Beiträge von baurau


    1. Intro (Ball wie)
    2. K1 Zeit
    3. Swah
    4. HWG
    feat. Juicy Gay
    5. Nu an drahn
    6. Coupe Coupe
    feat. FKN SKZ
    7. James Dean (Lazy Remix)
    8. Frauenquote in Rap feat. DJ Tereza
    9. Ois koid
    10. Prada
    11. Obailochned
    12. Ned sein wie ihr
    13. Mastercard
    14. Wue i seng
    15. Aurora 2 Preview
    feat. LGoony
    16. Überschwemm den Block
    17. Lobe
    18. Lila Lila
    19. Jeder Tag
    20. Outro


    Gschaftln duada! Wenn man Crack Ignaz eines nicht vorwerfen kann, dann ist es mangelnder Output. Mit "Geld Leben" und "Aurora" ist der Salzburger dieses Jahr bereits an zwei nicht gerade kurz geratenen Veröffentlichungen beteiligt gewesen, mit beiden konnte er in einem umkämpften Feld bereits Lorbeeren einheimsen, in dem viele Nischen bereits besetzt sind: Denn Yung Hurn ist wolkiger, Juicy Gay schriller und LGoony trappiger. Musikalische Breite ist beileibe nichts Schlechtes, allerdings bietet Salzburger Mundart nur bedingt Distinktion. Dafür hat Crack bislang ein einfaches Rezept gefunden: Hervorstechen durch Qualität. Ob er diese Formel aufrechterhalten kann, dieser Frage wollen wir uns in dieser Review zum neuesten Werk "Marmeladé" widmen.


    Dieses wurde ja mit einigem Buhei vertrieben, musste man doch am Karlsplatz in der schönsten Stadt der Welt die limitierten Exemplare aus dem Kofferraum erstehen, zugleicht mit T-Shirts und am besten noch einem Ticket zur Jahresabschlussshow des Künstlers. Ignaz sah wohl selbst ein, dass ein solcher publicity stunt affig ist und verschenkte, wie zu erwarten war, sein Mixtape anschließen digital beziehungsweise gab es zum Streaming frei. Stürzen wir uns also ins Geschehen und beginnen dabei gemeinerweise mit dem Track, der im Titel eine weiche Flanke zeigt, da er fast "Liebe" heißt und das kann zumeist nur in die Hose gehen: "Lobe". Als alter Sack weiß ich natürlich nicht, was die dammischen Kids in Austria felix da heutzutage darunter verstehen, ich kenne das nur als Ohrläppchen. Was mir Greis aber im Refrain sofort auffällt, ist die Parallele zu einem meiner Lieblingssongs, nämlich "Wilhelm, das war nichts" von Tomte, in dem von L.Y.B.E. die Rede ist, und auch hier setzt unser MC eine Paranomasie ein, um den feinen Unterschied in der Liebe, die sie gerne hätte und in der Liebe, die er bereit ist, zu geben, auszudrücken, was durch die sich durch den Track ziehende Stimmendopplung noch unterstrichen wird:


    Baby, bei mia findst du kaa Liebe (findst du kaa Liebe)/
    Du kannst die Hawas playen, oba mi ned/
    Nenn es Feedback/
    Shorty, komm zu mir, zaag da wie's geht (ja zaag da wie's geht)/

    (Crack Ignaz auf "Lobe")


    Kurzum: Fein gemacht und dass der Track ein absoluter Banger ist, schadet auch nicht. Das Kopfnicken setzt quasi ab Sekunde null ein, der Österreicher rappt on point, fühlt sich mit der satten und treibenden Produktion, die der von Wandl durchaus ähnelt, offensichtlich pudelwohl und liefert eine authentische und mitreißende Performance am Mic ab. Langsam nähern wir uns dem Kern dieser Review: Das sitzt hier einfach alles, angefangen bei Cracks Performance: Er setzt seine Stimme als Instrument ein, bildet eine synästhetische Synergie mit den Beats. Er dominiert die Tracks, gleichzeitig aber fließen sein Flow und die Produktion aneinander schmiegend zusammen, um zwischendurch breit und reißend wie die Salzach zu werden und dann wieder friedlich und verspielt ineinander fließend zu koexistieren. Das ist durchaus verwunderlich, berücksichtigt man die stolze Produzentenriege um K-Wash, Stunnah Beatz, Birdiebands, Mark Murrille, Jett Dean, Supasavage, Baby Blanc, 101, unknown und Asadjohn, die an diesem Release alle mitgewerkelt haben – und da Ignaz auf seinen bisherigen Veröffentlichungen eng mit dem Produzenten Wandl zusammengearbeitet hat. Umso positiver, dass der MC anscheinend nicht nur in seinem Stamm-Metier brilliert, sondern ein feines Händchen im Beatpicking (Das Telefonklingeln in "Prada"! Das Summen in "Coupe Coupe"!) und der künstlerischen Leitung zu haben scheint, weshalb sich Hit ("K1 Zeit") an Hit ("Prada") an Hit ("James Dean" war in der "Geld Leben"-Version schon Wahnsinn und wird hier noch besser) an Hit ("Jeder Tag") reiht – um Sum41 zu zitieren: all killer, no filler. Der Sound und die Produktion knüpfen weniger an "Aurora" als an "Geld Leben" an, den Hörer erwarten also erneut satte Bässe und ein insgesamt lebendiges und verspieltes Klangbild, gepaart mit klassisch aufgebauten Songs ohne unnötiges Fett, die meist um eine gute Idee herum aufgebaut sind. Diese treibende und mit Drang ausgestattete Verspieltheit, die schon Songs wie "Hello Kitty" und "Moch Cash" ausgezeichnet hat und den Salzburger von Cloud und Lean deutlich unterscheidet, ist hier an allen Ecken und Enden wiederzufinden.


    Bei mir läuft, es duad jeda schrei'm/
    Während du läufst, fohr i im BMW vorbei/
    Ja, sie kaufen se jeden Like/
    Ned gscheid, oba i glaub s'muass des Ego sei/

    (Crack Ignaz auf "Ned sein wie ihr")


    Cracks Mundart ist natürlich ein wesentlicher Bestandteil seiner Delivery, erlaubt sie ihm doch zum einen, authentisch rüberzukommen, zum anderen nimmt er sich so natürlich Freiheiten, die ein Grimmsches Deutsch nicht bieten kann, und biegt und dreht Wörter gerne mal ohne Rücksicht auf den Salzburger Sprech so, dass sie zum Track passen und fügt erratisch englische Begriffe ein. Dabei sind seine Texte aber nicht beliebig oder inhaltsleer, sondern Farben, mit denen er malt. Man hat zu jeder Zeit den Eindruck, dass es keine Alternative zu dem gab, was er gerade erzählt, sondern dass genau diese Line jetzt einfach determiniert war. Hinzu kommt, dass der MC zwar altbekannte Themen behandelt, diese aber nur auf den ersten Blick oberflächlich streift. In "K1 Zeit" wird der Abschied vom bisherigen Leben und einer Beziehung verdrängt ("wüi ned traurig sein", "duad ma no imma so leid"), in "Mastercard" Drogenabhängigkeit aus Dealer-Sicht betrachtet, im hier remixten "James Dean" Todessehnsucht personifiziert und in "Ois koid" das eigene maskuline Rapper-Selbstverständnis völlig überspitzt in Frage gestellt (indem eben alles "koid" und nicht "Gold" ist):


    I hob de Haar so wie Dragonball/
    I fick dei Girl und sie nervt mi voll/
    I schick sie heim und sie ruft mich an/
    Owa i heb nicht mehr ab bei der/

    (Crack Ignaz auf "Ois koid")


    Die letzte Line, obgleich bösartig, ist natürlich herrlich und lustig, womit Ignaz immer wieder dieses stellenweise aggressive und düstere Mixtape auflockert, am eindringlichsten auf "Frauenquote in Rap" und "Aurora 2 Preview". Hier ist übrigens nichts zu lang, wenn, dann ist dieses Ding zu kurz. Wer sagt, dass dieses Release mit 20 Tracks überfrachtet ist, der findet auch "Shenmue 2" zu komplex oder "Der Kuss" von Klimt zu facettenreich. Sich in seiner Stärke zu suhlen, ist jedem Künstler vergönnt, und die Stärke von "Marmeladé" ist sein Fluss, seine Kohärenz, vom "Intro (Ball wie)" bis zum "Outro". Dieses Mixtape kann nur zu viele Tracks haben, wenn Venedig zu viele Kanäle haben kann.
    Perfekt ist das alles leider trotzdem nicht, denn auch in diesem Kunstwerk finden sich verbesserungswürdige Lapsus: So manche Tracks mäandern zwar geschickt zwischen plakativer Ostensität und Meta-Ebene, "Swah" und "HWG" zum Beispiel sind aber reine (großartige!) Party-Songs. Und das wäre an sich natürlich völlig in Ordnung, aufgrund fehlender dezidiert komplexer Songs kippt aber die Balance etwas zu stark, denn ein "Jeder Tag" ist zwar düster, aber auch eindimensional. Ihr merkt, Meckern auf ganz hohem Niveau, ich tu mich wirklich schwer, hier sonst noch Makel zu erkennen.


    Fazit:
    Ignaz fing mit "Kirsch" gut an, wurde über "Geld Leben" und "Aurora" exzellent und ist in aktueller "Marmeladé"-Form einer der prägenden deutschsprachigen Rapper. Dieses Mixtape schmeichelt dem Zuhörer, es ist mit Bedacht und viel Drogenkonsum geschrieben, mit Sorgfalt produziert und von einem Rapper, der jederzeit auch komplexe und anspruchsvolle Beats beherrscht, ausgeführt. "Marmeladé" ist nicht nur für sich alleine betrachtet ausgesprochen gelungen, es zeigt deutschsprachigem Trap und Cloud, welche Variation und welche Distinktion diese Stilrichtungen erlauben würden und gleichzeitig zeigt es der Konkurrenz mit überschäumendem Talent und Spielfreude ihre Limitierungen auf. Bitte einfach immer mehr davon, und die Ernsthaftigkeit, die in die Produktion dieser Musik so offensichtlich fließt, nutzen, um den Tracks mehr Tiefe zu verleihen.



    (Franz Xaver Mauerer)


    [redbew]2173[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2173[/reframe]


    01. Intro
    02. Willkommen im Dreck
    03. Live Fast Die Young
    04. Vollkontakt
    05. Der realste Rapper
    06. Untergrund
    07. Intelligent Design
    08. Was wir kannten feat. BlaDesa
    09. Drogensumpf
    10. Am Ende des Tunnels
    11. Vergiss den Rest
    12. All 4 the KASH
    13. Ich schreib
    14. Nichts
    15. Chillen mit den Arbeitslosen feat. ODMGDIA & Scotch
    16. Großkalibergewitter
    17. Krieg
    18. Vier Fäuste
    19. Nicht mehr viel feat. Prezident
    20. Outro



    Private Paul und Rotten Monkey, das klingt, als würden sich zwei Mitglieder der späten Turbonegro auf Solopfade wagen. Private Paul – das ist in seiner dümmlichen Generizität schon wieder spaßig, aber welcher Affe kommt auf die Idee, sich Rotten Monkey als Alter Ego zu suchen? Jedoch gilt: "Don't judge a book by its cover". Trotzdem fällt der erste Blick nun mal unweigerlich aufs Cover und hier sehen wir: Einen Totenkopf aus Wolken, darunter eine voll düstere Stadt und ein Wolkenkratzer kratzt dem Totenkopf auch noch aus einem der Augen heraus beziehungsweise dieses aus. Alas, das ist düster und irgendwie schwant mir tatsächlich nichts Gutes, wenn ich diese plakative Zurschaustellung von Urbanität sehe. Private Paul, recherchiere ich, ist schon eine ganze Weile unterwegs und besitzt ein Label namens Emopunkrap. Uff. Im besten Fall wird das jetzt Death Grips oder eine der schnelleren Vocal-Passagen von Iceage, der Begriff hat aber mehr Fallstricke als ein The-Smiths-Coversong. Das aktuelle Werk hört übrigens auf den Namen "Live Fast Die Young" – so würde Vin Diesel auch ein Album benennen.


    Schlechter Start insgesamt, also weg vom Abstrakten, hin zum "Intro". Das zitierte There Will Be Blood (s/o an laut.de, so schwierig war das jetzt nicht herauszufinden), eine misanthropische, aber ohne Zusammenhang letztlich wirkungslose Passage. Kommt leider alles etwas zu lang und verkrampft, der Noise zu Beginn des Tracks hört sich nach Ableton an, nicht nach Merzbow. Versuch # zwo, "Willkommen im Dreck". Schöner Beat, wirklich etwas düster, aber nicht übertrieben emo-ish. Die Vocals dazu sind okay, Lyrics wie


    Die Wirklichkeit ist nur 'ne dünne Schicht, wie aufgeplatzte Haut/
    Die Wunde juckt in meinem Kopf und wenn's nicht aufhört, rast' ich aus/
    Affenfaust, kein Applaus, wenn ich Grenzen neu definiere/
    Vor mir selbst defiliere, königlich residiere

    (Rotten Monkey auf "Willkommen im Dreck")


    passen ganz gut zum Track. Einer der größten Pluspunkte dieses Albums ist damit auch schon entdeckt: künstlerische Authentizität, ebenso thematische und stilistische Kohärenz. Auch wenn die Künstlernamen Ironie vermuten ließen, malen die beiden schwarz auf schwarz, und zwar emotional auf Cohen-Niveau, circa 1969. Technisch sind die beiden dabei stabil, reißen allerdings keine Bäume aus. Es wird rasch deutlich, dass Private Paul der limitiertere Rapper ist, Tempiwechsel, lange Reimketten und ähnliche Extravaganzen fallen ihm schwer, weshalb er sich meist auch nicht an ihnen versucht. Rotten Monkey dagegen ist zumindest deutlich variabler und passt sich Song und Lyrics besser an. Insgesamt schmeckt die Suppe, und das überrascht nicht, schon nach dem sechsten Song nach saurer Lunge – pechschwarz, aber doch recht lange nicht eintönig. 20 Tracks hintereinander sind trotzdem zu viel des Guten, zumal potentiell auflockernde Feature-Gäste rar gesät sind und ins gleiche Horn blasen wie die Hauptdarsteller. Nett, dass mit Prezident der Vertreter der zweitdümmsten Pseudo-Rap-Nische (deine Katze kannte Whiskas-Rap nicht?) vertreten ist, der technisch wie gewohnt alle anderen MCs der Platte in ihre Schranken weist.


    Private Paul ist übrigens für die Beats verantwortlich und das macht er zum Beispiel bei "Am Ende des Tunnels" und "All 4 the KASH" ganz gut. Nicht aufdringlich, ein Komplettausfall ist eigentlich nicht dabei, allerdings sind "Ich schreib", "Krieg" und noch drei bis vier weitere Songs instrumentell arg simpel geraten, was auch daran liegen könnte, dass das relativ langsame und stabile Tempo Paul als Rapper mehr entgegenkommt als dem variableren Monkey, der so oft von einem Korsett eingeengt wirkt.


    Die beiden setzen leicht unterschiedliche Schwerpunkte bei den Lyrics, so ist Private Paul etwas introvertierter


    Rap ist Pest mit Cholera/
    Durch eine Hohlnadel direkt in deinen Oberarm/
    Ich mach' die Schore warm und leg' mich in die Ecke/
    Denn bevor ich wieder rappe, will ich elendig verrecken/

    (Private Paul auf "Vier Fäuste")


    als sein Compagnon


    Gegen politisches Establishment, gegen die Kanzlerin/
    Die Oppositionellen, die Parteien und all die anderen von Lügnern/
    Unterwanderten Keimzellen der Gesellschaft/
    Und den Affen in uns allen – die eigentliche Weltmacht/

    (Rotten Monkey auf "Ich schreib")


    , inhaltlich macht das das Kraut aber nicht fett: Hat man einen Song gehört, bringen die anderen keinen thematischen Erkenntnisgewinn. Was den beiden allerdings immer wieder gelingt, sind schöne Lines und diese, die größtenteils gelungen Beats und Monkeys okayer Flow retten das Album einigermaßen würdevoll über die Ziellinie.


    Fazit:
    Wie viele Emos braucht man, um ein durchschnittliches Rap-Album aufzunehmen? Obwohl sie sich thematisch nicht viel Neues zu erzählen haben, ist die Kollaboration von Paul und Monkey durchaus als Erfolg zu werten, birgt sie doch immerhin die Erkenntnis, dass Paul ein ganz guter Produzent und Monkey ein etwas besserer Rapper ist. Beim nächsten Mal mehr Arbeitsteilung, etwas weniger generisches QQ in den Texten, dann kann der Emo der beiden vielleicht noch mehr Herzen traurig machen, denn das Fundament für Cruellas Gruselschloss haben die beiden schon.



    (Franz Xaver Mauerer)


    [redbew]2158[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2158[/reframe]

    Kein Plan auch was an den Texten scheiße sein soll. Die passen absout zum Soundbild und fügen sich perfekt dem Gesamtprodukt ein. Aber das sind halt auch die gleichen Spasten die einen Haftbefehl Track wegen seiner lyrischen Mängel kritisieren.


    Dieser "Spast" findet nicht, dass Hafti lyrische Mängel hat.


    01. Savage Lifestyle
    02. True Colors / It's On
    03. Bompton
    04. Fuck Orange Juice
    05. The Juice
    06. Young Niggas
    07. The Soundtrack
    08. I Grew Up on Wu-Tang
    09. However Do You Want It
    10. Baby You
    11. What Your Life Like
    12. 92 Bars
    13. All Eyez
    feat. Jeremih

    Woran erkennt man ein modernes, multimediales Magazin? Ineinandergreifende Kohärenz unter Artikeln verschiedener Sektionen, deshalb ist das hier die Review zum Gewinnspiel, dessen bockschwere Lösung sich aus einem Anagramm jedes 14. Wortes dieser Review schlussfolgern lässt, wobei jedes 3. Wort der Lösung dem Verhältnis der Länge des Textes zur zusammengezählten Pixelzahl aller Nacktbilder von The Game auf Instagram entnommen werden muss. Einem geschenkten Gaul schaut Ihr nicht ins Maul, trotzdem wollt Ihr natürlich wissen, ob The Game mit 1992, dem Album, das ihr als glückliche Gewinner live erleben dürft, seinem mittlerweile recht umfassenden Oeuvre neue Aspekte abringen konnte, oder ob er auf hohem Niveau stagniert, denn die Releasezahl der letzten 12 Monate (5 Alben/ Mixtapes) konnte die Qualität bisher halten, ohne dass The Game viel Neues gewagt hätte.


    1992 ist alleine durch seinen Titel natürlich ein ziemlich offensichtlicher Rückgriff auf Gangsta's-Paradise-Zeiten, weshalb sich dem The-Game-Fan die Frage stellt: Erzählt der tätowierte Maestro nicht eigentlich immer nur von den 'Block Wars', wie es so schön im Tourtitel heißt? Wann hat er denn von irgendetwas Anderem gesprochen als Cribs und Bloods und South Side etc. pp.? Dann kommt hinzu, dass der Bezug auf die eigene Adoleszenz, um ein bekanntes Thema aus einem anderen, vermeintlich frischeren Blickwinkel zu schildern, ungefähr seit Hesses 'Unterm Rad' etwas ausgelutscht ist und das Cover mit einer schrecklichen Ästhetik (und ja: Das hat tatsächlich dieselbe Pfeife wie bei Snoop Doogs letztem Release verbrochen) die zu erwartenden vertonten Konflikte bereits allesamt abbildet. Trotzdem muss man The Game zugutehalten, dass die letzten paar Releases vor allem aus musikalisch-technischer Sicht zwar keine Weiterentwicklung, aber bei weitem nicht nur stabil, sondern teilweise richtig gut waren – der Westküstler hat seit "The Documentary 2" einfach einen Lauf.


    Darum widmen wir uns flugs dem Album und beginnen mit dem Titeltrack "Savage Lifestyle", dem offensichtlichen Hit der Scheibe. The Game ist ein guter Rapper und das stellt er hier wie auch auf den Vorgängerreleases zur Schau, der Mann strotzt vor Selbstvertrauen und vermittelt das Gefühl eines echten Könners am Mic.


    Shit gotta change, we ain't waitin', fuck patience/
    Coz the government corrupt, I can prove it/
    Martin, Malcolm, Huey P. Newton/
    And that's why the whole city out here lootin'

    (The Game auf "Savage Lifestyle")

    Die Lines zeigen: Die thematischen Befürchtungen erfüllen sich prompt, The Game tritt hier auf der Stelle. Allerdings lässt er sich, und das muss man ihm zugestehen, wirklich auf sein eigenes Konzept ein. Hier versucht jemand, 1992 zu sein und nicht nur von damals zu erzählen. Schwierig dabei ist, dass der Comptoner stellenweise unfreiwillig komisch wirkt, denn sein Bild dieser Zeit ist nun mal stark überhöht und wahnsinnig subjektiv gezeichnet und passt zum pimmelpostenden Trendboi auf Instagram nicht so dolle. Dafür gibt es Auswege – und zwar erzählerische Mittel: Wenn er sich mal an Storytelling wie in "Young Niggas" versucht, dann aber wieder ausschließlich auf vertrautem inhaltlichem Terrain, trotzdem versucht er immerhin, dieser Erzählperspektivfalle etwas zu entkommen. Aus lyrischer Sicht bleibt er größtenteils konstant, zwischendurch senkt er die Messlatte aber dramatisch, so mit "Baby You":


    But you never say it somethin' we did/
    I guess your baby daddy, huh?/
    Regardless of the shit we go through/
    I got Jason in the booth, 2 AM, singin' shit about you

    (The Game auf "Baby You")


    Der Track ist allerdings schlicht und ergreifend dope, er ist melodiös, abwechslungsreich und stark performt. Man sieht, wie viel Arbeit da drin steckt, und das ist in Punkto Eigenmotivation schon beachtlich, immerhin wollte er mit dem Track ja offenbar überhaupt gar nichts aussagen (obwohl die letzte hier zitierte Line in ihrer Einfältigkeit fast schon wieder entwaffnend ist). Auch stellt sich mit Tracks wie "Savage Lifestyle", "92 Bars" (selbst wenn mir Meek Mill für einen Diss viel zu irrelevant erscheint) und "The Juice" kaum Übersättigung ein, da guter Flow nun mal vorhält, selbst wenn The Game ein thematischer und stilistischer Leierkasten ist. Dieser Umstand ist umso beeindruckender, als dass der Rapper sich keine Mühe gäbe, seine Suppe durch Featuregäste zu verwässern, und so wird deutlich, dass er nicht etwa ein schlechter Songwriter ist, sondern ein gewissermaßen fauler, trotz seines gewaltigen Outputs. Fast, als würde er seine Songs auf dem Klo zur Entspannung schreiben, und dementsprechend gar keine Notwendigkeit für Variation in seinen Mustern sehen.


    Die Produktion ist, für ein The-Game-Release standesgemäß, hervorragend, ebenfalls wie gehabt samplelastig und wenig distinktiv. Auch das ist aber ein altbekannter Zug des Rappers, es fehlt ihm ein Produktionsteam im Nacken, das mehr will, als nur seine Lines zu vertonen, die handwerklich aber hervorragende Arbeit leisten. Uforo Ehbong und sein Cousin leisten gute Dienste, gerade das bereits angesprochene, starke "Baby You" der häufig mediokren Cool & Dre zeigt aber, dass The Game als MC auch eine mutigere Produktion beherrschen würde und davon sogar profitieren könnte.

    Fazit:
    Der Witz an The Game ist und bleibt, dass er ein verdammt guter Rapper ist. Grundsätzlich gelungener Flow, melodiöses Gespür, flüssige Lyrik und vor allem eine gute Hand in der Beatauswahl. Schade, dass er anscheinend zurzeit nicht das Bedürfnis empfindet, sich als Musiker weiterzuentwickeln, aber wenn er zu einem qualitativ besseren Curren$y werden will: Be my guest, denn Veröffentlichungen wie 1992 tun keinem weh. Ein gutes Gangsta-Westcoast-Album und gleichzeitig eine Hommage an Wu Tang mehr, noch dazu mit modernen Produktionsmitteln realisiert, bereichert die Autoradios zahlreicher Möchtegern-Hoodlums weltweit durchaus. Wu Tang ist bestimmt stolz auf dich, Jayceon, dubistguterjunge.


    (Franz Xaver Mauerer)


    [redbew]2154[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2154[/reframe]


    01. Ich hör nicht auf
    02. Rache
    03. Tesla
    04. Scheiß auf eure Party
    05. 24/7 feat. Nimo
    06. 500 Joints
    07. Flieg
    08. Down feat. Greeny
    09. Kein Erbarmen feat. Capital
    10. Bleib mal lieber Fan
    11. Kafa feat. Maxwell
    12. Nicht mit mir
    13. Safi feat. Soufian
    14. Bombay Gin feat. Young Hurn [Remix]
    15. Ich bin 2 Berliner

    Es gibt Internetregeln, die werden eigentlich nie gebrochen. Eine davon ist, dass Bands mit ungoogelbaren Namen fast nie Erfolg haben, eine andere, dass alles, was man nicht googeln kann, ohne auf Ekelhaftes zu stoßen, nicht lange Thema sein wird. Trap bricht diese letztere Regel, wenngleich Trap in Deutschland ein interessantes Eigenleben entwickelt hat und deutlich mehr als in seiner Heimat USA wolkig interpretiert wird. Ufo361 ist es mit seinem 2015er-Album "Ich bin ein Berliner" gelungen, Erfolg mit einem eher klassisch ausgerichteten deutschsprachigen Trapalbum zu erzielen. Da gute Berliner Rapper außerhalb von BoomBap eher rar gesät sind, konnte er damit einen beachtenswerten Erfolg erzielen, sah sich aber durchaus dem Vorwurf ausgesetzt, die klassische US-Erfolgsformel nur (wenngleich handwerklich sauber) kopiert zu haben. Nun stellt sich die Frage, ob sein neues Mixtape "Ich bin 2 Berliner" dem angeblichen Mimikry seines Vorgängers neue, eigene Aspekte hinzufügen kann, schließlich entwickelt sich US-Trap relativ rasch weiter und fächert in verschiedene Richtungen aus – bleibt der nicht identifizierte Berliner also bei ganz klassischem Trap und gibt sich damit zufrieden, auf seiner eigenen Welle mitzuschwimmen, kopiert er aktuellen US-Trap oder, und das würde uns natürlich am meisten freuen, entwickelt er eine eigene distinktive Definition von Trap?


    Beginnen wir mit den Lyrics, denn die sind bei klar als Nachfolger ausgerichteten Alben ja eigentlich am interessantesten. Schließlich geht der Künstler davon aus, er hätte hier einen Faden aufgenommen, den es sich lohnt, weiterzuspinnen. Insofern könnte man, selbst wenn das Ausgangswerk kein inhaltlicher Volltreffer war, vielleicht auf fortgeführte Gedankenstränge und etwas Reflexion treffen. Leider bleibt das Werk diesbezüglich auf dem Niveau des Vorgängeralbums:


    Ich trink Gin, du trinkst 'n Radler/
    Bin zu hacke, brauch ein' Fahrer/
    Lass sie labern, denn sie haben kein' Plan/
    Ufo361, ich rapp wie im Wahn

    (Ufo361 auf "Ich hör nicht auf")


    Irgendein ungnädiger Gott hat ja entschieden, dass die allermeisten Traprapper belanglosen Lean-Scheiß rappen müssen und Ufo361 entzieht sich hier erfolgreich einer Ausnahmestellung. Ersetze Lean durch Bombay Gin, der Rest bleibt austauschbarer Stuss. Nicht nur glänzt jeglicher Inhalt durch Abwesenheit, es fehlen auch brauchbare Sprachbilder oder sonstige lyrische Mittel, wie man sie seit Friedrich von Hausen eigentlich in der Musik benutzt.


    Steig in mein' Flieger und mach mich vom Acker/
    Dicker, bin jeden Tag nur am Machen/
    Der Joint macht mich kafa/
    Meine Knolle zu groß, Dicker, passt nicht in' Cruncher

    (Ufo361 auf "Fliegen")


    Die Lines als solche funktionieren aber im Dienste der Delivery, sie lassen den MC zumindest nicht stolpern. Und so kommen wir schon zur Performance des Rappers selbst und diese ist gewohnt gut. Insbesondere dort, wo Ufo361 aggressiv agieren kann, kommen seine Fähigkeiten als Rapper schön zur Geltung, da das Songwriting ihm den nötigen Platz dafür lässt. "24/7" funktioniert als Dancefloor-Befüller, "Bleib mal lieber Fan" hat einen hübschen Industrial-Touch, "500 Joints" überzeugt durch authentisches Hardcore-Kiffergepose trotz Aggression. Man nimmt dem Berliner die ausschließliche Fokussierung auf Weed ab ("hab zwar kein' einzigen Freund"), es wird richtig greifbar, wie er in einem dunklen Raum sitzt und sich sinnlos gehetzt die Birne wegkifft. Trotz Verzerrung geht der Rap gut nach vorne und erzeugt eine stimmige, bedrohliche und düstere Atmosphäre, was durch die wirklich gelungenen Tempowechsel und abwechslungsreichen Parts noch verstärkt wird. Umgekehrt gehen entspannte Songs einfach nicht auf. Ufo361 tut ganz gut daran, den Fokus weg von Lean auf Alkohol und Weed zu setzen, denn Hustensaft nähme ihm auch niemand ab. Vordergründig laid-back wirkende Songs wie "Flieg" und "Nicht mit mir" sind uninspiriert und fallen gegenüber Yung Hurn und LGoony einfach ab, befinden sich aber auch in der klaren Minderheit.
    Hinzu kommt, dass die dunklen und tiefen Trapbeats, die wie auf dem Vorgänger überzeugen können, einfach besser zu den schnelleren und aggressiveren Passagen des MCs passen. Hier ist alles sauber produziert, ohne steril zu wirken. Auch die Produktion sorgt dafür, dass auf diesem Tape kein Totalausfall zu finden ist und ein Großteil der Songs zum Nicken animiert. Die durchaus komplexen Beats von Songs wie "Kafa" sind es auch, die trotz fehlender Weiterentwicklung des Rappers Monotonie größtenteils verhindern. In den besten Momenten hat das durchaus etwas von $uicideboy$ oder Flatbush Zombies und das ist ein dickes Lob. Allerdings halt nur in einigen Momenten, denn die Beats sind zwar komplex, aber nichtsdestotrotz trauen sie sich nicht aus der engen klassischen Trap-Umzäunung, die auch den MC selbst gefangen hält. Dadurch fehlt die Spannung, die die beiden genannten US-Acts auszeichnet.


    Fazit:
    Ein Stück weit ist sich Ufo361 in die eigene Falle (get it?) gegangen. Als MC technisch versiert, wenngleich etwas limitiert, konnte er der Versuchung, auf dem erprobten Gaul zu reiten, nicht widerstehen. Das führt dazu, dass es jetzt ein anständiges deutschsprachiges klassisches Trapalbum mehr gibt und dass ein Sack Reis in Neukölln umgefallen ist. Damit liefert der Berliner Rapper ein Produkt ab, das, wie es sich für Produkte gehört, auf Bedürfnisbefriedigung abzielt und diese erfolgreich liefert. Statt 3,5 Mics könnten hier auch 5 Amazon-Sterne stehen, denn erhalten wie geliefert. Eine teilweise Ausnahme stellt "Bleib mal lieber Fan" dar, das zumindest eine mutige Produktion aufweist – gerne mehr davon. Denn die ansonsten vorherrschende Verbindung aus künstlerischem Totalstillstand und inhaltlicher Leere beraubt "Ich bin 2 Berliner" vieler seiner Stärken. Ufo361 schuldet sich aufgrund seines Potentials selbst mehr als nur ein Mixtape voller Stücke, die ganz ordentlich geraten sind und 2011 problemlos genauso aufgenommen worden sein könnten. Unbefriedigend bleibt auch, dass die wenigen Tracks, die versuchen, sich aktuellen Trends zu nähern, missraten sind. Dieser MC ist kein Cloudrapper und das ist völlig okay, denn von denen gibt es schon genug. "Bleib mal lieber Fan" zeigt stattdessen die dunkle und im Deutschrap nur schwach besetzte Ecke, in der sich Ufo361 hoffentlich weiterentwickeln wird.



    (Franz Xaver Mauerer)


    [redbew]2150[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2150[/reframe]

    Wie soll der denn aussehen? Soll er einfach zusammenhangslos elbische oder klingonische Wörte von sich geben?


    y not? Sigor Rós können das auch. Oder einfach nur textlich abstrakter werden, das kann ja auch schon viel retten. Er flüchtet sich ja in die Lyrics rein, statt einen Schritt raus zu gehen. Indem er eben versucht, anderen Rappern bei den Lyrics nachzueifern, zerstört er doch auch einen Teil seiner schillernden Persona, zu der wet-wet ja so offensichtlich überhaupt nicht passt.

    Wenn ich richtig informiert bin, bekommt Young Thug jede Menge Beats hin geschmissen, hört sie sich an und packt auf die, die ihm gefallen seinen Rap oder Sing-Sang drauf. Mangelnde Abstimmung mit dem Produzenten, fehlende inhaltliche Tiefe oder schlecht konstruierte Lines zu kritisieren macht hier keinen Sinn. Generell nimmt sich Thugger soweit ich weiß sehr wenig Zeit für die Lyrics, das Ganze ist sehr intuitiv. Als nächstes kommt ne Review zu "Der Schrei", mit dem Ergebnis, dass es nicht realistisch aussieht und der Künstler die Nase vergessen hat. Was sind das für Erkenntnisse?


    Du wirfst hier einige Dinger durcheinander- der Witz an dieser Intuition ist, dass sie sich das Produkt nach wie vor gut anhören sollte; das tut sie hier aber nicht, sie wirkt beliebig. Dein Vergleich hinkt, schließlich ist Realismus ein Stil, Lyrics wären eher mit Zeichnungsführung oä vergleichbar. Prinzipiell gilt: Wenn du's benutzt, haftest du dafür. Ich teile deine Meinung (so ich deinen Post denn richtig verstehe), dass Thugger Lyrics nicht nötig hat. Aber warum benutzt er sie dann, wenn er keinen effort investiert? Warum sucht er keinen künstlerischen Ausweg daraus, wenn sie seine Vision so offensichtlich nur stören?


    01. Wycleaf Jean
    02. Floyd Mayweather feat. Travis Scott, Gucci Mane & Gunna
    03. Swizz Beatz
    04. Future Swag
    05. RiRi
    06. Guwop feat. Quavo, Offset & Young Scooter
    07. Harambe
    08. Webbie
    09. Kanye West feat. Wycleaf Jean
    10. Pick Up The Phone feat. Travis Scott & Quavo


    Boah, Rezensentendruck. Pitchfork gibt 8,5 (das bekam nicht mal Earl!), Chefredakteur fanboyt, bedeutungsschwanger-androgyn-asiatisch-extraterrestrisches Modecover, Änderung des Namens von "No, my name is Jeffery" in das etwas schlichtere "JEFFERY" (Wie heißt du? Jeffery. Wie, bitte? JEFFERY), gleichzeitig wirre Ankündigung, das Alias "Young Thug" fallen zu lassen, Statements, dass es sich hier um ein "straight crossover" handele, kein Rap-Mixtape – und dann sind die Songs größtenteils auch noch nach (des Künstlers Meinung zufolge) Legenden benannt. Ist das hier eines der seltenen Meisterwerke, die die evolutionäre Metamorphose eines Ausnahmekünstlers begleiten und gleichzeitig die Verbindungen zu früheren magna opera schaffen? Etwas verwirrend ist, dass Young Thug angekündigt hat, dass diese Namensänderung nur temporär sei – außer das Mixtape verkaufe sich wie Milchsemmeln im Kindergarten (ich nenne ihn erstmal weiter so). Also umfassende Weiterentwicklung oder nur eine neue Facette im bereits schillernden Schminkkasten eines erfolgreichen Rappers?

    Da Young Thug ja durchaus einen Ruf als vielschichtiger Künstler genießt, teilen wir die Review etwas auf und widmen uns zuerst den Lyrics. "JEFFERY" startet mit "Wycleaf Jean". In dem Song geht es darum, dass Young Thug gerne tut, was man als Rapsternchen halt so tut. Er kauft gerne hübschen Schmuck, er bezahlt gerne Nutten, er steigt gerne in Luxusschlitten ein und One-Nights-Stands sind auch nett. Gerappt wird nicht, dafür gibt es eine Art quietschigen Autotune-Sprachgesang, und zwar in einem ebensolchen beruhigenden Auf und Ab wie dieser fette tote Inseltyp mit der Ukulele (kennt den noch wer?). Dabei beehrt er seine Zuhörer mit Lines wie

    Okay, my money way longer than a Nascar race/
    I told her keep going on the gas, fuck the brakes/
    Only here for one night, let me put it on your face/
    Let a nigga nut, only way I'll go to sleep

    (Young Thug auf "Wycleaf Jean")

    , die völlig bedeutungslose Platzhalter sind und später durch die Lyrics ersetzt werden sollten. Anscheinend hat das aber jemand vergessen. Es handelt sich leider nicht um eine Ausnahme, die Lyrics dieses Albums sind komplett in die Tonne zu kloppen. Inhaltlich und formal, als Unterlage für den Rap und Gesang des Künstlers, versagen sie völlig, sie sind erratisch, unzusammenhängend, fügen nichts hinzu. Wenn wenigstens in der Sprachnutzung selbst besonders originell oder lustig oder anschaulich beschrieben würde, wie Young Thug jetzt die verschiedensten Frauen knallt. Ist aber halt nicht so.

    I'ma go 'head and nut in my bitch/
    I'ma gon' and give her juice/
    She did two times now, I done told her that was rude/
    They don't wanna see you win

    (Young Thug auf "Webbie")

    Aber vielleicht gewinnen die Songs durch ihre Namen an Bedeutung? Erschließt sich ihr Konzept also aufgrund der nach ihnen benannten Künstler? Gut, in "Wycleaf Jean" war das nur ein pseudo-karibischer Rhythmus, aber wenden wir uns "Kanye West" zu, der lange "Pop Star" (und davor noch ein paar andere Sachen) hieß und erst kürzlich umbenannt wurde. Ganz im Sinne des Meisters also, dessen "Life of Pablo" ja auch nie fertig werden will – und wenn man einen Song nach einem der bedeutendsten kontemporären Künstler nennt, will man diese Gelegenheit doch nutzen. Dieser Song allerdings dreht sich darum, dass eine Frau ganz außerordentlich feucht ("wet-wet" im indiskutablen Refrain) ist und die beiden Herren (Feature-Gast: Wycleaf Jean – der Musiker) ordentlich Spaß mit ihr haben. Und das wiederum nicht besonders einfallsreich:

    Bet that cause I'm 75% that lil' mama got some wet-wet/
    Psh, it's wet-wet now she squirt it on the bed

    (Young Thug auf "Kanye West")


    Die Kunstfigur Young Thug ist selbstverständlich eine interessante. Seine komplette Daseinsberechtigung aus Frauenklamotten zu ziehen und im scharfen Kontrast dazu mysoginere Texte als Frauenarzt abzuliefern, ist gefühlte 10 Jahre nach Lady Gaga aber uninteressant und in Zeiten von Le1f und Mikki Blanco seltsam altbacken. Gender bleibt neben Rasse und Inklusion ein wichtiges sozialpolitisches Thema, das ein Spannungsfeld für Rapper bieten kann. Dann aber differenzierter und mit klarerer Message, denn das Gendergrenzen aufweichen, das wusste Prince halt schon vor 30 Jahren und kann deshalb vernünftige Texte nicht ersetzen.

    Kommen wir zur musikalischen Seite und fangen wieder bei "Wycleaf Jean" an. Musikalisch nett, mit karibisch anmutender Gitarre und Pseudo-Dub-Bass. Das wird so konsequent durchgezogen, dass es etwas in Sing-Sang ausartet, aber wirklich nervig wird’s nicht. Leider ziehen sich die repetitiven Beats, die direkt auf die Hook gehen und diese tot reiten, von da an durch alle Songs: "Swizz Beatz", "Kanye West" haben keine schlechten Beats, aber man hat den Eindruck, hier hat der Produzent nach der ersten Hook angehalten und das Stückchen so lange kopiert, bis die Songdauer erreicht war. Es fehlen die guten alten Sonic-Youth-Formeln der Dynamik, des Anziehens und Loslassens, und das bei fast jedem Beat des Albums. "Pick Up The Phone" – Young Thugs Intention, hier ein echtes Popalbum zu schaffen, wird an allen Ecken und Enden deutlich. Thuggers Vorstellung von Pop als möglichst nahtlose Ansammlung von Hooks ist nicht zeitgemäß. Die Produzenten, größtenteils Billboard Hitmakers, Wheezy und TM88, stehen aber weniger für zukunftsorientierte Musik, sondern gehobenes 0815. Hier stört nicht ein Zuviel an Pomp, hier stört der Mangel an Kohärenz, der von der fehlenden Version herrührt. Natürlich ist das sauber ausproduziert und handwerklich gut, aber die Politur kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier immer auf der ersten Hook getriggert wird, bis es auch der letzte Hörer kapiert hat. Man merkt, dass hier die Abstimmung zwischen Produzent und Künstler gefehlt hat und dass die Beats schlicht abgeliefert wurden. Es fehlen die musikalischen Brüche, die Spannung, die ein Pop-R'n'B-Rap-Amalgam, wie es dem MC vorschwebte, essentiell gebraucht hätte. Ein weiteres Problem am Einbau ausufernder poppiger R'n'B-Passagen ist, dass man diese halt auch wirklich beherrschen sollte.


    Auch ist es ein Irrtum anzunehmen, langsamer und mit gepitchter Stimme zu reden, sei R'n'B oder gar Soul. "Blonde" ist dekonstruierter, moderner R'n'B, James Blakes letzte Scheibe ist das ebenso, das Gestammel auf "Swizz Beatz" ist keiner, sondern einfach schlechtes Songwriting, auf dem die wenigen Ideeninseln durch Gejohle und Gequietsche überbrückt werden müssen. Das ist einfach ein richtig, richtig schlechter Song, für den sich sogar Future schämen würde. Denn rappen kann Young Thug – wenn er auf mehr als 10 Sekunden Rap am Stück dazu kommt, wird das Mixtape gut – weil bei einem so guten Rapper sogar egal ist, ob der Beat dazu billig und einfallslos ist. Er rappt schnell und melodisch, und hier spürt man, wie auf den bisherigen Releases, dass ein instinktives Gespür für Melodien und Hooks vorhanden ist. Das reicht aber nur zur Anreicherung des Raps, nicht für eigenständigen Gesang und erst recht nicht für "straight crossover", womit wohl Pop gemeint gewesen sein soll. Denn natürlich hat der Rapper einen exaltierten und einzigartigen Stil, der nahe am Gesang ist, und diesen beherrscht er nach wie vor. Das zeigt sich im gelungensten Song des Tapes "Pick Up The Phone" (erraten, es geht darum, dass seine Alte, die er doch immer so geil fickt, an ihr beschissenes Telefon gehen soll – hört lieber den The-Notwist-Song), auf dem der Rapper rappt, und das macht er gut. Der hier und auf einem weiteren Track vertretene Travis Scott ist der beste Feature-Gast, der eher überschaubare Rest stört nicht, macht aber auch nichts besser. Auch "Guwop" und noch mehr "Harambe" und "Future Swag" zeigen, dass der exaltierte Flow des MCs in bestimmten Momenten immer noch die eigentlich für ihn typische Magie entfalten kann, solange er nicht ums Verrecken versucht, Michael Jackson, R. Kelly und Traplord in einer Person zu vereinen. Denn so funktionieren auch die Beats – Rap braucht weniger Spannung als gesangsbasierte Musik, denn Rap hat Flow. Seine ungewöhnliche Vortragsweise macht aus den wiederkehrenden Mustern der Instrumentierung eine Stärke, und in den besten Momenten aus dem Musiker Absolem, der einen in die warmen Klangflächen bettet und mit seinen Mantras bewirft. Rappen mit Singen funktioniert gut, aber für Singen mit etwas Rappen hat Young Thug einfach die falsche Herangehensweise und zielt auf die Hooks wie ein Amokläufer und nimmt den Tracks so die Spannung.

    Fazit:
    "Barter 6" war gut, vor allem aber war es originell und Young Thug ist ein interessanter und begabter Rapper. Dass er darüber hinaus ein ernst zu nehmender Künstler und Pop-Star ist oder gar jemand, der Musik weiterentwickelt oder reflexive Alben aufnehmen kann – diesen Nachweis bleibt er mit "JEFFERY" schuldig. Frauenklamotten tragen macht einen noch nicht zur männlichen Lady Gaga, aber ohne ausreichende künstlerische Relevanz kann es einen auch zur US-amerikanischen Olivia Jones machen.
    Die einfältigen Lyrics lassen ebenso wie die Beats eine gewisse Lieblosigkeit im Umgang mit dem eigenen Werk erkennen. Gut, es handelt sich nur um ein Mixtape (das verkauft und promotet wird – ein anderes Thema) und wie in 3 bis 4 Songs deutlich wird, wäre eigentlich viel mehr gegangen. Denn wenn gerappt wird, wird stellenweise richtig gut gerappt. Es bleibt der Eindruck, ein kantiger Rapper hat unnötigerweise ein paar Ecken verloren oder versucht krampfhaft, einen durch ihn mitgeprägten Stil weiterzuentwickeln, ohne (zu diesem Zeitpunkt) die Vision dafür zu haben. Trotzdem ist dieses Werk ein im Rückblick auf seine Karriere hoffentlich verzeihlicher Lapsus. Kurzum: 5 für den Rapper, 2 für den R'n'B-Wannabe.


    (Franz Xaver Mauerer)


    [redbew]2131[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2131[/reframe]

    hi nylo- ich befürchte, du verstehst den artikel zu sehr konkret politisch und zu wenig musikwissenschaftlich. ich tangiere nicht die frage, was kunst aus politischer sicht darf und was nicht. wie du sagst, "So einfach ist es aber nicht..."- doch, in dem fall mache ich's mir so einfach. der artikel erhebt nicht den anspruch einer politischen wertung, sondern er untersucht die gefahr von instrumentalisierung von rap. dementsprechend ist mein "gut" in sachen kunst ein künstlerisches "gut" und eben nicht die politische norm, die du erwähnst. deswegen auch der vergleich mit anderen kunstarten und künstlern, unabhängig von politischer ausrichtung; das, was du als zu weit ausgreifen empfindest, ist das kernstück der betrachtung, nämlich die reflexion nicht über die rolle von kunst in der politik oder ihre aufgabe, sondern die frage, wie kunst durch instrumentalisierung beeinflusst wird. das ist nicht teil meiner argumentation, das ist ihr kernstück.


    Gestatten: Christian Ares. Chrissy, wie ihn seine Freunde nennen, rückte vor Kurzem ins Zentrum medialer Aufmerksamkeit, nachdem er an einem Angriff auf eine (laut Eigendarstellung nur zufällig vermummte) Gruppe Antifaler beteiligt war. Das wäre an sich unspannend, wäre Ares nicht eines der prominentesten Sprachrohre der "Neuen Rechten" – und zwar als Rapper. Wie viele von Euch an Extra3-Beiträgen und ähnlichem Mummenschanz über Reichsbürger, Kopp-Leser und sonstige Genies festgestellt haben, verfügt die AfD über einen bunten und recht unterhaltsamen zivilgesellschaftlichen Unterbau. Leider gehören zu dieser Basis nicht nur lustige BRD-GmbH-Exoten, sondern aus derselben Ecke kommen statistisch nachweisbar immer mehr politische Gewalttaten mit rechtsextremen Hintergrund, während eigentlich längst abgeschriebene Pseudo-Intellektuelle wie Fest wieder einen Fuß in aktuelle Debatten bekommen. Als Teil dieser "Bewegung" ist Ares leider relevanter, als man sich selbst eingestehen möchte. Kurzum: Wir bei Eurem politischen Leitmedium dachten, es sei an der Zeit, ein paar Takte über Ares und politisierten Rap im Allgemeinen zu verlieren. Als ich Christian Ares zum ersten Mal rappen hörte, fiel mir eine Line vom wegen seiner lyrischen Ambivalenz hochgeschätzten Grim104 ein: "I can't relax in Deutschrap" – ich fühlte mich regelrecht unwohl darin, wie ein mir so wichtiges Medium instrumentalisiert wurde.


    Dieser Artikel ist in zwei Teile gegliedert: Der erste Teil ist dem Rapper Ares gewidmet und hat einen musikalisch-politischen Schwerpunkt, der zweite beschäftigt sich mit der Politisierung von Rap und betrachtet politischen Rap eher abstrakt.


    Warum gibt es diesen ersten Teil eigentlich? Ideologie will und muss herausgefordert werden, davon leben politische, nicht nur demokratische, Prozesse und nur weil Ideologien nach unseren Maßstäben gerade pfui sind, ändert das nichts an der grundsätzlichen Logik hinter dem politischen Prozess. So wie ein Grünen-MdB und ein CSU-MdB im Bundestag streiten sollen und müssen, so dürfen extremistische Ansichten und ihre Vertreter nicht ausgeklammert werden, denn dadurch werden sie nicht lahmgelegt. Ideologische politische Ansätze in der Praxis sind wie Schimmel: Den Schrank davor schieben macht nichts besser und stärkt im Fall der AfD auch noch das Narrativ des Outlaws. Die AfD oder, nachdem das Flüchtlingsthema abgeflaut sein wird (daran glaubt Ihr nicht? Fragt Eure Großeltern mal, ob sie dachten, dass das Thema Deutschrussen in den 90ern jemals wieder weggehen würde), Alfa, ist vermutlich gekommen, um zu bleiben, und hat ihre Vorboten mit "Die Freiheit", "ProNRW" und sonstigen mehr oder weniger obskuren Vereinigungen bereits seit Langem vorgeschickt. Mit Blick auf diese andauernde Präsenz ist es in jedem Fall richtig, die exponiertesten Ränder der AfD anzugreifen, um sie von der AfD zu entfernen und ihre Strahlkraft in die Gesellschaft zu minimieren.


    Und wer, wenn nicht der erfolgreichste Rapper der sogenannten "Neuen Rechten", würde sich für eine kleine musikalisch-lyrische Politikfeldanalyse eignen? Denn tatsächlich bestellt Ares ein bislang recht leeres Feld: In Sachen HipHop gibt es noch Makks Damage, aber der ist halt offen rechtsextrem. Ares hingegen tänzelt wesentlich geschickter auf der feinen Linie zwischen Heimat(schutz) und Nationalismus und ist so zum Posterboy der AfD geworden, der regelmäßig auf Demos und Parteikundgebungen auftritt.
    Das Markenzeichen des Rappers Ares ist dabei eine bewundernswerte Schwammigkeit. Irgendwie ist immer klar, wer und was gemeint ist, konkret zur Sprache kommt es aber nicht:


    Ein gebücktes Volk seit 70 Jahren/
    Und du darfst nicht sagen, dass du stolz bist, deutsch zu sein/
    Ohne Gefahr zu laufen, in einem rechten Eck zu landen/

    (Chris Ares auf "Deutscher Patriot")


    Grundschema der Texte von Ares ist: 1) Die Welt ist scheiße, aber 2) du bist geil, aber 3) du solltest noch geiler sein dürfen, aber 4) die lassen dich nicht. Ares' Grundmaxime ist es, sich als Teil eines Widerstands zu stilisieren, der von denen da oben aktiv behindert und unten gehalten wird. Praktischerweise ermöglicht es ihm diese Pose, Glaubwürdigkeit zu fingieren, letztlich ist das sein Ersatz für street cred. Wo Gangstarapper aber den Aufstieg aus diesem Unten als Legitimation für ihre Relevanz anführen, pervertiert Ares diese Idee, indem er das Aushalten im Unten als den eigentlichen Akt der Größe darstellt. "Invictus" eben. Ares nutzt dabei jedoch, auch in inhaltlich nur Plattitüden enthaltenden Stellen, immer wieder Sprachbilder, die jeden, der "SS" auch nur auf Wikipedia nachgeschlagen hat, einen Schauer über den Rücken laufen lassen:


    In einer Zeit, in der die Werte kein Gewicht haben, die Lügen überwiegen/
    Nur noch wenige Gesicht wahren/
    Beweis' ich mir, dass Ehre jene Tugend meines Lebens stellt/

    (Chris Ares auf "Invictus")


    Könnte es sein, dass jene Tugend seines Lebens "Treue" ist? Die politische Aufladung seiner Werke wird jedoch letztlich nur durch ein einziges Element getragen: "die". Denn bis hierhin könnte man Deutschland durch Karstadt, Heimat durch Bälleparadies und deutschen Wein durch Orangensaft im Tetrapack ersetzen, das ist nur der Lack, der ist austauschbar. Dieser Aspekt des "die" kennzeichnet aber die eigentliche Politisierung, wie sie Haftbefehl, natürlich auf anderer Ebene, seit einiger Zeit mit seiner wirren "Rothschild-Theorie" auch zwischen seine Lines brüllt. Denn Politisierung, und damit der Versuch, Ideologie in die Sache zu bringen, fängt da an, wo ein Depp dem anderen nur noch dümmlich grinsend zunicken muss und beide dann denken, sie hätten verstanden, was der andere meint. Die Krux für Ares liegt darin, dass er, ähnlich wie die AfD selbst, monothematisch auf Flüchtlinge und Merkel Bezug nehmen muss, denn die Ablehnung dieser beiden ist nun mal der kleinste gemeinsame Nenner für seine Klientel. Alles andere muss unbedingt so schwammig bleiben, denn anders als früher zum Beispiel Landser kann Ares seinen Hörer gar nicht bis vor die geistige Ziellinie tragen, da sich in Ares' Publikum unter anderem rechtsextremes, reichsbürgernahes, nationalbolschewistes, islamfeindliches und rechtskonservatives Gedankengut wiederfindet. Kostprobe gefällig? Einfach mal durch die Kommentare unter seinen Facebook Posts scrollen. Hier ein paar Anregungen:











    Die Vertreter dieser Ideologien finden sich in Mitten noch hundert weiterer Splittergruppen fragwürdiger Gestalten, die kaum Homogenität aufweisen und vom Märchenonkel Ares aber genau ihre Version der Welt bestätigt sehen wollen. Chris Ares ist so zum Symbol der ihm so nahen AfD geworden und inshallah wird er durch deren schweren Gang durch das politische Alltagsgeschäft untergehen.


    Zum zweiten Teil: Das Medium Rap ist zu materialistisch, ja – einer Ideologisierung unseres Mediums sollten wir als wirtschaftliche Konsumenten und kulturelle Empfänger nichtsdestotrotz entgegentreten. Wir müssen dafür sorgen, dass der Propagandist verliert, denn er missbraucht Kunst. Treten wir dem nicht entschlossen entgegen, laufen wir Gefahr, unser Medium zu verlieren, es zum Instrument verkommen zu sehen. Dass es nicht selbstverständlich ist, dass das Mic vom Symbol von Individualismus nicht zum Megafon von Ideologen verkommt, zeigt ein Blick in die Vergangenheit der Kunst:


    Die Instrumentalisierung von Kunst hat eine lange Tradition und sie ging nie gut für die betreffende Kunstform aus. Der Autor dieser Zeilen findet, dass die deutsche Lyrik Gottfried Benn immer noch nicht überwunden hat beziehungsweise dessen Nachwehen bis heute zu spüren sind. Kunst kann ihre "Unschuld" verlieren und sich dann in einem selbstzerstörerischen Maelstrom aus Über-Gegenreaktion und bewahrenden Elementen wiederfinden. Praktisches Beispiel: Grass, der die deutsche Lyrik 40 Jahre blockiert hat, indem er ihr eine fiktive politisch-zivilgesellschaftliche Verantwortung aufbürdete, was letztendlich darin kulminierte, dass sich Grass als ehemaliger Volksstürmler in der moralischen Position sah, gegen die deutsche Einheit zu wettern, aus heutiger Sicht absurd. Für Grass gab das eben Sinn: Denn wenn sogar einer aus "seinem" Haus wie Benn, ein Lyriker von Weltrang, sich vereinnahmen hat lassen: Was war gegen einen solchen Giganten der Pöbel? Letztlich verfing sich Grass in einer sich sich selbst fütternden Paranoia, verstärkt dadurch, dass sie im Nachkriegsdeutschland eine bequeme Variante der Vergangenheitsbewältigung bot, nämlich die verstärkte Beschäftigung mit aktuellen Fehlern anderer. Ein weiteres Beispiel, das nur kurz angerissen werden soll, ist die andauernde Distanz zur Körperlichkeit der mitteleuropäischen Bildhauerei, eine prägende Nachwehe der Politisierung von Bildhauern wir Breker durch das Dritte Reich. Zur weiteren Lektüre hierzu seien die Artikel des (politisch selbst unmöglichen) Stefan Steinberg empfohlen.


    Haben politische Aussagen also überhaupt nichts im HipHop verloren? Nein, ein bekanntes Beispiel für einen gelungenen politischen Rapsong, der kürzlich Einiges an Welle machte, ist "Walther" von Absztrakkt. Habt Ihr Euch seine Texte schon mal richtig angehört? So richtig versucht, mitzuschreiben und Perlen wie "Diamantgeiszt" zu analysieren versucht? Der Typ ist völlig loco, von dem würde ich nicht einmal meinen Rasenmäher reparieren lassen. Aber Absztrakkt ist ein (von mir überaus geschätzter) Rapper, der nebenbei seine Wahnvorstellungen in die Welt trägt. Weder benutzt er diese zur Umsatzsteigerung noch hat er sich vor Beginn seiner Rapkarriere überlegt, wie genau er jetzt seine Gedanken bestmöglich unter die Leute bringt. Niemand käme auf die Idee, Absztrakkts Authentizität zu bezweifeln, und genau die unterscheidet ihn von Politrappern, die unsere Kunstform nur als Propagandainstrument benutzen. Nebenbei tragen Rapper wie Absztrakkt zum politischen Diskurs bei, denn sie transportieren politische Ideen zu Hörern, die unvoreingenommen sind oder andere politische Ansichten haben. Äußern diese sich wiederum in Reaktion auf einen Song wie "Walther", dann ist das letztlich das Fundament unserer Demokratie, ganz egal wie man zu Absztrakkts politischen Weisheiten steht. Ein Chris Ares dagegen predigt zu einer Zielgruppe, nicht zu einem Publikum, er will die Reihen ideologisch schließen und durch seine Pseudoideologie für Neulinge legitimieren (Google: Alfred Rosenberg). Diese schwammigen Kriterien bedeuten, dass man sich mit jedem Rapper, mit jeder Message auseinandersetzen muss und sie und ihre Motivation hinterfragen muss. Ich befürchte, da kommen wir nicht drum herum, sofern wir HipHop als künstlerisches Medium respektieren wollen. Ein unkritischer Vertrauensvorschuss für jeden Künstler wäre der falsche Weg.


    Zusammengefasst: Hört Euch den Rapper Ares nicht an, sein Rap ist nämlich wack. Wenn Ihr beliebigen Befindlichkeitsrap wollt, hört lieber Chakuza (s/o). Hört Euch den Ideologen Ares nicht an, sein Gedankengut ist sinnlos und gefährlich. Ohne allzu sehr in Schillersche Pädagogik abschweifen zu wollen, gilt für HipHop, was für alles andere im Leben gilt: Macht Euch bewusst, was Ihr warum glaubt und geht davon aus, dass jeder andere das auch tut; das bedingt im Umkehrschluss, dass Ihr Euch fragen müsst, ob Ihr wirklich aus freiem Willen handelt, oder ob Euch jemand Stück für Stück Entscheidungsfreiheit abnimmt, damit Ihr zum Schluss zu seiner Wahrheit kommt. Chris Ares will etwas von Euch, und das ist das Primärziel bei ihm, nicht von oder für Rap leben zu können. Jede Line von Ares ist ein Brotkrumen und was am Ende der Brotkrumen wartet, weiß jedes Kind.



    (Franz Xaver Mauerer)

    "und eher mediokrem Album dieses Jahr"
    Man tausche eher mediokrem mit einem der besten und ich gehe damit konform.


    Find die Review zu kritisch. Niemand achtet so genau auf die Texte in diesem Album und es hat auch gar nicht den Anspruch textlich stark zu sein.
    Das Album lebt von der Musikalität. Hätte 1-1.5 Mics mehr gegeben.


    junge, du würdest einem album also die fabelwertung von 5,5 mics (nahe an der perfektion!) mit der begründung geben, dass eh niemand auf die texte achtet?
    [MENTION=35681]LeRoy[/MENTION]: die anrede ist nicht nötig, trotzdem thx

    du tust wahrscheinlich nix davon, aber ich glaube sogar, dass man das am ehesten im sommer tut.


    dann pass ich auf jeden fall auf die streets auf, wenn's wärmer wird. üblicherweise bezieht sich "sommeralbum" auf eine positive albumatmosphäre. das ist hier nicht der fall, das album ist diesbzgl nicht kohärent, das habe ich geschrieben. kannst aber gerne noch 5mal fragen, wie das denn jetzt kein sommeralbum sein soll, obwohl doch im innenhof deiner anstalt die kinder dazu im planschbecken spielen.

    ( und daran wird bis auf evtl manuellsen auch niemand was dran ändern)


    :d :d :d




    was sind denn das teilweise für kriterien? wen juckt es denn wie genau es dancehall zuzuordnen ist oder ob es schon bessere dancehall alben gab? das spielt für die bewertung doch mal überhaupt keine rolle.


    der vergleich mit anderen dancehall-alben ist für ein dancehall-album kein valides kriterium?



    und wo ist das bitte kein sommeralbum? alter. diese aussage. es kam noch nie mehr sommerfeeling in einem deutschrap album.


    attackierst du relativ oft leute im sommer? oder lieferst dir territorialkonflikte um drogengeschäfte?


    01. Intro
    02. Ciao Ciao
    03. Palmen aus Plastik
    04. Mörder feat. Gzuz
    05. Ohne mein Team feat. Maxwell
    06. Erblindet
    07. Evil feat. Tommy Lee Sparta
    08. Attackieren feat. Hanybal
    09. Killa feat. D-Flame
    10. Ruhe nach dem Sturm
    11. Vaporizer feat. Trettmann
    12. Dankbarkeit
    13. Skimaske feat. Gzuz
    14. Cabriolet
    15. Daneben feat. Trettmann


    Interessante Typen sind sie auf jeden Fall. Beide recht erfolgreich, mit sehr unterschiedlichen Hintergründen. Bonez MC, Mitglied der in letzter Zeit sehr erfolgreichen 187 Straßenbande, Marihuana-Verfechter, Gangstarapper aus Hamburg, volle Stimme, tiefer Rap – der aber auch gerne mal eine Hook singt. RAF Camora, Italo-Wiener, Dancehall-Rapper, ehemaliger Chakuza (s/o!) -Produzent mit entsprechender Neigung zum Pop-Appeal und eher mediokrem Album dieses Jahr (das Kollege David gnädig bewertete). Die Frage stellt sich, ob die beiden eine sinnvolle Symbiose eingehen können, denn zum einen sind ihre musikalischen Ansätze recht unterschiedlich, und dass auf Albumlänge die Rollenverteilung "1 Rapper und 1 Hooksinger" langweilig werden kann, haben kürzlich erst Paul Banks und RZA bewiesen. Zum anderen leiden sie als Musiker unter einigen gemeinsamen Schwächen: Ihr starker Fokus auf Hooks und einfache Melodien, beliebige Lyrics und allgemein ein etwas zu sehr "professionell" wirkendes Arbeitsverständnis, vulgo mangelnde künstlerische Authentizität. Sind die über 15 Millionen Views der Videos ihrer Single-Auskopplungen ein gutes Omen? Kommt da auf "Palmen aus Plastik" zusammen, was zusammengehört?

    "Palmen aus Plastik" heißt auch einer der Songs des Albums und da er auch noch Single ist, bietet er sich als Startpunkt einer genaueren Betrachtung ja geradezu an. Die beiden Künstler besingen hier etwas erratisch die Unbarmherzigkeit urbaner Betonwüsten mit gleichzeitigen stolzen Verweisen auf ebendiese ihre Heimatorte:

    Wird es heiß, wird Berlin zu meinem Panama/
    Hab' ganz Wien hinter mir wie David Alaba/
    Statt mit Vatos Locos häng' ich ab mit Araba'

    (RAF Camora auf "Palmen aus Plastik")

    Stadthymnen sind halt so lala, das war schon bei Seeed peinlich und wurde durch Sido nicht besser. Das Songkonzept ist also leider scheiße, aber wie man an den drei Lines ganz gut sieht, sind die Lines selbst sauber und beinhalten schöne Sprachbilder. Die Verbindung zwischen Wien und Berlin ist natürlich vollkommen sinnlos, hier biegt sich der Inhalt gerne mal für den Reim; nicht immer elegant, aber handwerklich durchgehend solide.

    Ahh, auf der Suche nach Sex/
    Ein, zwei ostdeutsche Groupies im Bett/
    Die Hure, mich kennt sie von studiVZ/
    In Deutschland erfolgreich die Jugend verpestet

    (Bonez MC auf "Attackieren")

    Auf "Attackieren" geht es darum, dass die beiden und ihr Kumpel Hanybal attackieren, und zwar 1) dich, 2) deine Freundin, 3) den lokalen Drogenmarkt, 4) andere Rapper, 5) deine Stadt etc. pp. Die inhaltliche Textanalyse stoppen wir an dieser Stelle einfach und stellen fest, dass die beiden auf jedem Track einige gute Lines liefern, das war's dann aber auch.


    Viel interessanter ist das Zusammenspiel der beiden MCs. Die Delivery der beiden nähert sich ganz klar an, jedoch geht Bonez auf RAF Camora zu. Hier wird kaum gerappt, das hier ist ein Popalbum mit Dancehall-Einschlag. Das komplette Album durch benutzen die beiden gefühlt denselben Vocoder, was einerseits künstlerische Kohärenz schafft, andererseits aber auch leicht ermüdet. Problematischer ist, dass sich die beiden dadurch ähnlich anhören, und dann geht ein Stück weit der Witz an einer Kooperation natürlich verloren. Positiv wiederum ist zu vermerken, dass Bonez MC ein guter RAF Camora-Imitator ist, streckenweise sogar ein besserer, da seine ungelenke Art authentischer wirkt als das doch manchmal arg glatte Pseudo-Ge-Drake seines Palmen-Partners. Der ausschlaggebende Pluspunkt dieses Albums, der es über Durchschnitt hebt, ist jedoch das Songwriting: Die Songs bleiben größtenteils nach dem ersten Hören hängen und heben sich deutlich voneinander ab, und das trotz ihrer inhaltlichen und stilistischen Ähnlichkeit. "Evil", "Vaporizer" und "Cabriolet" sind souveräne Arbeiten von Profis, die funktionieren. Es gibt zu wenig Kanten, dafür steht aber auch nichts über, kein unnötiger Ballast, keine peinlichen Passagen, durchgehendes Kopfnicken. Einen Laid-back-Song wie "Daneben" muss man so erstmal durchziehen können, man merkt, dass sich die beiden in ihren neuen Rollen tatsächlich wohlfühlen.


    Die Feature-Partner passen sich dem Grundton des Albums an und fallen nicht weiter auf. Fast schon selbstverständliche Ausnahme: Der deutsche Dancehall-Direktor Trettmann liefert wie immer deutlich über Durchschnittsniveau ab und bereichert die beiden Songs, an denen er beteiligt ist, deutlich. Dadurch zeigt er, ebenso wie der andere Dancehall-Featuregast Tommy Lee Sparta, aber halt leider auch, wie Dancehall eigentlich geht und wie man das Ganze etwas komplexer aufziehen kann, und führt den Hauptakteuren ihre Grenzen vor.


    Die Beats, für die RAF Camora, der im Kosmos der beiden bekannte KitschKrieg und eine ganze Reihe an weiteren Produzenten verantwortlich zeichnen, sind recht klarer Pop-Dancehall, Experimente in Richtung Roots, Calypso oder Dub finden keine statt, lediglich in "Ruhe nach dem Sturm" wird ein 08/15-Reggae-Pattern ausgepackt. Die Songs sind klar auf Festivaltauglichkeit ausgerichtet, Bass dominiert. Fein ausgearbeitete Songs wie bei Trettmann oder intelligente Versuche, Dancehall weiterzudenken (was außer Wizkid und Diplo an guten Tagen leider eh fast niemand tut), findet man hier keine. Die Beats funktionieren, ein instrumenteller Totalausfall findet sich nicht. Da das Songwriting wie bereits erwähnt auch stimmt, leidet das Album nur weniger unter seiner musikalischen Homogenität.


    Zu guter Letzt muss doch noch einmal eine Verbindung zu den Texten gezogen werden: Die passen tatsächlich nicht ins Bild, auch die in den jeweiligen Lines nicht. Die beiden MCs interchangieren nämlich etwas zu frei zwischen aggressiven Punchlines und entspanntem Dancehall-Gesinge. Ein Sommeralbum ist "Palmen aus Plastik" nicht, dafür ist es viel zu aggressiv. Ein Gangsterrap-Album ist es aber auch nicht, dafür passt die oftmals ausgelassene Stimmung nicht. Eigentlich muss man sich da ja auch nicht festlegen, aber hier brechen sich die verschiedenen Einflüsse etwas und ergeben in der Albumatmosphäre weniger als die Summe ihrer Teile. Schönes Beispiel dafür: das Cover. Sieht das nach einem Partycover aus? Aber deep oder Gangster ist es auch nicht, in der Levelumgebung eines bosnischen Serious Sam 3-Mods zu stehen, oder?

    Fazit:
    "Palmen aus Plastik" ist ein gutes Album. Trotz der geringen Produktionszeit ist dieses Album durchdacht und stimmig und auch, wenn es nicht ganz schafft, einer etwas stiefmütterlich behandelten Musiknische eine künstlerische Facette hinzuzufügen, gibt es nur wenige deutsche Dancehall-Alben, die auf so konstantem Niveau abliefern.
    Bedenkt man, dass es sich hier um die erste Kollaboration auf Albumlänge der beiden MCs handelt, diese auch noch sehr erfolgreich ist und die zwei jetzt schon so souverän mit der Materie umgehen und teilweise die richtigen Feature-Gäste haben, dann wird man das Gefühl nicht los, dass der gemeinsame Flirt mit Dancehall keine amour fou ist, sondern von Dauer sein und noch an Tiefe gewinnen könnte. Ich tippe darauf und hoffe, dass das Pendel beim nächsten Mal noch etwas mehr weg vom Pop ausschlägt, dann können Bonez MC und RAF Camora noch Großes für den Dancehall leisten. Shell dung!


    (Franz Xaver Mauerer)


    [redbew]2113[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2113[/reframe]


    01. Intro
    02. Nettelbeckplatz
    03. Stecks Schmiers & Suffs
    04. W.W.M. feat. MC Bomber
    05. Wat ist schon dran an so nem Tag
    06. S-Bahnhof Oranienburg [Skit]
    07. Pullerschellenverteilas feat. MC Bomber
    08. Boss der Panke
    09. Pint Eisenhart
    10. Akkordmollenkommando feat. Tiger
    11. Der Hustle ist hart
    12. Pintura Respirando feat. One Shok
    13. Outro

    Shacke One? Ist das dieser Typ, der oft bei MC Bomber featuret und sich anhört, als hätte man einem 15-Jährigen eine Plastiktüte mit Butan über den Kopf gestülpt und er müsste seine letzten 30 Gedanken noch alle in den nächsten fünf Sekunden loswerden? Genau der! Als Langzeit-Feature-Partner des ungleich bekannteren MCs aus Gesundbrunnen passte der selbsternannte "Wedding-Don" bislang nicht wirklich ins Bild, auch das gemeinsame Nordachse-Tape ist keine Sternstunde der Karriere des Bekannteren der beiden. MC Bomber wirkt oft schon fahrig und etwas hektisch, Shacke One setzt dem aber die Krone auf: Einmal geatmet reicht für den ganzen Track, und der wirkte dann auf bisherigen Releases oft so rausgepresst und auswendig gelernt wie die Fürbitte eines Ministranten. Andererseits war das zumindest ein wirklich eigener, wenngleich eigenwilliger, Stil – und Distinktion ist etwas, das Deutschrap in Zeiten austauschbarer Seyeds und Konsorten gut vertragen kann. Wie macht er sich also allein?

    "Stecks Schmiers & Suffs" heißt das Werk, mit dem Shacke One sich zum ersten Mal einem breiteren Publikum stellt. Wie der Dialekt des Titels schon vermuten lässt, endet der künstlerische Kosmos des Interpreten an den Stadtgrenzen Berlins, aber Corner-Rap muss ja nichts Schlechtes sein. Im Gegensatz zu vielen seiner rappenden Mitbürger nutzt er Berlin aber eindeutig nur als Tragfläche für abstraktere Überlegungen über Drogen, Panzer und urbane Maskulinität; Straßennamen-Aufzählen bleibt dem Hörer größtenteils erspart. Diese Gedanken transportiert Shacke One weiterhin mit seinem ungewöhnlichen Stil, den er aber solo deutlich breiter aufstellen kann als bisher und so an Dimensionalität gewinnt. Dabei zeigt sich sein nuancenreicher Rap genauso komplex wie seine mit Wortspielen angereicherten Texte, weshalb ein typisches Beispiel für die Lines dieses Albums ist:


    Mit deinem schwulen Pseudo-Image bewegst du dich auf ei'm schmalen Grat/
    Ich dagegen bin und bleib' der König auf mei'm Breitengrad/
    Stell' auch dein zweites Bein ins Grab/

    (Shacke One auf "Der Hustle ist hart")

    Das irrsinnige Tempo seiner Delivery und der überhastete Stil erlauben es dem Rapper, im Flow sehr flexibel zu variieren und schiefe Reime, ungelenke Versmaße und Inversionen ohne Probleme zu einem dichten und immer spannenden Teppich zu weben. Man vergleiche seinen Part auf dem G-Funk-lastigen "Akkordmollenkommando" mit dem Einsatz auf "Boss der Panke" – ein Rapper, unverwechselbar, aber stark variiert in Ansatz und Tempi. Shacke One hört sich dabei immer an wie ein Trainer am Seitenrand, der im Werner-Lorant-Gedächtnisstil einer unterklassigen Frauenmannschaft Beine machen will – letztlich existieren für ihn nur verschiedene Stufen des dringenden Mitteilungsbedürfnisses, angefangen bei "extrem hoch". Passend zu dieser formellen Extravaganz schafft der Don durch solche Lyrics auch noch eine inhaltliche Stringenz und Dichte, die bemerkenswert ist.

    Ich will mehr Jungfrauen haben als der September/
    Doch leider ist das schwer/
    Weil man die meisten Weiber schon mit zwölf besteigen kann/

    (Shacke One auf "Nettelbeckplatz")


    Die dritte Line dieses Beispiels steht übrigens für sich allein und hat keinen Reim- oder Sinnanschluss an andere – ein vielbenutztes Stilmittel auf diesem Album, das eben nur durch den Stil des Rappers funktioniert. Überhaupt, die Lyrics: "Ich hab' mehr Häuser gebombt/ als der Ami in Dresden" ("Nettelbeckplatz"); für solche Lines würden andere Deutschrapper töten. Dabei muss man allerdings sagen, dass Shacke Ones distinktive Vortragsweise auch dafür sorgt, dass teilweise eine ganze Armada textaffiner und im Berliner Dialekt kundiger Redakteure nötig war, um Einzelbegriffe zu entziffern (und trotzdem manchmal gescheitert ist) – der Don ist mit ODB mindestens so verwandt wie mit Busta Rhymes. Es braucht Mut, so zu rappen, genauso wie es Mut braucht, einen langen Skit wie "S-Bahnhof Oranienburg", in dem ein Assi ob der Brutalität der Natur der Arbeit unkommentiert in Selbstmitleid zerfließt, mitten auf dieses durchdachte und für den Künstler zweifellos kommerziell wichtige Album zu stecken. Der Skit reißt einen komplett aus dem Flow des Albums, dafür trägt er zur inhaltlichen Kohärenz bei, denn der MC kommt deutlich weniger aus der belehrenden Ecke (eben keine "Predigt", auch kein tadelnder Battle-Rap). Wie das düstere Cover schon andeutet, werden hier keine Alternativen angeboten, denn Shacke One arbeitet sich nicht an den Fehlern seiner Mitmenschen ab, dazu ist er zu resigniert – gerne hätte man mehr Einblick in sein Weltbild erhalten, zu oft drehen die Songs auf Pullerschellen und ähnliches ab, obwohl man den Eindruck hat, hier ginge inhaltlich mehr.


    Das für mich Besondere an "Stecks Schmiers & Suffs" sind seine Hits: "Wat is schon dran an so nem Tag" (das deutsche "Today was a good day"!), "Pintura Respirando" und "Nettelbeckplatz" müssten in einer gerechten Welt auf jedem Lautsprecher zwischen Spandau und Marzahn laufen. Diese Hits leben von der Dualität von Achim Funkes (mit anderen Mitgliedern der "Das Zündet"-Crew) Beats und Produktion, die trotz vereinzelter harter Drums auf warme Flächen und breite Synths setzt. Man könnte denken, dass sich die Produktion mit Shackes hartem, teilweise mechanisch wirkendem Fließband-Rap beißen würde, tatsächlich ergänzen sich diese beiden Komponenten aber wunderbar, da beide genug Flexibilität bewahren, um aufeinander zuzugehen. Das wird schon zu Beginn des Albums bei "Intro" deutlich, wenn der MC sich auf einem anfangs kargen Beat zunehmend in Rage redet und die Produktion zunehmend kakophonisch wird.
    Als Featuregäste treten neben dem bereits erwähnten Gesundbrunnen-King nur der aus dem Upstruct-Umfeld wohlbekannte Tiger und der mir bislang unbekannte, offensichtlich spanischsprachige One Shok, dessen Name fast ein hübsches Anagramm zum Hauptkünstler abgäbe, auf. Dieser und der Bomber teilen auf den Parts ihrer beider Zusammenarbeiten auf diesem Album gut aus, ergänzen sich aber wie gehabt nicht wirklich stimmig.

    Fazit:
    "Predigt" ist das bessere Battlerap-Album, dafür ist "Stecks Schmiers & Suffs" das facettenreichere der beiden. Das Songwriting ist stark, Beats und Rapper passen perfekt zusammen und vor allem hat der Wedding-Don seinen eigenartigen Stil, mit dem bestimmt viele nichts anfangen können, nicht angepasst, sondern knallhart durchgezogen und so eine Nische besetzt, die kein anderer Deutschrapper ausfüllen kann – Respekt dafür.
    Allerdings würde ich mir einen Ausbau der starken Storytelling-Aspekte wünschen, denn der Künstler hat eigentlich mehr zu sagen als auf inhaltlich eindimensionalen Songs wie "Pint Eisenhart"; zudem ist mittlerweile jedem klar, dass alle zugezogenen Berliner lebensunwert sind, der diesbezügliche Erkenntnisgewinn fällt also eher gering aus und verwehrt Shacke One leider das Vorstoßen in noch höhere Wertungssphären. Immerhin ist das sein erstes richtiges Album, also geben wir uns zufrieden mit einem rundum gelungenen Einstand und der Entdeckung, dass es einen deutschen Rapper gibt, der Busta Rhymes in Sachen Stakkato-Rap locker in die Tasche steckt.


    (Franz Xaver Mauerer)


    [redbew]2109[/redbew]


    Bewerte diese CD:
    [reframe]reviewthread.php?reviewid=2109[/reframe]