Beiträge von Redaktion



    01. Tür zu
    02. 1000 Dinge
    03. Drehscheibe
    04. Dunkel-Hell
    05. Licht aus
    06. Gegenwind
    07. EXIT
    08. Stück für Stück
    09. Charlie Brown
    10. RBM
    feat. Jonathan Walter
    11. Halbzeit
    12. Off
    13. Glas-Beton
    feat. Maxim
    14. Roofer
    15. Raupe
    feat. RAF Camora
    16. Anfang des Traums
    17. Tür auf


    ___________________________________________________________


    Review von WoboSolagl:


    Irgendwo an der holländischen Grenze, nicht mehr so ganz dörflich, aber auch noch keine Stadt: große Grünflächen, Bäume, eine Handvoll Gebäude. Es ist kühl, leicht verregnet, aber hier und da kommen ein paar Sonnenstrahlen durch die graue Wolkendecke. Genau hier steht ein Häuschen, irgendwo zwischen ruinenhafter Bruchbude und naturbelassener Idylle. Teile des kleinen Bauernhauses befinden sich noch mitten im Auf- oder Umbau, andere Ecken sind bereits zu kleinen, gemütlichen Rückzugspunkten geworden. So oder so ähnlich sieht es wohl aus, das neue Refugium von Chakuza, der Ort, an dem er gemeinsam mit dem Künstlerkollektiv In Vallis sein nunmehr fünftes Solo-Album schuf. Der Stilbruch, der mit "Magnolia", einem bedeutenden Wendepunkt in der Karriere wie auch im Privatleben von Peter Pangerl, begann, wird nach einem kurzen Ausflug in die auf-, ab- und durchgedrehte Welt von "Zodiak" mit RAF Camora nun fortgeführt. Und zwar genau in diesem Haus, über dessen Eingangstür vier große Buchstaben prangern: "EXIT".


    "All das zwischen nicht mehr enden wollenden Tagen/
    Man sitzt im rollenden Wagen mit einer Bombe im Magen/
    Voller Passagen und Stories, die dann wohl keiner erfährt/
    Denn nur von Sorgen zu schreiben ist diese Scheiße nicht wert/
    "
    (Chakuza auf "1000 Dinge")


    "Tür zu". Unter sanften Gitarrenklängen, dumpfen Drums und hallendem Gesang, irgendwo versteckt im Hintergrund, führt Chakuza in sein "EXIT" ein. Ein Klangbild, welches zunächst einen "XOXO"-Klon befürchten lässt, sich aber nach ein wenig Einfühlzeit als ein eigenständiges, individuelles Soundgeflecht entpuppt. Im Vergleich zum Vorgänger "Magnolia" entfernt sich die Instrumentierung noch weiter vom typischen HipHop-Beat. Durch die von In Vallis live eingespielten Töne mutet "EXIT" wesentlich analoger und näher am Hörer, aber auch an Chakuzas Stimme an. Während der Rapper "1000 Dinge" beschreibt, schmiegt sich das leise Instrumental sanft an seine kratzige, tiefe Stimme und die darin mitschwingende, oberösterreische Klangfarbe. Er scheint nicht nur gefestigter und stärker als noch zu "Magnolia"-Zeiten, auch inhaltlich zeigt sich Chak hier konkreter und endgültiger. Fast schon zornig wirken diverse Stellen auf "Drehscheibe", das von kräftigen Drums dominiert wird und besonders in der eingängigen Hook und gemeinsam mit den hellen Pianotönen sehr raumfüllend aus den Boxen dröhnt. Die beinahe versöhnliche, melodiöse Atmosphäre täuscht ein wenig über den melancholischen Inhalt hinweg, der von Wünschen und Träumen handelt, die der Realität nicht standhalten konnten und am Ende viel kleiner ausfallen, als sie es zunächst sein sollten.


    Überhaupt stellen das Resignieren, das Aufgeben und das Beenden wichtige Aspekte von "EXIT" dar – egal, ob es nun eben um langjährige Träume oder Beziehungen geht, so wie es in "Dunkel-Hell" und "Off" der Fall ist. Gerade letzterer Titel beweist, dass "emotional" nicht gleich immer nach "Oh, Schwuli ist traurig" klingen muss, sondern auch enttäuschte und sehr wütende Texte ergeben kann, wenn Chakuza das Sinnbild für vergangene, aber irgendwie noch verinnerlichte Beziehungen, die Stimme aus dem "Off", aus seinem Kopf löscht. Wenngleich in solch endgültigen Trennungen natürlich viel Schmerz und Trauer mitschwingt, bedeutet das Ende jedoch auch immer einen Keim neuer Hoffnung, sodass in "EXIT" trotz der sehr melancholischen bis traurigen Grundstimmung durchaus auch positive Töne auszumachen sind.


    "EXIT – und endlich heißt Frieden: 'Das passt'/
    Lieblingsplatz in 'ner friedlichen Stadt/
    Friedliche Stadt/
    Die letzten Krieger wie Fliegen geklatscht/
    "
    (Chakuza auf "EXIT")


    Der Titeltrack deutet die zaghaften Anfänge einer solchen Stimmungsaufhellung an. Die sonst klar erkennbaren In Vallis-Instrumente verschwimmen hier zu einem dichten, leicht sphärischen Klangnebel, der besonders stark an den Sound von "Magnolia" erinnert, während Chakuza mit schleppend langsamem Flow die Flucht vor Rückschlägen und Enttäuschungen sucht. Mit einem Blick in die Vergangenheit beginnt er sein Leben zu rekapitulieren, sich Fehler einzugestehen, doch sich all die guten Dinge, die er erlebte, "Stück für Stück" zurückzuholen. Die hierbei recht häufige Wiederholung des Refrains wirkt ein wenig lückenfüllerhaft und mag auf Dauer etwas stören, fügt sich andererseits jedoch ins Gesamtbild der sehr balladesk gehaltenen Trackkonzepte. Gerade im Falle von "Glas-Beton", bei dem sich der Sänger Maxim für die Hook verantwortlich zeigt, wirkt dieses sehr sanfte Klangbild aber fast ein wenig zu weich und obwohl der Beat gerade während des Refrains an Lautstärke gewinnt und kraftvoll nach vorn kommt, mutet die rauchig, zerbrechliche Gesangsstimme beinahe kitschig an. Trotz dieses Eindrucks tut man Chakuza Unrecht, verstaut man ihn aus diesem oder anderen Gründen in der Schublade der "Kuschelrapper" und stellt seine Texte als aneinandergereihte Poesiealbensprüche für die kleine Schwester dar. Manchmal muss man einfach nur an der richtigen Stelle suchen, um hinter der recht poetischen Wortwahl tiefere Bedeutungen und Anspielungen zu entdecken. Plötzlich entpuppt sich etwa ein leichtes Augenzwinkern hinter der zugegeben doch ziemlich seicht und butterweich anmutenden Hook von "RBM", wenn der Hörer weiß, dass die "Regenbogenmaschine", von der Jonathan Walter hier trällert, auf die österreichische Trash-Soap "Saturday Night Fever" anspielt, bei der eine junge Dame eine Sprinkleranlage für eine "Regenbogenmaschine" hielt.


    "Schluss mit am Arsch sein, weg von da, wo's kalt bleibt/
    Endlich ins Warme wechseln, in die zweite Halbzeit/
    Keine Tränen fließen, keiner wird mehr schießen/
    Keiner is' in den Miesen, leise und zufrieden/
    "
    (Chakuza auf "Halbzeit")


    "Halbzeit" kommt mit kräftigen Drums, melodischen Gitarrenriffs und gesanglicher Untermalung sogar ganz ohne versteckte Hinweise als positiver Titel daher, wenn Chakuza sein bisheriges Leben als vergangen ansieht, einen Schlussstrich zieht und von nun an, in der zweiten "Halbzeit", alles besser machen will. Vor diesem Neuanfang, vor dem "Anfang des Traums", macht der FOUR Music-Künstler seinem Ärger noch ein letztes Mal Luft, alle verbliebenen negativen Eindrücke und Bilder aus der Vergangenheit werden zum Ausgang geleitet und entsprechend wütend knurrend verabschiedet: "Raus, sonst kriegst du wirklich eine drauf!" Damit ist die Aufgabe von "EXIT" erfüllt. Chakuza konnte sich zurückziehen, über sein bisheriges Leben, die Hochs und Tiefs und besonders die letzte Zeit nachdenken, Résumé ziehen, abschließen, sich noch einmal alles von der Seele schreien und nun gestärkt daraus hervorgehen. "Tür auf"!


    Fazit:
    Es ist zwar noch immer kühl und bewölkt, doch inzwischen brechen deutlich mehr Sonnenstrahlen durch den dicken Wolkenvorhang und scheinen auf das kleine Haus mit der "EXIT"-Aufschrift. Allmählich entschwindet das teilweise etwas enge, aber genau deshalb einheitliche, durch das Album führende, sanfte Klangbild, verblassen die mal traurigen, mal zornigen Worte, welche meist noch vom Beenden und Abschließen, stellenweise aber bereits vom Neuanfang und der Hoffnung handelten. Sowohl die einzelnen Instrumentals als auch die Texte wirken auf den ersten Blick weniger bedeutend und schwer, als sie sich letztlich für das Gesamtwerk "EXIT" entpuppten, entfalten ihre volle Größe jedoch erst, wenn man sie mit dem Menschen, von dem sie stammen, in Verbindung bringt. Denn wenngleich Chakuza das Gefühl und die Atmosphäre von "Magnolia" nach "EXIT" mitnehmen und beibehalten konnte, die Klänge somit ähnlich und vertraut bleiben, spürt man letztlich doch, dass es besonders für den Menschen hinter dem Künstler eine bedeutsame Veränderung und einen weiteren, wichtigen Wendepunkt in seinem Leben darstellt.



    ___________________________________________________________



    Review von FreyreVer:


    Wenn man versucht, etwas einzuordnen, bleiben Vergleiche mit anderen nicht aus. Unser Gehirn wäre gar nicht in der Lage, all die zahlreichen Informationen akkurat wiederzugeben, wenn es keinen Ordnungsmechanismus gäbe, den wir Kategorien nennen. Im Rap ist das nicht anders – und speziell für Chakuza ist dieser Begriff ein entscheidender. Über den Künstler (oder den Menschen) selbst ist wohl alles gesagt nach mittlerweile vier Soloalben und fast zehn Jahren im deutschen Rap. Viel interessanter ist jedoch der Weg, den der Österreicher mit "Magnolia" im vergangenen Jahr eingeschlagen hat. Waren zuvor noch Straßenattitüde und Kollaborationen mit Kollegen wie Bushido oder Bizzy Montana an der Tagesordnung, findet er sich seit 2013 stilistisch irgendwo zwischen Casper und Gerard wieder. Der von "Magnolia" geebnete Pfad soll nun weiter begangen werden. Ob sich der neueste Langspieler als logische Konsequenz und Weiterentwicklung des Vorgängers behauptet oder schlicht und ergreifend redundant und ohne jegliche Steigerung ist, kann nicht simpel beantwortet werden. Vorab sei jedoch gesagt: Wer einen Umschwung auf dem aktuellen Album "EXIT" erwartet hatte, wird enttäuscht werden.


    "Ich konnte weder der Sonne, noch ein paar Sternen entgegenreiten/
    Die Beine waren zu schwer wegen Herzensangelegenheiten/
    Mein Platz war hier, lass sie mal alle fantasier'n/
    Denn ich bin gerade hier, zwischen Straße und Fanta4/
    "
    (Chakuza auf "Anfang des Traums")


    Eine Selbsteinschätzung, die man definitiv unterschreiben kann. Denn inhaltlich hat sich nach "Magnolia" wenig getan. Chakuza selbst sprach in Interviews retrospektiv über die Zeit während des "EXIT"-Vorgängers und beschrieb sie als die schlimmste seines Lebens. Dies spiegelte sich durchaus in den Songs wieder – auf dem neuesten Werk wird vielleicht auf Tracks wie "Roofer" ein fröhliches Klangbild angedeutet und auch die ein oder andere positiv gestimmte Zeile lässt sich finden ("Bin zufrieden mit dem, was ich hab, weil fliegen nicht klappt"), doch Melancholie ist weiterhin maßgeblich für Soundbild und Inhalt. Anspielstationen wie "EXIT" oder "1000 Dinge" bilden dabei den Tiefpunkt im Strom bergab. Fraglich ist dabei nur, ob sich diese Devise als roter Faden – der ja für ein Album durchaus wünschenswert ist – oder einfach als Eintönigkeit offenbart. Dies lässt sich nicht aus der Instrumentierung ablesen, die als solide gerade so durchgeht. Man kann zwar das, was mit In Vallis in besagter Einöde entstanden ist, als musikalische Einheit und "aus einem Guss" bezeichnen und das immer gleiche Prinzip von Pianosamples und analogen Drums führt durchaus auch zu einigen Glanzstücken, wie beispielsweise auf dem Titeltrack, wo Synthiesounds der Melancholie große Musikalität verleihen, Meist jedoch verliert sich der Sound im Einheitsbrei; gespickt mit Chakuzas Stimme lassen sich viele Titel kaum voneinander unterscheiden. Doch das ist alles dem Konzept geschuldet und clever gemacht, denn schließlich sind die Texte Mittelpunkt der gesamten Arbeit und thronen somit als oberste Priorität über allen anderen Faktoren. Oder?


    "Manchmal ist das Ganze dann für einen allein zu viel/
    Wie 30.000 Briefe für eine Schreibmaschine/
    "
    (Chakuza auf "Licht aus")


    "Und am Ende des Kampfes ein Schlag, das Nasenbein gebrochen/
    Hab' mich selber hochgejagt, als wär' ne Gasleitung offen/
    "
    (Chakuza auf "1000 Dinge")


    Natürlich kann man es als böswillig bezeichnen, sich solche Zeilen herauszusuchen. Doch gerade durch eben beschriebenen Effekt, bei dem gerade der Text durch den Minimalismus in der Musik in den Mittelpunkt gerückt wird, stechen solche Ausreißer hervor. Vergleiche müssen nicht immer mit den größten Wortspielereien verbunden sein, sie können auch passende Bilder erzeugen. Dies bleibt hier jedoch völlig aus. Dabei ist nicht zu verleugnen, dass der Interpret ein umfassendes Selbstbild zeichnet. Anscheinend, so zumindest in "Charlie Brown" beschrieben, hat er sich bunt angemalt und eine Regenbogenmaschine brauchen Jonathan Walter, seines Zeichens Songwriter und Musiker, und Chak selbst laut ebenso betiteltem Track wohl viel mehr als aufgeschobene Ziele. Wer nicht will, der hat eben schon. Zu den farbenfrohen Hobbys kommt das In-die-Luft-Sprengen von Luftschlössern namens Welt, weil sie einfach dahin gehören. Dass er dabei auf "Gegenwind" stößt, wollen wir hoffen. Dass ihm ab und an die Hände wie alte Essensreste in den Taschen festwachsen, eher weniger. Zumindest, solange er mit seinen Händen nicht vorhatte, irgendwas in die Luft zu sprengen. Doch woher all dieser Unmut, der sich anscheinend gar in Wut gewandelt hat? Eine mögliche Antwort lässt sich auf einem der inhaltsvolleren Titel finden: "Dunkel-Hell". Denn die "Hollywoodliebe" von "Magnolia" wird sich wohl verabschiedet haben. Wollte er "sein Mädchen" auf vorherigem Album noch "irgendwann mal zum Altar führen", scheint es nun doch ganz schnell vorbei zu sein. Zumindest aber bleibt es eines der wenigen Stücke mit einem inhaltlichen roten Faden – wo wir auch schon beim Hauptkritikpunkt angelangt wären. Denn neben seiner Vorliebe für das Wort "manchmal", das ganze 39 Mal Verwendung findet, erkennt man einen noch viel prägenderen Grundsatz auf "EXIT".


    "Ich rede nichts Schönes, labern alle nur Brei/
    Die Welt wegen denen rosa anmalen? Verdammt noch mal, nein!/
    Ich mach's wieder mal allein, interessiert aber kein'/
    Man sucht nur den ein', den man lieb haben könnte/
    Wieder nur könnte, immer wieder nur könnte/
    "
    (Chakuza auf "EXIT")


    Die Titel sind nämlich, sieht man vom vorhin genannten "Dunkel-Hell" ab, alle konzeptlos. Das kann zwei, drei Mal angenehm und umfassend sein. Auf Albumlänge wirkt es jedoch unkoordiniert und ohne künstlerische Struktur. Theoretisch könnte man fast jede Zeile auf jedem Lied des Langspielers beliebig austauschen und es würde nahezu nichts an dem Gesamteindruck ändern. Schade vor allem auch, weil die Features sich in diese Konzeptlosigkeit, vermutlich dem Protagonisten selbst geschuldet, nahtlos einreihen. Während die Hook von Maxim einen kleinen Lichtblick darstellt, kommt Jonathan Walter mit kraftloser Stimme daher und auch RAF Camora hat schon bessere Aussagen geliefert als "Ich betäube mich mit Rauch, die Lunge brennt, bitte holt mich hier raus – Dschungelcamp" auf "Raupe". Diese Planlosigkeit ist es letztlich, die den Inhalt des Albums fast vollständig beschreibt. Musikalisch sind nur minimale Höhepunkte zu finden. Dies könnte man durchaus verzeihen, wenn man es dem Inhalt überlässt, Eindruck zu schinden – was leider auf Albumlänge völlig unterlassen wurde. Bis auf ein paar nette Zitate für meine nächsten Instagram-Posts à la "Man tritt aus Hass gegen den Ball und schießt ins eigene Tor" (Chakuza auf "Licht aus") kann ich dem Album speziell inhaltlich nichts abgewinnen und es bleibt beim Ansatz. Zugutehalten kann man dem 33-Jährigen dabei natürlich, dass manche Selbsteinschätzungen von ihm ins Schwarze treffen ... oder ins besagte eigene Tor.


    "Ich seh' 'nen Mann, der viele seiner Liebsten gehen lassen musste/
    Und dann darüber gesungen hat, was eh jeder wusste/
    "
    (Chakuza auf "Drehscheibe")

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    01. Unsere Fans
    02. Alles wegen Dir
    03. Wie ich
    04. Zwei Dosen Sprite
    05. Schüsse in die Luft
    06. Für immer
    07. Mein Rad
    08. Vorm Proberaum (Skit)
    09. Blau
    10. Hand in Hand
    11. Meine Stadt ist zu laut
    12. Schöner Tag
    feat. Casper
    13. Deine Gang


    Bonus-Tracks:
    14. Weit weg
    15. Gestern Nacht
    16. Irgendeine Nummer


    Da es für mich bis nach Karl-Marx-Stadt nur ein Katzensprung ist, sind mir die fünf Mitglieder der Chemnitzer Formation Kraftklub nicht erst seit deren Teilnahme am Bundesvision Song Contest bekannt. Denn das erste Release ("Adonis Maximus") ist tatsächlich bereits vier Jahre her und kam bei der breiten Masse noch nicht so an. Dafür wurden sie aber hierzulande schon bei einer Handvoll Kennern als "Geheimtipp" gehandelt. Schließlich war die Kombination aus Indierock und Rap – beim ersten Album meiner Meinung nach treffend als "Roap" bezeichnet – damals etwas angenehm anderes. Zumal sie sich nicht zu schade waren, ihre erste Single "Zu jung" schamlos inklusive einiger schiefer Töne zu releasen, was auch noch mal von einer gewissen Sympathie zeugte. So ist es nur wenig verwunderlich, dass sich kürzlich am 20. September neben mir noch rund 9.999 andere Fans bei einem spontanen Gig in Chemnitz einfanden und den Klängen des neuen Albums "In Schwarz" lauschten. Doch begeistert das neue Album noch so wie die ersten, im Hobbykeller entstandenen Songs oder sind Kraftklub am Ende Opfer dessen, was sie selbst besingen?


    "Unsere Fans haben sich verändert/
    Unsere Fans haben sich verkauft/
    Unsere Fans sind jetzt Mainstream/
    Für unter Hunderttausend stehen die erst gar nicht auf/
    "
    (Karl Schumann auf "Unsere Fans")


    Felix begrüßt uns jedenfalls gewohnt aufgedreht und schließt nebenbei an das erste Lied des vorangegangenen Albums an. Damals ging es um ihren angehenden Hype, den sie noch nicht fassen konnten, diesmal um den vorherrschenden Hype um sie – was standardmäßig ja bedeutet, dass sie gewissermaßen im Mainstream angekommen sind. Das klingt etwas selbstverliebt, wenn man das von sich selbst behauptet, wird aber durch die eingenommene, umgekehrte Sichtweise zu einem durchaus eigenständigen Stück Lyrik, welches sich von der Masse abhebt. Nebenbei startet man damit gut in die Platte, denn auch auf den restlichen Tracks erwarten einen noch einige erfrischend andere Texte, gepaart mit dem altbekannten Indierock der Band. Selbiger wird nach wie vor verkörpert durch Karl und Steffen an den Gitarren, Till am Bass und Max am Schlagzeug.


    Doch so schön es auch ist, wenn die Besetzung einer Band gleich bleibt: Der Sound hätte deswegen nicht auch der gleiche bleiben müssen. Während "Mit K" in meinen Ohren zu Unrecht von manch einem aufgrund von Eintönigkeit kritisiert wurde, wirken die Tracks auf "In Schwarz" vom Soundbild her doch teils sehr ähnlich. Das Gute hingegen ist, dass die simplen Gitarrenriffs aber auch sehr eingängig sind und immer eine gewisse Partystimmung verbreiten. Indierock eben, wie man ihn sich wünscht und von Kraftklub kennt. Unterstützt wird er von ein paar simplen "Oh"s und "Ah"s als Backgroundgesang in Tracks wie "Blau" oder "Wie ich". Damit allerdings trotzdem ein wenig Abwechslung reinkommt, zeigen die fünf Chemnitzer auf "Schöner Tag", was sie in Richtung Metal so drauf haben. Und auch einige ruhigere Lieder wurden wieder kreiert. So wird, nachdem man "vorm Proberaum (Skit)" darauf hingewiesen wurde, man könne ja eine Country-Gitarre einbauen, dies drei Tracks später in einem ruhigen Lied über die hiesigen Clubs scheinbar auch getan. Kurzum klingen die Tracks also vom Grundton her ähnlich, aber durchhören kann man das Album trotzdem, ohne dass einem dabei langweilig wird – vorausgesetzt, man löscht den eben genannten, zwei Minuten langen Skit aus der Playlist, der mich nur beim ersten Hören ein wenig amüsieren konnte.


    "Ich hatte mal ein Rad, ein wunderschönes Rad/
    Mit einem wunderschönen Sattel und 'nem wunderschönen Rahm'n/
    Damit bin ich weit weit gefahr'n, in den drei Jahr'n war ich glücklich/
    Ich brauche keine Gänge und kein Rücklicht/
    "
    (Felix Brummer auf "Mein Rad")


    Während die Instrumentale nicht von allzu großer Weiterentwicklung zeugen, kommt Frontmann Felix dafür mit umso innovativeren Texten daher. Mit Witz, Seitenhieben gegen Klischees und neuen Herangehensweisen an altbackene Themen wissen viele Titel der 16 Stücke umfassenden Tracklist textlich sehr zu überzeugen. So ist das eben zitierte Stück auf den ersten Blick vielleicht "kein Liebeslied", auf den zweiten aber handelt es sich bei dem Rad um eine etwas andere Metapher für die kürzlich Verflossene. Dabei werden derlei Konzepte immer mit Liebe zum Detail umgesetzt und auch Anspielungen auf Bands wie "Die Ärzte" (" Schüsse in die Luft") oder auch ihre eigenen ersten Lieder fallen dem aufmerksamen Hörer sicher des Öfteren auf. Besagtes "Schüsse in die Luft" beinhaltet außerdem im Refrain eine amüsante Parodie auf die oft verwendeten Schussgeräusche im Gangsterrap und ist inhaltlich eine ansprechende Ode an die Motivationslosigkeit der heutigen Gesellschaft. Kurz gesagt serviert Felix Brummer reife, abwechslungsreiche Texte mit Hooks, die man wieder mitgrölen kann, selbst wenn man nicht "blau" ist. Manchmal wirkt das zwar etwas zu poppig, wenn beispielsweise nach einem etwas erzwungen harten Part von Casper die weichgespülte Hook einsetzt. Kann man jedoch verzeihen, da auch hier Wert auf das Gesamtbild des Tracks gelegt und dieser Kontrast bewusst eingebaut wurde. Klar, der Gesang ist generell noch ein wenig Geschmackssache, aber zum einen gehört das zum Stil von Kraftklub, zum anderen klingt er in meinen Ohren definitiv besser als auf ihrem ersten Release.


    "Richtig spitze der Tag, find' ich schön, dass du fragst/
    Nimm meine Hand, wir gehen auch Tauben vergiften im Park/
    Dann in die Garage, so ganz im Anzug, im Cabrio/
    Radio laut, Stickstoffmonoxid auf und lach' mich tot/
    "
    (Casper auf "Schöner Tag")


    Fazit:
    Schlussendlich hatten Kraftklub es sicher nicht leicht, an den Erfolg des ersten Nummer-eins-Albums anzuschließen. Doch die Fans, die sie vor allem wegen ihres Indierock-Sounds lieben, haben sie definitiv auf ihrer Seite. Denn die diesmal immerhin knapp 60 Minuten knüpfen diesbezüglich nahtlos an den Vorgänger an und verbreiten wieder gute Laune. Manch einer wird vielleicht gerade dieses Festfahren auf einen Musikstil – wie ich selbst – als etwaigen Kritikpunkt sehen, aber diejenigen sollten sich durch die textliche Weiterentwicklung von Felix samt der sangesstarken Unterstützung durch Karl gut wieder zufrieden stimmen lassen. Spätestens der kürzlich erneut erreichte Platz eins der Albumcharts unterstreicht den Erfolg des aktuellen Albums zusätzlich. Gönnen kann man ihnen das auf jeden Fall, denn nach wie vor heben sie sich enorm vom Rest der Deutschrap-Landschaft ab und bringen frischen Wind in die Szene – obwohl mancher HipHop-Head und Freund übertriebener Flows sie nicht zu selbiger zählen wird ...



    Lukas Päckert (FlatDieter)

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    Nachdem das über Jahre geschlossene Kultlabel Showdown Records kürzlich wieder seine Pforten öffnete, war einer der ersten Namen, die man unter den frischen Künstler-Signings lesen konnte, "Shawn The Savage Kid". Und auch wenn viele Deutschrapfans von dem gebürtigen Regensburger bislang vermutlich noch nichts gehört haben: Die Plattenfirma, die früher unter anderem Gruppierungen wie Deichkind beheimatete, erkannte das Potenzial in dem Newcomer. Inzwischen blickt Shawn auf zwei EP-Veröffentlichungen zurück. Sein aktuelles Werk, "Egoprobleme", ist gerade wenige Monate alt, am ersten richtigen Album wird bereits geschraubt – also höchste Zeit für uns, mit dem Act mal ein paar Worte zu wechseln ...


    rappers.in: Wir würden zu Beginn des Interviews gerne eine Frage aus der Sicht der Deutschrap-Szene an dich stellen, die du uns beantworten darfst. Woher kennen wir uns eigentlich?


    Shawn The Savage Kid: Wir kennen uns mittlerweile vom Splash! und von YouTube, schätze ich mal. (lacht)


    rappers.in: Verbindest du mit dem Splash! besondere Momente? Campst du zum Beispiel schon hier, seit du 13 Jahre alt bist oder ...


    Shawn The Savage Kid: (unterbricht) Ja, ich war schon recht oft auf dem Splash! und habe die letzten drei, vier Jahre auch immer mit irgendwelchen Kumpels gespielt – sei es jetzt mit den Demograffics oder mit Ra-B, der seit zwei Jahren den Biergarten hostet. Auch wenn wir nie direkt auf dem Line-up standen, waren wir immer irgendwo und haben gerappt. (lacht)


    rappers.in: In deiner Biografie heißt es, du seist der gelebte Gegensatz. Kannst du uns kurz ein paar Gegensätzlichkeiten aufzählen, die dich und deine Musik ausmachen?


    Shawn The Savage Kid: Ja. Ich mag sehr gerne ruhige Momente, sowohl musikalisch als auch im privaten Leben. Und ich bin eigentlich schon ein gemütlicher Mensch, chill' gerne, lese, hör' ruhige Musik, Jazz und was weiß ich. Gleichzeitig bin ich aber auch vier Tage lang einfach mal nicht zuhause, streife durch die Straßen und feier' mit meinen Freunden. Keine Ahnung ... (überlegt) Ich hab' irgendwie sehr viele Kontroversen in mir, könnte man im Endeffekt sagen. Ich feier' hardcore auf Trap-Beats im Club und trinke den ekelhaftesten scheiß Schnaps an der Bar, gehe dann aber gerne am nächsten Tag wieder in die Uni, studier' und lern' irgendwas.


    rappers.in: Was studierst du denn, wenn ich fragen darf?


    Shawn The Savage Kid: Ich studier' "Internationale Entwicklung". Das ist so ein links-normativer, politisch orientierter Studiengang.


    rappers.in: Neben diesem normalen Shawn vereinst du mit STSK ja noch eine weitere Persönlichkeit in dir. Diese stellst du als, sagen wir mal, sehr verkorkst dar. Wo genau liegt denn die Verbindung zwischen den beiden Charakteren?


    Shawn The Savage Kid: Auf jeden Fall, dass es immer um meine Leute geht. Egal, ob es der STSK oder der Shawn ist: Es sind immer die engsten Leute um einen herum und die bleiben auch, egal, wie abgefuckt man gerade ist. Und auch die Liebe zur Musik ist, würde ich sagen, eine absolute Gemeinsamkeit. Egal, in welcher Richtung sie sich äußert. Rap und Beats machen, das können und lieben sie beide und das feiern sie.


    rappers.in: Haben die Leute in deinem Umfeld denn einen persönlichen Favoriten unter den beiden Persönlichkeiten? Gibt's da Leute, die sagen: "Ey, mach mal mehr den Shawn" oder: "Eigentlich würd' ich lieber was von STSK hören"?


    Shawn The Savage Kid: (grinst) Das gibt's tatsächlich. Das ist von Nummer zu Nummer unterschiedlich. So ein paar bestimmte Freunde sagen halt: "Komm, Diggi, scheiß jetzt mal aufs Beatbauen und lass' feiern gehen", und andersrum ist das genauso.


    rappers.in: Gibt's da denn auch Gehate? Also kein richtiges Gehate, aber beispielsweise einen aus deiner Crew, der sagt: "Warum machst du die eine Person überhaupt, wenn du die andere viel krasser verkörpern kannst"?


    Shawn The Savage Kid: Nein, überhaupt nicht. Das Schöne an den beiden Dudes ist ja auch, dass das beides ich bin. Die Leute, mit denen ich cool bin, mögen beide ... auf irgendeine Art und Weise. (lacht)


    rappers.in: Den Zwiespalt zwischen beziehungsweise die Vereinbarkeit von diesen beiden Charakteren hast du auch auf deiner Single "(Alter)egoprobleme" thematisiert und dort deutlich aufgezeigt, dass STSK eigentlich einen ziemlich asozialen Touch hat, wenn man das so sagen kann. In welchen Momenten fühlst du dich dieser Person denn besonders nah und wann überhaupt nicht oder wann lehnst du das für dich eher ab?


    Shawn The Savage Kid: Mich nahe fühlen ... (überlegt) Das ist irgendwie schwierig zu sagen, weil es ja nicht so ist, dass ich jetzt aufwach' und dann einer dieser beiden Charaktere bin. Das ist vielmehr ein fließender Übergang. Beziehungsweise ist es eigentlich überhaupt kein Übergang. Es ist beides gleich und irgendwie total schizophren, man weiß es nicht genau. (lacht) Im Endeffekt bin ich diesem Shawn dann am Nähsten, wenn ich unglaublich viel Spaß mit meinen Freunden hab', auf Gott und die Welt scheißen kann und wir einfach unser Ding durchziehen.



    rappers.in: Wie kam es überhaupt zu der Idee, diesen fiktiven Charakter zu kreieren? Ist Rap für dich mehr Image oder mehr Realität?


    Shawn The Savage Kid: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaub', das ist so ein bisschen was von beidem. Es ist halt Ansichtssache, wie viel Persönliches man da hineinfließen lässt. Ich rappe ja sehr viel und mach' ab und zu auch Storytelling, wo ich mich als Person komplett rausnehm'. Aber trotzdem kommen da natürlich persönliche Erfahrungen mit rein, die ich dann durch jemand anderen verarbeite und ... wie war die Frage nochmal? (alle lachen)


    rappers.in: ... Ob Rap für dich mehr Image oder Realität ist.


    Shawn The Savage Kid: Im Endeffekt mehr Image, weil Rap ja immer noch Competition ist. Auch ein Storyteller will besser Stories tellen als ein anderer, so ist das zumindest bei mir. (grinst) Wenn man eine Battlephrase nimmt: Die allerwenigsten Rapper heute würden das so auch zu 'nem Kumpel oder zu einer Person auf der Straße sagen – außer, man ist grad' in 'nem Film oder was weiß ich. Aber die härtesten Rapper sind eh die nettesten Leute. Das werdet ihr ja wahrscheinlich auch schon bemerkt haben.


    rappers.in: Zu "(Alter)egoprobleme" hast du zwei Videos gedreht, die man nach einem kurzen Intro durch jeweiliges Anklicken eines "Saft"- oder "Bier"-Buttons auswählen kann. Ist dir eigentlich aufgefallen, dass das "Saft"-Video mehr Klicks bekommen hat als das "Bier"-Video? Was denkst du, woran das liegt?


    Shawn The Savage Kid: Ich weiß es eigentlich gar nicht. Ich hab' nicht so darauf geachtet, wie das angekommen ist, aber vielleicht liegt das einfach daran, dass das ein bisschen schöner gedreht ist. Darin sieht man schöne Bilder und alles wirkt sehr harmonisch – das andere Video ist vielleicht ein bisschen stressig und von den Bildern her nicht ganz so schön anzuschauen.


    rappers.in: Aber wenn die Leute das zu Beginn auswählen, wissen sie vorher ja nicht, was sie im Video genau erwartet ...


    Shawn The Savage Kid: Ja, das stimmt.


    rappers.in: Würdest du sagen, dass das eine gewisse Aussage über deine Fans liefert? Dass sie vielleicht eher diesen charmanteren, lockeren, fröhlichen Shawn haben wollen?


    Shawn The Savage Kid: Puh, da hab' ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht. Ich hätte auf jeden Fall zuerst auf das "Bier"-Video geklickt. (grinst) Da erwarte ich mir irgendwie Spaß von.


    rappers.in: Nimmst du es auch so wahr, wenn du mit deinen Fans interagierst? Dass sie nicht von dieser pöbelnden Art sind, sondern eher intelligenter und gebildet? Du sprichst ja selbst von Ehrlichkeit, Storytelling und Freundlichkeit ...


    Shawn The Savage Kid: Ja, das stimmt schon. Ich werd' auch irgendwie ganz oft mit ... (überlegt) ja, mit "Rucksack-Rap" oder so gleichgesetzt. Oder viele meiner Fans gehen einfach davon aus, dass ich so ein Boom bappiger Oldschool-Dude bin, der für "Peace, Love and Harmony" oder so etwas steht. Im Endeffekt sind das alles liebe Leute und wenn sie das mögen, was ich mache, dann freut mich das natürlich. Egal, wer das dann ist. Dass das jetzt vielleicht Leute sind, die zum Beispiel auch auf Sprache stehen und sich damit beschäftigen, kann schon sein. Weil das ja auch etwas ist, von dem ich selbst komme.


    rappers.in: Der Track "(Alter)egoprobleme" ist Bestandteil der EP "Egoprobleme", die kürzlich erschienen ist. Nach "Kennen wir uns?" vor gut einem halben Jahr ist das deine zweite EP. Wieso hast du dich dazu entschlossen, wieder eine EP und kein Album zu machen und wo liegen für dich die Vor- und Nachteile von diesen beiden Formaten?


    Shawn The Savage Kid: Es wurde im Endeffekt eine EP, weil wir nur ein paar Tracks machen wollten, um diese for free rauszuhauen. Einfach, um ein bisschen was nachzuschieben und zu zeigen: Hey, ich bin noch am Start. Dann hab' ich eben die Skizzen bei mir zuhause in Wien aufgenommen und sie den Showdown-Jungs geschickt. Die haben mich dann angerufen und meinten: "Wir müssen das rausbringen, wir müssen das pressen, das ist gut!" Es macht keinen Sinn, das einfach ausm Fenster zu werfen, weil ein Free-Track auch nur eine Lebensdauer von einer Woche hat. Aber die Tracks an sich hatten qualitativ die Fähigkeit, noch ein richtiges Release daraus zu machen. Und deswegen ist es halt 'ne EP beziehungsweise überhaupt noch ein Release geworden. Die Vorteile sind klar: Dass du relativ schnell kompakt etwas zusammenschustern und dann schauen kannst, dass die fünf, sechs Tracks, die du hast, einfach wirklich gut sind. Und bei 'nem Album ist es meiner Meinung nach oft so, dass das über die gesamte Länge nicht konstant stark ist. Da gibt's halt ein paar Leuchttürme, aber der Rest besteht dann eher aus Filler-Tracks. Und wenn man die dann rausnehmen würde, hätte man auch wieder eine EP. Deswegen macht 'ne EP auch Sinn für mich als Hörer. Andererseits ist es natürlich auch so, dass die Leute irgendwann ein Album erwarten und dass die Aufmerksamkeit bei einem Album einfach höher ist. Da geht's dann einfach um die Wurst, auf gut Deutsch gesagt. Wenn ein Newcomer sein erstes Album macht, dann ist das einfach etwas Besonderes. Und deswegen gehen wir das eh bald an. (grinst)


    rappers.in: Das heißt, du wirst bald ein Album machen?


    Shawn The Savage Kid: Ich bin schon dabei. Ich mach' die ganze Zeit Tracks. Ob's jetzt ein Album wird oder vielleicht noch eine EP oder ein Mixtape oder ein Hörbuch – das weiß ich noch nicht.


    rappers.in: Du hast gerade schon kurz erwähnt, dass du jetzt bei dem Label Showdown Records unter Vertrag stehst, wo Anfang der 2000er auch Deichkind gesignt wurden, die du, wenn man deiner Facebook-Seite glauben darf, auch selber gerne hörst ...


    Shawn The Savage Kid: Nee. (lacht) Also, Square One höre ich wohl gerne, die waren da auch gesignt. Deichkind ... (überlegt) Das ist eigentlich nicht so meins, habe ich auch früher nicht gehört. Aber ich hab' überhaupt nichts gegen die und bin da eh total offen. Jeder darf das machen, was er will, aber das ist nicht meine Musik.



    rappers.in: Fühlst du dich Deichkind gegenüber denn in musikalischer Hinsicht verpflichtet, die Fahne für Showdown Records hochzuhalten, weil sie darüber ja groß geworden sind und Showdown jetzt relativ lange die Tore geschlossen hatte?


    Shawn The Savage Kid: Nee, eigentlich nicht. Es ist schon eher so, dass ich freie Hand hab' und machen kann, was ich will. Und ich hab' halt die Möglichkeit, wirklich frische Sachen zu machen und nicht zu sehr nach hinten zu schauen. Ich muss nicht versuchen, alte Erfolge oder Herangehensweisen an Musik zu wiederholen, sondern kann meinen eigenen Weg finden. Und ich muss sagen, dass mich Showdown da super unterstützt und mir immer den Rücken gestärkt hat. Genau das, was ich wollte, ist passiert.


    rappers.in: Und wie ist der Kontakt zwischen dir und Showdown Records zustande gekommen?


    Shawn The Savage Kid: Ich hab' mal angefangen auf Englisch zu rappen und war dann für ein Jahr in Südafrika. Da hab' ich mit 'nem Kumpel zusammen eine EP aufgenommen und davon hatten wir noch ein uraltes Künstlerprofil. Daraufhin haben mir die Leute von Showdown irgendwann letztes Jahr eine Nachricht geschrieben. Dann, genau vor einem Jahr aufm Splash!, haben wir uns persönlich getroffen, ein bisschen gequatscht und daraus ist der Deal entstanden.


    rappers.in: Wie reihst du dich deiner Meinung nach zwischen den anderen Künstlern ein, die jetzt bei Showdown unter Vertrag stehen?


    Shawn The Savage Kid: (überlegt) Hm, also, es ist schon ganz interessant. Mit dem Signing von Disarstar sind wir ja jetzt zu dritt. Jeder Künstler ist für sich irgendwie eigen. Es ist nicht so, dass sie dreimal den gleichen Rapper-Typ signen und deswegen steht jeder Künstler, glaube ich, schon für sich. Daran sieht man auch, dass Showdown eben nicht versucht, einen Rapper-Typ unter Vertrag zu nehmen, der halt gerade en vogue ist, sondern, dass es da auch um Individuen und um Charakter geht. Halt um Leute, die für sich etwas ausmachen. Ich würde mich da jetzt auch nicht einreihen als "der Storyteller" von den Dreien oder als "der Österreicher" ... der ich ja überhaupt nicht bin. (lacht)


    rappers.in: Was für einen Stellenwert nimmt die Musik denn aktuell in deinem Leben ein? Ist das für dich mehr ein Hobby oder hast du ein festes Ziel vor Augen, das du unbedingt erreichen willst – vielleicht gerade auch auf dein Label-Signing bezogen?


    Shawn The Savage Kid: Also, prinzipiell ist es so, dass ich wirklich so viel Musik mache, wie es nur geht. Ich studier' nebenbei und muss irgendwie auch schauen, dass ich meine Miete bezahlen kann und so weiter, aber Mucke steht neben meiner Freundin an erster Stelle. Was ich erreichen will? Ich will im Endeffekt natürlich ein Album machen, mit dem ich für immer zufrieden sein und hinter dem ich stehen kann. Ich habe da jetzt keine kommerziellen Ziele oder Erwartungen, wie das von der HipHop-Gemeinde aufgenommen werden soll. Ich will einfach nur ein Album machen, mit dem ich zufrieden bin und bei dem jeder erkennen muss, dass es anders ist als vieles andere und dass es gut gemacht ist. Ich meine, Geschmäcker sind immer verschieden, aber wenn man ehrlich ist, kann man Qualität schon anerkennen. Und das will ich erreichen.


    rappers.in: Damit wären wir schon bei der letzten Frage. Wenn du dir eine Zeit im Deutschrap aussuchen könntest, in der du gerne aufgewachsen wärst – welche wäre das und warum?


    Shawn The Savage Kid: Als Hörer aufgewachsen oder als aktiver Rapper?


    rappers.in: Als Hörer aufgewachsen, sodass dich das vielleicht auch selbst beeinflusst hat. Vielleicht auch ein jugendliches Alter, in dem du selber mit dem Rappen angefangen hast.


    Shawn The Savage Kid: (überlegt) Vielleicht ein paar Jahre früher. Wobei ...


    rappers.in: Welche Jahre früher denn und warum? Vielleicht auch in Bezug auf Sachen, die man gerne miterlebt hätte.


    Shawn The Savage Kid: Ach so, stimmt! Ich bin jetzt 24 und zum Beispiel ein bisschen zu jung für den ganzen alten Berlin-Kram. Das haben wir natürlich auch gepumpt, aber das war da halt schon alles draußen. Ich wär' gerne dabei gewesen, als die ersten M.O.R.-Tapes und Sekten-Dinger rausgekommen sind. Das zu diggen, was komplett anders ist, als alles andere in Deutschland. Die Zeit mitzuerleben, das wäre geil gewesen!


    rappers.in: Weil's anders ist?


    Shawn The Savage Kid: Ja, weil's halt wirklich was ganz anderes ist als das, was davor gewesen ist und Rap-Deutschland so geprägt hat wie wenig sonst. Berlin vor 15 Jahren – da wär' ich gern aktiver Rap-Hörer und jemand gewesen, der auf 'ne Jam in Berlin fährt.


    rappers.in: Glaubst du, das hätte deinen Rap, so wie er heute ist, beeinflusst?


    Shawn The Savage Kid: Bestimmt. Ich bin aufgewachsen, als mir im Deutschrap gar nichts getaugt hat. Deshalb hab' ich halt nur Ami-Rap gehört ... und noch ein bisschen Dynamite Deluxe, aber das war's dann auch schon. Das hätte mich bestimmt geprägt, aber dann wär' ich jetzt auch schon älter und könnte nicht die aufregende Zeit jetzt erleben. Von daher passt das schon.



    (Kristina Scheuner & Sascha Koch)


    Nachdem wir Euch gestern mit "Abseits der Norm" bereits den ersten Videovorboten auf die neueste EP des Mannheimer Rappers GReeeN präsentierten (zum Artikel), folgt heute das offizielle Release des Miniwerks. "Hippie 2.0" könnt Ihr Euch – wie schon den Vorgänger "Alles grün" im vergangenen Jahr – ab sofort exklusiv auf rappers.in herunterladen. Die EP umfasst fünf neue Songs des Rappers und kommt dabei komplett ohne Gastpart-technische Unterstützung aus – nachsommerlicher Sound vom Feinsten!


    Download starten.


    Tracklist:
    01. Hippie
    02. Ich bin hier
    03. Frauen
    04. Abseits der Norm
    05. Eis essen


    Hier könnt Ihr Euch noch einmal das offizielle Video zu "Abseits der Norm" auf unserem Channel ansehen:


    [youtube]oBA7WJFTMYg[/youtube]



    (Florence Bader & Pascal Ambros)


    Er kam aus dem Nichts und eroberte die Musik-Nation: Der Stuttgarter Erfolgsrapper Cro erklomm 2012 mit seinem Hit-Album "Raop" die Album-Chartspitze und Songs wie "Du", "Einmal um die Welt" oder "Easy" kursieren immer noch durch die Radiosender dieses Landes. Am 6. Juni erschien das zweite Solo-Album "Melodie" des jungen Künstlers. Einige Zeit danach verlosen wir Euch ein Exemplar von "Raop +5", der erweiterten Version des vorangegangenen Platin-Albums. Um diese CD zu gewinnen, müsst Ihr nur folgende Frage beantworten:


    Wie hieß Cros erster Nummer-eins-Hit in Deutschland?


    a) Easy
    b) Traum
    c) Einmal um die Welt
    d) Whatever


    Schreib eine Nachricht mit dem Betreff "Cro" und der richtigen Antwort an den Redaktionsaccount, in welcher Du sowohl die Antwort als auch Deinen vollständigen Namen und Deine Adresse angibst. Einsendefrist ist diesmal Freitag, der 29. August, um 23:59 Uhr. Weitere Informationen zu Cro findet Ihr hier.


    Wir wünschen allen Teilnehmern viel Glück!


    Eure Redaktion


    Teilnahmebedingungen:
    [list=1]
    [*]Mitarbeiter von rappers.in und deren Angehörige sind von der Verlosung leider ausgeschlossen.
    [*]Jede (versuchte) Mehrfachteilnahme führt zur Sperrung des Teilnehmers für die jeweilige Verlosung.
    [*]Die Gewinner werden innerhalb von 2 Wochen nach Ablauf der Verlosung benachrichtigt.
    [*]Mit der Teilnahme am Gewinnspiel erklärt sich jeder Teilnehmer ausdrücklich damit einverstanden, soweit dieses für das Gewinnspiel notwendig ist, dass rappers.in übermittelte Daten für die Dauer des Verlosungszeitraums sowie zur Abwicklung des Gewinnspiels speichert.
    [*]Die gespeicherten personenbezogenen Daten werden grundsätzlich nicht an Dritte weitergegeben. Lediglich, soweit das erforderlich ist, um das Gewinnspiel abzuwickeln.
    [*]Teilnehmer unter 18 Jahren müssen für die Teilnahme am Gewinnspiel und Übermittlung der Daten die Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters einholen.
    [*]Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
    [*]Die Teilnahme am Gewinnspiel ist nur online möglich und der jeweilige Gewinner wird per privater Nachricht informiert.[/list=1]


    Knapp fünf Jahre ließ sich Deutschrap-Urgestein Afrob Zeit für sein fünftes Soloalbum "Push", mit dem er vor wenigen Wochen sein großes Comeback in der Deutschrapszene feierte. Seit seinem Debüt-Release "Rolle mit HipHop" sind inzwischen 15 Jahre ins Land gezogen – zu berichten hat der gebürtige Italiener damit sicherlich einiges. Immerhin konnte er die wichtigsten Entwicklungen der deutschsprachigen Rapszene von Anfang an hautnah mitverfolgen – und teilweise auch -gestalten. Was sich sowohl in der Szene als auch bei Afrob selbst im Vergleich zu damals verändert hat? In unserem Interview stand uns das ehemalige ASD-Mitglied Rede und Antwort. Push!


    rappers.in: Du bist ja schon sehr lange dabei, wie viele Interviews hast du generell schon gegeben?


    Afrob: Das weiß ich nicht.


    rappers.in: Macht dir das noch Spaß?


    Afrob: Ja. Ich bin auch ein vielseitiger Mensch. Jeder sieht was anderes in mir. Da ich auch so polarisiere, sind die Interviews immer sehr unterschiedlich.


    rappers.in: Polarisierst du als Mensch oder als Kunstfigur?


    Afrob: Das kann ich gar nicht mehr so trennen. Vieles, was ich als Kunstfigur mache, ist auch einfach privat. Und andersrum. Deshalb habe ich auch kein Problem mit persönlichen Fragen. Ich bin keiner, der von vorneherein sagt: Die und die Frage möchte ich nicht hören. Das ist ein bisschen pussy, finde ich ...


    rappers.in: Kommt dir nicht manchmal im Privaten der Gedanke: "Du kennst mich nicht, auch wenn du meine Musik hörst und mal ein Interview gelesen hast. Du kennst mich einfach nicht, also halt die Schnauze"?


    Afrob: "Halt die Schnauze", das musste ich echt sehr selten sagen. Ich kann mich da gar nicht wirklich dran erinnern. Wenn es so war, dann war die Diskussion schon am Peak. Das hat ja nicht mit "Hier, ich finde dich blöd!" oder so angefangen. Da war das Tempo dann schon auf 180 und endet auch dementsprechend. Ich höre Leuten immer sehr gerne zu, ich lasse sie auch ausreden. Wenn sie deine Musik hören, dann haben sie bestimmt auch Tausende von Sachen, die sie dir einfach gerne mal sagen wollen. Dann fühle ich mich auch irgendwie als Fansupporter, sodass ich dann denke: Das ist eine echte Chance. Ganz ehrlich: Ich lerne ganz viel von den Resonanzen, die ich bekomme. "Du kennst mich nicht, also kannst du auch nicht über mich urteilen" ist mittlerweile auch bei jedem angekommen. Wenn es solche Leute noch gibt, Neandertaler, die tribunalmässig konspirativ zusammensitzen und alles über einen wissen, aber keiner von denen hat einen jemals getroffen, das finde ich immer ganz schlimm. Kennst du die Szene, wenn drei Leute im Raum sind und einer verlässt den Raum? Es dauert eine Sekunde, dann wird über den gesprochen. Das machen alle. Ich habe so etwas noch nie gemacht, genau aus dem Grund. Weil ich nicht wollte, dass Leute das mit mir machen. Ich habe kein Problem damit, wenn Leute mir etwas sagen wollen, ich scheue die Diskussion nicht. Ich schaue mir das manchmal auch online an. Ich hab' das einfach alles schon hundertmal durch, deswegen verletzt mich das nicht, wenn da schlimme Sachen stehen. Die ignoranten Sachen muss man als solche abtun. Manchmal tut es echt gut zu wissen, wo man steht. Man stellt sich auch noch mal kurz selbst infrage. Dann weiß man auch genau, ob das jetzt der Weg ist oder nicht.


    rappers.in: Es gibt doch auch sicher Leute, die sagen: "'Rolle mit HipHop' habe ich gefeiert, aber was soll das jetzt?" Die, die einfach persönlich getroffen und enttäuscht sind.


    Afrob: Sowas lese ich eigentlich gerne. Auch wenn die Analyse falsch ist. Oder die Vermutung. Da höre ich auch manchmal Enttäuschung raus, also echte Enttäuschung. Aber ich muss sagen, der Großteil der Leute, die mit mir diesen langen Weg gegangen sind, die kennen mich auch schon ein bisschen. Ich bin ein ehrlicher Junge. Das, was ich mache, versuche ich auch immer ehrlich zu machen. Ob jetzt Rap oder Interviews oder so. Dann bin ich halt so, wie ich bin, und das nehmen die mir auch nicht übel. Deshalb gibt es wenige Leute, die jetzt sagen können, dass ich sie großartig enttäuscht hätte oder so. Das, was ich getan habe, konnte ich auch immer begründen – mehr oder weniger nachvollziehbar für den anderen. Aber: Man muss auch einfach meine Platten mal hören. Das ist, glaub' ich, ein ganz großes Problem von vielen. Ist auch gut, dass ich da jetzt drauf komme. Das ist nämlich wirklich ein Problem von mir, dass die Leute meine Alben nicht hören.


    rappers.in: Okay ...?!


    Afrob: Also alles. Nicht einfach nur vier, fünf Songs. Für mich ist ein Album alles. Jeder Kick ist da wichtig. Ich pack' da nicht einfach Tracks drauf. Von der ersten bis zur letzten Sekunde weiß ich ganz genau, was ich mache. Und da macht mir auch keiner was vor, das hab' ich einfach drauf. Und irgendwas kann ich ja auch gut. Man bekommt das ja auch nicht einfach geschenkt oder so. Das ist auch das Interesse an der Musik und der Wille, einfach gut zu delivern. Deshalb ist es, glaub' ich, sehr wichtig, dass man bei mir das ganze Album hört. So ein Album ist für mich auch einfach das Leben – für eine Weile. Das stirbt nicht nach sechs Monaten oder so. Ich arbeite wirklich, wirklich hart an den Platten, weil ich möchte, dass die Leute eine Platte einlegen und es einfach gut klingt. Mir ist das wichtig, dass die da Hörspaß haben.



    rappers.in: Was empfindest du hinterher als schlimmer: Wenn jemand sagt: "Okay, das ist Fahrstuhlmusik, mir egal" oder wenn die Musik negative Emotionen weckt?


    Afrob: Eigentlich ist das egal, oder? Manchmal sagen Leute etwas auf Facebook, das ist echt kritisch, und ich würde es am liebsten liken. Es kommt wirklich drauf an, wie dumm es ist, was jemand sagt. Ich kann super damit leben, wenn jemand sagt, er kann damit einfach nichts anfangen. Wirklich. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Ich kann trotzdem mit dem chillen. Dieses Eingeschnapptsein hat man mir früh abtrainiert. Schon bei meinem ersten Album. Ich hatte ein gutes Umfeld, die Kritik war immer direkt. Ich bin da auch sensibel, klar. Man gibt etwas preis und wenn du so jung warst wie ich, bist du in manchen Situationen dann überfordert. Aber dieses "Keiner darf mich kritisieren", das habe ich früh abgelegt. Und darüber bin ich gottfroh, das kannste mir glauben. Sonst hätte ich nie die Dinge gemacht, die ich gemacht habe ...


    rappers.in: Würdest du sagen, du bist arrogant in dem Sinne, dass du weißt, was du kannst – und bist dabei aber auch nicht unfehlbar?


    Afrob: Unfehlbar? Wer ist das denn schon?


    rappers.in: Es gibt genug Leute, die sich dafür halten.


    Afrob: Um Gottes Willen. Was ich in den letzten Wochen Tour gelernt habe, ist unglaublich. Die Lernerei hört einfach nie auf. Deswegen arbeite ich auch gerne mit anderen Leuten zusammen, jeder hat andere Herangehensweisen an Songs, das ist immer interessant, da zuzugucken und für einen selber etwas rauszuziehen. Man lernt nie aus. Das Lernen macht mir immer noch Spaß. Was hast du noch mal gefragt?


    rappers.in: Ob du dich als arrogant erachtest.


    Afrob: Nee, arrogant ist das nicht. Ich glaube immer, es ist wichtig zu wissen, was du kannst und was du nicht kannst und dann kann man immer noch an den Defiziten arbeiten. Aber ich will erstmal versuchen, meine Stärken auszubauen. Dass ich ein Album zusammenstellen kann, das weiß ich alles. Das ist für mich kein Geheimnis.


    rappers.in: Worüber redest du denn zur Zeit gerne?


    Afrob: In letzter Zeit muss ich sehr viel über Politik reden. Darüber rede ich immer wieder mal gern. Ich rede aber wirklich sehr gerne über Musik. Ich bin da ein Nerd. Ich schreib' nicht einfach nur Texte, ich weiß auch, was die Geräte können. Ich bin so ein bisschen technisch mit dabei und kann auch die Software bedienen. Das macht mir einfach Spaß.


    rappers.in: Würdest du allgemein sagen, es gibt "den" HipHop oder "den" Deutschrap?


    Afrob: Das haben wir ja in den letzten Jahren bewiesen, "Den" Deutschrap gibt es nicht. Für mich ist ein deutscher Rapper jemand, der auf deutscher Sprache Musik macht. Die Definition ist doch schon längst vorbei. Man kann klar unterscheiden, was HipHop ist und was nicht.


    rappers.in: Bei den Grenzen zum Soul erkenne ich das nicht immer auf Anhieb.


    Afrob: Vielleicht ist das auch die Idee dahinter? Kann ja sein, dass ein bisschen raplastig in die eine und ein bisschen offener in die andere Richtung das Konzept dahinter ist. Aber im Gegenzug gibt's dann natürlich Sachen wie ein Megaloh-Album, da weißt du ganz klar, dass das HipHop ist. Man hat ja trotzdem die Wahl, sich zu entscheiden. Ich finde das Farid Bang-Album super. Ich kann das richtig gut hören, da wird man richtig entertaint. Genau so hefte ich das auch ab. Die Vielfalt ist auf jeden Fall ein Gewinn für die Szene. Dass du die Chance hast, von Haftbefehl bis Cro zwischendrin alles zu hören. Das ist doch der Hammer! Jeder von denen hat auch das Recht für sich, das HipHop-Ding so zu interpretieren, wie die das sehen wollen. Das ist ihr gutes Recht. Ich bin dann auch keiner, der sagt: Das ist doch nicht real. Mach's einfach für dich richtig oder such dir einen Sektor, einen Mikrokosmos. Das geht wunderbar: Jede Sparte hat irgendwo auch seinen Gewinn.


    rappers.in: Würdest du sagen, dass genau das Rap lebendiger macht als andere Musikrichtungen?


    Afrob: Ja, natürlich. Rap ist die einflussreichste Musik auf der Welt. Rap ist auf der Straße, das dominiert komplett das Straßenbild, die Sprache. Ich gehe auch soweit zu sagen, ohne Rap gäbe es auch keinen Obama. Nicht, dass ich ein Fan von ihm bin, aber Rap ist einfach, weil er sich ständig neu erfindet. Rap sagt schon: "Du kannst machen, was du willst, aber du musst dich schon entscheiden."


    rappers.in: Ich hänge grade gedanklich noch an dem Obama-Ding fest ...


    Afrob: Ja, die Meinung habe ich eventuell etwas exklusiv. Das kann schon sein ... Aber weißt du, der kommt da in Hallen, redet mit Rappern, hat bestimmte Moves drauf und alle stehen auf und flippen aus. Das ist nicht mal so, dass er es versteckt. Rap ist ganz normal. Er hat ja auch offen zugegeben, dass er Jay-Z mag. Dieses ganze HipHop-Ding, alle mögen das. Man merkt das auch bei den ganzen Veranstaltungen, bei denen Preise verliehen werden, wo die Celebrities sich alle rumtreiben: bei den coolen HipHoppern. Das finden die dann halt gut, mit den coolen HipHoppern rumzuhängen. Das hat immer 'ne Anziehungskraft, dieses Verrohte, das Verbotene, das Kriminelle.


    rappers.in: In meinem Empfinden geht es im Deutschrap bei den jungen Künstlern aber weg von etwas Verbotenem eher in Richtung Philosophie. Mit präzise gesetzten Silben – ohne Fäkalsprache oder Ausfälle. Also diese zwei Richtungen: sehr sauber einerseits, Gangster andererseits – ob Image oder auch tatsächlich, das weiß ich nicht.


    Afrob: Du hast Recht mit dem, was du sagst. Meine erste Line bei dem Feature mit Stamm auf der Platte ist auch "Für Rap braucht man kein Abitur, doch es schadet nicht." Ich finde das geil, die Jungs sollen rappen. Kann schon sein, dass die Bewegung auch in die Richtung geht. Den Trend bei HipHop auszumachen, ist ganz schwer. Weil die Leute, die HipHop hören, haben nicht nur eine Gruppe im Schrank, deswegen ist es mit Trends immer schwer.



    rappers.in: Schafft HipHop in Deutschland deinem Empfinden nach ähnlich Großes wie in den USA? Gesellschaftlicher Wandel?


    Afrob: Das weiß ich nicht. So sehr ich die Frage auch beantworten möchte, das weiß ich nicht. Was ich weiß, ist, dass viele Leute aus sozial schwierigerem Umfeld die Chance haben, durch Rap aufzusteigen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist natürlich eine große Sache. Eine Kultur, die eigentlich keine festen Institutionen hat, in dem Sinn. Es gibt da ja kein Camp, bei dem man sich meldet, das ist einfach eine freie Musikform. Das feiere ich nach wie vor.


    rappers.in: Den Umkehrschluss würdest du demnach als überholt betrachten? Dass ein Mensch aus der mittleren Schicht sich mit Rap seinen sozialen Abstieg schafft und seinen Mittelstand dadurch verlieren kann?


    Afrob: Ich finde das so schade, dass du das so sagst. Weißt du auch warum? Damals, so 1990, ganz oldschool, gab es diese Stimme unter den Medien. Die damals den ersten mehr oder weniger erfolgreichen Rappern sagen wollte, warum sie nicht rappen dürfen. Sie sind nicht schwarz, sie sind nicht unterprivilegiert – Mittelstandskinder ... und am Ende ist etwas ganz Schlimmes daraus geworden. Fand ich die falsche Energie dann. Das hat auch mir sehr geschadet, weil ich leider eine Zeit lang ein Opfer davon war. Viele haben sich mittlerweile davon frei gemacht. Das ist dann heute nicht mehr so. Aber wenn ich das jetzt wieder von dir höre, dann ruft es in mir die Geister hoch, wie die BILD-Zeitung den Fanta4 sagen möchte, ob sie rappen dürfen oder nicht. Das ist so egal. Das hat Rap immer bewiesen: Er hat Platz für alle.


    rappers.in: Als ich anfing, Rap zu hören, gab es Leute, die Sorge um mein Seelenheil hatten. Heute werde ich gefragt, ob ich nicht zu alt bin für ein HipHop-Interview. Für mich ist es wichtig, nicht zu vergessen, wie schnell Trends kippen. Wer weiß, ob das medial nicht noch mal genauso ablaufen kann ...


    Afrob: Ja, das wird aber nicht passieren. Wir haben jetzt genug Beispiele, die uns zeigen, dass das voll okay ist. Du wirst keinen Teenager finden, der mit HipHop-Musik aufwächst und glaubt, er könnte das nicht machen, weil er nicht unterprivilegiert, schwarz oder aus dem Ghetto ist. Da wirst du keinen finden ... Und wenn, dann hat er so oder so nicht mehr alle Tassen im Schrank.


    rappers.in: Themenwechsel: Gibt es Allgemeinwissen, dass du wünschst, unter die Leute gebracht zu bekommen? Kultur? Lebensmittel? Politik?


    Afrob: Ich weiß seit einem Jahr, dass sie uns umbringen wollen. They wanna kill us. Alle. Soviel, wie es geht. Kennst du die Werbung mit der Cola light? Wenn Cola drauf steht und Cola light ist drinnen, wenn die mich da als Testperson nehmen, ich würde die anzeigen, wegen Totschlag. Das ist ja Gift. Wenn jemand wie Rumsfeld dafür verantwortlich ist, dass das approved worden ist, dann weiß ich ganz genau: Das kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. He is a mad man. Also: Lebensmittel interessieren mich sehr. Starkes Thema. Ich weiß nicht, wem ich trauen kann, was Essen angeht. Gibt auch viele Leute, die sagen: "Ist doch egal. Stell dich nicht so an." Das höre ich oft: "Stell dich nicht so an", und: "Musst du da immer hinten draufgucken, was da drin ist?!", das höre ich auch immer öfter. Also Essen. Food. Ist 'ne Waffe. Die können das für alles benutzen. Damit spekulieren, dann gibt es direkt Panik in den armen Ländern, dass die Leute sich das Essen nicht mehr leisten können. Das ist zwar da, aber leisten kann es sich keiner. Die verrecken dann alle. Essen ist für mich ein großes Thema, die World Food Organisation und wie die alle heißen, das ist ja alles ein Ding. Das hab' ich auch erst jetzt gelernt. Die UNO, da sind die nicht alle auf "Hey, Peace und so". Hab' ich auch gemerkt. Die hängen alle zusammen. Wenn Bill Gates kleine Kinder impft ... Möchtest du von Mister Microsoft 'ne Impfung bekommen? Ich nicht. Ich möchte nicht von Bill Gates geimpft werden. Weiß Gott, was auch immer er mir da reinmacht.


    rappers.in: Würdest du sagen, dass die Leute das einfach nicht wissen wollen? Infos für und gegen jede These sind ja frei zugänglich.


    Afrob: Ja, ganz ehrlich. Der Reality-Check ist hart. Der ist echt hart. Ich rede auch mit manchen Leuten und die fangen dann auch an mit: "Nee, hör auf, ich will das alles nicht wissen." Die merken dann, sie leben in einer Box. Und ich denke außerhalb dieser Box. Den Task zu lernen, außerhalb der Box zu denken, weil du ja alles innerhalb der Box machst, das ist ein heftiger Reality-Check. Oder auch die Frage, woher Geld kommt. Kein Mensch weiß das. Kein Mensch bringt dir in der Schule bei, woher Geld kommt. Sie bereiten dich auf jeden Scheiß vor, aber nicht auf Geld. Da brauch' ich kein Verschwörungstheoretiker zu sein, um zu wissen, da kann was nicht stimmen. Ich bin kein Antikapitalist. Ich bin pro-choice. Ich glaube an die Freiheit jedes Einzelnen, sein Leben selbst gestalten zu können. Es gibt Politik einzelner Parteien, die glauben das nicht. Die glauben, dass der Mensch immer von irgendjemandem abhängig sein muss. Deshalb wünsche ich mir eher, dass man den Menschen Luft zum Atmen lässt. Nicht Opfer der Abgeordneten sein, da wird abgeschirmt. Du kannst nicht nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, von daher ist das keine repräsentative Demokratie. Mit Fraktionszwang und allem, was dazu gehört. Ein Haufen Scheiße. Das ist nicht demokratisch. Das ist diktatorisch. Es ist einfach so, weil es dir diktiert wird. Du kannst den Gesetzgeber ja auch nicht tauschen, wenn dir die Gesetze nicht gefallen. Ich frag mich: Wozu dieser ganze Zirkus? Das ist ja nur ein Zirkus.


    rappers.in: Brot und Spiele.


    Afrob: So drastisch würde ich das jetzt nicht ausdrücken. Haben die Leute die Informationen? Aber zum einen können sie nicht direkt mitbestimmen und zum anderem sind ihren Repräsentanten die Hände gebunden.



    (Jasmin N. Weidner)

    Rap ist seit über 40 Jahren Teil der Musikgeschichte. Und obgleich diese Zahl im Vergleich zu anderen Musikstilen gering scheint, war die Entwicklung in hohem Maße dynamisch und einflussreich. Wie kaum eine andere Musikrichtung hat das Rap-Genre politische, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen reflektiert und künstlerisch verarbeitet. Ein Verständnis der Vergangenheit ermöglicht daher in besonderem Maße eine differenzierte und facettenreiche Wahrnehmung der heutigen Szene. Im Rahmen dieser Kolumne versuchen wir eine kritische Würdigung herausragender Alben der Rap-Geschichte. Basierend auf einer subjektiven Auswahl, unter Berücksichtigung der Fachliteratur, präsentieren wir euch die unserer Meinung nach prägenden Alben deutschsprachiger Rapmusik. Die Auswahl umfasst Werke, deren Relevanz auf künstlerischer Qualität und/oder Innovation beruht, welche aber auch kommerziell wahrgenommen wurden. Gleichzeitig wurde auf eine Balance der verschiedenen Stilrichtungen geachtet, um einen möglichst ausgewogenen Blick auf die Entwicklung zu ermöglichen. Von jedem Künstler, den wir berücksichtigt haben, wurde jenes Werk ausgewählt, welches unserer Einschätzung nach zu einem Meilenstein geworden ist. Eines wird bei diesem knapp zwanzigjährigen Streifzug durch die Geschichte deutlich: Rap in Deutschland hat eine lehrreiche, kontroverse und sehr spannende Vergangenheit.



    01. Quadratur Des Kreises
    02. Leg Dein Ohr Auf Die Schiene Der Geschichte
    03. Lasst Mich Nicht Alleine
    04. Enfants Terribles International
    feat. Déborah
    05. Letzten Sonntag Bei Donata
    06. A-N-N-A
    07. Nachtrag
    08. Future Mothers
    09. Vorspiel
    10. Baby, Wenn Ich Down Bin
    feat. Theresa J. Burnette
    11. Cross The Tracks feat. Donata Wharton
    12. Wenn Der Vorhang Fällt feat. Wasi
    13. Zwischenteil
    14. Overseas-Übersee
    feat. Afrob
    15. Cassandra & Christina
    16. Telefonterror
    feat. Cassandra Steen
    17. Im Land Der 1210er
    18. Enfants Terribles '96
    19. Easy At Last (Outro)


    1997 kracht leise ein gechillter Rucksack in die Raplandschaft. Gefüllt mit ein paar Menelik-Flyern, einer Flasche Rotwein, einem Tape mit Bob Dylan-Essentials und den Autobiografien von politischen Aktivisten, deren Seiten leicht abgelesen sind und in denen mit den beiliegenden, halb verbrauchten Eddings Tags, Skizzen und Notizen verewigt wurden. Eigentlich wäre damit schon alles gesagt. Eigentlich, denn "Quadratur des Kreises" ist so viel mehr. Und conscious. Doch back to basic: Freundeskreis konnten wahrscheinlich nicht anders klingen und heißen, als sie klangen und hießen. Als Teil der 1993 gegründeten Kolchose ging es schon immer um Loyalität, Freundschaft und Liebe zum Spiel. Neben den Massiven Tönen, den Krähen und später auch Afrob war Herz und Tür auch stets offen für die interaktive Einbeziehung von Graffiti und Breakdance. Wenn schon, dann richtig. Mit einem Background aus Jazz (Philippe Kayser & Don Philippe) und Gesang (Max Herre) wurde bereits von Beginn an auch die musikalische Untermalung und Instrumentierung um Schattierungen bereichert, die man zu jener Zeit nicht auf Rap-Platten fand. Damit das Zwei-Mann-Projekt Agit Jazz auch live richtig kicken konnte, brauchte es allerdings mehr. Mit DJ Friction an den Turntables wurde Agit Jazz zu Maximilian und sein Freundeskreis und später nur noch Freundeskreis.


    Nach unzähligen Jams und ersten Demos wurde im Zuge der ersten großen HipHop-Welle auch der Freundeskreis nach oben gespült. Doch wenn man "Keep it real" in den Mund nimmt, dann unterschreibt man nicht bei jedem x-beliebigen Major mit einem als Vorschuss getarnten Darlehen, sondern bleibt der Heimat treu und signt beim frisch gegründeten FOUR Music-Label der Fantastischen Vier. Dieses "Keep it real" machte sich auch beim ersten Album "Die Quadratur des Kreises" bemerkbar. So wird keiner der Label-Bosse gefeaturet, sondern strikt im Kolchose-Umfeld das Mic hin- und hergereicht. Dass während der Albumproduktion Sékou alias MC Koukou nicht festes Bandmitglied wurde, hielt jedoch nicht davon ab, ihn als Special-Featureartist nicht nur einen 16er droppen zu lassen, sondern gleich mehrfach an prominenter Stelle unterzubringen und ihm mit Afrob einen ganzen Song zu überlassen. Die Quadratur des Kreises ist es wohl, das Ego hinter das Gesamtprodukt zu stellen – besonders im Rap. Zwar mag die Zeit wirtschaftlich und medial für Deutschrapper gesprochen haben, doch den Erfolg damit zu begründen, würde der Sache nicht gerecht. Denn: "Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte" ist wahrscheinlich der zweitwichtigste Polit-Track nach "Fremd im eigenen Land" und gleichzeitig die beste Beschreibung des State of Mind eines weiter schauenden Anfangzwanzigers zu dieser Zeit, als die Generation X den Einbruch des Wirtschaftsbooms abbekam, auch in seiner jugendlichen Tristesse nicht weiter wusste, aber sich informierte und nicht mehr alles schluckte.


    "Meine Mutter presste, gebahr und liebt mich/
    Trägt mich an der Brust, stillt und wiegt mich/
    Indess 'ne Mutter mit Sohn in Kambodscha den Schuss zu spät sah/
    Er wär' wie ich jetzt dreiundzwanzig/

    (Max Herre auf "Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte")


    Dazu dieser Wuschelkopf, der das große und unpeinliche Liebeslied ("A-N-N-A") für das Mädchen von der Bushaltestelle schrieb, die Ladies von der Oberstufe genau dort im Herzen abholte und fast im Alleingang Deutschrap zu den Alternative-Puristen brachte. Crossover, so anders und so Sommer. Wo Anfang der Neunziger Cypress Hill Skater und HipHopper zum gemeinsamen Feiern und Durchdrehen brachte, schloss Freundeskreis, nun ja, Freundschaft mit den Gleichgesinnten beim Sit-in im Park deiner Wahl. Alternative, Indies, HipHopper, Gothics – alles war möglich. Diese Tür mag "Lauschgift" von den Fantas bereits aufgetreten haben, doch jetzt wurde in beide Richtungen durchspaziert. Und ordentlich verkauft. Auch die Konzeption des Albums entsprach dem Lebenswandel der breiteren, juvenilen Gesellschaft. Freunde auf den Tracks, Freunde, die alleine Tracks auf dem Album machen, Spoken Word über politische Häftlinge, eine Udo Lindenberg-Coverversion, Deutsch, Englisch, Französisch, Skits, Hits, 1210er, Gitarre, Gesang, Slang, whatever. Als ob man eine wundervolle WG der damaligen Zeit vertont hätte. Freunde kommen, Freunde gehen, Freunde übernachten und irgendwann macht man den Abwasch, während im Hintergrund "Beat Street" läuft. Das ist der Subtext, der "Quadratur des Kreises" von einem bedeutenden Album zu einem unauslöschbaren Meilenstein erhebt.


    Durch die harmonische und organische Produktion von Max, Don Philippe und DJ Friction, die leichten Jazz-Einflüsse und die Gesangsparts lockerte Freundeskreis das Korsett des HipHops auf Albumlänge auf und lief nicht Gefahr, stur im 85 bis 93 BPM-Bereich Langeweile aufkommen zu lassen. Die Heads nickten zu "Enfants Terribles International" und "Wenn der Vorhang fällt", "Cross The Tracks" setzte Dich wieder smooth in das Sofa und "im Land der 1210er" bekommt der DJ seinen Platz, den er auf einer HipHop-Scheibe nun mal verdient. Kein "Zu viele Stilmix-Köche verderben den Brei", sondern bestes Gumbo. Zwei Jahre später sollte "Esperanto" den Erfolg wiederholen, jedoch nicht am schwerelosen Flavour von "Quadratur des Kreises" vorbeiziehen. So wie sich der Freundschafts- und Posse-Gedanke von Freundeskreis als roter Faden durch die Band-Geschichte zog, so natürlich erschien auch das Ende. Mit den FK Allstars wurde die Bühne zum Happening, der Soul und Reggae durfte atmen, die Hauptprotagonisten mussten sich nicht in die erste Reihe drängeln, sondern ließen allen Gefährten den Platz zum Scheinen. In der Folge sollte es nur noch zur Live-Reunion für die 10-Jahres-Sause kommen. Ein letzter Track und ein Video mit allen Freunden und Bekannten. That's it.


    DJ Friction baute in der Zukunft seinen hervorragenden Ruf als Plattendreher aus und gilt als einer der renommiertesten HipHop-/Soul-/Funk-DJs Deutschlands. Don Philippe besann sich auf das Produzieren: Filmmusik, auch mal Werbemusik, mal ein Remix, mal die Platten von Laura López Castro, die auf Max Herres Nesola-Label erschienen. So schließt sich der Freundeskreis. Und der gute Max produziert 2002 "Mamani" seiner mittlerweiligen Frau Joy Denalane, schmeißt 2004 ein vollwertiges HipHop-Album auf den Markt, gründet seine eigenes Label Nesola, macht ein Bob Dylaneskes Album und findet 2012 seinen zweiten Solo-Frühling mit dem Bestseller "Hallo Welt!". Die Teilnahme als Juror bei "The Voice of Germany" ist in diesem Fall mehr Anerkennung als Ausverkauf, den man so gerne rufen würde. Doch alle Hater mussten einsehen, dass sein 2013 veröffentlichtes "MTV Unplugged" sowohl klanglich als auch konzeptionell zu den Top-10-Releases dieser Serie weltweit gehört. Und sie waren alle da: die Weggefährten Don Philippe, Afrob, Joy, Gentleman; die etablierten Samy und Patrice – und die neue Garde mit Grace, Megaloh und Tua und, und, und. Die Moderation übernahm Fab Five Freddy – nuff said.



    (Matthias Schädl)



    Meilensteine-Kolumne Teil 1: Die Fantastischen Vier – 4 gewinnt (1992)


    Meilensteine-Kolumne Teil 2: Various Artists – Alte Schule (1993)


    Meilensteine-Kolumne Teil 3: Rödelheim Hartreim Projekt – Direkt aus Rödelheim (1994)


    Meilensteine-Kolumne Teil 4: Advanced Chemistry – Advanced Chemistry (1995)


    Meilensteine-Kolumne Teil 5: Stieber Twins – Fenster zum Hof (1996)


    Meilensteine-Kolumne: Kommentare/Diskussionen/Ideen zur Kolumne



    01. Intro – I can feel it
    02. Meine Gang (Bang Bang)
    feat. DaJuan
    03. Erinnerung
    04. Traum
    05. Bad Chick
    06. Never Cro up
    07. 2006
    08. Cop Love
    09. Hey Girl
    10. Rennen
    11. Vielleicht
    12. Jetzt
    13. Wir waren hier II
    14. Melodie


    Bonus-Tracks:
    15. I know
    16. Nett Flanders
    17. Nur Dich


    Hitmaschine, Allround-Talent, Softie – viel wurde über Cro in den letzten Wochen und Monaten geschrieben und gesprochen. Von allzu privaten Interviews über die Person hinter der Maske bis hin zu rein raporientierten Analysen seines neuesten Werks war alles in der hiesigen Medienlandschaft zu finden. Und der 24-jährige Stuttgarter hatte auf alles eine Antwort, selbst wenn es aufgrund ständig wiederkehrender Fragen à la "Wie geht man mit dem Druck eines zweiten Albums nach einem derartigen Erfolg um?" auf Kosten der eigenen Nerven ging. Doch auch Cro selbst gießt fleißig Öl in das Feuer der Erwartungen: Reifer, persönlicher und smoother, ja, sogar raplastiger soll die neue Platte geworden sein. Und spätestens, wenn eine ganze Nation die erste Singleauskopplung nicht mehr aus dem Kopf bekommt, ist das Ölfass in der bereits lodernden Flamme entleert. Das Feuer brennt – macht "Melodie" genauso heiß oder ist es schon bald Schall und Rauch?


    "Direkt auf die eins gechartet, letztes Album zweimal Platin/
    Echo, Bambi, Scheiße, Wahnsinn – egal, welcher Preis, ich hab' ihn/
    Und da ist noch 'ne Platte, weiterrappen, Schotter machen/
    Eigentlich rapp' ich nur, weil ich mal gerade wieder Bock drauf hatte/
    "
    (Cro auf "Intro – I can feel it")


    Zur Vergangenheit des Rappers muss wohl nicht mehr viel gesagt werden, denn das Nötigste hat er höchstpersönlich in diesen Zeilen zum Einstieg komprimiert. Und wenn das nicht reicht: Mit "Erinnerung", "2006" und "Wir waren hier II" ist die eigene Geschichte ein bestimmendes Thema des gesamten Albums geworden, über das der Spaßrapper durch Witze und Anekdoten gewohnt versiert zu erzählen weiß. Gerade dieses inhaltliche Geschick fördert er in vielen der Lieder zutage – ein großer Fortschritt im Vergleich zu seiner letzten Platte, die laut Aussage des Protagonisten selbst hauptsächlich auf eingängige Produktionen und Texte ausgelegt war. Cro zeigt auf Tracks wie "Traum" oder der poppigen Partyhymne "Jetzt" einmal mehr an genau den richtigen Stellen sein vorhandenes Potenzial, echte Hits zu kreieren. Und doch werden immer wieder melancholischere, anspruchsvollere und trotzdem musikalisch hochwertige Töne angespielt. "Vielleicht" stellt in dieser Disziplin wohl das beste Beispiel dar. Dem Interpreten gelingt es auf den Punkt genau, eingängige Aussagen mit allzu ernsten und nachdenklichen Zeilen zu kombinieren, wodurch ein unterhaltener und dennoch textlich angesprochener Hörer zurückbleibt. Inhaltliche Kritikpunkte sind einzig und allein an "Cop Love" festzumachen: Beim ersten Mal interessant, wirkt die durchaus kindlich erzählte Story vom Liebesabenteuer mit einer Polizistin bei mehrfachem Hören abgeflacht und wandelt sich demzufolge schnell zum Skip-Kandidaten. Mit dem Bonus-Track "Nett Flanders" ist uns dafür ein wahrer Geheimtipp geliefert worden: Wortspielereien in eine teils abstruse, teils schlicht und ergreifend witzige Geschichte verpackt, eröffnen eine ganz neue Seite des sonst so wenig verkopften Junggebliebenen.


    "Ich sage: 'Schon okay, man/
    Bruce, bringst ihn halt zurück, ich brauch' ihn morgen free, man'/
    Leg' wieder auf, bin am Beach mit Miley/
    Sie hat Fred Durst, also hole ich ihr Ice Tea/
    "
    (Cro auf "Nett Flanders")


    Auch musikalisch sind einige Weiterentwicklungen zu verzeichnen: Teilweise neuartige Einarbeitungen von Posaunen und Trompeten ("Intro") neben ruhigen, eingängigeren Samples, beispielsweise auf "Rennen". Smoothe Synthie-Samples reihen sich nahtlos in Sommergefühle vermittelnde Trompeten-Untermalungen ein. Eindrucksvoll, vor allem da die Instrumentals bis auf vier Ausnahmen komplett von Cro selbst produziert worden sind – und das merkt man spätestens, wenn nicht nur jeder Takt überlegt gesetzt wirkt, sondern sich auch der Musiker selbst raptechnisch perfekt auf seine Produktionen abstimmt und einen donnernden Flow hervorbringt, der auf diese Art von leichten, gefühlvollen Untermalungen seinesgleichen sucht.


    Dennoch gibt es immer noch so viel mehr, was dieses Album zu bieten hat. "Hey Girl" zum Beispiel avanciert mit seinem unterhaltsamen, berührenden Text, gepaart mit der lockeren Vortragsweise eines kleinen Jungen und der eingängigen, nicht traditionellen Ohrwurm-Hook, zu einem persönlichen Highlight. DaJuan auf "Meine Gang (Bang Bang)" ist als einziges Feature mit hohen Erwartungen belastet ... und enttäuscht nicht. Ein bisschen Geballer, eine knallende Hook und ein DaJuan, der seit seinem Mixtape noch hungriger geworden zu sein scheint, liefern eine Kombination, bei der selbst der größte Hater spätestens live das Mitgrölen nicht mehr verweigern kann. Blickt man auf die gesamte Musikalität des Albums, ist vieles positiv zu verzeichnen. Dennoch mangelt es auf "Never Cro up" an dem Aufhänger, einer Hook oder zumindest einer äußerst treffenden Line. Ein letztes Kapitel von "Melodie" sei mit dem Titeltrack selbst aufgeschlagen. Hier sind Stimmung und musikalische Weise des gesamten Langspielers zusammengefasst, von vielen Höhen über Tiefen, von Leichtigkeit zum Ohrwurm, vom kleinen, nachdenklichen Moment zum pompösen Orchester der positiven Gefühle für den großen Hit.


    "Und immer, wenn die Angst mich verfolgt und die Zweifel mich fast wieder kill'n/
    Wenn ich nicht weiß, was passiert, ich will schrei'n, aber bleib' lieber still/
    Und wenn die Zeit nicht vergeht und es einfach nicht läuft, wie man will/
    Dann kommt diese Melodie, dieses Lied, ich war nie so verliebt, war noch nie so verliebt/
    "
    (Cro auf "Melodie")


    Fazit:
    Obwohl es an kleinen Ecken noch zur Perfektion fehlt, ist das Album letztlich eine riesige Steigerung im eigenen Werdegang und im Rapgenre das wohl melodischste Stück der letzten Monate. Für jeden, der schon mit "Raop" etwas anfangen konnte, ist etwas dabei, das meiste wirkt bis ins kleinste Detail mit Liebe gemacht und die raptechnischen Fähigkeiten des Pandamaskenträgers sind schlicht und ergreifend nicht mehr zu verkennen. Es ist reifer geworden, es ist persönlicher geworden, es ist smoother geworden und ja, es ist um einiges raplastiger geworden. Und all das macht riesen Spaß. Natürlich scheint es schwierig, als jahrelanger Underground-Rapfan diesem poppigeren Sound im Rap eine Chance zu geben. Ganz passend bezüglich der Verbindung von Rap und Pop, wie sie auf diesem Album immer noch zweifellos stattfindet, erscheint mir zum Abschluss ein Zitat von Eminem aus "Rap God": "Well, that's what they do, when they get jealous, they confuse it: 'It's not HipHop, it's Pop', 'cause I found a hella way to fuse it".



    (Max)

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    01. Warm up (Intro)
    02. Wo ich bin
    feat. Sinetiq
    03. Hundert Prozent feat. Sinetiq, Referee & Lakmann One
    04. Curvoisier & Hennessy feat. Cue & Buhmann Bacarus
    05. Was du sagst feat. Alex Hope
    06. Halt feat. Asela
    07. 12 Munchies feat. Lakmann One
    08. Whiskybars feat. Sean Price
    09. Halftime (Skit)
    10. Die Seiten werden rar
    11. Himmel berühren
    feat. Magic Mess & Al Kareem
    12. Ihr Vögel feat. Opuz
    13. Das altbewährte Übel feat. 2Seiten
    14. Was juckt mich das feat. Terence Chill
    15. Psychiater feat. Lakmann One
    16. Wie die Welt feat. Sinetiq
    17. Overtime (Outro)


    Der ewige Backup-MC – das möchte wohl niemand sein. MistahNice jedoch droht, in genau diese Problematik hineinzulaufen, denn er ist den meisten wohl nur als Backup von Witten Untouchable oder Creutzfeld&Jakob bekannt. Wenig war zudem vorab über sein neuestes Werk "Schulz Nice – Untouchable Teamplayer", das über das Label Eartouch erschienen ist, bekannt. Deutlich ist jedoch: Eine Menge Features verspricht bereits die Tracklist des Albums. Fraglich bleibt dabei nur, ob der Künstler selbst es schafft, unter der großen Menge an Gästen herauszustechen und musikalisch von sich selbst reden zu machen. Wird ein Soloalbum mit derart vielen externen Beiträgen überhaupt den Ansprüchen an solch ein Release gerecht?

    "Das ist der 'Dog im Reservoir'-Shit/
    Ich mach' es klar mit Sinetiq und 'nem Arschtritt/
    "
    (MistahNice auf "Wo ich bin")


    Das Album startet mit einem inhaltlich nicht sonderlich aussagekräftigen Text, dem es dann aber auch an dem notwendigen musikalischen Ausgleich fehlt. Nach vorne gehen soll es, das tut es aber mit einem einfallslosen Synthie-Drum-Beat und teilweise Reimketten à la "Maus-auf-raus-Lauf" nur mäßig. Und damit wäre der gesamte Inhalt des Albums auch schon prinzipiell beschrieben. Es gibt zwar Tracks wie "Halt" oder "Die Seiten werden rar", in denen weitaus melancholischere Töne angespielt werden. Aber speziell der Text zündet schlicht und ergreifend in keinem Stück. Wird einmal Stimmung durch persönlichere Passagen erzeugt, ist diese durch klischeehafte Zeilen wie "Zu viel Leid, wohin ich seh', Leute geben nicht, sie nehm'n" (MistahNice auf "Halt") oder unsichere und völlig unpassende Hooks wie in "Die Seiten werden rar" schnell wieder dahin. Dem folgt die Reimtechnik, die sich äußerst negativ auf den Hörgenuss auszuwirken weiß. Ein immer wieder gleicher Flow mit gleichen Endungen, simpel wiederkehrenden Wörtern in der Reimkette und unnötigen Zweckreimen sorgen für raptechnisches Kopfschütteln – Oldschool hin oder her.


    "Ich glaub', irgendjemand liest meine Gedanken, ich kann Stimmen hören/
    Nimm mich an die Hand und du bist irreführend/
    Ich spüre den Wandel, ich hab' es im Gefühl/
    Ich kann bald den Himmel berühren/
    "
    (MistahNice auf "Himmel berühren")


    Und nun geht es doch einmal nach vorne. Ein kräftiger Posaunen-Beat, eine angenehme und sowohl textlich als auch musikalische passende Hook. "Himmel berühren", der stärkste Track des Albums. Er kann es also doch und die Features Magic Mess und Al Kareem offenbar auch – denn sie rappen versiert und passen zudem zueinander, ohne sich jedoch zu sehr anzugleichen. Leider wurde auch in puncto Features zu sehr in eine Richtung geschossen. Ganze zwölf verschiedene Gäste in 17 Stücken. Natürlich läuft der Langspieler unter dem Titel "Schulz Nice – Untouchable Teamplayer", doch als Interpret steht allein MistahNice auf dem Cover. Und ob Lakmann trotz seiner herausstechenden Leistungen auf diesem Album ganze drei Tracks grundlegend beeinflussen muss? Vielleicht wären weitere Solotracks auf diesem Werk die bessere Wahl gewesen. Zum einen, da sich ein Künstler in der Regel nicht groß weiterentwickelt, wenn er ständig an die Hand genommen wird. Zum anderen, weil sich wohl kaum ein Hörer mit gerade mal einem einzigen vollwertigen reinen Eigenwerk des Musikers zufrieden geben wird. Außerdem wären eine Menge Gäste entbehrlich: Opuz auf "Ihr Vögel" oder Terence Chill auf "Was juckt mich das" kommen von der stimmlichen Atmosphäre und den raptechnischen Fertigkeiten nicht an das Level des Protagonisten heran.


    "Nie wieder seh'n, was passiert, wenn man wegguckt/
    Nie wieder Jams in 'nem süffigen Drecksloch/
    Probleme, die komm'n und durchlaufen mein Blackbook/
    Für jede Notiz, die ich schrieb, gab's 'ne Rechnung/
    "
    (Lakmann One auf "Hundert Prozent")


    Der ein oder andere Lichtblick darf dennoch nicht vergessen werden. Lakmann liefert, wie bereits angedeutet, drei äußerst solide Parts ab und drückt das Gesamtbild des Albums noch einmal ein ganzes Stück nach oben. Zudem wirken einige Tracks inhaltlich interessant im Ansatz, wie das gesellschaftskritische "Wie die Welt" oder der lustige, an Kindergartenlieder erinnernde Beat mit selbstironischen Texten auf "Whiskybars". Doch auch hier scheitert es wieder einmal an der letztlichen Umsetzung. Zu viele Fülllines schmälern jegliche gute Idee und lassen den Großteil der Texte viel zu erzwungen wirken, als dass sie wirklich Atmosphäre schaffen und den Hörer mitreißen können.


    Fazit:
    Leider ist man nach 17 Tracks nicht viel schlauer über den Inhalt und die musikalische Einordnung des Künstlers selbst. Ein wenig ist über die Person hinter MistahNice in dem ein oder anderen Track angedeutet worden, doch leider erfährt man auch genauso viel über all die Featuregäste, die auf diesem Album Platz gefunden haben. Es ist letztlich kaum gelungen, ein musikalisch homogenes Werk zu erzeugen, woran die hohe Anzahl an Gästen zwar maßgeblichen Anteil hat, der Mangel an raptechnischer Finesse und dem Biss von MistahNice selbst trägt jedoch auch in mindestens genauso schwerwiegendem Maß zu dem zersplitterten Gesamteindruck bei. Manchmal möchte man ihn nur an die Hand nehmen, denn den meisten Hörern werden wohl viele Einfälle gekommen sein, wie er es hätte besser machen können. Schade, denn "Teamplayer" als Verheißung auf dem Cover passt. MistahNice nicht.



    (Max)

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    Dass immerwährende, öffentliche Sticheleien in der Deutschrapszene für viele Künstler auf Dauer zu einem Image-schädigenden Problem werden können, ist keine neue Erkenntnis. Überlegt man kurz, welche großen Namen in der jüngeren Vergangenheit immer wieder ins Fadenkreuz gerieten, so fällt einem mit Sicherheit relativ schnell der des gebürtigen Güterslohers Laas Unltd. ein – kaum ein MC musste in den letzten Jahren derart viele verbale Angriffe einstecken wie er. Mit einem auf zahlreichen Plattformen heiß diskutierten Auftritt bei "Rap am Mittwoch" schaffte Laas es kürzlich allerdings wieder, das Ruder für sich rumzureißen. Der bahnbrechende Erfolg lässt zwar noch immer auf sich warten, dennoch kann Laas heute viel reflektierter als noch vor ein paar Jährchen auf den Verlauf seiner Karriere zurückblicken. In unserem Interview zieht er Bilanz ...


    rappers.in: Vor unserem Interview hast du bei Facebook nachgefragt, was deine Fans an meiner Stelle fragen würden ...


    Laas Unltd.: ... dummerweise habe ich von den Fragen aber auch schon ein paar beantwortet.


    rappers.in: Müssen wir denn über Kiffen, Battlen und all das noch reden?


    Laas Unltd.: Über Battlen wurde sehr viel geredet, da würde nichts Neues kommen. Hast du denn das Album gehört?


    rappers.in: Klar.


    Laas Unltd.: Sehr gut. Hast du die anderen Alben auch gehört?


    rappers.in: Teils, teils. Was ich nur überhaupt nicht verstanden habe, ist, warum das davor so scheiße gewesen sein soll.


    Laas Unltd.: Da ist das Problem: Es wird viel nachgeredet. Bestimmte Personen müssen nur Schlüsselsätze sagen und das verbreitet sich dann genau so. Irgendwo wird das geschrieben, damit hat das seinen Stempel. Die Kids sind dann auch noch unsicher, haben überhaupt nicht das Geld und die Zeit, sich alles anzuhören. Was sie irgendwo gelesen haben, reden sie dann einfach nach. Das verbreitet sich wie ein scheiß Schneeballsystem.


    rappers.in: Ich persönlich finde es sehr unsinnig, sich im Deutschrap gegenseitig so niederzumachen. Dafür ist der Markt doch viel zu klein. "Wir sind alle Hiphop – aber nicht so sehr wie du" – das ist doch albern.


    Laas Unltd.: Ja klar, natürlich. Das basiert schon alles irgendwie auf Respekt. Andererseits kommt aber auch der Battlecharakter dazu. Als Rapper ist es wichtig, sagen zu müssen, man ist der Beste. Das Wichtige daran ist aber, dass das keine negative Competition ist, sondern eine produktive. Da gehen die HipHopper hinterher nach Hause und schaffen etwas. Oder Graffiti-Artists – die haben dann Bilder gemalt. Breaker haben auch gebattlet. Das ist eigentlich das Wichtige: aus dieser Competition entsteht etwas. Dadurch, dass es heute sehr viele Events gibt, bei denen der Großteil der Leute nichts anderes zu tun hat, als dabeizustehen und zuzuschauen, ist es heutzutage mit sehr viel Negativem verbunden. Das finde ich sehr behindert.


    rappers.in: Du battlest dich auf der Bühne und gehst hinterher nicht hin und haust dem Gegner in die Fresse ... Das eine ist halt das Battle und das andere ist der Rest.


    Laas Unltd.: Genau, dann könnte man sich auch gleich boxen. Dafür ist ja das Battle. Man kann ja trotzdem Respekt für seinen Gegner zeigen. Zum Beispiel bei Rap am Mittwoch, da geb' ich auch Props. Das ist ganz normal für jemanden, der so sozialisiert wurde wie ich. Das ist aber auch kein Problem, das HipHop geschaffen hat. So ist einfach die ganze Welt. Das wird den Kindern und Jugendlichen nicht anders vorgelebt. Schau dir die Politiker an: Wenn wir die größte Armee haben, reiten wir in euer Land, ohne Punkt und Komma. Man muss auf den Schwächeren einhacken. Das Mobbingthema ist an den Schulen sehr groß. Natürlich findet sich das dann im HipHop wieder, weil das ja die Kids sind, die die Musik hören.


    rappers.in: Das erklärt's vielleicht, aber besser macht's das ja auch nicht ...


    Laas Unltd.: Nö, besser macht es die Art, wie ich und viele Leute um mich herum es wiedergeben. Dass man eben bei Rap am Mittwoch mitmacht und den Leuten hinterher Props gibt. Das zeigt: So handhaben wir das und damit schafft man eine Alternative. Aber so kann sich dann jemand Jüngeres auch entscheiden: "Will ich den anderen Leuten glauben oder finde ich das dann gut?" Wir sind ja keine Weltverbesserer. Ich habe ja nicht angefangen zu rappen, um die Welt zu verbessern. Letzten Endes machen wir Entertainment und Unterhaltung. Wir wollen Erwachsene unterhalten und haben größtenteils nur Kids als Zuhörer. Das ist ja auch so ein bisschen das Problem. In der Filmszene macht man einen Actionfilm und das schauen dann die Erwachsenen an. Beim Rap hören das dann viel mehr Kids.


    rappers.in: Oder man hat Glück und die Leute wachsen mit einem mit?


    Laas Unltd.: Das passiert aber in Deutschland nur in den seltensten Fällen. Bei Savas seh' ich das ja auch auf den Konzerten. Die meisten, die da sind, sind sehr jung. Ich glaube nicht, dass das dieselben Leute sind, die damals im Royal Bunker vor ihm standen und ihn gefeiert haben. Das sind mittlerweile andere Leute. Bei den älteren ist es wahrscheinlich auch so, dass die gar nicht mehr die Zeit haben. Sobald man eine Familie, Kinder, Job und so weiter hat und das alles unter einen Hut bringen muss, hat man wahrscheinlich Freitagabends einfach nicht mehr so viel Zeit, auf ein Konzert zu gehen. Ein Kollege, der in New York gelebt hat, war mal auf einem Konzert und da waren alle über 40. Das find' ich geil. Das habe ich hier in Deutschland noch nicht wirklich gesehen bei einem Act. Das wird in Zukunft eventuell mehr, weil die Generation jetzt viel krasser damit aufwächst – die werden ja ganz anders geprägt. Als ich 14, 15 war und das erste Mal Rap gehört habe, war ich der einzige. Heute ist das ja selbstverständlich. Das ist halt ein Unterschied. Die werden das noch eher beibehalten. In zehn bis 20 Jahren wird es viel mehr ältere Fans geben ... denke ich.


    rappers.in: Was manchmal nervt, ist dieses sturre Armgewippe. Das Mitfeiern in der zweiten Reihe ist einfach nicht mehr das Geilste, das mit dem Hüpfen klappt nicht immer so gut. Auf der Bühne ist dann extrem viel los und im Publikum herrscht mehr so eine "Oh"-Stimmung.


    Laas Unltd.: Teilweise merkt man das. Es gibt da schon Städte wie Stuttgart. In Stuttgart gab's immer eine gute Infrastruktur. Ich hab' das Gefühl, die Leute da haben es auch gut drauf, Publikum zu sein. Die waren schon auf 1.000 Konzerten und wissen einfach, wie es abläuft. Teilweise sind Leute ja auch zum ersten Mal bei einem Rapkonzert und wissen eben noch nicht, was man da macht. Da muss man sie ein wenig an die Hand nehmen. Ich finde das auch irgendwie cool. Ich heul' da jetzt nicht hinterher. Ich bin ja auch Fan von neuen Sachen – zwar nur Amisachen, aber da feier' ich alt und neu. Wenn einem was wichtig ist, bleibt man da näher dran.


    rappers.in: Früher wurde mit Elle vor der Brust gepogt, inzwischen ist das Prinzip "Elle in des and'ren Brust", deswegen geh' ich nur noch sehr selten zu Punkkonzerten.


    Laas Unltd.: Ich stelle da den Künstler über die Crowd. Wenn da ein geiler Künstler ist, den ich feier' ... Mir wäre es wahrscheinlich trotzdem egal, wer noch hingeht. Wenn du genau weißt, dass da viele Typen sind, auf die du keinen Bock hast, will ich ja doch letztlich den Künstler sehen. Das ist für mich das Wichtigste. Aber ich geb' dir da Recht, ich war auch schon lange nicht mehr auf einem Konzert.


    rappers.in: Ein gutes Konzert ist für mich, wenn ich genauso verschwitzt bin wie der Mensch auf der Bühne.


    Laas Unltd.: Okay, so bin ich zum Beispiel gar nicht. Ich steh' in der Crowd. Ich wäre der Typ in der Crowd, den ich selber hasse. Wenn ich manchmal auf der Bühne stehe und die Leute angucke, haben die den Gesichtsausdruck von einer Statue. Da bildet man sich direkt ein, dass derjenige schlecht gelaunt ist. Und ich steh' da und denk mir: Ich rappe hier seit einer halben Stunde und gebe alles und du stehst einfach da und guckst mich an wie ein Affe. Ich wäre genauso. Da bin ich innerlich mehr so "Silvesterraketen gehen hoch" und von außen sieht es aus, als würde ich einen Film gucken. Aber ich geh' auch nirgendwo hin, wo man richtig pogt. Zu Jay-Z kann man auch nicht so richtig pogen, oder?


    rappers.in: ... aber wenigstens hüpfen?


    Laas Unltd.: Das stimmt. Ich finde auch, man sollte einfach Spaß daran haben. Bei HipHop geht es viel um Spaß und Humor und sowas. Bei einer Party bin ich auch der Erste auf der Tanzfläche, wenn da ein geiler Track läuft. Obwohl ich jetzt nicht der tollste Tänzer bin. Man sagt ja auch: Als Rapper tanzt man eher nicht, sondern stellt sich nebendran und nickt mit. Aber das ist halt auch Schwachsinn. Da geht es um die Musik und wenn man Fan ist, tanzt man automatisch. Aber wenn man 15 ist, ist man auch noch eher unsicher. Ich weiß gar nicht, wie das bei mir war. Ich hab' auch erst beobachtet. Am besten ist einfach, man nimmt sich direkt 20 Leute mit, die schon mal Party machen. Dann machen alle mit. Wenn keiner klatscht, dann klatscht keiner.



    rappers.in: ... und wenn der Antrieb nicht mehr da ist, die Hände mal eben zusammenzuklatschen?


    Laas Unltd.: Das geht aber auch voll vom Künstler aus. Mir sagen viele Leute, dass ihnen meine Show Spaß macht, weil sie gesehen haben, dass es mir Spaß gemacht hat. Die sehen dann auch: Der macht sich locker. Da macht man dann gerne mit. Die Leute kommen dahin, um Party zu machen. Dann muss man auch gute Laune haben. Muss sich jeder selber an die Nase packen.


    rappers.in: Mal was anderes: Nervt es dich, so lange dabei zu sein und ständig als Person thematisiert zu werden statt als Künstler?


    Laas Unltd.: Mich nervt es, dass wenig über die Musik geredet wird, sondern eher über irgendwelche Aktionen und Sachen, die passiert sind. Es sind immer so Event-Dinger. Das ist auch cool, dafür macht man es ja auch. Da will ich mich nicht beschweren. Aber natürlich wünscht man sich letzten Endes, dass man so etwas nicht großartig machen muss, weil die Leute die Musik einfach so entertainend finden. Aber da muss ich mir wohl auch wieder an die eigene Nase packen. Ich weiß ja, dass ich die Leute unterhalten kann. Wenn es mit den Alben nicht funktioniert, hab' ich eventuell auch einfach einen Fehler gemacht. Bei den anderen hat es ja auch funktioniert. Das ist dann einfach mein Ansatz, damit umzugehen, das hält mich hungrig. Wenn ich aber ganz ehrlich bin: Natürlich fuckt es einen ab, wenn man denkt: Okay, jetzt hat man sechs Alben gemacht und die Leute reden immer noch nicht über die Musik. Es hieß dann ja auch mal: "Dann lag er wieder am Boden und er ist wieder aufgestanden ..." – was ja auch alles Quatsch ist. Ich lag nie richtig am Boden. Natürlich lief es eine Zeit lang nicht so toll, aber da war ich auch nicht tot. Ich war jedes Wochenende auf der Bühne. Das ist immer noch mehr als manche Rapper sich erträumen können. Die Überschriften nehm' ich dann einfach als Ansporn und denk mir: Fuck, euch krieg ich auch noch.


    rappers.in: Sind das dann wirklich direkte Fehler oder ist das nur schlechtes Timing? Jetzt ist die Rede ja von "Du ruderst zurück" – das versteh' ich nicht wirklich.


    Laas Unltd.: Da war es wahrscheinlich besonders entertainend, wenn Leute auf etwas rumhacken und alle dann einsteigen. Bei MC Rene war es damals ziemlich genauso. Da wurde auch viel geredet. Das gehört anscheinend dazu. Ich hab' mich ja auch selber in diesen Käfig begeben. Ich hätte auch sagen können: Ich halt' mich da raus. Dann muss ich jetzt auch mit allen Konsequenzen rechnen. Wenn man einen Fehler macht, geht man auch schon mal zu Boden. Da darf ich mich jetzt nicht beschweren. Mittlerweile ist es Jso:etzt habe ich oft genug gezeigt, was ich kann. Man hat gesehen, dass es bestimmte Dinge gibt, bei denen gar nicht gemessen werden kann, weil das einfach zwei völlig verschiedene Welten sind. Mit unterschiedlichen Waffen – völlig sinnlos. Jetzt geht's ja auch wieder zurück zur Musik und den Lyrics. Das hat mich am meisten gefreut bei dem Battle. Dass die Leute über die Musik geredet haben. Für mich war es das Geilste, dass sie sich über die Lyrics geflasht haben. Wenn man da hin will, wo ich hin will, ist das ein wichtiger Faktor und ich bin auf einem guten Weg. Da will ich anknüpfen und diesen Wow-Effekt auf dem Album kreieren. Es geht ja immer um das Gefühl, etwas zum ersten Mal zu hören. Das war wahrscheinlich auf meinen Alben noch nicht. Aber noch ist nicht aller Tage Abend.


    rappers.in: Wo willst du hin? Was ist dein Masterplan?


    Laas Unltd.: Masterplan ist so ein behindertes Wort. (alle lachen) Niemand hat einen Masterplan, ist doch so.


    rappers.in: Du brauchst halt 14 verschiedene Masterpläne, die man dann auch austauschen kann.


    Laas Unltd.: Das stimmt. Man muss auf jeden Fall flexibel sein. Aber guck mal: Wo will ich hin? Das spricht schon aus meiner Musik heraus. Ich will einer der besten MCs sein. Ich will auch, dass das alle anerkennen – mehr oder weniger. Das ist das Ziel. Wenn du mich nach Verkaufszahlen fragst, sage ich: Ich will so viele Menschen wie möglich erreichen. Würde mich freuen, wenn meine Songs eines Tages auch im Radio gespielt werden und nicht nur Leute davon hören, die sich jeden Tag auf HipHop-Seiten rumtreiben. Ich find' meine Musik ja geil und will, dass das alle hören. Ich mache das einfach solange weiter, bis ich selber keinen Spaß mehr daran habe.


    rappers.in: Stapelst du mit dem, wie du dich online präsentierst, tief?


    Laas Unltd.: Online? Mir haben Leute eigentlich immer vorgeworfen, dass ich zu hoch staple. Aber ja, ich mach' jetzt keine Ansagen mehr, weil ich mich selber nicht mehr so fühle. Damals war es für mich eine Motivation. Dann noch mal wiederzukommen mit einem Knall und dem "Blackbook"-Album. Mittlerweile habe ich mir vieles selber bewiesen. Da mach' ich mich jetzt locker. Wer will mir denn erzählen, dass ich nicht einer von den Toprappern bin. Ich muss jetzt nicht mehr die ganze Zeit rumbrüllen. Deswegen kommt das vielleicht so rüber, dass ich tiefer stapel' im Internet. Ich muss ehrlich sagen, auf der einen Seite mag ich es, mit den Fans ein bisschen zu kommunizieren. Aber ich hasse es auf der anderen Seite, jeden Tag zu posten. Ich mache das auch schon mal, weil es cool ist, wenn sich Leute dafür interessieren, aber ich sag' mal so: Wenn ich keine Musik machen würde, hätte ich wahrscheinlich gar kein Facebook. Ich versuche, nichts aus meinem Privatleben zu posten. Mir ist das nicht so wichtig.


    rappers.in: Es ist keine Beleidigung, nur eine Beobachtung, aber: Wenn ich von dir Fotos bei der Google-Bildersuche sehe, erwarte ich Lyrics ohne Inhalt mit viel Geprolle und frage mich, ob du auch nur zwei Sätze klar aneinanderreihen kannst.


    Laas Unltd.: Die Fotos? Von Facebook?


    rappers.in: Wirklich die Bildersuche über Google.


    Laas Unltd.: Findest du echt, dass ich auf meinen Bildern wie ein Proll rüberkomme? Also, ich muss dir Recht geben, ich hab' stellenweise einen richtig arroganten Blick. Ich guck' mir manchmal diese Flyer mit meinen alten Pressefotos an und da schau' ich überarrogant. Das kommt daher, dass ich mich mit Fotos immer sehr schwer getan habe. Weil ich mich immer voll scheiße auf Fotos fand. Ich hab' dann irgendwann eine Art gefunden, wie die Bilder erträglich sind. Bei mir ist das dann der arrogante Blick. Außerdem hab' ich das Problem: Wenn es nicht der arrogante Blick ist, dann ist es der nette Blick. Dann heißt es direkt: "Oh, der liebe, nette Laas, der da grade an der Wand steht". Das funktioniert hinten und vorne nicht. Als Rapper passt das Arrogante ja auch besser. Wenn man sich meine Musik anhört, selbst in den verbittertsten Tracks, kann man noch hören, dass ich nicht alles für bare Münze nehme. Man muss sich nur mal anhören, wie ich angefangen habe und so ein bisschen bekannter geworden bin. Da hab' ich Ansagen gemacht von wegen Backpacker und so. Damals haben mich alle Lauch genannt und ich habe in meinem Kopf den Charakter entwickelt und meine Geschichte als Märchen erzählt. Vollkommen verrückt und selbstironisch. Wenn man sich das näher anhört, peilt man schon schnell: Der Typ meint nicht alles so. Das ist kein verbissener Typ. Das ist aber immer das Problem. Man kann nicht von jedem erwarten, dass er das ganze Album durchhört. Die meisten gucken einmal auf das Foto, hören die Single und im Video guck' ich dann auch wieder arrogant. (lacht) Da ist das Bild dann wieder perfekt.


    rappers.in: Du bekommst schon ziemlich viel harte Worte zu hören, oder? Selbst in einem Kompliment steckt manchmal noch ein "Aber sonst ist er ja scheiße".


    Laas Unltd.: Ich bin als ein Typ gekommen, der sich richtig locker gemacht hat – kann man sich mal anschauen, "Backpack Show". Wenn man sich diese Sendung anschaut, damals bei mir in Hamburg, in der alten Küche. Dann kamen diese ganzen Tracks, die relativ witzig waren. Ich kam mit guter Laune, darauf kam aber auch sehr viel Gegenwind. Warum auch immer – ich will mich gar nicht von frei machen, ob es unbegründet oder begründet war. Man bekommt immer Gegenwind. Jedenfalls kam viel Gegenwind und man steht immer weiter in der Öffentlichkeit. Irgendwann ist das lockere, fröhliche Lächeln dann zu einem arroganten Blick geworden. Weil man sich da immer mehr eine Wand um sich herum aufgebaut hat, um dem entgegenzutreten. Manchmal schreiben Leute auch Sachen, die einen echt persönlich treffen sollen und das ist dann ekelhaft. Das färbt ab. Ich bin in manchen Sachen ein ziemlicher Hater geworden. Es ist natürlich behindert, zu sagen: Die haben das bei mir gemacht, deswegen mach' ich das jetzt auch. Aber ich stelle fest, dass es passiert. Ein gutes Beispiel ist Money Boy. Einfach mal nur aus der Beobachterperspektive: Der Typ kam, hat niemandem etwas gemacht, war einfach da und hat richtig viel Shitstorm abbekommen. Der hat immer gute Laune gehabt und auf keinen Diss-Track geantwortet. Alles cool. Mittlerweile fängt er an, Diss-Tracks gegen andere Rapper zu machen. Daran kann man sehen, dass die Leute einen teilweise dazu bringen, so zu werden.


    (Ein Vogel kommt angeflogen und stiehlt Laas den Keks von seinem Kaffee; alle lachen.)


    Laas Unltd.: Siehst du: Alle dissen mich. Hat der mir einfach meinen Keks geklaut. Scheiße. Zurück zum Thema: Das ist bei mir teilweise auch passiert. Ich habe das einmal bei einem Interview gemacht, aber das würde ich jetzt nicht mehr machen. Außerhalb von Rap andere Jungs, die Rap machen, irgendwie runterzuziehen. Das brauch' ich nicht. Aber ich stelle fest, dass ich im Kopf mittlerweile mehr einen Fick gebe als früher.



    rappers.in: Wie fühlt sich das an, wenn ein Teenie ohne aktive Musikerfahrung dir unter einen Track eine Pseudoanalyse haut, warum das jetzt scheiße sein soll? Kannst du das ernst nehmen?


    Laas Unltd.: Nein, das nehme ich auch gar nicht ernst. Mittlerweile kommt es auch nicht mehr an mich ran. Manchmal schaue ich morgens bei Facebook und es gibt so unglaublich dumme Kommentare. Wirklich unglaublich dumm – und manchmal antworte ich darauf. Einfach so. (lacht) Ist aber auch nicht böse gemeint. Die wollen ja teilweise auch nichts Böses, ich kenn' das auch noch von vor ein paar Jahren, als ich Rapworkshops gegeben habe. Die waren da auch dankbar von wegen "Der hört mir jetzt zu". Ich hab' ja ein gutes Umfeld und ein normales Leben. Da berührt einen das nicht so sehr.

    rappers.in: Gibt es denn Dinge, die trotzdem an dir rütteln?


    Laas Unltd.: Was mich schon so genervt hat, war die ewige Diskussion um die "nur elf Tracks". Mehrfach. Irgendwann hab' ich die Tracklist gepostet und das erste, was kam, war: "Oh, nicht mal 45 Minuten". Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lang die ist. Mir ist das auch egal. Für die Kids ist das aber anscheinend wichtig. Das hat mich schon genervt. Ey, wenn ihr wüsstet, was für Hebel ich in Gang setzen musste, damit auch nur ein Track aufgenommen werden kann ... Das war jetzt bei diesem Album nicht so einfach. Bedingt durch die Situation mit dem Album davor war einfach gar kein Geld da. Ich hab' das Glück, dass es viele Leute gibt, die mich unterstützt haben und dann hab' ich selber Gas gegeben. Nur dadurch ist das entstanden. Ich musste auch viel entbehren. Meine Frau war hochschwanger, als ich das Album aufgenommen habe. Da bin ich dann trotzdem zwei Wochen weg gewesen und hab' sie zuhause alleine sitzen lassen. Da hätte jederzeit etwas passieren können. Das hab' ich in Kauf genommen, das hat sie in Kauf genommen und wenn ich dann, an einem schlecht gelaunten Morgen, lese: "Nur xx Tracks" ... Dann denk' ich schon: Kommt mal aufn Teppich. Jetzt grade kann ich drüber lachen. Es ist gutes Wetter, ich bin ausgeschlafen, das tangiert mich null. Aber es gibt Situationen, in denen man sich grade nicht so gut fühlt. Und dann nervt das. Ich hab' schon manchmal versucht, das transparent zu machen. Es gibt auch ganz viele Leute, die dann schreiben: "Ah, hab' ich so nicht bedacht".


    rappers.in: Sind elf gute Lieder nicht mehr wert als 16 miese?


    Laas Unltd.: Voll. Für mich zumindest. Ich mag Alben, die kürzer sind, weil ich es gar nicht schaffe, 25 Tracks zu hören. Ich will ein Album einmal durchhören und dann denken: Geil, ich will es nochmal hören. Das ist aber meine persönliche Ansicht. Keine Ahnung. Ich guck' gar nicht drauf, wie lang das ist und wie viele Tracks es hat. Das ist kein Argument. Aber die Leute sind es gewohnt. Und wenn du dann mit elf Tracks um die Ecke kommst ... Ich seh' das auch so wie du, aber ich glaube, wir sind da aus einer anderen Generation. Wir haben keine Tracks bei iTunes gehört. Wir sind in den Laden gegangen und haben uns die Platte geholt, zuhause gesessen, das Cover angeschaut, die Lyrics gelesen ...


    rappers.in: "Ein Klick und das Lied ist da", macht es irgendwie wertneutraler oder?


    Laas Unltd.: Ich geb' dir da schon Recht, finde es aber auch geil, wenn ein neuer Remix rauskommt. Direkt am nächsten Morgen im Netz und ich kann es sofort anhören.


    rappers.in: Aber das Haptische? Die Platte zum Liebhaben? Der Moment des Auspackens. Ich kann mich erinnern, wann ich welche Platten ausgepackt habe. Weißt du noch, wann du dir was runtergeladen hast?


    Laas Unltd.: Diesen Moment wirst du heute aber nie wieder so besonders haben wie damals. Weil du es einfach schon tausendmal gemacht hast. Mich wird nie wieder ein Konzert so berühren wie damals, als ich das erste Mal Massive Töne gehört habe. Da war alles neu und ganz besonders und jetzt hat man das alles tausendmal gesehen. Ich feier' das auch noch, mich wird es aber nie wieder so mitreißen wie damals. Ist wahrscheinlich gar nicht vom Medium abhängig. Wobei ich genau weiß, worauf du hinauswillst – es ist immer geiler, wenn man noch nichts gehört hat. Gerade bei den Amis ist das halbe Album schon vorher auf dem Mixtape. Ich bin dann zu neugierig, um nicht reinzuhören. Ich mach' das ja selber auch so. Wenn jemand wirklich aufmerksam war und alles gesehen hat, dann hat er eigentlich schon in jeden Track reinhören können. Das ist heutzutage einfach so. Die Medienlandschaft ist so gestrickt. Gerade, wenn man als Künstler so gestrickt ist wie ich, muss man da mitspielen. Es ist nicht mehr wie früher: Man macht einfach mal ein paar Videos und ist dann für ein paar Jahre weg. Facebookfreestyles und sowas alles. Das gehört alles dazu, da muss man am Start sein, wenn man sich dafür entscheidet, mitzuspielen.


    rappers.in: Was ist dir wichtiger? Möglichst hohe Verkaufszahlen oder gute Reviews von "Fachmenschen"? Oder ist das gleich?


    Laas Unltd.: Letztenendes interessiert mich jetzt am meisten, dass ich zufrieden mit der Musik bin. Die Kritiker wird man eh nie alle zufriedenstellen. Soll gar nicht so sein. Man muss ja ein bisschen polarisieren. Von daher sind mir Kritiken heute fast egal. Ich kann auch alle akzeptieren, die mich jetzt noch kritisieren. Wenn sie es persönlich nicht anspricht, dann ist das vollkommen okay. Dementsprechend würde ich jetzt kein Album machen, um die Leute zu erreichen, wenn ich von der Musik nicht überzeugt bin. Es wäre fast schon zu laut gewesen, wenn ich "Blackbook 2" direkt nach "Blackbook" gemacht hätte. Ich hab' gedacht, ich geh' inhaltlich mal davon weg. Lass den Rapper Rapper sein – und rappe dabei immer noch, nur eben über andere Themen. Dementsprechend war es für mich auch immer noch ein straightes Rapalbum. Aber es ist, was es ist. Was mir auffällt, ist, dass viele Leute sagen, dass sie mich feiern, weil ich "der Realste" bin. Da denke ich mir dann: Was heißt denn jetzt der Realste? Willst du mir erzählen, dass Bushido, der über zehn Jahre Musik macht, nicht real ist? Sorry, wenn er das nicht wäre, könnte er das doch alles gar nicht machen.


    rappers.in: Definiere "real" doch erst mal ...


    Laas Unltd.: Genau! Ist "real" HipHop? Nur von Rap zu rappen, wenn man damit nichts zu tun hat? Wenn man nie auf einer Jam war oder keine Freunde hat, die mal Graffitis gemacht haben, wieso sollte ich dann darüber rappen? Ich kann halt von nichts anderem erzählen als von meiner Geschichte und dann muss ich darüber eben sprechen. Von daher ist es auch für mich das Realste der Welt, so ein "Im Herzen Kind"-Album zu machen. Das Gerede über Realness stell' ich zur Zeit oft fest und finde das sehr schade. Deswegen sollt ihr mich nicht feiern. Ich mach' das seit über zehn Jahren. Da ist es doch gar keine Frage, dass das real ist und von Herzen kommt. Also, sorry – wer dann denkt, ich mach' das, um Geld zu verdienen ...


    rappers.in: Vor allem bei dem ganzen Laas-Bashing.


    Laas Unltd.: So! Welcher Rapper in Deutschland verdient richtig viel Geld? Das sind eine Handvoll. Dann gibt es Leute wie mich, die ein normales Leben haben – aber auch keine Riesensprünge machen. Da kann man doch nicht denken, dass man das wegen Geldsucht macht.


    rappers.in: Aber weiß man denn automatisch, dass da nicht viel bei rumkommt? Oder klingt "Plattendeal" nach extrem gutem Einkommen in den Ohren von Leuten, die sich nicht damit beschäftigen?


    Laas Unltd.: Klar, die wissen das natürlich nicht. Woher auch. Die müssen das aber auch gar nicht wissen. Die sollen unterhalten werden und sich am Produkt erfreuen. Die Leute müssen halt vorsichtig sein, dass sie nicht immer gleich alles sofort werten. Da geht es ja dann immer sofort: Der ist so schlecht gechartet. Da kommen so wenige Leute aufs Konzert. Ja, da kommen halt nicht so viele Leute, aber ich spiele trotzdem jedes Wochenende eine Solo-Show.


    rappers.in: Im Moment wirst du pressemässig eher positiv gesehen. Nimmst du das nach den ganzen vorangegangenen Erfahrungen noch ernst?


    Laas Unltd.: Ja, das mit dem Positiven stimmt. Zum Teil freut es einen. Es freut einen immer, wenn Leute was Positives über einen schreiben. Aber der bittere Nachgeschmack, als sie das Gegenteil geschrieben haben, ist circa ein Jahr her. Aber genau das Gegenteil. Das Jahr davor war das bei manchen auch schon. Da denk' ich mir schon: Jetzt wird genauso nachgelabert, wie zuvor nachgelabert wurde. Nach dem Battle haben die richtigen Personen gesagt, dass es ganz toll war. Wenn Falk sagt, dass das richtig krass war, dann glauben ihm das viele. Weil er einfach so viel Ahnung hat und ein gutes Standing in der Szene. Er ist quasi ein Meinungsmacher. Das Battle haben sehr viele Meinungsmacher positiv bewertet. Wenn Sido das schreibt, dann will sich da auch keiner gegen seine Meinung stellen. Ich hab' keinem gegenüber Hass und will auch keinen Hass schüren, aber denke mir auch meinen Teil. Natürlich werde ich den Leuten nie wieder mit offenen Armen gegenüberstehen wie vorher. Ich war eigentlich jedem gegenüber cool, der sich mit Rap beschäftigt hat. Du wirst keinen Track finden, auf dem ich jemanden gedisst habe. Bis auf die eine Geschichte da, aber davor und danach ... Ich habe auch nie schlecht über jemanden gesprochen. Natürlich habe ich auch mal gelästert, aber ich war nie in der Öffentlichkeit dafür bekannt, über andere zu lästern. Ich wollte eigentlich, dass all die Leute mich auch cool finden. Irgendwann merkt man aber auch, dass man das selbst gar nicht mehr will. Ich habe mit kaum einem Rapper etwas zu tun. Es gibt eine Handvoll Leute, die ich als cool empfinde. Ich kenn' halt auch nicht alle.


    rappers.in: Hast du ein schönes Schlusswort für uns?


    Laas Unltd.: Schreib: Es ist viel passiert und jetzt geht's erst richtig los!



    (Jasmin N. Weidner)


    Einer der wohl aktivsten Rapper, die unser Videobattleturnier hervorgebracht hat, dürfte 3Plusss sein. Kurz nachdem er sich im VBT 2011 und der folgenden Splash!-Edition 2012 einen kleinen Hype aufbauen konnte, verkaufte er binnen weniger Stunden die komplette Auflage seiner "Kindskopf LP" und legte im März dieses Jahres mit "Mehr" nach. Die bereits zu "Kindskopf"-Zeiten vorherrschende, fast durchgängig positive Resonanz in den Reihen der Fans und Kritiker blieb ihm dabei erhalten: Ohne großartige Labelunterstützung im Rücken platzierte sich "Mehr" auf der #24 der deutschen Albumcharts. Einige Monate nach diesem Erfolg baten wir 3Plusss zum Interview und zogen ein kurzes Résumé bezüglich der jüngsten Ereignisse.


    rappers.in: Dir geht's gut?


    3Plusss: Mir geht's blendend. Ich habe Eistee und ein richtig geiles Hotelzimmer da oben. Wir haben gerade ein Video gemacht, eine Ansage für Ampya, da habe ich oben auf dem Hotelbett gesessen. Mit Früchten, jeder Menge belegter Brötchen, einer Flasche Vodka und Bier. Die Flyer für den Gig heute sind Türhänger. Das sieht richtig geil aus. Das denke ich jetzt natürlich, weil ich da drauf bin. Aber ich kam vorhin so rein: "Oah, darf ich mir davon einen mitnehmen?" - "Klar, kannste haben" – "Wuuuuuhuuuuuu!"


    rappers.in: Du klingst, als würdest du momentan gar nicht realisieren, was bei dir passiert.


    3Plusss: Ja, was passiert denn? Ernstgemeinte Frage. Ich meine, sowas wie Ampya bekomme ich mit. Da wird mir mehr bewusst, dass es keine große Nummer ist im Sinne von "vor vielen Leuten". Aber es ist eine Riesenehre, da zu sein. Abgesehen davon: Heißt das denn was? Ist mein Arsch nicht ersetzbar?


    rappers.in: Jeder Arsch ist ersetzbar?!


    3Plusss: Es gibt ein paar, bei denen der Arsch nicht ersetzbar ist, und danach strebt man ja. Es gibt niemanden, der Marteria, Casper, Savas, Samy ersetzen kann. Punkt. Bis du das erreicht hast, bist du einer von vielen. Darum nehme ich das immer mit einem Lächeln wahr, was alles passiert, aber mehr auch nicht. Und ich glaube, ich nehme das alles auch nicht direkt wahr. Es gibt auch immer noch unfassbar viele Leute, die mich gar nicht abkönnen, von daher nehme ich die aktuellen Onlinekommentare auch nicht als Aufwärtsbewegung wahr. Es ist ja schon ein bisschen logisch, dass mich jetzt mehr Leute kennen. Wenn das Video auf einmal auf allen möglichen Plattformen läuft, es auch gute Kritiken gibt und sowas. Das VBT hat mich auch ein bisschen verwöhnt, muss ich sagen. Die wenigsten Leute können das danach dann noch halten. Also von dem allgemeinen, bloßen Interesse an der Person. Darum nehme ich auch vieles eher nüchtern wahr. Ich freu' mich wirklich über alles, was passiert. Ich freue mich über jeden Zuschauer, der kommt, über jedes Album, das sich verkauft. Ich war einmal da, dass ich über Nacht ein paar tausend Fans mehr hatte. Da war ich einmal, da kommst du nicht wieder so schnell hin. Ich glaube, das ist ganz gut, sonst würde ich wahrscheinlich abheben oder mir irgendwas darauf einbilden. Aber ich habe ja schon mal gefühlt mehr gehabt, weißt du. So von wegen "ich habe grade das Gefühl, die ganze Welt dreht sich um mich". Das Gefühl habe ich jetzt nicht mehr. Das ist gut. Das hat mir nicht gut getan, so eine Zeit lang.


    rappers.in: Hast du das denn alles richtig ernst genommen?


    3Plusss: Nicht von wegen: Der und der schreibt mir jetzt: "Das ist total geil." Und deswegen ist das jetzt total geil. Wenn mir aber tausend Leute schreiben: "Das und das ist richtig geil", dann hat das ja irgendwas zu bedeuten. Dann beeinflusst dich das auch, wenn du von allen Seiten hörst, dass alles super ist. Oder du das Gefühl hast, dass alles super ist. Es war auch ein riesig großer Umschwung. Wir haben Mucke nur für uns gemacht und dann kam das Turnier und Boom. Input übermenschlich. Ich weiß gar nicht, wie alle damit umgegangen sind – ohne wahnsinnig zu werden. Jetzt hat sich das wieder eingependelt. Auf einem schönen Level, das mir gut gefällt. Wobei ich nicht denke: Yeah, ich bin der heiße Scheiß und 2015 starte ich richtig durch.


    rappers.in: Ist ein ernstzunehmender Anfang, oder? Da gibt es andere, die gehen aus einem Turnier raus und releasen ganz schnell irgendwas.


    3Plusss: ... und bekommen bei euch dann auch 4,5 Mics. (lacht) Das ist jetzt gar nicht böse gemeint. Ich finde allgemein Bewertungssysteme überall immer lustig. Weil du immer etwas findest ... Du bekommst die gleiche Bewertung wie wer anders und denkst dir: "Was ist los ...?!"


    rappers.in: Es sind ja auch unterschiedliche Leute, die das schreiben.


    3Plusss: Natürlich. Aber am Ende steht da dann doch etwas, an dem sich viele Menschen aufhängen oder was für einen selber ein Aufhänger ist. Das Ampya- Ding zum Beispiel wäre für mich anders, wenn ich wüsste, dass schon die und die Ottos hier waren, die ich nicht leiden kann und für talentfrei halte. Ist immer noch ein Superformat dann, aber der und der waren auch schon da. Das schwächt den Wert für einen selbst.


    rappers.in: Unabhängig von Bewertungen und Meinungen anderer, bin ich persönlich beleidigt, wenn jemand mit Talent hinterher ein Aussage-neutrales Album veröffentlicht.


    3Plusss: Das ist aber auch so ein bisschen das Ding. Wie bleibst du bei all dem, was passiert, auf dem Boden? Das ist jetzt Heulen auf hohem Niveau und natürlich ein Problem, das die meisten Leute nicht kennen und nicht nachvollziehen können. Aber wenn sich dein Leben auf einmal nur noch um Mucke dreht und du Möglichkeiten hast, an die du vorher nicht gedacht hast: Wir könnten das und das machen, sollen wir ... ? Wir hätten für das Album auch einen Chor aus Ungarn mitnehmen können, für 200 Euro singen die dir alles ein. Wollen wir einen Chor auf dem Album haben? Chor kann geil sein, kann aber auch scheiße sein. Wollen wir das machen? Wollen wir das nicht machen? Machen wir nicht, brauchen wir nicht, haben wir keine Verwendung für. Ich kann das verstehen, dass Leute überfordert sind mit ihren Möglichkeiten und sich dann für das Falsche entscheiden. Am Ende des Tages sollte man aber dann das Album bewerten, und wenn das Album Kacke ist, sollte man auch sagen: Das Album ist Kacke. Aber ich habe immer auch ein bisschen Mitgefühl ...


    rappers.in: Ist das nicht immer auch die Sender-Empfänger-Sache?


    3Plusss: Meinst du, man sollte allgemein darauf achten, was die Leute wollen?


    rappers.in: Eher das Gegenteil. Wenn ich das mache, was ich mag, erreiche ich dann den, zu dem es passt?


    3Plusss: Es ist eine verzwickte Lage, wenn man aus dem Turnier kommt: Wofür wird man denn eigentlich gemocht? Nur für den Battlerap? Hat man gar keinen Charakter? Oder eben nur den aus dem Battlerap? Willst du denn hinterher ein Album voller "Hurensohn" machen? Das braucht ja keiner, also musst du etwas anderes machen. Wenn du die Möglichkeiten hast, mit einem Produzenten zusammenzuarbeiten, der Sound machen kann, den du noch nie gemacht hast, dann machst du das erstmal. Vielleicht geht der Weg ja danach anders weiter.



    rappers.in: Es ist nur traurig, wenn jemand eigentlich was kann und das dann negiert.


    3Plusss: Aber viele Leute können was. Es gibt so viele talentierte Leute da draußen, die einfach scheißegal sind. Da frage ich mich manchmal: Warum sollte ich deine Musik hören? Du stehst für nichts und fällst für alles. Dann bist du halt erfolgreich im Turnier und kannst eine gute Punchline rappen. Ich habe die Diskussion schon oft gehabt, dass jemand meint: "Der und der kann ja was". Natürlich kann der was. Es ist nicht schwer, rappen zu lernen. Es ist schwer, daran zu schmieden, dass es irgendwann deins ist. Dass die Menschen einen Ton hören und wissen, dass er von dir ist. Das ist schwer. Rappen lernen ist nicht schwer. Nach einem halben Jahr rappen habe ich zwölfsilbige Reime geschrieben. Das kann jedes verdammte Kind, das ein bisschen intelligent ist und die Materie begreift. Aber das bloße Können reicht halt nicht. Ich hätte gerne, dass die Allgemeinheit wegkommt von dem "der kann ja was"-Argument. Ist nämlich auch egal, dass der das kann ...


    rappers.in: Die andere Seite ist, dass sich jemand im Turnier etwas Charismatisches aufbaut, mit Wirkung erfolgreich spielt und das dann einfach nicht nutzt.


    3Plusss: Es gibt da schon Totschlag-Beispiele, das stimmt. Im Grunde hast du Recht. Da gibt es einen Charakter und damit könnte man was machen. Vielleicht kommt da ja noch was. Aber die Frage ist, ob es dann nicht zu spät ist. Die Hörerschaft ist unglaublich kurzlebig. Es ist schwer, sich aufzubauen, dass sie länger bei einem bleibt und man nicht mit dem nächsten Album von wem anders vergessen wird.


    rappers.in: Wollen wir nicht noch eine Runde über dich reden? Hast du Angst?


    3Plusss: Ich habe nicht immer Angst, aber so eine Grundangst schwingt natürlich immer mit. Einfach, weil es ein total schmaler Grat ist, auf dem ich mich bewege. Mit dem Umfeld, das sich grade aufbaut, mit der Zukunftsperspektive von dem, was ich grade mache. Der bloße finanzielle Aspekt. Das ist alles jetzt keine Lage, bei der ich sage: Ich schlafe ruhig. Ich schlafe schon gut. Wieder. Mittlerweile. Wie kommst du auf die Frage?


    rappers.in: Ich bin Autorin und der Moment der Verlagszusage hat bei mir Angst ausgelöst. Bücher schreiben war immer mein Backup-Plan. Was, wenn das schief geht?


    3Plusss: Ja, wenn Plan B zu Plan A wird. Es gibt keinen zweiten Fallschirm mehr. Wobei ... Es gibt immer einen zweiten Fallschirm. Ich glaube, dass Talent sich immer durchsetzen wird. Wenn du scheißgut Klavier spielst und du spielst die ganze Zeit nur in deinem stillen Kämmerlein, dann wirst du ewig in deinem scheißkleinen Kämmerlein bleiben. Talent alleine reicht nicht. Aber wenn du ein bisschen klug bist, wird sich das immer durchsetzen. Wenn du zum Beispiel mit dem Buch auf die Schnauze fällst, dann wirst du für eine Zeitung schreiben oder so ... (überlegt) Ich versuche mich auch immer wieder mal als Autor. Manchmal schreibe ich auch nur wirr alle meine Gedanken auf und denke mir: Irgendwann bringe ich mal ein Tagebuch raus. Weil ich in den verschiedenen Stationen der letzten Jahre immer Buch über meine Gedanken geführt habe und auch das, was ich sonst kaum einem erzähle. Aber es ist verdammt schwer, den roten Faden zu behalten und einen eigenen Stil zu entwickeln, sodass man interessant ist. Dass es einen Grund gibt, dass man mich interessant findet. Bei mir eines Tages, wenn ich meine Tagebücher dann veröffentliche ... (lacht) Dann ist das ja so: "Das ist der und der Musiker". Aber wenn ich das jetzt schreiben würde, würde es keinen Arsch interessieren.


    rappers.in: Ich glaube, du musst nur den Anteil an autobiografischen Aspekten auf vier Prozent runterfahren und drumherum eine Geschichte entwickeln. Dann kommt der rote Faden von allein.


    3Plusss: Ich hab' halt auch keine Geduld, ich will dann sofort zum Punkt kommen. Auf die und die Handlung will ich hinaus. Wie komm' ich da jetzt hin? Wie mach' ich da den Aufbau? Ich hab' schon die wirrsten Sachen angefangen. Ausgedachte Geschichten von fiktiven Charakteren. Und dann einfach keine Lust mehr, bis zu dem Punkt ist es mir jetzt doch zu weit. Falsch angefangen, scheiß' drauf, ich lösch' jetzt einfach alles und ...


    rappers.in: Dann kürz doch einfach ab. Ist doch deine Geschichte.


    3Plusss: Ja, aber ich will doch auch, dass es irgendwen interessiert am Ende.


    rappers.in: Wenn du das schreibst, was du selber lesen willst, dann merkt man das hinterher auch. Ist dasselbe wie Musik zu machen, die die Leute hören wollen. Schreib einfach das, was du selber schreiben und lesen willst.


    3Plusss: Das ist ein guter Punkt. Als ich angefangen hab', selbstständig Musik zu machen, habe ich auch gehört: "Das ist alles immer so direkt auf den Punkt und in die Fresse, was du so sagst." Du sagst einfach, was du sagen willst und da gibt's keine blöde Metapher. Dann wurde ich aber auch gefragt: "Ist das nicht ein bisschen zu einfach, wie du das machst?" Aber so ist es ja auch. Wenn du etwas sagen willst: Sag's. Wenn dir ein krasses Bild dazu einfällt: Pack es rein. Das ist etwas, was zum Beispiel Marteria total gut kann. Ein Gedicht. Ein Ohrenschmaus. An den prägnanten Stellen muss es kommen, da brauchst du ein Bild. Aber die ganzen Tracks so kunstvoll machen, nee. Da haben wir eine ähnliche Ausgangslage: Wo will ich hin? Okay, dann geh ich da jetzt hin und mach' auf dem Weg nicht noch drei Pirouetten. Am Ende des Tages ist die Aussage diesselbe, du hast nur ein wenig Atem gespart.


    rappers.in: Liest du viel?


    3Plusss: Früher ganz viel. Jetzt aber gar nicht mehr.


    rappers.in: Ist auch ein Trend, möglichst detailgetreu zu schreiben. Ich würde bücherweise mindestens 200 Seiten streichen.


    3Plusss: Das hatte ich neulich. Da dachte ich: Alter, die Story ist bestimmt echt gut, aber das Frühstück über 30 Seiten beschreiben ... Nee! Ich kann mir echt vorstellen, dass mich das kicken würde, aber du laberst über 40 Seiten einfach nur rum. Das hat mir echt körperlich weh getan, dieses Buch zu lesen. Wohingegen: "Kill your friends!" Geiles Buch! Da ist nicht eine Seite dabei, die mich gelangweilt hat.


    rappers.in: Guck dir Karl May oder Tolkien an, die sind berühmt für ihre Detailarbeit. Also mehr das Gegenteil.


    3Plusss: Ich hab' Tolkien angefangen zu lesen, da war Teil 1 schon draußen. Die ersten beiden Bücher habe ich so halb gelesen. Die haben bei dem Film schon ganz richtig gestrichen. Im Buch halten die noch in dem Hof an, da legt Frodo sich kurz auf die Schnauze. Dafür habe ich jetzt ein paar wertvolle Kindheitserinnerung vergessen wegen der Scheiße. Oder fandest du das gut?



    rappers.in: Ich mochte "Der kleine Hobbit" sehr gerne. Bei den "HdR"-Filmen ist mir das Ende zu sehr an der Botschaft vorbei. Frodo ist Antiheld, Auenland hat Nachkriegsprobleme und er wird einfach nie mehr lieben können.


    3Plusss: Das ist natürlich das geilere Ende. Der Film hat zwar auch ein schönes Ende, aber Hollywood halt. Ich fand es für mich als Zuschauer angenehmer.


    rappers.in: Aber ist doch Quatsch. Du gehst doch nicht solange auf eine Reise und kommst genauso zurück wie du weggegangen bist.


    3Plusss: Ich hab' mich über Frodo geärgert, weil er auf der Reise zu so einem Hurensohn geworden ist. Ich hab' da letztens auch ein richtig geiles Video zu gesehen, so Scumbag Frodo. Wo die in den Bergen sind und er zu Sam sagt: "So, jetzt gehen wir mal wieder nach Hause. Zurück ins Auenland." Ich denk' mir da so: Klar, der ist die ganze Zeit mit dir gewandert und soll sich jetzt verpissen. Du Missgestalt, Alter. Das kann doch nicht dein Ernst sein. Da hab' ich mir gedacht: Ganz ehrlich Frodo, das hast du nicht verdient, so ein glückliches Ende. Der sollte auch als das Arschloch dargestellt werden, das er ist.


    rappers.in: Reden wir hier eigentlich grade was Sinnvolles?


    3Plusss: Kaum! Ich seh' schon die Headline vor mir: "Frodo ist ein Hurensohn." Wollen wir zu den wichtigen Dingen der Welt kommen? Wie du magst. Ich bin tendenziell immer froh, wenn es über was anderes geht. Ich rede nicht gerne über HipHop. Was denk' ich über Hiphop? Ich mach' die Musik, ich werde das wohl mögen.


    rappers.in: Gibt es denn dann für dich noch andere Musik?


    3Plusss: Ich hab' eine Zeit lang viel Metallica und sowas gehört. Foo Fighters. Jetzt nichts von wegen: "Oh, die und die Band solltest du mal auschecken." Babyshambles fand ich super. Ich hör' jetzt in letzter Zeit gerne wieder die Dinge, die ich früher gehört habe, sowas wie Coldplay. Ich liebe Coldplay. Ich habe leider im Moment gar nicht die Zeit, mich mit neuer Musik auseinanderzusetzen. Da war ich in letzter Zeit ziemlich traurig darüber, dass alles so an mir vorbeizieht. Aber ich habe auch nie so die Lust gehabt, mich damit richtig auseinanderzusetzen. Dazu habe ich ein schönes Zitat von Genetikk gelesen. Die meinten: "Wir hören nicht soviel neue Musik, um unsere Einflüsse nicht zu verwässern." Genau das ist mein Punkt, der mir bis dahin gar nicht so bewusst war. Ich könnte ganz viele andere Genres hören, aber das würde irgendwas mit mir anstellen, wenn ich mich dauernd dieser Musik aussetze. Ich würde vielleicht in irgendwelche Richtungen abdriften, die ich in einem Jahr bereuen würde. Da hätte ich mich in dem Moment vielleicht so gefühlt, aber das ist nichts mit Substanz.


    rappers.in: Du könntest auf deinem Player alles durcheinander mischen, dann wär's nicht einseitig belastend, oder?


    3Plusss: Es beeinflusst mich trotzdem. Auf der Tour habe ich mich über alles gefreut und es hat Spaß gemacht, aber wenn ich im Bus saß und ich hab' nur Coldplay gehört, dann habe ich mich auch melancholisch dabei ertappt, über Dinge nachzudenken, die ich gern noch machen würde. Ich kann mich von dem Einfluss nicht frei machen. Ich muss sehr dosieren, mit was ich mich auseinandersetze. (überlegt) Im Grunde habe ich auch genug Bock und Energie – bilde ich mir zumindest ein –, um alles mal machen zu wollen. Aber ich hab' leider den Punkt übersprungen, an dem ich unbeobachtet alles machen kann. Ich kann's mir gerade auch voll verscherzen.


    rappers.in: Als B-Seiten?


    3Plusss: Ich hab' schon viele Ideen für B-Seiten. Mal schauen. Ich finde es aber trotzdem nicht so cool, wenn Künstler so rumspringen. "Ich mach' jetzt dies, dann mach' ich das. Und das widerspricht sich nicht, weil ich bin ja Künstler". Doch, das widerspricht sich wohl!


    rappers.in: Du hast doch auch im echten Leben mehrere Facetten, nicht nur eine.


    3Plusss: Ja, aber du musst ein bisschen darüber nachdenken, was die Leute denken. Ich persönlich würde denken: Pussy, Alter, dann hast du halt die Gefühle, aber die hat jeder. Selbst wenn das gut ist ... Da sind wir wieder an dem Punkt: Wer bist du? (überlegt) Vielleicht werde ich das auch irgendwann machen, dann werde ich eine schlimme Trennung hinter mir haben und mach' das einfach so. Aber ich bin halt Fan von vielen Künstlern. Richtig Fan. Wenn die irgendwo spielen, gehe ich ins Publikum und raste mit aus. Von daher habe ich noch so eine Fansicht auf die Dinge, dass ich denke: Warum machst du das jetzt? Ich kann dir nicht folgen. Ich möchte dir aber folgen. Du musst für mich greifbar und nachvollziehbar sein.


    rappers.in: Mit Hilfe eines anderen Projekts würde das doch gehen?


    3Plusss: Klar, aber damit halst du dir enorm viel auf. Du musst das ja auch verkaufen. Innerhalb von kürzester Zeit schaffst du dir ein zweites Ich, eine andere Identität. Das ist so gekünstelt. Ich bin darauf bedacht, dass es bündig ist. Im Grunde denke ich auch: Wenn du's fühlst, dann mach's. Dann hat es seine Richtigkeit. Um noch mal auf das mit der Trennung zurückzukommen: Gefühle sind nicht von Beständigkeit. Spätestens mit der nächsten Frau, die ich kennenlerne, ist das vorbei und dann denke ich: Alter, wegen der Scheiße damals ... Dann ist das auf dem nächsten Ding nicht mehr nachvollziehbar. Kennst du das nicht? Ich nehme Alben immer so persönlich wahr.


    rappers.in: Ich finde, man kann mit einer Band gemeinsam alt werden. Wie Fettes Brot. Damals "Jein", das war super. "An Tagen wie diesen" ist trotzdem eines ihrer besten Lieder, obwohl es nichts zu tun hat mit Fettes Brot von damals. Und wenn du selber keinen Stillstand hast, kannst du ja mit dem Künstler gemeinsam die Entwicklung machen.


    3Plusss: Genau, genau! Die Entwicklung. Die kann nicht einfach passieren, in dem du nur die Mucke so machst, wie du dich grade fühlst. Ich fühle mich eine Million Mal verschieden am Tag ... Da hab' ich auch oft die Diskussion: Ist das noch Rap? Klar ist das noch Rap, der Typ hat sich halt weiterentwickelt, so wie zum Beispiel Casper. Ich habe mir diese Frage nicht eine Sekunde gestellt, bis ich sie im Internet gelesen habe. Das ist eine nachvollziehbare Entwicklung. Ich finde es schön, wenn man sich damit auseinandersetzt: Wer bin ich eigentlich? Aber wenn du das über 20 Jahre machst: Alter, du musst jetzt auch mal angekommen sein, ganz ehrlich.


    rappers.in: Danke. Das ist doch das perfekte Schlusswort.



    (Jasmin N. Weidner)


    Seit nunmehr vier Monaten kämpften insgesamt 16 Crews im Rahmen unserer VBT Splash!-Edition um den Opener-Slot auf dem 17. Splash!-Festival. Ins Finale schafften es letztendlich das Duo ME-L Techrap & MoooN sowie die Crew Brennpunkt um Koma-Jack, J.C. 61, Jaspa und mcd, die sich in den letzten vier Wochen eine spannende Begegnung lieferten. Wer die vier Runden noch nicht gesehen hat, findet die Clips von Brennpunkt auf unserem YouTube-Channel, während die Beiträge von ME-L & MoooN auf dem Channel des Splash!-Mags anzusehen sind. Hier erhaltet Ihr außerdem noch einmal eine Übersicht über sämtliche Battles der VBT Splash!-Edition 2014, um eventuell noch einmal in Nostalgie zu schwelgen:


    zur Übersichtsseite.


    In den letzten Tagen hat sich unsere Jury ein letztes Mal zurückgezogen, um darüber zu entscheiden, wem in diesem Jahr der erste Auftritt auf Europas größtem HipHop-Festival gebührt. Nun steht das Ergebnis fest: Das Ferropolis'sche HipHop-Mekka wird am Donnerstagabend, den 10. Juli, von ME-L & MoooN eröffnet! Hier der Endpunktestand:


    Brennpunkt 8:13 ME-L Techrap & MoooN (Uservote: 430:666)


    Die genauen Jurybewertungen werden in Kürze veröffentlicht und können dann hier eingesehen werden.


    An dieser Stelle bedanken wir uns noch einmal bei allen Crews, die uns die letzten Monate mit ihren Battlekünsten versüßt haben und hoffen, dass auch Ihr wieder einmal bestens unterhalten wurdet. Dann bleibt jetzt nur noch eines zu sagen: Splash!, wir kommen! ... Und zwar heute in drei Wochen.



    (Florence Bader & Pascal Ambros)



    01. So lange
    02. Träumer
    feat. Kool Savas
    03. Dynamit
    04. Mädchen aus den Slums
    05. Ich hoffe der Papst glaubt an Gott
    06. Job verloren
    feat. Sido & She-Raw
    07. UZI
    08. Mein Baum
    feat. Xavier Naidoo
    09. Jogginghosenmann
    10. Karussell
    11. Ecstasy
    12. Happy End
    feat. Yasha & Marteria
    13. Freunde
    14. Arschgeweih
    feat. Damir Message
    15. Akupunktur feat. Morlockk Dilemma & Alex Prince
    16. Schmerzableiter feat. Damir Message


    Immer wieder taucht er aus dem Nichts auf: Zwischen hiesigen "King of Rap"-Diskussionen und Ideen für Promo aus dem tiefsten Absurdistan bricht Olli Banjo mit all solchen Trends. Er besinnt sich auf das Standing seiner Songs selbst und auch wenn hier und da das ein oder andere Interview mit dem Heidelberger seinen Weg in die sozialen Netzwerke findet, scheint er doch recht wortkarg geworden zu sein. Das wäre natürlich keinesfalls schlecht, wenn der 37-Jährige genau das in seinem neuen Album "Dynamit" vermitteln würde, was er außerhalb dessen auszulassen weiß. Doch viel mehr scheint an diesem Release zu hängen, sei es die endgültige Etablierung in der deutschen Raplandschaft oder auch nur der logische Fortschritt, um an seinen vier Jahre zurückliegenden Langspieler "Kopfdisco" anzuknüpfen.


    Von Beginn an zeigt der Künstler seine vielseitigen Themen auf und bringt bereits mit dem zweiten Titel "Träumer" seinen Langspieler auf den Punkt. Doch auch andere Aspekte bezüglich des Inhalts werden hier deutlich: An einigen Stellen ist es etwas kryptisch geworden. In vielen Zeilen scheint die Person Oliver Olusegun Otubanjo, so Banjos bürgerlicher Name, auf Tracks zu sehr in der Kunstfigur Olli Banjo zu verschwinden, obwohl es eigentlich um die Person gehen sollte. Anhand dieser problematischen Verschmelzung sind oft Sätze zustande gekommen, die auf den Musiker selbst eine komplett andere Wirkung zu haben scheinen, als das Endprodukt auf den Hörer. Ein Beispiel dafür ist "Mein Baum": "Wir sind im Krieg, sie schickt mich nachts dann zelten". Zudem scheint Olli Banjo eine außerordentliche Vorliebe für Instagram zu hegen, denn ganze vier Mal findet das soziale Bildnetzwerk auf dem Album Erwähnung, was sich auf Dauer irgendwie in den Kopf einbrennt und zu stören weiß – es wirkt schlicht und ergreifend wenig eloquent.


    "Meine Freundin ist 'n blödes Arschloch, ich mag sie nicht/
    Na ja, ich lieb' sie schon, aber ich sag's ihr nicht/
    "
    (Olli Banjo auf "Mein Baum")


    Daraufhin muss man sich nur noch durch das dahinplätschernde, höhepunktlose und mit dem orientierungslosesten Beat des Albums ausgestattete "Jogginghosenmann" quälen. Denn weder Beat noch Hook ziehen einen in ihren Bann und einfallslose, fast zur Lächerlichkeit verkommende Experimente mit dem Beat gehen schief. Doch dann ist es mit den großen Schwächen des Werks auch schon getan. Denn ebendiese anfängliche Träumerei wird auf anderen Tracks umso mehr eindrucksvoll vermittelt. Sei es das von Stilmitteln und Melancholie geprägte "Mein Baum" mit einem starken Xavier Naidoo in XAVAS-Manier oder das perfekt komprimierte "Ich hoffe der Papst glaubt an Gott", in dem wirklich jede Zeile sitzt, ohne den Gesamteindruck des Songs zu schmälern. Viele Features sind es auf jeden Fall, angebrachter sind sie mal mehr, mal weniger. Morlockk Dilemma präsentiert sich auf "Akupunktur" gewohnt unterhaltsam und technisch versiert, Sido und She-Raw passen perfekt in das Bild des genervten Arbeitslosen, dessen Jobverlust gar nicht so lang zurückliegt. Und auch Marteria und Yasha entspannen auf "Happy End", ohne langweilig zu werden. Am meisten zeigt jedoch Olli Banjo selbst sein gesamtes Spektrum: Ob Technikmassaker in "Arschgeweih" mit Damir Message, der jedoch aufgrund seiner geringen Prägnanz und raptechnischen Einseitigkeit zu den schwächeren Features gehört, oder auf Witz und Bildlichkeit ausgerichtete Lines in "Mädchen aus den Slums" – ihm gelingt mehr denn je. Und alles bringt Spaß.


    "Sie ist ein Mädchen aus den Slums, sie hat 'nen Haufen Wut/
    Doch ich hab' es selbst gesehen, ich schwöre, sie hat blaues Blut/
    Sie ist Crack für mein Herz, Schore für mein Blut/
    Ist sie zwei Stunden weg, bin ich sofort auf Entzug/
    "
    (Olli Banjo auf "Mädchen aus den Slums")


    Einen riesigen Vorteil machen letztlich die Produktionen auf dem gesamten Langspieler aus, sieht man von ein, zwei Ausnahmen (wie in "Jogginghosenmann") ab. Es wird hier variiert von schnellen Chören und Rhythmusinstrumenten zu epischen Streichern und langsamen Electro-Samples; von Rock-Einflüssen zu konservativem Rap-Oldschool-Bass. Wirklich alles ist hier zu finden. Die Produzenten, ihres Zeichens Olli Banjo selbst und zu kleinen Teilen The Krauts, dürfen sich auf die Schulter klopfen. Ob die dramatische Stimmung in "Ecstasy" oder der pure Battlerap in "Akupunktur" – die Untermalung sitzt. Der Weg der Eigenproduktionen sollte in Zukunft öfter eingeschlagen werden. Und auch die gepitchten Einspieler an vielen Stellen sitzen genau da, wo sie bei anderen Rappern oft ad absurdum geführt werden und die Atmosphäre eines ganzen Titels zu zerstören wissen.


    "Melodien werden Farben und malen sich selbst/
    Diese Welt, eine Schale voller Wissenschaft, draus gebaut/
    Wie können wir anhand dieser Schönheit nicht glauben/
    Lass es zu, denn es ist ein Traum/
    "
    (Kool Savas auf "Träumer")


    Fazit:
    Genau diese Zeilen sind es, durch welche Featuregast Kool Savas Stimmung, Aussage und Herangehensweise einer ganzen Platte zum Ausdruck bringt. Angekommen ist Olli Banjo mit Sicherheit immer noch nicht, was nach einer solch langen bisherigen Karriere äußerst bemerkenswert ist. Doch vielleicht macht ihn genau das aus. Es wird geträumt, es wird von Thema zu Thema gesprungen, die Featurezahl erinnert an so manches Mixtape und der ein oder andere Ausrutscher in Solo-Songs ist ebenso dabei. Dennoch sind Goldstücke wie "Mein Baum", "Träumer" oder "Ich hoffe der Papst glaubt an Gott" unverkennbar Zeugnis eines klugen Kopfs mit einer Affinität zu Musik und zur inhaltlichen Reflexion bestimmter Thematiken. Und das ist eine Fähigkeit, wie sie nur wenige außer ihm beherrschen. Genau hier sollte Olli Banjo weiter ansetzen, denn das Album war ein größerer Schritt als alle vorigen zum berüchtigten "Happy End".



    (Max)

    [REDBEW]1519 [/REDBEW]

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    Das Halbfinale der diesjährigen VBT Splash!-Edition wurde bestritten und wir neigen uns dem Finale zu. Nachdem sich nun bereits ausgewiesene Experten und Legenden in Sachen Deutschrap mehrfach zu den Halbfinal-Crews Brennpunkt, Mikzn & Akfone, ME-L Techrap & MoooN und RoyalFam geäußert haben, ist es an der Zeit, auch einmal das Publikum zu Wort kommen zu lassen. Aus diesem Grund baten wir einige Personen aus der rappers.in-Userschaft um eine kurze Analyse und ihre Meinung zu den jeweiligen Halbfinalbattles.


    Hier findet Ihr die Meinungen von Cannaques, djxcz, Falk am Mic, und suexf zum Battle Brennpunkt versus Mikzn & Akfone (Die lässig Verträumten).






    Einschätzung von Cannaques


    Die Hinrunde von Brennpunkt kommt erst mal mit sehr geilem Beat. J.C.s Englisch wirkt leider sehr gestellt, fand das in der Runde gegen Josa damals viel besser. Doubletime find' ich recht verständlich ... aber die Hook ist nicht so meins. Jaspa auch besser als sonst, Koma-Jack natürlich auch dope. MCD fehlt leider. Mag allgemein Brennpunkts Rap, Text ist aber auch ok. Mikzns und Akfones Hinrunde hat ein ganz lustiges Konzept, mag den Rap der beiden leider gar nicht. Also, sowohl Flow als auch Beat spricht mich leider gar nicht an. Finde da Mikzn noch besser als Akfone. Textlich ist's dafür sehr dope – haha, find' ich super! Die "Raiders-Jacke"-Line, sehr gut. Finde Rap nur wichtiger als den Text ... und da spricht mich Brennpunkt mehr an. Bang Bars Gang Rückrunde ist dann natürlich das i-Tüpfelchen des Battles, sehr geile Kombo für eine Runde zumindest – hoffe nicht, dass die so weitermachen. Dope, wie Mikzn die Brennpunktmitglieder imitiert, der J.C.-/Jaspa-Part killt auch. Hook ganz lustig, aber ja, da hätten die selber auch eine bessere hinbekommen. Also: So im Hinrunden-Vergleich hätte ich Brennpunkt vorne gesehen, sind jetzt ja eh weiter – wie Albinos.





    Einschätzung von djxcz


    Wie soll man ein Battle beurteilen, bei dem es zwar zwei Hinrunden, aber nur eine gemeinsame Rückrunde gab? Sind jetzt beide Crews im Finale? Machen ME-L & MoooN und die RoyalFam das auch? Hä? Immer mit der Ruhe. Fangen wir mit den Hinrunden an. Brennpunkt wie gewohnt sehr rund. Technisch ist das natürlich alles einwandfrei, das Soundbild wie immer hervorragend. Textlich ist mir das in dieser Runde allerdings zu wenig, denn es wirkt austauschbar. Auch das Video kennt man mittlerweile. Irgendwelche Straßenszenen in Schwarz-Weiß und eine RRG-Maskerade. Kann man machen, kennt man aber. Insgesamt die wohl schlechteste Runde des Brennpunktes in diesem Turnier, was nicht heißt, dass sie schlecht ist. Sie ist eben nur schlechter als die bisherigen Runden, was zum Teil auch daran liegen mag, dass MCD im Urlaub war. Die Gasthook wirkt unpassend. Die lässig Verträumten kommen textlich deutlich kreativer daher. Die Religionsthematik wurde gut umgesetzt und durchgezogen. Die Delivery ist Geschmackssache – mir gefällt sie. Die Lines sitzen und ich musste an mehreren Stellen schmunzeln. Koma-Jacks Frisur erinnert tatsächlich an einen mönchlichen Topfschnitt. Dass diese Runde laut Aussage der Artists unter erheblichem Zeitdruck entstand, zeigt sich vor allem im Video, was dadurch deutlicher mehr nach "Untergrund" aussieht, als das der Jungs aus dem Umfeld des Berliner Untergrund TV. Ja ... Hinrunden soll man nicht vergleichen. Mach' ich aber trotzdem. Danach liegt München für mich knapp vorne. Und dann war da ja noch eine Runde, nämlich die gemeinsame Rückrunde. Man kontert sich selber und das größtenteils großartig. Der Move mag manche verärgert haben, aber letztlich war er wohl die bessere Lösung, anstatt dass eine der beiden Crews im "vorgezogenen Finale" vorzeitig aufhört. Somit haben alle gewonnen und man wird wohl mehr Splash!-Tickets raushauen müssen als bisher gedacht.






    Einschätzung von Falk am Mic


    Zur Hinrunde vom Brennpunkt: Was genau hinter ihrem Videokonzept steckt, bleibt mir auch nach mehrmaligem Schauen schleierhaft und nicht ganz begreiflich. Außer, der verprügelte Dee-Ho soll eine Parallele zu den Alter Egos der lässig Verträumten darstellen. Doch selbst dann finde ich das Konzept nicht gerade berauschend, mal abgesehen von der schauspielerischen Leistung der Darsteller. J.C. sieht darüber hinaus meines Erachtens nach auch viel zu lieb für dieses Ghettoimage aus. Doch genug vom visuellen Teil. Der amerikanischsprachige Teil ist mehr schlecht als recht und wirkt auf mich eher nach Standardniveau und billig zusammengereimt, um den VBT-Menschen dort vor den Monitoren und Smartphone-Geräten das zu geben, was sie sich wünschen. Darauf folgt ein total sinnfreier und gehaltloser Doubletimepart, der klanglich zwar zu überzeugen weiß, jedoch – wie für einen Doubletimepart so üblich – inhaltliche Wünsche mehr als offen lässt ... wie die Beine von Barney Stinsons Mutti. Die "Sonnenbrillen"-Line danach unterhät mich dann aber doch einigermaßen. Danach darf ich mich dann einer total lustlosen und einfach wack klingenden Hook erfreuen, die man auch gerne hätte weglassen können. Der darauf folgende Part lädt dann schon mit den ersten zwei Versen zum Fremdschämen ein und ich schwöre, ich hätte ausgemacht, wenn ich mich nicht dazu bereit erklärt hätte, diese kleine Bewertung hier zu schreiben. Stimmlich und rein flowlich betrachtet gefällt mir das dann wiederum doch ganz gut. Diese "Ich beleidige ein Duo als Homopaar"-Sache finde ich an sich auch ziemlich ausgelutscht und langweilig, aber die dann folgende "Max Herre"-Line lässt mich durchaus schmunzeln, weswegen das Ganze dann doch halb so wild und zumindest ansatzweise kreativ scheint. Das Ganze plätschert dann aber bis zur witzigen "Vitality"-Line wieder vor sich hin und bietet auch danach keinerlei erwähnenswerte Unterhaltung mehr. Der Koma-Part zum Ende ist inhaltlich dann auch nicht wirklich krass, aber dafür sehr authentisch. Die Delivery stimmt hier als Einziges, sodass selbst recht magere Lines einen unterhaltsamen Beigeschmack bekommen. Musikalisch eine schöne Runde, aber mit wenig wirklich herausstechenden und gut transportierten Zeilen. Hier mangelt es den Rappern entweder an textlicher Finesse oder an der richtigen Delivery, weswegen das Ganze eher so vor sich hin spielt, statt wirklich zu fesseln.


    Was die Hinrunde von Mikzn und Akfone betrifft: Das Video erzählt zwar keine Geschichte, weiß aber wegen der passenden Location in Verbindung mit vereinzelten Lines der Künstler durchaus zu überzeugen. Qualitativ zwar nicht so hochwertig wie das Video der Kontrahenten, aber dennoch passender. Der erste Part lässt nicht lange auf Unterhaltung warten. So gefällt schon zu Anfang die "Halbstarken"-Line von Mikzn und sorgt dafür, dass man dran bleibt, um mehr solcher Lines genießen zu dürfen. Die folgenden Verse sind zwar gut, aber weniger spektakulär. Hervorzuheben wäre hier noch die "Sehnenscheiden"/ "kleben bleiben"-Line, mit der Mikzn ein schönes Bild malt. Hier werden für mich schon die essenziellen textlichen Unterschiede der beiden Crews deutlich. Die Hook ist ganz in Ordnung. Kein Ohrwurm, aber auch nicht so grausig wie in der Hinrunde der Gegner. Die Cuts kommen ganz gut! Danach setzt, leider etwas vernuschelt, der nächste Part ein. Nach Googlen des Namens Günther Kaufmann musste ich dann aber ziemlich lachen. Der Flow kommt zwar durchaus sehr nice, textlich lässt Akfone aber bis zur "Bruder Jakob"-Line auf treffende Zeilen warten. Ob die Line wirklich so gut ist oder ob ich einfach einen ziemlich verkorksten Humor habe, bleibt den Lesern und VBT-Menschen des Forums überlassen. Die Lines mit dem Sakristei- und dem Fixernadeldornenkronen-Inhalt danach kommen aber tatsächlich so amüsant, dass sich das Warten bis hierhin wirklich gelohnt hat. Zu meckern habe ich an dieser Runde wohl lediglich am Schnitt des Videos, der meiner Meinung nach etwas dynamischer hätte gestaltet werden können.


    Bang Bars Gang: VBT-Gestalten werden sich jetzt wohl, der Competition beraubt, weinend auf Ihrer Schlafcouch das Ende herbeisehnen und sich wünschen, Up hätte coru und donetasy als Crew herangekarrt. Ich hab' mich, ehrlich gesagt, nicht darüber informiert, warum die beiden Crews sich nun zusammengeschlossen und sich gegenseitig die Rosetten geknuspert haben und es ist mir auch gleich. Zwar ließen die Hinrunden auf wirklich überragende, alles zerfickende Rückrunden hoffen, aber das Produkt der Kollaboration beider Crews kann sich auch sehen lassen. Das Video ist cool produziert worden und bedarf in meinen Augen keiner weiteren Kritik. Der erste Part kommt wirklich straight und stylisch durchgerappt daher und hat auch die ein oder andere coole Line. Spontan fällt mir da jetzt die "Erzeuger"-Line ein. Mikzn kommt danach zwar auch recht gut auf dem Beat, wirkt mir aber außer der "Mitfahrgelegenheiten"-Line etwas zu flach. Die Hook gefällt mir schon wieder nicht, sodass ich da gar nicht weiter drauf eingehen möchte. Danach steigt Koma sehr rough auf den Beat ein und scheint dabei das Atmen komplett zu vergessen, was auch der Grund für dieses total gequält klingende "Alter" nach den ersten Lines sein dürfte. An dieser Stelle wäre etwas weniger wohl mehr gewesen. "Durchdacht wie Schornsteine" ist wohl das einzige wirkliche Highlight eines krass gerappten Parts. MCDs Part ist hier für mich der einzige, der als Ganzes funktioniert, was ihn für mich zum besten Part des Songs macht. Hier hat man zum ersten Mal das Gefühl, dass nicht versucht wird, textliche Schwächen im Gesamten nicht durch ein, zwei lustige Lines oder heftige Flows zu kaschieren. Das lässt das Ganze so unglaublich locker und durchdacht wirken. Props dafür. Abschließend überzeugen sowohl Akfone mit dem Konter seines eigenen Hinrundenparts als auch J.C. mit einer recht gelungenen Akfone-Parodie und runden das gemeinsame Projekt damit in meinen Augen ab. Nach dieser "kurzen" Kostprobe hätte ich wohl weniger ein Problem damit, die Bang Bars Gang zusammen in der nächsten Runde gegen ME-L & MoooN zu sehen.






    Einschätzung von suexf


    Yo, bei den Hinrunden haben beide 'ne runde Sache abgeliefert. Englischer Einstieg von J.C. kam mir etwas gezwungen und überbetont vor, die Flows danach sind ziemlich sick. Ansonsten gefällt mir Jaspas Part noch ziemlich gut. Die "Max Herre"-Line war großartig, der ganze Part gut auf den Beat gepresst. Koma zieht sein Ding durch. Die Gasthook fand ich unnötig. Mikzns Part geht durchweg gut rein, fand hier diese "lächerliche hühü"-Betonung manchmal etwas übertrieben. Die Hook mit dem Cut kommt ziemlich fresh und Akfones Flow finde ich einfach immer abgefahren. Das Konzept von der kollektiven Rückrunde finde ich witzig – kann man machen. "Ja, ich guck' Fickfilme/ Was guckst du, Trickfilme?!" – das ist geil betont. MCD brettert gut über den Beat, Akfone auch super, J.C. erscheint subtil und einfach richtig witzig, aber nüchtern betrachtet auch wieder krass gerappt. Das beste an der Runde: Das VBT bringt keine Klicks mehr.




    Die hier aufgeführten Einschätzungen geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Users wieder, nicht aber die der rappers.in-Redaktion.


    Danke an alle, die sich die Mühe gemacht haben, ihre Einschätzungen zum Battle für uns zu formulieren und sie mit den restlichen Usern zu teilen. Die Analysen zur Begegnung zwischen der RoyalFam und ME-L Techrap & MoooN findet Ihr im VBT-Mag.



    Daniel Fersch & Yannik Gölz

    Das Halbfinale der diesjährigen VBT Splash!-Edition wurde bestritten und wir neigen uns dem Finale zu. Nachdem sich nun bereits ausgewiesene Experten und Legenden in Sachen Deutschrap mehrfach zu den Halbfinal-Crews Brennpunkt, Mikzn & Akfone, ME-L Techrap & MoooN und RoyalFam geäußert haben, ist es an der Zeit, auch einmal das Publikum zu Wort kommen zu lassen. Aus diesem Grund baten wir einige Personen aus der rappers.in-Community um eine kurze Analyse und ihre Meinung zu den jeweiligen Halbfinalbattles.


    Hier findet Ihr die Meinungen von Baba Kaio, King KaniGee, Lowcut, ProRipper und Sweed zum Battle RoyalFam versus ME-L Techrap & MoooN.





    Einschätzung von Baba Kaio


    Zur Hinrunde der RoyalFam: Ich fasse mal eben eure Runde zusammen. Der eine kifft, der andere ist uncool und sie sind gar keine echten Freunde, sondern zwei Internet-Rapper, die sich zusammengetan haben. Folgende Fragen stellen sich mir da: Ja, und? Wen interessiert's? Und jetzt? Mal im Ernst, Amigos. Ihr habt die Parts zwar nett aufgebaut, aber viel kommt dabei nicht rum. Ich hab' letztes Jahr echt viele Battles von dem Knaben bewertet. Da musste ich mir schon diese ganzen "Hauptsache, ich hab' welche drin, egal, wie weit hergeholt oder ausgelutscht sie sind"-Kiffer-Lines geben.
    Ich muss mich hier leider kurz fassen: Eure Reime lassen echt zu wünschen übrig. Scheiß mal auf Silbenzählung oder sonst was. Aber "drei Liter Bier"/ "kleiner Vampir" ist echt zu viel des Guten. Inhaltlich bleibt ihr auf diesem Niveau, ohne dabei gute Punchlines zu bringen. Das WTC-Ding am Ende kommt dafür ganz cool. Aber wen juckt es denn, wie lange ihr euch kennt? Meine Fresse, dann sind das halt nicht beste Freunde, sondern Leute, die einfach so übers Internet zusammen rappen. Das kreidet ihr denen im Jahr 2014 an, während ihr an einem Internet-Battle teilnehmt? Kommt schon, das ist doch hier keine Untergrundbattle-Cypher, in der Crew gegen Crew auf Beatbox rappt. Was soll ich noch groß zum Rest sagen? "ME-L ist klein, weiß und kifft – kleiner Vampir". MoooN hält sich für cool, ist es aber nicht – realitätsresistent. Da habt ihr euch nicht wirklich was einfallen lassen. Das Video ist dafür nett aufgebaut. Die Darstellung von den beiden beim Skypen habt ihr ganz gut umgesetzt, das gefällt. Seid froh, dass ich mich kurz halten muss, sonst wäre ich näher darauf eingegangen, dass der Akne behauptet, er hätte aus Versehen hässliche Frauen gebumst.


    Zur Rückrunde von ME-L & MoooN:


    "Ich frag' mich, wie uns das Ganze hier treffen soll, wenn ihr Penner zum Battle kommt/
    Und über drei Parts hinweg sagt, dass wir tatsächlich aus zwei verschiedenen Städten kommen/
    Was soll der Scheiß?!/
    Ihr kommt alle aus Hamburg, aber schafft's im Video leider nicht, zur selben Zeit am selben Ort zu sein/
    ''


    Junge, Junge. Und mit dem Flow zusammen knallt das richtig. Die Einstiegszeilen von MoooN sind recht deftig (wie sein Mittagessen). Die "Großstadt-Kleingeist"-Line schellt ebenso. ME-L hat die Kifferscheiße auch schön in den Schatten gestellt. Musste beim zweiten Beat sogar kurz meine steinerne, ernste Mimik aufgeben bei dem "Lauch oder Sellerie"-Konter. Junge, besser kann man das nicht kontern. Die "Zwei Stationen Bahn"- und "Damit ein bisschen was puncht, hab' ich überlegt, mit dem Kiffen anzufangen"-Konter sind ebenso dope. ME-L sticht von den beiden aber deutlich heraus, was Punches und Konter angeht. Ist hier eine eindeutige Sache. Der Flow gefällt mir hier vor allem bei ME-L besser. Und das Video ist auch nett gemacht. Gute Rückrunde, bessere Runde.


    Zur Hinrunde von ME-L & MoooN: Der erste Part von Per Mertesacker ist nicht so cool. Okay, du findest die peinlich, wow. Wer hätte das gedacht. Viel Gerede, aber keine guten Lines bis auf die "U mad"-Sache. ME-Ls Part ist flowlich wieder erste Sahne. Der Einstieg ist eine nette Idee, ansonsten trifft da aber nichts und die "Stiftung Warentest"-Line hättest du dir echt sparen können. Was bei dir noch dope ist, ist die Aufzählung von jedem mit Adelstitel im negativen Kontext. Von Moontesacker kommt da leider auch nicht mehr viel. Nichts, was puncht, nichts Einfallsreiches. Das Video schreit auch eher nach einem Wechsel der Location. Ja, das war eher nicht so toll. Viele Lines, wenig treffende.


    Zur Rückrunde der RoyalFam: Wer auch immer der erste ist, ist das verdammt noch mal dein Ernst? ''Kann irgendjemand Wack MC-isch?'', ''You Mett-Brot?'' – sind wir hier im Kindergarten? Vor allem: Ist Letzteres echt als Konter gedacht? Die "Mars"-Line hast du wenigstens gut gekontert. Bei der nächsten Sache muss ich jetzt aber wirklich mal eingreifen, egal, ob's zu lang wird. Das muss man erwähnen. Da besitzt du die Dreistigkeit, "Monobraue" auf "bloßem Auge" zu reimen und dann wird ein Bild eingeblendet, auf dem man seine Augenbrauen schlecht bis kaum sieht, weil seine Kappe 'nen Schatten wirft. Und ein Tamponfaden ist in der Regel auch nicht rot, sondern der Tampon selbst. Die Doubletime-Parts sind die perfekte Ergänzung für solche Lines. Stumpfsinniger "Hauptsache reimt sich und könnte irgendwie als nette Line durchgehen"-Text. Der "So lala"-Front von MoooN war nicht cool und das mit den Teletubbies zu kontern hättest du dir gerade sparen können. Bei der Line zu Dre und Snoop war dann endgültig Schluss. Der andere Held wirft darauf Zweckreimen vor und kommt währenddessen mit "Allein, Dog"/ "Reimwort" und "Ihr kleinen Schwarzbrenner"/ "Fazit ab" um die Ecke und verkackt dann auch noch einen Doubletime, indem er ihn komplett vernuschelt. Hattet ihr überhaupt die Absicht, irgendwas richtig auszukontern? So eine schwache Hinrunde ist doch wie 'ne Steilvorlage. Nein, anstatt mal vernünftige Konter zu schreiben, will man auf Teufel komm raus einen Doubletime kicken. Das Video ist wieder ganz cool gemacht. Ihr hattet nette Ideen, die Umsetzung lässt jedoch viel Luft nach oben. Schwache Hinrunde, schwache Rückrunde.





    Einschätzung von King KaniGee


    Ich finde die Zusammenstellung der Parts in der Hinrunde von der Fam sehr, sehr geil. Harmoniert sehr gut, das Soundbild ist auf Beat eins super, auf Beat zwei abgesehen von der Hook jedoch eher nicht so. Es gibt zwar keine Lines, die wirklich hängengeblieben sind, aber trotzdem ist ein guter Gegnerbezug vorhanden. Der erste Part ist da dick geworden und auch raptechnisch ist das von beiden Parteien schon eine solide Leistung, wie man sie sich in einem Halbfinale wünscht. Videotechnisch hab' ich bei beiden Crews nichts zu bemängeln, im Gegenteil sogar: Die Doppelgänger in der RoyalFam-Hinrunde sind schon relativ lustig. Die Rückrunde von ME-L & MoooN ballert auch gut. Finde sie allein vom Gesamteindruck hier in dieser Runde einen kleinen Tick besser. Klar, die RoyalFam hat eindeutig die besseren Rapper, aber M&M liefern ein Stück überzeugender ab, gerade auf dem zweiten Beat, auf dem ich die RoyalFam schwächer finde. Punkt für ME-L & MoooN.


    Zur Hinrunde von M&M: gute Location, die die beiden sich für ihr Video ausgesucht haben. Natürlich soll das eine Anspielung auf die royale Familie sein. Rap- und variationstechnisch find' ich sie hier richtig, richtig gut, aber es zeichnet sich das ab, was zu erwarten war: Wenn die RoyalFam will, dann kann sie auch. Das Gesamtpaket gefällt mir bei der Fam in der Rückrunde definitiv besser: Der "U mad, bro?"-Konter von Rickbo ballert und generell bleiben bei der RoyalFam-Rückrunde mehr Sachen hängen – der Doubletimepart von Juskah gefällt mir zum Beispiel sehr, sehr gut. Punkt würde hier an die RoyalFam gehen.


    Fazit: Ein sehr unterhaltsames Battle auf einem technisch überdurchschnittlichen Niveau und es fällt mir sehr schwer, einen Sieger festzumachen. Leider muss einer gewinnen und beide hätten das Weiterkommen verdient, meine Stimme würde in diesem Battle aber der RoyalFam gehören. Trotzdem waren ME-L & MoooN in diesem Battle definitiv auf Augenhöhe mit der Fam, was auf jeden Fall eine respektable Leistung ist.





    Einschätzung von Lowcut


    Die Hinrunde der RoyalFam packt mich nicht. Viel zu fröhlich und deutlich zu weit hergeholt erscheint diese Vampirgeschichte. Für mich puncht das auch nicht besonders ins Gesicht. Die Rückrunde von ME-L & MoooN ist mehr Battle, mehr Entertainment. Sagt mir insgesamt mehr zu, auch wenn die eigene Hinrunde für mich stärker war. Ihre Hinrunde gefällt mir in diesem Battle nämlich am meisten. MoooN bringt viel Persönlichkeit und variantenreiche Raps, ME-L halt mehr die Technikschiene, was nicht immer dem Inhalt zuträglich ist. MoooN mit einer ausgezeichneten Hook, die bleibt hängen. Die Rückrunde der RoyalFam gefällt mir zwar besser als deren Hinrunde, aber der erste Part ist zu silbenarm für die BPM-Zahl, danach kommt das Geflexe des Todes. Da ich mich kurz fassen muss, komme ich zum Schluss: ME-L & MoooN liefern für mich besser ab, somit sind die beiden in meinen Augen weiter. Auf irgendwelche Punkteverteilungen verzichte ich. Gebt euch bös, Dogs!


    Einschätzung von ProRipper


    Die RoyalFam ergänzt sich in der Hinrunde schon sehr schön – dieses Abwechseln in Zweiergruppen baut Atmosphäre auf und zeigt einfach einmal mehr, dass die einzelnen Crewmitglieder prächtig miteinander harmonieren. Was für mich schon mal ein dicker Pluspunkt ist, vor allem bei einer so großen Crew. Auch thematisch eine sehr nette Idee und dank der Webcam-Aufnahmen videotechnisch schön umgesetzt. Nur ist mir der erste Beat für ein Battle an sich zu seicht und der zweite zu überladen, sodass da nicht mehr viel hängen bleibt. Beim ME-L & MoooN-Konter sind einige sehr geile Lines dabei – insbesondere die "Ihr schafft es trotzdem nicht am selben Ort zu sein"-Zeile von ME-L fand ich sehr dope. Trotzdem kommt er für mich auf dem ersten Beat nicht so gut rüber wie auf dem zweiten. MoooNs Leistung find' ich einen Ticken ansprechender, insgesamt würd' ich hier aber für die RoyalFam voten. Sowohl audio- als auch videotechnisch war das Gesamtpaket bei den Hamburgern stimmiger. Bei der Rückrunde fehlt mir schlichtweg auch der Bezug zum Hinrunden-Video.


    Die ME-L & MoooN-Hinrunde hat 'nen coolen Beat, die Parts sind allesamt sehr schön gerappt und hier harmonieren die beiden auch viel besser als in der Rückrunde und spielen ihre Stärken in Sachen Humor vollends aus. Hier find' ich ME-L besser als MoooN, nur die Hook geht mir gar nicht rein. Dieses "... ist es die RoyalFamileeey" hat so ein bisschen negatives Ohrwurmpotenzial für mich. Die "Extreme Überlänge"-Line am Ende des MoooN-Parts killt. Bei der RoyalFam-Rückrunde bleibt bei mir leider auch nicht allzu viel hängen. Das ist zwar alles gut gerappt und das Video find' ich auch besser als das von ME-L & MoooN, aber keiner der Rapper schafft es, mich wirklich umzuhauen. Die Hook ist besser als die von ME-L & MoooN, aber auch da hab' ich ein bisschen was Stärkeres erwartet. Doubletimepassagen hat für mich in dieser Runde in beiden Teams leider keiner sauber genug hinbekommen, als dass ich davon geflasht wäre. In dieser Runde find' ich beide Beiträge sehr ausgeglichen – gut, aber nichts Überragendes. Würde hier ein unentschieden verteilen, sodass ich die RoyalFam insgesamt mit 2:1 vorne sehe.





    Einschätzung von Sweed


    So, ich sehe die Hinrunde der RoyalFam deutlich vorne, da alles runder wirkt, auch wenn sie technisch kein Brett ist. In puncto Video sehe ich M&M vorne, aber insgesamt ist das für mich einfach nicht genug. Textlich sagt mir die Rückrunde einfach nicht zu, zu wenige gute Konter, obwohl es für mich Punchline-mäßig auf einem Niveau ist. Bis auf die "U mad, bro?"-Line finde ich den Part von MoooN einfach schwach. ME-L gefällt mir da schon besser, aber die Runde killt irgendwie trotzdem nicht. Rickbo ist in meinen Augen schwach, Akne und Juskah technisch gleichwertig, aber insgesamt puncht es kaum und kontern tut es noch weniger. Unterm Strich sehe ich das Ganze ausgeglichen. Allerdings hätte ich mir im Halbfinale stärkere Runden gewünscht.



    Die hier aufgeführten Einschätzungen geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Users wieder, nicht aber die der rappers.in-Redaktion.


    Danke an alle, die sich die Mühe gemacht haben, ihre Einschätzungen zum Battle für uns zu formulieren und sie mit den restlichen Usern zu teilen. Die Analysen zur Begegnung von Brennpunkt und Mikzn & Akfone sowie deren Fusion zur Bang Bars Gang findet Ihr in Kürze im VBT-Mag.



    (Daniel Fersch & Yannik Gölz)

    Rap ist seit über 40 Jahren Teil der Musikgeschichte. Und obgleich diese Zahl im Vergleich zu anderen Musikstilen gering scheint, war die Entwicklung in hohem Maße dynamisch und einflussreich. Wie kaum eine andere Musikrichtung hat das Rap-Genre politische, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen reflektiert und künstlerisch verarbeitet. Ein Verständnis der Vergangenheit ermöglicht daher in besonderem Maße eine differenzierte und facettenreiche Wahrnehmung der heutigen Szene. Im Rahmen dieser Kolumne versuchen wir eine kritische Würdigung herausragender Alben der Rap-Geschichte. Basierend auf einer subjektiven Auswahl, unter Berücksichtigung der Fachliteratur, präsentieren wir euch die unserer Meinung nach prägenden Alben deutschsprachiger Rapmusik. Die Auswahl umfasst Werke, deren Relevanz auf künstlerischer Qualität und/oder Innovation beruht, welche aber auch kommerziell wahrgenommen wurden. Gleichzeitig wurde auf eine Balance der verschiedenen Stilrichtungen geachtet, um einen möglichst ausgewogenen Blick auf die Entwicklung zu ermöglichen. Von jedem Künstler, den wir berücksichtigt haben, wurde jenes Werk ausgewählt, welches unserer Einschätzung nach zu einem Meilenstein geworden ist. Eines wird bei diesem knapp zwanzigjährigen Streifzug durch die Geschichte deutlich: Rap in Deutschland hat eine lehrreiche, kontroverse und sehr spannende Vergangenheit.




    Meilensteine: Stieber Twins – Fenster zum Hof (1996)



    01. Intro
    02. Fenster zum Hof
    03. Allein zu zweit Remixx
    04. Einmal Macco, zweimal Stieber
    feat. Cora E.
    05. Chris' Interlude
    06. Fahrenheit 72
    07. Doppelt nicht Stereo
    08. Mar'lude
    09. Fenster zum Hof Remixx
    10. Fünfzig-Fünf
    11. PEB get's physical
    12. Tausend MC's
    feat. Scopemann, Fast Forward, Aphroe, Tatwaffe, Curse
    13. Outro: The Key to all Forms of Rockin'


    Wenn eine Ära zu Ende geht, sei es auch schleichend und positiv, dann gibt es, wenn es gut läuft, diesen einen Moment, dieses eine Schlüsselerlebnis oder auch dieses eine Album, das alles Vorherige zusammenfasst, die destillierte Quintessenz zum Vorschein bringt und den krachenden Schlusspunkt setzt. "Fenster zum Hof" ist dieses Album. Veröffentlicht in einer Zeit, in der die Plattenfirmen nicht mehr umhinkonnten, Deutschrap nicht nur als Nischenphänomen wahrzunehmen, sondern als die aufstrebende Subkultur mit sowohl hohem Coolness- als auch Gelddruck-Faktor. Was die Stieber Twins zu diesem Punkt richtig machten und sie für immer in die Geschichtsbücher schrieb, war mehreren Kriterien geschuldet. Zum einen schrien sie nicht platt nach Ausverkauf, sondern erhoben den Zeigefinger in Richtung offensichtlicher Chartsanbiederung stets mit dem Hinweis auf die Geschichte der Kultur – und zum anderen wollten sie gar kein Album machen. Im Jahr 1996 schien es, als hätten alle Songs in der Hitparade einen Rap-Part. Nicht wie zu Anfang der Nullerjahre, als sich jedes R'n'B-Sternchen in Amiland einen Jadakiss und Konsorten auf den Konsenstrack der Jugenddiskotheken holte, sondern in und auf den schlimmsten Eurodance-Auswüchsen. Dabei wird das Wort Rap-Part schon arg strapaziert, wenn man sich nicht nur rückblickend über die Sprechgesangseinlagen von Nana, G's Incorporated und DJ Bobo erschrickt.


    Die Stiebers gehörten bereits zur damaligen Zeit zur unantastbaren und undissbaren Instanz und waren fast gleichberechtigt neben einen Torch zu stellen. Verankert in den frühesten Wurzeln, waren die Jungs wahrscheinlich bereits auf Jams, bevor es diese gab. Sie tanzten, sie sprühten und sie beatboxten und nahmen alles mit, was zur geliebten Kultur dazugehört. Die Frage der Realness erübrigt sich bei den Zwillingen somit schon mal im kleinsten Ansatz. Dass irgendwann das Produzieren und Rappen dazukam, war der schlüssige nächste Schritt. Dennoch sollte es bis 1995 dauern, bis man die Stimmen von Martin und Christian aka Mr. Mar und Luxus Chris aka Martin Jekyll und Christian Hyde aka ... auf einem Tonträger hören konnte. Eigentlich davon angetrieben, Songs zu schreiben und vereinzelt zu veröffentlichen, um diese auf Jams zu performen, bedurfte es des Anstoßes von Akim Walta (Gründer von MZEE Records, Anm. d. V.), die beiden dazu zu bringen, ein Album zu releasen. Etwas, das sie danach nicht mehr tun sollten.


    Dementsprechend ist die Stringenz des ersten und bis dato einzigen Album-Releases der beiden Zwillingsbrüder umso erstaunlicher, handelt es sich hierbei doch um ein Sammelsurium von oben erwähnten Jam-Tracks, Remixen, Interludes und perfekt integrierten Albumtracks. Die gefundene Formel benötigte keine Korrektur oder Änderung. Fresh ist fresh, Punkt. Wenn man rein die Instrumentale von "Fenster zum Hof" hört, konnte man weder damals, noch kann man heute an irgendeinem Punkt festmachen, dass dieses Album nicht aus den USA stammt. Die Beats rumpeln, jeder Cut ist in Perfektion gesetzt, jedes Jazz- und Funk-Sample genauso gediggt und gechoppt, wie es ein Premo oder ein Pete Rock getan hätten und taten. Wohl gemerkt zu ihren Glanzzeiten.


    "Und schreib' über mich, auf alte Klischees verzicht' ich/
    Schreib' Geschichte, schreib' Gedichte; fake MCs mach' ich zunichte/
    Die Beats aus Eiche, die Loops aus Fichte/
    Oft steh' ich im Wald und stemm' Gewichte/
    "
    (Christian Stieber auf "Allein zu zweit Remixx")


    Doch der Meilensteinstatus wäre wohl nichts ohne die Delivery. Hier geht es um die Kultur; die Kultur um der Kultur willen. Referenzen und Erklärungen, Belehrungen, was man von den falschen Gründen hält, und Exkurse darüber, wie Rap zu klingen hat, wenn man ihn im Blut hat und nicht nur die passende Kleidung zur Schau trägt. Der eigene Style ergibt sich auf "Fenster zum Hof" dabei nicht zwangsläufig durch Metaphern und innovative Flowabfahrten, sondern durch die Reduktion auf alles, was die goldene, in New York verortete Ära ausmacht. Aufgesogen und ins Stieber-Universum transformiert. Immer mit leichtem Dialekt, immer direkt ins Mic mit der größtmöglichen Rhythmik und beängstigend on Point. Die Features von Zulu-Queen Cora E., Scopeman, Fast Forward, Aphroe, Tatwaffe und Curse (mit seiner Premiere) passten dazu wie die Faust aufs Auge. Freunde, Familie, Gleichgesinnte.


    "Fenster zum Hof" war allerdings ein Grower und kein Instant-Klassiker. Die Verkaufszahlen waren weit vom Verdienst entfernt, als aber die dritte Welle des HipHop-Booms die Medien erreichte, war das Album lange Zeit vergriffen und nur für einen guten Fuffi auf den einschlägigen Secondhand-Seiten zu haben. Dem kollektiven Wunsch der vergangenheitsinteressierten Rap-Community mag es zu verdanken sein, dass es 2012 ein kurzfristiges Re-Release zum normalen Preis gab. Christian und Martin waren jedoch bereits weitergegangen. Hier noch eine 12'', da noch ein Beitrag. That's it. Während Christian nun als Architekt einem geregelten Tagewerk nachgeht, verdingt sich auch Martin als ehrenwerter Geschäftsmann. Das wiederum als Geschäftsführer des HipHop-Stores The Flame in Heidelberg. "You can take me out of HipHop, but you can't take HipHop out of me" oder so ähnlich und "age ain't nuthin' but a number" sowieso.


    "Ich weiß: Das, was ich weiß, das weiß ich/
    Rap ohne Weitsicht – uhh ... ich weiß nicht/
    "
    (Martin Stieber auf "Fenster zum Hof")


    Während die Elder Statesmen der Szene in den letzten Jahren wieder vermehrt die Bühnen der Nation beehrten und bewiesen, dass es immer noch nicht mehr braucht als zwei Turntables und, nun ja, zwei Mics, wuchs die Bewunderung innerhalb der Community nochmals an. Neben der Geburtstags-Jam zum Vierzigsten, auf der sich Kool Savas, Cora E., Jan Delay, Curse, Das Bo, Dendemann, Torch, Aphroe, Diamond D, Special T, Der Lange und die Soulsneakers blicken ließen, um einheitlich zu zeigen, was HipHop ist, verewigte Megaloh auf seinem Hit von 2013, "Dr. Cooper", die oben genannten Zeilen, die live von ganz vorne bis ganz hinten, von ganz jung bis ganz alt mitgebrüllt werden. Im März 2014 gaben sie etwas zurück und lieferten für den Remix von Megalohs Track den ersten Sechzehner seit vierzehn Jahren ab. Die Geschichte hat diese Helden nicht vergessen. Zurecht.



    (matthias)



    Meilensteine-Kolumne Teil 1: Die Fantastischen Vier – 4 gewinnt (1992)


    Meilensteine-Kolumne Teil 2: Various Artists – Alte Schule (1993)


    Meilensteine-Kolumne Teil 3: Rödelheim Hartreim Projekt – Direkt aus Rödelheim (1994)


    Meilensteine-Kolumne Teil 4: Advanced Chemistry – Advanced Chemistry (1995)


    Meilensteine-Kolumne: Kommentare/Diskussionen/Ideen zur Kolumne

    Das VBT-Mag beschäftigt sich in erster Linie mit den Teilnehmern des Turniers – weshalb wir Euch in diesem Jahr bereits die verschiedenen Crews in Form von Steckbriefen nähergebracht haben. Nun wird der Fokus auf eine Gruppe von Leuten gerichtet, die vielleicht weniger auffällig, dennoch ebenso wichtig für das Turnier agiert. Die Entscheidungen über Sieg oder Niederlage stehen und fallen mit der Jury, bestehend aus diversen, in der Rapszene etablierten und relevanten Persönlichkeiten, die es sich zur Aufgabe machten, im Laufe der VBT Splash!-Edition 2014 die beste teilnehmende Crew zu ermitteln. Um das VBT einmal aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, präsentieren wir Euch kurze Interviews, bestehend aus vier Fragen, welche wir mit Mitgliedern der Jury führten.




    Kool Savas


    rappers.in: Worauf legst du bei den jeweiligen Runden besonderen Wert?


    Kool Savas: Ich habe keinen konkreten Fokus oder eine bestimmte Herangehensweise. Ich probiere, weder objektiv zu sein noch das Ganze zu analysieren. Von daher weiß ich nicht mal, ob ich als Jurymitglied überhaupt sonderlich geeignet bin, denn ich glaube, die Teilnehmer können aus meiner Bewertung nicht wirklich viel für sich mitnehmen. Allerdings ist dies auch eine bewusste Entscheidung. Ich agiere als 08/15-Konsument – mit dem einzigen Unterschied, dass ich eine gewisse musikalische Relevanz besitze und somit hoffentlich mehr Aufmerksamkeit auf das Turnier lenken kann.


    rappers.in: Steigen deine persönlichen Erwartungen an die Crews im Laufe des Turniers?


    Kool Savas: Ich denke, mit jedem Beitrag, den man von einer Gruppe sieht, steigt oder sinkt die jeweilige Erwartungshaltung. Ich glaube aber, zum Ende hin sollten alle zur Hochform auflaufen. Wer nicht alles gibt, ist selbst schuld.


    rappers.in: Gibt es Momente als Jurymitglied, bei denen sich der persönliche Geschmack als Rapfan und die rationale Meinung als Experte widersprechen? Wie entscheidet man sich in solchen Situationen?


    Kool Savas: Ich entscheide immer erst nach meinem persönlichen Geschmack. Ein Battle soll in erster Linie entertainen. Dass es technisch gut sein muss, steht überhaupt nicht zur Debatte. Wenn mir ein Beat oder insbesondere ein Flow, beziehungsweise eine Technik nicht gefällt, hat der Teilnehmer für mich keine wahrhaftige Chance mehr.


    rappers.in: Hast du durch das Turnier Rapper entdeckt, die du persönlich feiern kannst?


    Kool Savas: Ja. Ich habe mir bei manchen weitere Videos angeschaut.




    lupa


    rappers.in: Steigen deine persönlichen Erwartungen an die Crews im Laufe des Turniers?


    lupa: Ja, auf jeden Fall. Je mehr es auf das Finale zugeht, umso mehr erwarte ich, dass die Teilnehmer sich steigern. Ich weiß, dass die Erwartungen von allen Seiten groß sind, und dass es sicher nicht immer endlos Spaß macht, innerhalb von zwei Wochen Weltbewegendes auf die Beine zu stellen – aber wir wissen alle, was der Sieg und der Auftritt auf dem Splash! so mit sich bringen können. Und deshalb denke ich, dass es sich definitiv lohnt, die drei, vier Monate richtig Gas zu geben.


    rappers.in: Kann der besonders gelungene Part eines Crewmitglieds den vielleicht schlechteren Part eines Kollegen innerhalb einer Runde ausgleichen?


    lupa: Ich glaube schon. Wenn allerdings drei lahme und ein extrem guter Part vorhanden sind, vermutlich eher nicht. Kommt immer auf die Leistung des Gegners an ... ein einziger schlechterer Part heißt auf jeden Fall nicht, dass man sofort raus ist.


    rappers.in: Verfolgt man als Jurymitglied auch das Geschehen außerhalb der Runden?


    lupa: Ich weiß nicht, wie das bei den anderen Jurymitgliedern ist, aber ich würde fast behaupten, dass ich das Geschehen mehr als alle anderen Jurymitglieder verfolge. Ich lese bei der diesjährigen Splash!-Edition dauernd im Forum rum, stecke hinter vielen Posts auf unserer Facebook-Seite und gucke da schon, wie die Leute reagieren. Oft rege ich mich dann auf. Dann poste ich wütendes Zeug im Forum und lösche es nach 30 Sekunden wieder. Und danach habe ich für jeden, der sich auch aufregt, richtig kluge Tipps auf Lager, wie man sich eigentlich im Forum oder auf Facebook-Fanpages verhalten sollte. (lacht)


    rappers.in: Welche Runde der bisherigen VBT-Geschichte ist deine absolute Lieblingsrunde?


    lupa: Ich habe nicht die eine Lieblingsrunde, allerdings sind mir gerade auf Anhieb sechs Videos eingefallen, die ich alle sehr oft gesehen hab' und auch heute als Tracks alleinstehend noch extrem feiern kann. Allen voran tatsächlich die Runde Koma-Jack gegen Coru aus dem VBT 2011 (zur Runde) – der erste Part, den ich je von Koma gehört habe und den ich bis heute unfassbar finde. Mir fehlt weiterhin der eine wütende Rapper in Deutschland, und Koma kommt mit seinem Flow und seiner Aggression schon lange sehr nah da ran. Allein die Betonung bei "Coru, ich wollt' Beef, doch krieg' Tofu" – ich hab' das bestimmt 100 Mal zurückgespult und nochmal, nochmal, nochmal gehört. Dann – aus dem gleichen Jahr – Lance Butters gegen T-Jey (zur Runde) – eine richtig gute Runde und zu dem Zeitpunkt eines der besten Videos der VBT-Geschichte. Meine dritte Lieblingsrunde vom VBT 2011 ist dann auf jeden Fall Weekends Runde gegen Dr. Lucs (zur Runde). Eine sehr ironische, sehr treffende und gut umgesetzte Runde, mit der ich dann endlich auch meiner Familie erklären konnte, was es mit diesem Turnier auf sich hat ... Und die letzte Lieblingsrunde vom normalen VBT, die ich bis heute auch auf meinem iPod habe, ist die Rückrunde von Djin im Finale 2010 gegen GeoT (zur Runde). Das Video ist im Vergleich zu Jahre später folgenden Videos ein bisschen ulkig, aber es hat mich damals auf jeden Fall umgehauen und der Track entertaint mich bis heute. Allein der Einstieg von Olson ist Gold wert. Die letzten beiden Videos, die ich sehr gerne mag und nennen möchte, stammen aus der VBT Splash!-Edition 2012/2013. Einmal die Hinrunde vom Battle donetasy gegen Dirty Maulwurf (zur Runde) – muss man glaub' ich nichts dazu sagen, einfach rundum treffend und stimmig. Und zu guter Letzt natürlich Sorgenkind gegen Battle Boi Basti (zur Runde) mit der für mich schönsten Hook, die es im VBT jemals gab ... An dieser Stelle Konfetti-Grüße und Merci-Herzen an Niko!



    Natürlich stellten wir auch den meisten anderen Jurymitgliedern jeweils vier Fragen. Ihre Antworten werden wir Euch in Kürze präsentieren.



    Wobo Solagl (Daniel Fersch)



    Produzent Figub Brazlevic wird noch in diesem Frühjahr ein Projekt der ganz besonderen Art über die Plattform Showdown Records veröffentlichen: eine Remix-Compilation, bestehend aus 19 Tracks, auf denen er mit insgesamt 24 MCs und 8 DJs zusammenarbeitete. Dabei soll es zu jedem der 19 Songs ein eigenes Video geben – das erste könnt Ihr Euch ab sofort bereits ansehen. Visualisiert wurde ein Remix zu der Shawn The Savage Kid-Nummer "Streben nach Glück":


    [youtube]KMbbMGlmD1U[/youtube]


    Quelle


    [pushit]13853 [/pushit]


    Der Berliner Rapper Mortis, ehemals bekannt als Mortis One, hat sich im Januar dieses Jahres mit seiner EP "Der goldene Käfig" nach mehreren Jahren Release-technischer Ebbe in der Deutschraplandschaft zurückgemeldet. Rückendeckung genießt er inzwischen von der Plattform Showdown Records, die erst kürzlich wieder ins Leben gerufen wurde, nachdem sie vor Jahren bereits Künstler wie Deichkind, Mr. Schnabel und Square One beheimatete. Mit Mortis' "goldenem Käfig" ändert sich für den jungen Rapper einiges: Was er seinen Fans auf der aktuellen EP bietet, ist ein nicht mehr mit älteren Werken vergleichbares Soundbild, das es in sich hat. Da wir bekanntermaßen schon eine gewisse Vergangenheit mit Mortis teilen – sein Debüt-Tape "... weil ich's kann" erschien 2010 etwa als rappers.in-Exclusive –, war ein kleines Interview zu seiner aktuellen Situation für uns natürlich unumgänglich ...


    rappers.in: Du erwähnst auf deinem Release "Der goldene Käfig" die Bands Böhse Onkelz und Landser. Würdest du von dir selbst sagen, dass du zu der Generation gehörst, die die Onkelz als Rechtsrock-Band mitbekommen hat und als solches begreift?


    Mortis: Ja, da gehöre ich dazu. Das bleibt aber auch gar nicht aus, wenn du vom Dorf kommst, wo du sehr viele kleingeistige Menschen hast, die nicht über den Tellerrand schauen können. Ich habe mir so etwas aber nie angehört. Zillertaler Türkenjäger, Störkraft und sowas. Das war echt Wahnsinn. Das haben bei uns sogar die Türken mitgesungen. Das hat dem Lied dann vollkommen die politische Aussage genommen.


    rappers.in: Denkst du unter diesem Gesichtspunkt, dass die Musik an einem gewissen Punkt austauschbar sein kann? Zum Beispiel in einer Kneipe: Ab einem gewissen Pegel kann man vielleicht Sachen wie Politpunk einlegen und es wirkt für den Betrunkenen dann genauso wie der Rechtsrock von vorher. Oder eine Band wird jahrelang für ihren Rechtsrock bekannt, kehrt medial davon ab und bedient unter demselben Namen dann weiterhin das gleiche Klangbild?


    Mortis: Im Endeffekt kannst du hinter keine Stirn schauen. Ob die das dann ernst meinen, ob sie geläutert sind. Die Vorzeigenazis sind wahrscheinlich oft gar keine Nazis, sondern wissen, dass man damit Geld machen kann. Kapitalismus in dem Sinne: Die wissen, wie sie die Leute antreiben können. Da geht es denen dann gar nicht um die Ideologie.


    rappers.in: Die Läuterung einer Rechtsrockband ist aber auch infrage zu stellen. Kritisch betrachtet kann man möglicherweise davon ausgehen, dass, wenn eine Band in der gleichen Besetzung unter demselben Namen weitermacht, sie nicht geläutert ist, sondern sich eher den Markt nicht entgehen lassen will.


    Mortis: Es sind ja trotzdem noch Musiker. Wenn du dein Leben lang Musik machst, hast du einen unkonstanten Tag mit unkonstanten Entscheidungen. Manchmal sind das alles Alkoholiker und Junkies. Ich glaube, man kann vom einen auf den anderen Tag seine politische und moralische Einstellung ändern. Da reicht ein Gespräch im Vollsuff morgens an einer Bar. Das geht dir voll ans Herz und du merkst: "Ich muss mein Leben grundlegend ändern". Da muss man das Künstlerding trotz alledem berücksichtigen ... glaub' ich.


    rappers.in: Aber auch das Künstlerding kennt Grenzen, oder? Du bedienst dich in deinen Liedern öfters des Begriffs "Sünde". Wenn es meiner Meinung nach überhaupt eine Sünde gibt, dann doch wohl ohne Überzeugung und aus der Gier nach Geld zu Gewalt aufzurufen.


    Mortis: Dieses Selbstverständnis darf man nie auf andere übertragen ... Dein Selbstverständnis kannst du aber anderen plausibel erklären. Damit lieferst du einen Denkanstoß. Ich bin so wenig in der Materie des Rechtsrock drin, ich werde mir darüber Gedanken machen! Wenn das zum Beispiel so krass ist, dass bei Konzerten indizierte Lieder gespielt werden, ist das ganz klar Berechnung. Dann ist das, was ich vorher gesagt habe, ja schon widerlegt. Wie ist das denn mit Frei.Wild?


    rappers.in: Die Band lässt sich stark instrumentalisieren – die NPD sagt: "Die sprechen uns zu großen Teilen aus dem Parteiprogramm" – obwohl sie keine Propaganda skandieren.


    Mortis: Krass. Ich bin da voll raus. Ich habe keinen Fernseher und bei Facebook findet das bei mir nicht statt. Ich bekomm' das immer nur mit, wenn Leute die verbieten wollen. Wenn du versuchst, es auszugrenzen, Konzerte zu verbieten und sowas alles, bedienst du ja die Band und die Fans noch viel mehr.


    rappers.in: ... und förderst die Aggressionen und den Hass?


    Mortis: Ich weiß gar nicht, wie es sich anfühlt, irgendetwas zu hassen. Ich komme aus Ostdeutschland, aus der Provinz. Wenn da dann mal rassistische Sprüche fielen, bin ich schon sofort ausgerastet. Das ist doch auch nur ein Mensch. Die wollten das so exotisch gestalten. Das ist es für mich aber nicht. Ein Bild, eine Farbe, ein Ton – das ist für mich exotischer als ein Mensch. Ich kann überall chillen. Für mich ist das keine Besonderheit. Respekt haben ist das Wichtigste. Bei dieser ganzen Debatte, diesem gesellschaftlichen Rassismus, ich kann da nicht mitreden. Das ergibt alles keinen Sinn. Du kannst Ursachenforschung betreiben, wie du möchtest – die Leute denken bei so etwas ja auch einfach nicht nach.



    rappers.in: Was ist denn für dich der Moment des Abgrunds?


    Mortis: Abgrund ist ab dem Zeitpunkt, an dem du immer öfter deine Sachen nicht geregelt bekommst, weil du feiern gehen musst. An dem du morgens verkatert bist, fünf Tage die Woche weg bist. Wenn du eine billige Modedroge genommen hast und dein Studium erstmal verkackst – so fängt das ja meistens an. Das ist jetzt das plakativste Beispiel, das mir einfällt. Wenn Leute nicht mit den vielen Drogen und den vielen Partys klarkommen. Wenn nur Smalltalk herrscht. Das ist halt der Abgrund, wenn du dich in dieser unglücklichen Szene verlierst. Wenn du mit Menschen nur noch auf Partys gehst oder im Internet kommunizierst. Wenn du nichts Normales mehr hast. Du gehst nicht mehr raus, triffst dich nicht mit Freunden und hast kein soziales Umfeld. Das ist Abgrund.


    rappers.in: Würdest du dabei Smalltalk immer als schlecht bezeichnen?


    Mortis: Kann auch gut sein, das sollte man nicht verteufeln. Aber über Jahre denselben Smalltalk zu halten, das ist schlecht. Sehr schlecht. So kann Smalltalk auch gut sein, mir geht er aber manchmal auf die Nerven. Da kommt man manchmal für Stunden nicht mehr raus aus der Nummer.


    rappers.in: Was ist denn für dich Smalltalk? Reden übers Wetter? Das kann man ja verschieden definieren.


    Mortis: Es kommt immer darauf an, wen du triffst. Wenn das Leute aus deiner Szene sind, dann heißt es: "Die Party war ja wieder so und so. Hast du das schon gehört über den und den? Ach so, ja, danke, ciao."


    rappers.in: Gibt es Phrasen, die du benutzt, die zwar höflich klingen, aber eigentlich sagen: Jetzt hab' ich keinen Bock mehr und will hier weg?


    Mortis: Weiß ich gar nicht. Ich glaube, immer, wenn ich auf eine Party komme und jemand mir sagt: "Bist du sauer?" Ich brauche da ein paar Minuten, um mich zu akklimatisieren und nicht das erste Bier auf meinen Schuhen – wenn ich selber nüchtern bin. Dann bin ich gleich wieder weg. Weil da dann alles schon so weit ist. Dann komme ich darauf gar nicht klar. Das sage ich aber auch deutlich: "Lass mal. Ich muss erst mal hier reinkommen".


    rappers.in: Bist du besser in der Funktion eines Freundes oder in der eines Bekannten?


    Mortis: Ich glaube, in der Funktion eines Freundes. Bekannte braucht ja niemand. Zur guten Freundschaft gehört auch Nachsicht, wenn der andere grade viel zu tun hat. Man kann nicht immer überall sein für kleine Wehwehchen. Wir sind ja auch alle nicht mehr 18. Die einen haben Familie, die anderen einen Job oder alles zusammen. Das ist ja das Ding. Ein guter Freund kritisiert auch. Das ist das Wichtigste, sonst ist er ja kein Freund, sondern seine Meinung so bedeutungslos wie die eines Bekannten. Manchmal hilft man jemandem ab einem bestimmten Zeitpunkt auch mehr, indem man ihm nicht mehr hilft. Das hat nichts damit zu tun, dass man ein schlechter Freund ist. Du kannst nicht zu einem 30 Mal dasselbe sagen. Auf manche Dinge muss man auch von allein kommen. Vor allem, wenn es um Frauen geht. Egal, was ist: Für meine richtigen Freunde bin ich aber sofort und jederzeit da.


    rappers.in: Gibt es eine Frage, die du regulär in Interviews vermisst? Wenn ja, ist das jetzt deine Chance.


    Mortis: Da muss ich erstmal drüber nachdenken. Im Endeffekt sind das alles Sachen, die in den Reviews aufgetaucht sind. Das Einzige ist: Es geht selten um die Musik selbst. Immer über die Themen. Nicht darum, wie man die Musik einordnen würde, worauf man geachtet hat. Musikalische Referenzen, die interessieren ja keinen. Es geht den Leuten immer um ein paar Lyrics, ein paar Hook-Lines. Ist halt "nur Rap".


    rappers.in: Ich würde das mehr als Kompliment verstehen statt als "nur Rap". Das ist dann einfach ein natürliches Zusammenspiel, ergänzt sich. Fachsimpeln darüber, warum welcher Ton an welcher Stelle ist, wird schnell langweilig, weil man es entweder – so wie ich – nicht versteht oder es in ein Nerdgespräch ausartet. So weißt du doch dann aber: Das ist alles harmonisch und passt gut zusammen, weil wir eben nicht drüber reden müssen.


    Mortis: So habe ich das noch gar nicht gesehen. Interview macht klug, eigentlich ein geiles Format.


    rappers.in: Lass uns zum Abschluss über Lyrics reden. Wenn du eine Textzeile hast mit "Scheitern am Talent", hast du manchmal Angst, dass du an dir selber scheiterst?


    Mortis: Ja, auf jeden Fall. Du kannst es nicht auf andere Leute schieben, wenn du keine gute Musik mehr machst. Du kannst es auf die Leute schieben, wenn sich die gute Musik, die du gemacht hast, nicht gut verkauft. Das liegt ja dann nicht in deiner Hand. Aber für alle anderen Sachen bist du selbst verantwortlich. Bevor es verkauft wird, musst du was Geiles machen. Ich war all die Jahre sehr gehemmt, was meinen eigenen Anspruch an mein Talent angeht. Bis so dieser innere Kritiker zufrieden war. Wenn es um Außenwirkung geht, weiß ich, dass ich verdammt talentiert sein muss, weil ich mit meinen jahrelangen Idolen zusammenarbeite und die mich nach meiner Meinung fragen. Das ist mehr wert als jede andere Kritik. Für mich ist das ein Maßstab. Unter meiner Zunft anerkannt zu werden, da Fame zu haben.



    (Jasmin N. Weidner)