hat Klasse", "sie ist einfach anders als die anderen", "betritt' sie einen Raum, ist sie automatisch der Mittelpunkt" – sie ist also seine "Little Miss Perfect". Wenn man sich das Album anhört und EstA aus dem VBT kennt, dann könnte man eventuell vermuten, dass diese perfekte Lady eine Projektion EstAs selbst ist. Falls diese Frau wirklich existiert, dann wüsste man zumindest, dass er seine Eigenschaften an ihr liebt, da es deutliche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden gibt. Ohrwurm-Gesangshook und solider und konstanter Flow runden das Lied gut ab.


    "Doch sie gibt damit nicht an, hat sie kein bisschen nötig/
    Und brauch' nicht die Bestätigung. Sie weiß, dass sie schön ist/
    Sie könnte so oft lästern, aber schweigt für gewöhnlich/
    Man sieht ihr gar nicht an, dass sie reich und verwöhnt ist/
    "
    (EstA auf "Little Miss Perfect")


    Fazit:
    Das Kompositum "EstAtainment" bietet tatsächlich fast durchgehend das gewünschte Entertainment. Eine notorische musikalische Unterlegung durch 2Bough und einen vielseitigen EstA in den verschiedensten Formen, der ohne irgendwelche Gastbeiträge auskommt, damit er den Zuhörern genau zeigen kann, dass er den Weg in die Top 20 der Charts ohne einen anderen Rapper geschafft hat, unterhalten wirklich sehr zufriedenstellend. Der Protagonist bietet Gesangshooks, Battletracks und Themensongs. Das Halunkenbande-Signing macht seine Sache ganz gut, aber überzeugt nicht vollends. Man nimmt ihm trotzdem die Geschichten ab, die er von sich gibt, weil er seinen Flow der Stimmung anpasst und die Sachen glaubwürdig darlegt. Man kann nach diesem Album noch besser verstehen, dass der Weg vom No-Name zum Newcomer ein langer und steiniger war, aber dass er ihn geschafft hat und nun dort ist, wo er immer sein wollte: Er hat Erfolg. Zumindest in seinen Augen. Auch wenn die Definition von Erfolg vielleicht für jeden Menschen anders ist. Ein – für mich – ganz tolles Album mit viel Abwechslung und einer besonders schönen Abrundung durch die Gesanghooks in manchen Songs.


    Redakteur-Bewertung der CD:

    ___________________________________________________________



    Review von Die Robbe:


    Baba Saad ist zweifelsohne eine gestandene und viel diskutierte Persönlichkeit in unserem illustren Kreis. Sei es der steile Karrierstart unter Bushidos Label ersguterjunge, die darauffolgende Trennung, die Ankündigung eines eigenen PC-Spiels oder der kürzliche Bruch mit seinen ehemaligen Gefährten SadiQ und Dú Maroc. Nachdem er sich aufgrund eines persönlichen Schicksalsschlags in sein Heimatland, den Libanon, zurückzog, erfand er sich nahezu komplett neu. Im März ließ Baba Saad seinen Halunken Gecko dann auf Facebook lancieren, dass sein Label einen Neuzugang zu verzeichnen hätte; der Saarländer EstA unterzeichnete, ohne bis dato außerhalb des VBTs in Erscheinung getreten zu sein, einen Vertrag beim umgekrempelten Label Halunkenbande. Mit der Bekanntgabe war mehr denn je für Gesprächsstoff gesorgt, das schien sicher. Denn EstA wird mit mindestens genauso kritischer Miene beäugt wie der Bremer Labelchef selbst. Saads neu gewonnener Schützling veröffentlichte nur kurze Zeit danach sein erstes Album, "EstAtainment", und stellt sich sogleich eine Frage, die sicher auch den Fans der beiden unter den Nägeln brennen dürfte: "'Eik, warum hat Baba Saad dich gesignt?'"


    "[...] Nicht zuletzt aufgrund des alles überragenden Styles/
    [...]
    Immer einen Schritt voraus – ich hab's geschafft/
    Noch vor einem Jahr hat keiner der Neider an mich geglaubt/
    "
    (EstA auf "EstAtainment")


    Sein Style ist es also und dass du es nicht schaffst, ist glasklar, "denn dafür bräuchtest du ein' Flow wie ich als Aushängeschild." Dass sich der Saarländer selbst gefällt, ist nicht zu übersehen, auch nicht verwerflich, dennoch ziehe ich es vor, wenn es mir selbst überlassen bleibt, den Flow sowie den Style mit Superlativen zu etikettieren. Von reger Selbstbeweihräucherung hat sich bislang noch kein MC schlagartig in irgendeiner Hinsicht verbessert. Und sogleich sind wir schon beim ersten Kritikpunkt des Albums, das nach eigener Aussage eine Bombe sei. EstA ist stets bemüht, eventuell aufkommenden, kritischen Stimmen den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem die eigene Person über den grünen Klee abgefeiert wird. So feuert er aus allen Rohren gegen alles, was sich gegen ihn richten könnte, gleichzeitig spricht er möglichen Talenten, die es ihm gleich tun könnten, das Potenzial ab, es dorthin zu schaffen, wo er sich momentan wähnt. Sind das vielleicht verbliebene Abwehr-Reflexe aus vergangenen Battle-Runden? Sei's drum, nächste Frage: Warum tritt er das aufschneiderisch breit, was wir ohnehin schon wissen: Er heißt EstA und er hat ein Album releast. "EstAtainment", "Lass sie reden" und "Hancock" heißt Stirnrunzeln im Sekundentakt. Es ist mühselig, mit anzuhören, wie sich der Saarländer in Widersprüchen verstrickt und jedem anderen in kindlicher Manier das abspricht, was er vorgibt zu haben und zwischendrin allen Ernstes damit hausiert, bis tief in die Nacht vor Stift und Papier zu sitzen.


    "Ich bin's leid; warum labern alle hinter meinem Rücken?/
    Junge, du willst mir was sagen – man, dann triff mich in Saarbrücken/
    [...]
    Ich lass' euch reden, ihr könnt sagen, was ihr wollt/
    Juckt mich null, denn ich habe jetzt Erfolg, was habt ihr?/
    "
    (EstA auf "Lass sie reden")


    Sollte er sich mal nicht in unüberlegten Aussagen verrennen und seine aufgestaute Wut in vermeintliche Nörgelei projizieren, bleiben noch an Kitsch heillos überladene Klischee-Tracks wie "Sommer", der – Überraschung! – den Sommer begrüßt, "Litte Miss Perfect", den EstA – warum auch immer – einer verwöhnten Dame widmet, "M.I.C.", der sich als eine stumpfe Liebeserklärung an das wichtigste Zubehör eines MCs erweist, oder "Nice". Auf dem Gipfel der Stumpfheit angekommen, bin ich sprachlos bei letztgenanntem Track, dieser ist jedenfalls alles andere als das, wofür er sich ausgibt. "Yeah, einfach nice wie mein Flow/ Nice wie ein 'Yes' oder nice wie ein 'Woah'" ("Nice"). Ich bin mittlerweile soweit, dass ich den Skip-Button mit dem Kopf durchdrücke. Doch es ist Land in Sicht am Horizont! Na ja, sofern wir nicht schon gekentert sind. "Lass dich gehen" ist, bis auf den textlichen Fehlgriff "Hattest du stets ein freies Ohr/ wie bei 'ner Undercutfrisur" und den gähnend langweiligen Piano-Beat, eine einnehmende Danksagung für einen verlorenen Freund, der sich nach EstAs Weggang neue Freunde gesucht hat und sich folglich mit ihm auseinandergelebt hat. Nichtsdestotrotz lässt der Track keinen Hass auf den ehemaligen Gefährten aufkommen, im Gegenteil, EstA wünscht ihm trotz allem nur das Beste. Kein Hass, keine aufgesetzte Lockerheit – mehr davon. Am Drumcomputer saß lediglich Halunkenbande-Produzent und -Rapper 2Bough, dessen Instrumentierungen keinen Anlass zum Meckern geben; es liegt ja schließlich nicht an ihm, wenn seine soliden Vorlagen für deplatzierte Battleinlagen, stumpfe Klischee-Tracks und schale Ständchen verfeuert werden.


    "Du bist doch wie ein zweiter Bruder für mich/
    Sagst so oft, du wirst dich melden, warum tust du es nicht?/
    Vielleicht haben wir uns auseinandergelebt/
    Denn jeder geht nun seinen eigenen, einen anderen Weg/
    "
    (EstA auf "Lass dich gehen")


    Als bekennender und begnadeter Hobby-Psychologe lade ich anlässlich seines ersten Albums EstA in meine Praxis ein. In einem vertraulichen Vier-Augen-Gespräch versuche ich, ihm die erfreulichen Seiten, aber auch die Makel seines Debüts nahezulegen: EstA, ich möchte ehrlich zu dir sein, du bist kein sonderlich guter Texter. In dir schlummert jedoch ein tiefes Mitteilungsbedürfnis, dass du durch nett aneinandergereihte Reime über dich und deine Texte, EstA und seinen Flow sowie Eike und seinen Style verdeutlichst. Doch durch genau diese Simplizität, die oft ins Banale abrutscht, entsteht der Eindruck, dass "EstAtainment" eher einem unüberlegten, voreiligen Schnellschuss gleicht und infolgedessen nicht wie angepriesen bombastisch einschlägt, zumindest nicht musikalisch. Deine präemptiv aufkeimende Wut gegenüber Kritikern, Hatern und Kollegen schien zu Zeiten, als du tatsächlich einen Gegner hattest, weitaus angemessener, als auf einem Album, auf dem du theoretisch auch über den Sommer sing ... äh, Moment, mein Notizzettel ist mir runtergefallen. Kommen wir zum lobenden Teil: Für Tracks wie "Lass dich gehen" solltest du dir öfter die Zeit nehmen und deine Feder anspitzen; er zeigt, dass du auch empathisch sein kannst, ohne – unlängst langweilige – Themen trivial zu verkitschen. Ich möchte dir ans Herz legen, deinen zukünftigen Projekten mehr Zeit einzuräumen, den Versuch zu wagen, Texte ohne dreizehn zuvor geköpfte Beck's zu schreiben und nächstes Jahr besprechen wir dann, wenn du deine innere Wut abgebaut hast, dein konzeptionell akribisch durchgeplantes Album, okay? Vielleicht kannst du dir dann auch den gewünschten Porsche leisten. Bis dahin legen wir das hier mal beiseite.

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    Seit 2007 bietet rappers.in jedes Jahr einer Vielzahl talentierter Nachwuchsrapper die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten im größten Videobattleturnier der Republik unter Beweis zu stellen. Dieser Umstand war einige Zeit nur eingefleischten Battle-Fans bekannt, sodass dem Turnier außerhalb von rappers.in nur wenig Beachtung geschenkt wurde und die meisten Teilnehmer allein aus Liebe zum sprachgewaltigen Schlagabtausch in die virtuelle Schlacht zogen. Im Jahre 2013 eröffnet das VBT hingegen jungen Musikern Chancen wie wohl kaum ein anderes Deutschrap-Format. So chartete VBT Splash!-Edition-Finalist Battleboi Basti jüngst auf Platz 20 der Charts, EstA eroberte den elften Rang der Album-Charts und Weekend, der VBT-Sieger von 2011 und VBT Splash!-Edition-Gewinner von 2012, spielt seine erste deutschlandweite Tour. Und welches Potenzial besitzen die aktuellen Teilnehmer abseits des Fokus der Masse? Wer besitzt die Fähigkeiten, in die Fußstapfen dieser VBT-Legenden zu treten und wer hat Chancen, das Gesicht des diesjährigen VBTs zu werden? Wir versuchen gemeinsam mit Euch, der Userschaft, diese Fragen zu beantworten und Euch die in unseren Augen talentiertesten Newcomer des VBTs 2013 mittels Interview näher zu bringen.


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    Bereits im vergangenen Jahr nahm der ambitionierte Mavgic am VBT teil und schied dort bereits in Vorrunde drei auf die wohl unglücklichste Art und Weise aus. Nachdem die Jury ihre Punkte vergeben hatte, stand es zwischen Shliiwa und Mavgic 4:4, worauf der Uservote zugunsten des deutlich populäreren Geil wie Sau-Künstlers entschied. [b]Mavgic[b], Der musikalisch variable Musiker aus dem beschaulichen Dorsten, ließ sich aber nicht entmutigen und stieg so auch dieses Jahr in den virtuellen VBT-Ring. Hier überzeugt der Bizzy Beats-Rapper mit herausragenden Punchlines, einer facettenreichen Vortragsweise sowie qualitativ hochwertigen Videoproduktionen und erarbeitete sich auf diesem Weg eine respektable Anzahl treuer Anhänger. Mit welchen Ambitionen der Sprechgesangsartist mit der markanten Stimme in das diesjährige Turnier gegangen ist und wie der Kontakt zum Flensburger Label Geil wie Sau zustande kam, erzählte er uns im Interview.


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    Jetzt seid Ihr gefragt: Wer hat es Eurer Meinung nach verdient, Teil dieser Serie zu sein? Sendet uns Eure Vorschläge an den Redaktionsaccount und vielleicht findet sich Euer Geheimfavorit bald in dieser Serie wieder.



    Marc Schleichert (Hater)


    Anfang August veröffentlicht die Rap-Formation Funkverteidiger, deren Mitglieder aus den verschiedensten Regionen Deutschlands stammen – darunter Leipzig, Magdeburg, Hamburg und Berlin – ihr bislang zweites Crewalbum unter dem Titel "FV". Die aus den MCs Pierre Sonality, The Finn, Mase, Maulheld, Katharsis, Lars vom Dorf, den DJs Ronny Montecarlo, Skala, Lukutz, Meta Zwo sowie den Produzenten Dextar, Odd Job, Mr. Lipster und Marcus bestehende Kombo konnte sich in den vergangenen Jahren bereits einen ordentlichen Ruf in der deutschen Untergrund-Raplandschaft aneignen. Pünktlich zum Album-Release trafen wir uns in Berlin mit den beiden Rappern Pierre Sonality und Maulheld und fragten sie ein wenig zur neuen Platte aus ...


    rappers.in: Beginnen wir mal ...


    Pierre Sonality: (unterbricht) Und, hast du in unser Album gehört? Was sagste?


    rappers.in: Ähm ...


    Pierre Sonality: Kannst gern ehrlich sein, wenn's zu ruppig ist.


    rappers.in: Ich bin bei sowas grundsätzlich ehrlich. Es ist keine Hintergrundmusik. Manchmal klingt ein so harmloses Wort wie "Altpapierbündel" derart aggro ...


    Pierre Sonality: Altpapierbündel, das war Mauli. "Gesindel wie Altpapierbündel".


    rappers.in: Das ist eigentlich so harmlos und doch klingt es nach "In-die-Fresse". Du musst halt zuhören, um zu verstehen, worum es geht und kannst es nicht im Hintergrund laufen lassen.


    Maulheld: Das Soundbild macht die Texte teilweise aggressiver als sie eigentlich sind. Wir haben hier und da ein paar härtere Phrasen mit drin, aber wir legen eigentlich keinen Wert drauf, dass die Texte an sich hart sind. Es muss halt zur Musik passen. Wenn der Beat hart ist, dann rappt man dazwischen nicht über Wattestäbchen. Wobei man daraus natürlich auch 'ne Punchline machen kann. Es ist alles relativ.


    Pierre Sonality: Wir verbieten uns ja auch mehr oder weniger nichts. Es wurde noch nie so richtig ausgesprochen bei uns, aber wir legen Wert darauf, dass wir so ganz niedere Worte wie "Fotze" oder "Hurensohn" einfach nicht sagen in unseren Texten. Da versuchen wir, immer etwas Stil zu bewahren, weil das ist einfach unterste Schublade.


    Maulheld: Manche Themen schließen sich automatisch aus. Wenn fünf Jungs zusammen Musik machen, ist die Wahrscheinlichkeit gleich null, dass wir Liebeslieder machen. Das wäre sehr schwierig.


    Pierre Sonality: Nee, dafür sind wir auch nicht die Typen.


    rappers.in: Muss das so sein? Könnt ihr die Texte nur deswegen so angehen, weil es sich mit dem Sound die Waage hält? Frei nach dem Prinzip: Wenn der Sound hart ist, muss es der Text nicht mehr sein?


    Maulheld: Also, wenn der Beat soft ist und dieses "Gute, alte Zeit"-Feeling hat, dann rappen wir schon auch mal was – siehe "Es kommt wie es kommt, nichts ist umsonst". Dann brechen wir nicht über die Stange mit harten Texten, nur weil wir der Meinung sind, wir brauchen noch ein paar harte Texte.


    Pierre Sonality: Wir hatten auf dem Album jetzt auch nicht den Bedarf, großartig sentimentale Geschichten zu erzählen. Nach der ersten Session, die wir gemacht haben, hatten wir so fünf Songs im Kasten. Da war uns schon klar, dass dieses Soundbild die Platte auch bestimmen wird. So wie wir es gemacht haben, von den Beats und Raps her. Dann haben wir gesagt, wir machen ein schönes, sportliches Representer-Album, das man auch mal laut aufdrehen kann. Auch für gewisse Stimmungen – sagen wir mal, wenn man morgens zur Arbeit fährt und es dann laut bumst, dann bist du nach dem dritten Lied wach. Ach was, nach den ersten zwei Takten. Und bei Liebesliedern hatten wir bisher selten Bedarf, sowas zu machen.


    rappers.in: Ich bin ja schon immer glücklich, wenn Lieder ohne Frauenhass auskommen.


    Pierre Sonality: Frauen sind doch was Tolles.


    Maulheld: Ach, sowas würden wir nie machen.


    Pierre Sonality: Dafür finden wir Frauen zu cool.


    Maulheld: Da würden wir uns auch unter Wert verkaufen, intellektuell betrachtet.


    rappers.in: So unpopulär ist das aber gar nicht. Ich denk' mir manchmal: Ihr habt alle 'ne Mutter.


    Maulheld: Ich denke aber auch oft, wenn du manche 16- bis 23-jährigen "Rapper" siehst, mit Anti-Frauentexten oder diesem "Deine Mutter"-Tralala ... Das ist auf jeden Fall was, was denen in ein paar Jahren peinlich sein wird. Das feiern die jetzt, aber wenn die 30 sind oder 'ne feste Freundin haben und die dann sagt: "Du hast doch mal HipHop gemacht", dann werden die das nicht zeigen, weil genau das ihnen peinlich ist.


    Pierre Sonality: Oder wenn die mal Kinder haben und die fragen: "Was hast du früher gemacht?", und du antwortest: "Ich hab' Musik gemacht." – "Ja, spiel mal vor!" ...



    rappers.in: Was ist HipHop denn für euch? Jetzt bitte nicht Kunst oder das Prinzip Selbstverwirklichung oder so, sondern für euch.


    Pierre Sonality: Um das mal auf ein paar Worte runterzubrechen: Das ist Freundschaft, ein gemeinsames Gefühl, gemeinsame Werte teilen und ganz stark Competition.


    Maulheld: Auch Sport. Denksport klingt vielleicht doof, aber es ist am Ende 'ne Art Denksport.


    Pierre Sonality: Wie Sudoku mit Wörtern, im Kopf. Also, wenn man es auf Rap bezieht.


    Maulheld: Das stimmt. Mit Freunden Musik machen, das ist das, was ich so cool finde. Das Thema hatten wir in den letzten Interviews auch schon, aber ich sag's jetzt noch mal. Wenn ich allein Musik mache, macht das auf jeden Fall keinen Spaß. Also, da ist Spaß das falsche Wort. Ich zieh's durch und mach 'nen Song, das ist so meine Geisteshaltung, wenn ich allein was aufnehme. Aber wenn ich mich mit den Jungs treffe, dann ist das einfach geil, endlich wieder. Dann ist das keine Arbeit.


    Pierre Sonality: Ja, und nach wie vor find' ich an HipHop toll – beziehungsweise hat es mich damals so angeturnt an der Kultur – dass man aus nichts alles machen kann. Du brauchst keine großartigen Mittel, um dich in der Szene hochzuarbeiten, du musst einfach nur was können. Ob es jetzt Graffiti, Breakdance, Rap, Beats oder DJing ist.


    (Das Telefon unterbricht das Interview)


    Maulheld: (nimmt Gespräch an) Das ist unser DJ Lukutz. Als wir in Schwerin waren, meinte er: "Da wohnen meine Eltern", und ist dann erst mal zu ihnen gefahren. Wir wollten gestern proben. Da haben wir uns übers Internet die Instrumentals schicken lassen, weil wir nichts hatten. Dann ist uns aufgefallen, dass wir keinen PC haben, um die runterzuladen, und keinen Ort, um zu proben. Da haben wir den Figub Brazlevic angerufen, der sofort meinte: "Ja, kommt vorbei." Wir haben also bei ihm geprobt und noch ein Lied mit ihm aufgenommen.


    Pierre Sonality: ... und auf dem Heimweg von ihm zu uns haben wir gleich noch das Video für den Song gedreht.


    rappers.in: Wie wichtig ist euch Respekt und dass mehr gefeiert als gehatet wird?


    Maulheld: Mir ist das gar nicht so wichtig, weil ich zumindest gelernt hab', Internetresonanz nicht so ernst zu nehmen. Das sind für mich keine echten Menschen, in dem Sinn, dass die Teil meines Lebens wären. Wir kommen ja kritikmäßig ziemlich gut weg. Wenn du dir Aggro-Videos anguckst – sowas schreibt keiner bei uns. Da bewegen wir uns in einem sehr entspannten Kreis.


    Pierre Sonality: Was auch zeigt, dass unsere Musik letztlich Liebhaber-Musik ist. Wir streuen halt nicht auf der größtmöglichen Bandbreite. Dieses "Respekt geben" steht außer Frage. Wer gut ist, bekommt auch die Props dafür. Dieses "Respekt zurückbekommen", das haben wir ja auch. Wir werden auch oft von Leuten angeschrieben, die dachten, deutscher HipHop ist fürn Arsch. Das ist Feedback, über das man sich derbe freut.


    rappers.in: Es gibt ja Veröffentlichungen, die mich selber aggressiv machen, wegen verschenktem Talent. Man weiß, jemand kann es eigentlich besser, und dann kommen nichtssagende Texte.


    Pierre Sonality: Man sollte das manchmal auch nicht so ernst nehmen, was Rapper sagen.


    Maulheld: Man darf auch nicht vergessen, dass ein Rapper relativ viel Text schreiben muss, um eine relativ kurze Zeit im Lied zu füllen. Ein 16-Zeiler geht bei 90 beats per minute 40 Sekunden. Da musst du so viele Wörter reinpacken und darauf achten, keinen Scheiß zu schreiben, der den Text dann runterzieht.


    rappers.in: Die Zeit dafür sollte man sich aber auch nehmen.


    Maulheld: Das ist vielen nicht klar. Die haben einen Synthesizer-Beat mit 'nem krassen Refrain, die Zeit bis zum Refrain füllen sie mit irgendwelchem Dünnschiss, im Refrain wird dick aufgetragen und dann ist es schon cool für die. Nochmal zurück zum Respekt: Ich finde es persönlich gar nicht wichtig, wenn man ein Hobby wie HipHop hat, und dann dafür Respekt zu bekommen. Man macht das ja gerne. Denn das ist ja ein Hobby. Wenn jemand eine Modelleisenbahn im Keller hat und das seit 15 Jahren macht, gehst du ja auch nicht hin und sagst: "Wahnsinn, cool, Respekt!" Jemand, der Texte schreibt, leistet auch nichts Unfassbares.


    Pierre Sonality: Na, aber wenn der mit der Modelleisenbahn in einen Modelleisenbahnclub geht und kommt an mit seinem grauen Jogginganzug und alle denken sich: "Was ist das denn für einer?!" Dann zeigt er seine Fotos mit seiner 15 Kubikmeter großen Eisenbahn und sagt: "Die habe ich in den letzten 15 Jahren gebaut." Dann entgegnen alle: "Krass, du bist ja ein Nerd!" In deinem Metier wird es immer Zuspruch geben. Wenn wir als Rapper jetzt zu einem Modelleisenbahnbauer gehen, ist es natürlich klar, dass er das nicht genug beachtet. Aber die Szenen, in denen sich die Leute bewegen, sind anders strukturiert.


    Maulheld: Leute, die selber Rapmusik machen, haben ja auch einen anderen Zugang.



    rappers.in: Viele Leute bezeichnen euch ja als "Oldschool". Ist das nicht eher ein fragwürdiges Kompliment?


    Maulheld: Jeder Klick ist ein Lob, über das man sich freut. Das ist Fakt.


    rappers.in: Für mich klingt ihr nicht Oldschool, sondern nach "Jetzt".


    Maulheld: Wir rappen ja nicht Oldschool in diesem Sinne. Das ist nur unsere Ansicht von Rap. Aber ist ja topaktueller Rap. Ob er in der Ästhetik so klingt, wie es ihn in den 90ern schon gab, ist eben eine andere Frage. Das ist alles sehr relativ.


    Pierre Sonality: Unsere Musik ist auf jeden Fall traditionsbewusste 2013er-Musik mit Bezug zu den Wurzeln. Mit Bezug auf das, was uns angeflasht hat. Traditionsbewusster Rap.


    rappers.in: Das klingt ja schon beinahe nach Antithese.


    Pierre Sonality: Inwiefern?


    rappers.in: Hat Rap sich schon eine Tradition aufgebaut und über lange Zeit erarbeitet? Fehlt für Traditionsbewusstsein nicht eine Form endgültiger Kulturidentität?


    Maulheld: Kann ich nachvollziehen, sehe ich aber anders.


    Pierre Sonality: Da müsste man echt erst mal auseinanderklamüsern, wo etwas anfängt und wie lange es da ist, um sagen zu können, ob es etabliert ist. Eine sehr große Grundsatzdiskussion.


    Maulheld: Wenn ich jetzt sage: "Ab heute esse ich kein Fleisch mehr", dann ist es ja theoretisch ab heute für mich Tradition, vegetarisch zu essen.


    Pierre Sonality: Wenn es denn oft genug isst. Das ist ja die Frage. Ich wohne seit zwei Jahren in Hamburg und wenn die Jungs zu Besuch kommen, dann mach' ich was zu essen. Letztens hieß es dann: "Machst du dann diese Lauchcrèmesuppe, die hat ja Tradition bei uns." Mach' ich die jetzt schon lange genug, damit man sagen könnte, es ist traditionelle Lauchcrèmesuppe?


    Maulheld: Es gibt ja im Deutschrap schon unzählige Traditionen. Es ist zum Beispiel Tradition, dass man amerikanischen mit deutschem Rap vergleicht. Ein Deutschlehrer beschäftigt sich natürlich anders mit mehrschichtigen Traditionsverhältnissen. Das ist echt schwer so zu sagen.


    Pierre Sonality: Guck mal, so viele Popmusiker damals haben ja auch schon gerappt wie Falco oder Frank Zander.


    Maulheld: Und jetzt stell dir vor, wir machen jetzt auf einmal ein Lied mit Frank Zander. Viele Leute würden dann sagen: "Oh Gott, jetzt machen die Musik mit einem Schlagermusiker." Dabei hat er doch früher auch schon "Ähnliches" gemacht.


    rappers.in: Aber ist das dann nicht ein sehr subjektiver Oldschool-Begriff? Ich glaube, alle Leute der Jahrgänge 1978 bis '85 fänden die Idee erstmal geil. Muss man da nicht in etwa in dieselbe Generation fallen, um die gleiche Definition von Oldschool zu haben?


    Pierre Sonality: Das könnte bestimmt funktionieren. Vielleicht nicht bei uns.


    Maulheld: Das wäre auch auf unseren Sound machbar.


    Pierre Sonality: Wäre das nicht schon recht albern?


    Maulheld: Es kommt drauf an. Ich hab' seine Diskografie gerade nicht so parat. Aber er hätte mehr mit Rap zu tun als andere. Es wäre keine haarsträubende Kombination.


    rappers.in: Was steht denn bei euch gerade noch so an?


    Pierre Sonality: Odd Job hat sein Album "Preset" rausgebracht. Maulheld plant sein Soloalbum. Ich arbeite am zweiten Soloalbum. Es gibt dann auch ein neues Sendemast-Album mit viel basslastiger Musik und minimalen Samples – ein reines Representer-Album.


    rappers.in: Warum ist eure neue Platte "FV" das perfekte Geschenk für jeden Liebhaber guten deutschen Sprechgesangs?


    Maulheld: Die Sound-Ästhetik, die Dreckigkeit, die einfach ihresgleichen in Deutschland sucht. Das spiegelt sich auch in den Texten. Es ist hart eingerappt, kann auch anstrengend sein, aber das ist unsere Mission. Wer 90er-New-York-Rap zu schätzen weiß, kann das mögen.


    Pierre Sonality: Wir haben nicht eine einzige Spur hin- und hergeschickt für das Album. Wir haben uns immer getroffen und zusammen alle Texte geschrieben, aufgenommen und uns gegenseitig gepusht. Das ganze Album ist ein riesengroßes Sessiongefühl. Wir sind nur soweit hart, wie wir es auch vertreten können. Flowversiert. Damit zeigen wir unser Level. Wir brechen alles runter auf die Essenz von Rap, auf den rohen Kern von Rapmusik.



    (Jasmin N. Weidner)


    Lange Zeit war es still um den Heidenheimer Chefket. Doch ganz untätig ist er in all den Jahren nicht gewesen: Projekte im In- und Ausland sowie zahlreiche Toursupporte standen auf seiner To-Do-Liste. Im Sommer 2013 meldet er sich mit seiner neuen EP "Identitäter" zurück und vertont darauf unter anderem gesammelte Erfahrungen und Botschaften der letzten Jahre. Im Interview sprach er mit uns über einige politische Themen, die stellenweise auch auf seiner Platte wiederzufinden sind, aber auch über sein Aufwachsen in Deutschland als Sohn von Immigranten.


    rappers.in: Du hast vor Kurzem deine "Identitäter"-EP veröffentlicht. Diese beinhaltet eine logisch aufgebaute Geschichte, die sich durch den gesamten Handlungsstrang zieht – sowas sieht man ja nicht gerade oft ...


    Chefket: Du hast da die Ordnung in den drei Minuten und dann die Ordnung in der EP. Da ist alles im Einklang. Das versuche ich dann auch konzeptmäßig umzusetzen. Weil es für mich mehr Sinn ergibt. Das stellt auch einfach eine Zeit dar, die ich damit festgehalten habe.


    rappers.in: Der erste Track deiner EP heißt "Fliegen und Fallen". Ist das so? Kann man nur beides? Geht das eine nicht ohne das andere?


    Chefket: Wenn wir mal die Menschheit sehen ... Wir denken, dass wir uns weiterentwickeln. Unser Fortschritt, unsere Technologie und das alles führt dazu, dass wir über alles bestimmen. Wir denken eigentlich alle, dass wir am Fliegen sind. Aber wir sind wie so ein Typ aus den 20ern. Wenn der ein Flugzeug baut und dann springt, dann denkt der auch, dass er am Fliegen ist. Erst wenn der Boden immer näher kommt, merkt er, dass er eigentlich fällt. Ich glaube, dass das beides ist. Wir sind alle am Fallen. Die ganze Welt. Es geht dem Ende zu.


    rappers.in: Hmm ... Ich frage trotzdem einfach mal ganz optimistisch weiter: Du rappst auf dem Song "Zeitlupe" unter anderem immer wieder die Worte "Immer auf der Suche". Was suchst du im Moment am meisten?


    Chefket: Es geht ja irgendwie immer darum, was einen erfüllt. Es gibt verschiedene Bedürfnisse des Menschen. Manche sagen, es seien Liebe, Macht, Ruhm. Ein paar Bedürfnisse werden gestillt. Aber was für welche sind das? Physiologische, wie Durst oder Hunger? Ich merke, dass es mich erfüllt, etwas zu tun, was mir und auch anderen etwas gibt. Ich bin immer auf der Suche nach den richtigen Worten, um Gedanken auszudrücken, auf die ich komme. Das sind keine Sachen, um andere zu erleuchten. Manchmal sind das Sachen, die man eigentlich schon weiß, aber vergessen hat. Dadurch, dass ich dieses Leben führen darf, hab' ich sehr viel Zeit, nachzudenken. Ich suche: den richtigen Beat, die richtigen Worte, die richtige Musik und den richtigen Moment. Okay?


    rappers.in: Sehr schöne Antwort! Das zweite Lied, "Identi ... "


    Chefket:(unterbricht die Frage): Wo bist du denn her?


    rappers.in: Hesse. Ich bin Hesse.


    Chefket: Ich mag ja Hermann Hesse sehr ...



    rappers.in: Danke. Das Thema hatte ich gestern mit einer Freundin. Weil ich eine gebrauchte, wunderschöne Sammelbox mit all seinen Werken in der Hand hatte. Für 55 Euro.


    Chefket: Nur? Für eine Kinokarte mit Popcorn und Cola und so was, da haben wir auch einen Fuffi ausgegeben. Hermann Hesse hat wenigstens was hinterlassen. Was ist denn dein Lieblingsbuch?


    rappers.in: "Demian".


    Chefket: Ich konnte niemandem erzählen, was ich da gelesen habe, weil es wie eine Traumsequenz war. Du kannst es nicht erzählen. Das ist alles immer so verschachtelt und mittendrin bekommst du eine Belohnung. Wenn du dich durchboxt, bekommst du eine Belohnung.


    rappers.in: Wann hast du es denn zum letzten Mal gelesen?


    Chefket: Ist schon richtig lange her ... zehn Jahre. Aber ich will das unbedingt noch mal lesen.


    rappers.in: Zurück zu dir. Wir waren gerade bei dem titelgebenden Track "Identitäter", der von einem "Täter" spricht – wo ein Täter ist, ist da auch ein Opfer?


    Chefket: Dieses Opferding ist überhaupt nicht Thema. Die Tat muss ja nicht immer was Schlechtes sein.


    rappers.in: Na ja, mein Empfinden ist tatsächlich, dass "Identitäter" und der nachfolgende Track "Was wir sind" mit Marteria denselben Inhalt haben, aber "Identitäter" beleidigter ist. Darin rechtfertigst du dich häufiger und damit bist du selbst ja in einer Situation, auf die man normalerweise keinen Bock hat. Eigentlich will man ja nur sein.


    Chefket: Das hast du genau richtig erkannt. Von der Außenwelt bleibt man aber ja nicht unberührt. Meine Eltern sind aus der Türkei. Ich war der einzige aus dem Kulturkreis in meiner Klasse und ständig war ich Projektionsfläche. Immer wurde ich gefragt und erst dann habe ich mich damit beschäftigt: Was ist kulturell geprägt, was ist genetisch veranlagt, wo ist die Grenze? Ich glaube, dass es für mich etwas einfacher gewesen wäre, wenn ich diesen zusätzlichen Kulturkreis nicht gehabt hätte. Gleichzeitig ist es aber ein Riesengeschenk, dass ich zwischen zwei Welten nicht nur hin- und hergerissen bin, sondern auch in jede Welt Einblicke haben kann. Ich würde das nicht missen wollen. Mir ist aufgefallen, Migrationshintergrund ist immer im Vordergrund und dabei negativ. Da geht es nie um Schweden oder Dänen, sondern du siehst immer einen Typen mit schwarzen Haaren in der Pubertät, der was gegen Schwule sagt, im Hintergrund bedrohliche Mucke. Irgendwann regt's einen einfach auf, dass niemand es anspricht, dass das auch was Gutes ist.


    rappers.in: Aber ist Berlin da nicht einfacher? Kannst du dich hier nicht freimachen?


    Chefket: Sehr viele Kulturen, Subkulturen sind hier vertreten, das ist ja keine Frage. Die Frage ist: Hat man eigentlich Zeit dafür, sich damit auseinanderzusetzen? Ich glaube, viele bleiben unter sich, da muss man auch keine Fragen beantworten, die unbequem sind. Keiner hängt miteinander rum. Ich denke, das liegt daran, dass die Selektion in der vierten Klasse passiert. Da wird bereits über die Zukunft eines Kindes entschieden. Meine Freunde bis dahin haben dann geheiratet und alles und die deutschen Freunde sind eher den Akademiker-Weg gegangen.


    rappers.in: Lässt sich das mit deinen zwei Welten innerhalb der eigenen Identitätsfindung nicht auf viele Menschen runterbrechen? Geht es nicht den meisten Menschen so, wenn sie sich Gedanken machen und selbst hinterfragen?


    Chefket: Ja, auf jeden Fall. Ich sehe das ja auch in der Kleinstadt, aus der ich komme. Die, die jetzt in Berlin sind, sind die, die immer Sonderlinge waren. Weil die Freaks hier ja nicht so auffallen. Das andere darf man aber auch nicht verurteilen. Ich will da nicht sagen: "Die sind alle dumm." Medien machen sehr viel kaputt. Ich kenne in meinem Umfeld niemanden, bei dem es so ist, wie die Medien es erzählen.



    rappers.in: Du sagst auf deiner EP auch, dass du "zu viel nachdenkst". Kann man Dinge kaputtdenken?


    Chefket: Ja, zerdenken kann man sehr viel. Das Problem wäre die Folge, dass man keine Emotionen zeigt. Die Vernunft – dafür ist der Mensch nicht da. Wir sind alle zwar vernunftbegabt, aber dafür ist der Mensch nicht da.


    rappers.in: Der Track "Entscheide du" stellt deine Zugehörigkeit ebenfalls in den Mittelpunkt ...


    Chefket: Es spricht auch noch mal ein paar Sachen an, wie: "Woher kommst du denn?" – "Aus Heidenheim" – "Nein, nein, wo kommst du wirklich her?" ... Dieses "woher kommst du wirklich" ist "Du gehörst hier nicht her". Aber das merken die Leute nicht. Leute erwarten dann auch immer eine exotische Geschichte, wie mein Vater meine Mutter mit Datteln beworfen hat. Manchmal werde ich dann patzig und drehe das um. "Dein Cousin? Deine Schwester?" Und dann heißt es auch manchmal: "Stehst du nicht zu deinen Wurzeln?" – doch, klar ... ich mag Heidenheim!

    rappers.in: Dazu passt in gewisser Weise auch der Track "Keine Angst" ... Keine Angst, du selbst zu sein?

    Chefket: "Keine Angst" ist auch mehr Poetry und das habe ich oft auf Poetry Slams gebracht. Es ist stark erkennbar, wie groß die Macht des Wortes ist. Da habe ich alles auf den Punkt gebracht. Ich hab' bestimmt immer noch Ängste, aber das ist etwas, was uns selber nur bremst. Manchmal ist das auch unnötig.


    rappers.in: Auf "Made in Germany" fällt unter anderem der Vorwurf an die Regierung, "Brot und Spiele" zu betreiben. Wie geht es dir denn damit, dich nach den Aufständen in der Türkei als Betroffener über zwei Regierungen aufregen zu können?

    Chefket: Wenn mein Vater jetzt von einem Polizisten umgeschlagen worden wäre, dann wäre das natürlich noch krasser. Aber zum Glück ist meiner Familie nichts passiert. Man darf halt nicht die kleinen Dinge immer so thematisieren, wie zum Beispiel kein Alkohol auf der Straße. Das darf man in New York auch nicht und da ist nicht die Rede von Islamisierung. Da geht es eher um die Schulen, Moscheen, an Tankstellen nach 22 Uhr Alkoholverbot zu haben. Die Leute übertreiben ein wenig in ihren Reaktionen. Aber was die Polizeigewalt angeht: sehr gefährlich. Weil die Armee sich immer drum gekümmert hat, das Gleichgewicht zu halten. Und jetzt ist es aber so, dass sehr viele Generäle im Gefängnis sitzen und die Frage ist: Wie viel von der alten Garde ist noch in der Armee? Wie viele würden den Befehlen folgen?


    rappers.in: Dein Releasedate fiel zeitlich ja noch in die mediale Berichterstattung über die Aufstände in der Türkei. Wie fühlt sich das an, mit der Platte Alltagspolitik zu betreiben?


    Chefket: Ich hab' das nie so im Zusammenhang gesehen. Ich glaube, das ist allgemein ein Thema. Identität betrifft jeden. Das ist ja etwas, was nie endet. Durch die Tätigkeit wird man geprägt. Nach dem ersten Album, das hat mich positiv geprägt. Dieses Album wird auch wieder dazu führen, dass ich mich verändern werde. Ich werde ja auch inspiriert von Gesprächen mit Leuten ... Darauf bin ich eher gespannt.



    (Jasmin N. Weidner)


    Auch wenn es um den Berliner nie komplett still wurde – neben der Musik ist Damion Davis immerhin auch als Regisseur und Schauspieler tätig und wirkte an der ein oder anderen Produktion der letzten Jahre mit – stellt das über SpokenView veröffentlichte "Querfeldein" dennoch ein Comeback dar. Zumindest auf musikalischer Ebene, denn Damions drittes Soloalbum, das vor wenigen Monaten in den Handel gelangte, ließ ganze sechs Jahre auf sich warten. Der Vorgänger, "Lichtermeer", erschien bereits im Jahr 2006. Kein Wunder also, dass die Erwartungen an "Querfeldein" bereits im Vorhinein immens waren. Wir luden den Rapper und Schauspieler einige Wochen nach dem Release zum Interview und stellten ihm einige Fragen über die neue Platte und darüber, was die Zukunft so mit sich bringt.


    rappers.in: Für dein drittes und kürzlich erschienenes Album "Querfeldein" hast du dir knapp sechs Jahre Zeit gelassen, allerdings nur zweieinhalb Jahre effektiv daran gearbeitet. Hast du das Albumkonzept in diesem Zeitraum immer wieder mal überarbeitet oder verworfen? Und sind alle Ideen, Zeilen und Tracks, die wir auf dem Album finden können, tatsächlich in den zweieinhalb Jahren entstanden oder teilweise auch ein ganzes Stück älter?


    Damion Davis: Ich habe einiges gemacht: 2010 eine DVD gedroppt, das "Lampenfieber"-Mixtape 2009 und zwei Kinofilme gedreht, plus zwei Monate Theatertour quer durch Deutschland und einen Monat in Australien. Check den Track "Schön dich zu sehen Pt. 2". Ich habe ein Rockalbum im Kasten und so weiter. Alle sagen sechs Jahre, aber das stimmt dementsprechend überhaupt nicht. Übrigens bin ich 2010 noch Vater geworden!


    Pascal: Das Konzept stand aber von Vorneherein fest? Oder wie lief der Entstehungsprozess da ab? Manche sammeln ja einfach einen Haufen von Tracks und sortieren am Ende aus ... war das bei dir genauso oder hattest du schon ein richtiges "Ziel" vor Augen, wie das Album letztlich klingen sollte?


    Damion Davis: Mein Ziel war Lautmalerei. Ich habe dazu Fragmente gesammelt, circa 30 Tracks ausproduziert. Am Anfang sollte das Album "Gemäldegalerie" heißen, dann wurde "Querfeldein" daraus. Es sollte nach den 90er Jahren klingen. Ich wollte mich so fühlen wie am Anfang meiner Laufbahn: jung und spontan. Keine teuren Studioproduktionen, keine famen Producer, kein großes Studio, kein Image oder Promokampagne. Einfach der Junge von nebenan.


    rappers.in: Auf deiner Singleauskopplung "Freies Feld" lässt du durchblicken, dass du von dem Leben in der Großstadt nicht mehr sonderlich angetan bist und rappst: "Ich will die Großstadt vergessen [...] Da, wo weder Bürohauskomplexe noch Wohnblockwände unterschwellig meinen Horizont beschränken". Was glaubst du, in welcher Umgebung und welchem Zustand man sich befinden muss, um keinerlei geistige Einschränkung mehr zu empfinden? Sicherlich gehört sehr viel mehr dazu als nur das Verlassen einer Stadt ...


    Damion Davis: Klar, ich lasse mich nicht einschränken. Ich bin zu 90 Prozent frei und autonom. Ich kann sagen, was ich will und machen, was ich möchte. Ich bin mein eigener Chef und hab' keinerlei berufliche Verpflichtungen. Ich chill' auf dem Land oder in der Stadt, ganz so, wie ich Bock habe. Ich bin ein Künstler und habe keinen Beruf, ich folg' meiner Berufung. Mein Hobby ist mein Leben. Ich bin arm aber glücklich.


    rappers.in: Was uns aufgefallen ist: Weder auf "Querfeldein" noch auf der kurz zuvor erschienenen Free-Download-EP "Schön Dich zu sehen" gibt es auch nur einen Feature-Track. Woran liegt das?


    Damion Davis: Die anderen Rapper finden mich wack oder zu weich. Ich mache aber grade ein paar Tracks mit anderen MCs, die ich mit Ach und Krach überzeugen konnte. (lacht) Mortis, Chefket, Le First, Santos, Pebe, Jugair, Mariam. Und die großen Namen, die ich gerne featuren würde, haben keine Zeit oder keinen Bock, weil ich zu unbekannt oder wack bin.


    rappers.in: Wenn du Featuregäste hast, sind es ausschließlich deine Freunde, also Menschen, mit denen du Musik machen willst und wozu du nicht gezwungen werden musst. Hältst du dennoch auch nach jungen Talenten Ausschau, mit denen du dir eine Kooperation vorstellen könntest?


    Damion Davis: Ja, ich höre alle Tracks auf den einschlägigen HipHop-Seiten. Ich mag Amewu, Megaloh, Prinz Pi, Kamp und viele mehr, aber die meisten jungen Rapper aus dem VBT-Umfeld sind echt total überbewertet. Die Art Rap, die ich mach', turnt nur wenige junge Rapper. Heute wollen alle möglichst ignorant und ironisch klingen. Wenige, die Herzmusik machen, alles Image und Maske. Sowas kann ich mir nicht geben, da hör' ich lieber Clueso.


    rappers.in: Du selbst wurdest letztens in einem Text mit den Worten "Damion liebt, lebt und fühlt HipHop" beschrieben. Kannst du uns deine ganz eigene Definition von HipHop geben?


    Damion Davis: Tanzen, malen, auflegen und freestylen. Offen für alle Musikrichtungen sein. Toleranz und Reflexion. Gegen die Elite, für das Volk. Gegen Images und Konventionen. Politisch motiviert und sozial engagiert. Geschichten vertonen, die das Leben schreibt.


    Pascal: Welchen Stellenwert hat die "Realness" für dich denn heutzutage in der Deutschrapszene?


    Damion Davis: Die Kunst darf alles. Jeder soll rappen, was er will. Ich habe kein Problem damit, solang er den Kids im Interview erklärt, wie das echte Leben aussieht. Musik ist Geschmackssache. Trotzdem glaube ich, dass manche Musik diese Ignoranz der Menschen fördert. Man muss die Brücke bauen aus der Kunstwelt in die Realität, aber da hat jeder Künstler eine Eigenverantwortung und auch die Eltern und Freunde. Man muss das irgendwie einordnen können und relativieren. Ich will, dass auch meine Kinder sich die Tracks anhören können und ich glaube, das können sie fast ausnahmslos. Welcher Rapper kann das von sich behaupten? Das ist mehr wert als Fame und Reichtum. Das ist für mich real, aber das kann jeder selbst entscheiden.



    rappers.in: Dein Rap beinhaltet sehr viele Elemente des Oldschools und du sagst selber von dir, dass du musikalisch gerne diese Retroschiene fährst. Kannst du uns genauer erklären, was du daran so feierst und warum es immer noch ein großer Teil deiner musikalischen Welt ist?


    Damion Davis: Ich habe mehrsilbige Reime, kann Doubletime rappen und Flow mellow. Ich habe Gesangsparts und raste bei meinen Liveshows aus: Stagediving von Leitern und Boxentürmen, Circlepits und alles auf der Platte ist live eingespielt. Das ist einfach Rap-Musik, weder Old noch New ... einfach Musik.


    rappers.in: Wie perfektionistisch bist du selbst in Bezug auf deine eigene Musik?


    Damion Davis: Da ich alles Musikalische alleine leite und selten wirklich brauchbares oder gutes Feedback für das Album bekommen habe, bin ich sehr unsicher. Klar, ich möchte das Beste rausholen, das ist mir leider nicht gelungen, aber ich wollte es ja jung und unprofessionell. Also passt es am Ende doch irgendwie, aber zeitgemäß oder besonders erfolgreich wird das Album wohl nie werden. Ich gebe mir aber immer Mühe und bin sehr selbstkritisch. Ich bin eigentlich ein Songwriter und Rocker. Vielleicht sollte ich mich die nächsten Jahre mal damit auseinandersetzen. Ich bin ja kein wirklicher Rapper, ich höre eigentlich auch viel andere Musik und im Proberaum spiel' ich Gitarre oder Heys und sing' viel. Ich bin in dieses Rap-Ding reingerutscht und habe es lieben gelernt, aber meine eigentliche Seele liegt im Songwriting und Rock'n'Roll begraben.


    Pascal: Du scheinst mir wirklich sehr selbstkritisch zu sein. Ich habe mir dein Album angehört und die Konzeptionierungen der Songs waren in meinen Augen extrem "perfekt", im Sinne von ausgereift. Vor allem textlich gesehen ... bist du da auch so jemand, der seine Texte x-tausend Mal neu schreibt und auch beim fünften Anlauf hier und da noch ein paar Stellen austauscht und immer noch nicht zufrieden ist?[/B]


    Damion Davis: Ja, bin ich. Ich bin mein größter Hater. Deshalb schocken mich die YouTube-Nerds nicht. Ein Track ist für mich perfekt, wenn ich Gänsehaut bekomme oder Tränen in den Augen oder einen Ohrwurm ... Das ist selten, aber möglich. Ich habe nur ganz, ganz selten mal mit richtigen Profiproduzenten gearbeitet, war noch nie in meinem Leben in einem großen Studio. Wer weiß, wie das wär'.


    Pascal: Dann fänd' ich es mal interessant zu erfahren, wie viele solcher Tracks "Querfeldein" für dich persönlich hat, von denen du wirklich sagen würdest: Das ist perfekt, so wie es ist.


    Damion Davis: "Ohne meinen Sohn" und "An der Line". Vielleicht noch "Das Portrait".


    rappers.in: Oft gibst du "komisch formulierte Wünsche" für ein Album ab, wie es laut eigener Aussage auch bei "Querfeldein" der Fall war. Kannst du uns ein Beispiel dafür geben, was bei diesem Album nun einer deiner Wünsche war? Wurden diese dann auch so umgesetzt, wie du es dir vorgestellt hast, oder musstest du dich manchmal auch mit einem Kompromiss zufrieden geben?


    Damion Davis: Das Album ist absoluter Untergrund, exklusiv für Liebhaber und alte Fans. Ich habe eine große Schwäche, Geschäfte zu machen und bin nicht fähig, mich und meine Musik zu vermarkten. Der Sound und die Songs sind okay, die Konzerte machen echt viel Spaß und die Leute sind nach den Gigs sehr zufrieden, aber leben kann man davon kaum. Allerdings bin ich trotzdem glücklich, frei zu sein.


    rappers.in: Laut eigener Aussage drückst du mit deiner Musik auch viel Persönliches aus und hast mit deinem neuen Album jetzt erst mal wieder deinen "Kopf frei bekommen". Sind in diesem Zuge auch Tracks entstanden, die du letztlich als zu persönlich erachtet und deshalb nicht auf "Querfeldein" gepackt hast?


    Damion Davis: Ja, die werden wohl auch auf der Festplatte verstauben, aber die tiefsten Songs sind die Rocksongs. Wenn ich die release, weißt du, was mich ausmacht. Ich bin ein freundlicher Mensch oder versuche es jeden Tag, aber mein Leben ist seit ein paar Jahren ein tränengetränktes Trauerfeld und ich ziehe meine Inspiration daraus und das macht mich dann wieder glücklich. Die Schönheit der Zerstörung. Paradox.



    rappers.in: Inwieweit findest du, der in zwei Bands spielt und auch als Solokünstler auftritt, dass man verschiedene Musikrichtungen auf einem Album vereinen kann? Gibt es für dich eine Grenze, darf man sämtliche Genres miteinander vermischen oder existiert auch ein "No-Go"?


    Damion Davis: Nee, alles mit allem. Wie im Swingerclub. (lacht) Keine Grenzen. HipHop-Samples kommen auch aus verschiedenen Musikrichtungen. Stay in the mix.


    rappers.in: Hast du eventuell auch einen kleinen Anspieltipp für uns, bei welchem mehre Musikrichtungen miteinander kombiniert werden? Eventuell auch eine Art "Alltime-Favorite" für dich?


    Damion Davis: Rage Against the Machine, Renegades of Funk, The Mars Volta oder 311.


    rappers.in: Du hast vorher ja auch gesagt, dass du eigentlich gar nicht so aus dem Rap-Bereich stammst. Hast du schon mal daran gedacht, so eine Art "Crossover-Projekt" zu starten, also so ein richtiges Rock-Rap-Mix-Album oder ähnliches?


    Damion Davis: Hier und da gibt es bei "Querfeldein" ja schon Rap-Rock-Tracks, ich habe mal eine Liveband gehabt, die mich unterstützt hat. Das war richtig Rap-Rock! Aber mehr muss auch nicht sein, dann eher richtig Rock.


    rappers.in: "Nichts ist so langweilig wie Stillstand und Stagnation", ist ein Zitat von dir aus einem Interview. Beziehst du diese Aussage derzeit auch auf Rapdeutschland oder würdest du eher sagen, dass deutscher Rap vor Vielfalt nur so strotzt?


    Damion Davis: Deutscher Rap ist so groß und bunt wie nie zuvor. Ich bin stolz, ein klitzekleiner Teil davon zu sein.


    rappers.in: Du erwähntest ebenfalls in einem Interview, dass es eine neue Generation von Rappern gibt: die VBT-Rapper wie beispielsweise Lance Butters, der gerade einen FOUR Music-Deal abgeschlossen hat. Wieviel kriegst du von unserem VBT mit, verfolgst du es und wie nimmst du diese Generation wahr?


    Damion Davis: Ich habe schon ein paar Sachen gesehen, aber das ist eine eigene Szene für sich. Sich gegenseitig vorzuführen oder schlecht zu machen ist nicht mein Ding. Ich mag ein paar Sachen und die Doubletime-Dinger von Basti. Lance Butters ist überbewertet, da mag ich die RaM-Battles schon viel eher. Tierstar zum Beispiel! Das Battleding "one on one" direkt auf einer Bühne finde ich für mich irgendwie spannender, aber das ist Geschmackssache. Und ich finde es bemerkenswert, wie riesengroß das VBT geworden ist. Wenn ich jünger wär', würde ich da auch mitmachen. Also, da habt ihr was echt Besonderes geschaffen. Ich mag Musik mit Seele und Tiefgang.


    rappers.in: Du bist nicht nur Rapper, sondern unter anderem auch als Schauspieler tätig. Natürlich wüssten wir jetzt auch gerne, ob du aktuelle Filmprojekte in der Mache hast, oder dich gerade nur auf die Musik konzentrierst.


    Damion Davis: Ich mach' gerade nur Musik, aber wenn ein gutes Angebot kommt, mach' ich auch gerne einen Film. Da ich keine Agentur habe, wird das wohl noch eine Weile dauern, bis jemand genau mich haben will.


    Pascal: Gibt's denn ein Genre, in dem du unbedingt mal drehen möchtest? Vielleicht sogar etwas, von dem man überhaupt nicht denken würde, dass dir das gefällt?


    Damion Davis: Einen verrückten Professor oder einen Sportler oder Trainer. Einen Geisteskranken oder einen Clown oder einen geisteskranken Sportclown-Trainer in der Universität. (lacht) Ich bin für alles offen.


    rappers.in: Konntest du aus den beiden Bereichen Musik und Film vielleicht auch etwas mitnehmen, das dir im jeweils anderen dann weitergeholfen hat? Gibt es Parallelen zwischen der Musik- und Filmindustrie und was sind die größten Unterschiede?


    Damion Davis: Ich kenne die Musikindustrie nicht wirklich, um sie mit der Filmwelt zu vergleichen und ich habe auch keinen großen Einblick in die Filmwelt. Man verdient beim Film extrem gut und bei der Musik zahlt man nur drauf. Ich habe über ein Jahr an einem Album gesessen und den Film in elf Tagen abgedreht. Beim Film hat man ein großes Team und Musik macht man zu zweit. Keine Ahnung, schwierige Frage.


    rappers.in: Dann würd' ich sagen, dass die letzten Worte dir gehören – was möchtest du noch loswerden? Willst du unseren Lesern einen Tipp fürs Leben mit auf den Weg geben oder ähnliches? Oder ein Interview schon immer mal mit einem bestimmten Satz abschließen? Bitte!


    Damion Davis: Macht was aus eurem Leben! Hinterlasst ein Buch, ein Kind oder einen Baum. Oder irgendetwas, was direkt von euch stammt, und ihr seid unsterblich. Versucht, Dinge in eurem direkten Umfeld zu verändern, denn so verändert man die Welt. Achtet auf eure Familie und arbeitet für die Sachen, die ihr wirklich liebt. Und hört die Musik, die euch glücklich macht. Danke für die Aufmerksamkeit und schaut mal bei einem Konzert vorbei.



    (Kristina Scheuner & Pascal Ambros)