Ich bin Bayern-Fan, daher "wir" :
Wir haben jetzt also eine Lektion vom FC Barcelona bekommen. Von Messi, Xavi, Eto'o, Henry, Iniesta, Alves und Co. Einer Mannschaft, die x-mal teurer ist als unsere, eine Mannschaft gespickt mit Stars, die wir uns nicht leisten können. Die Realität ist einfach, dass Vereine wie Real, Manchester United, Liverpool, Chelsea, Milan, Inter oder eben Barcelona viel mehr Geld als wir haben.
Diesen Nachteil müssen wir mit Cleverness ausgleichen, darum haben wir Jürgen Klinsmann geholt. Er sollte mit dem Leistungszentrum, seinen neuen Ansätzen die Mannschaft, ja sogar den ganzen Verein modernisieren. Stand heute ist er gescheitert, wer was anderes behauptet, belügt sich selbst. Was also nun? Klinsmann feuern und stattdessen Veh holen? Oder Schuster? Was machen wir dann mit den ganzen Veränderungen, was wird aus dem Leistungszentrum? Sollen wir alles über Bord schmeissen? Ich habe echt Angst vor diesem Moment. Nicht weil Klinsmann ein netter Kerl ist - seine Durchhalteparolen gehen mir mittlerweile auch ganz schön gegen den Strich. ABER: Was soll er anders sagen, als: "Wir werden alles daran setzen, es in der Liga noch zu packen."
Ich bin mittlerweile echt zwiegespalten. Einerseits sage ich mir: Klinsmann muss raus, da ist einfach zu viel im Argen. Andererseits wäre es auch sehr spannend, wenn er basierend auf den jetzigen Erfahrungen in der nächsten Saison mit einem besseren Kader arbeiten könnte. Ich verstehe diejenigen, die sagen: Der darf nicht auch die nächste Saison gefährden. Nur was ist die Alternative? Eigentlich nur die Rückkehr zum Alten. Ein User hat eine sehr interessante Aussage gemacht: "Ich habe Angst, dass wir wie Ajax Amsterdam enden." Vielleicht ist das Klinsmann-Projekt eine der letzten Möglichkeiten, diesem Schicksal zu entkommen. Denn wir müssen uns neu aufstellen, wir müssen härter, innovativer und cleverer arbeiten als die anderen europäischen Topklubs. Was die Weiterentwicklung der A-Kader-Spieler angeht, was die Talentschmiede betrifft und was unsere Transferpolitik und unser Scouting angeht.
So wie jetzt kann es nicht weitergehen. Wir können nicht mit einer Mannschaft spielen, in der einerseits ein Weltstar wie Ribery höchste Ambitionen hat und andererseits Spieler wie Lell diese aufgrund massiv fehlender Qualität zu nichte machen. Wenn wir Ambitionen haben wollen, in Europa alle fordern zu können, dann müssen wir bereit sein, unseren Kader jedes Jahr punktuell mit den bestmöglichen Spielern zu verstärken. Dann darf es nicht solche Transferperioden wie die vom letzten Sommer geben, wo wir uns ausruhen. Oder wir erkennen an, dass wir international nicht um den Titel mitspielen können. Was wir seit 2002 praktizieren ist ein Mittelweg, der uns international in die Bedeutungslosigkeit geführt hat.
In den letzten Jahren ist es uns regelmässig passiert, dass wir im International vorgeführt wurden: Zewimal vom AC Mailand, von La Coruna, von Chelsea, von Zenit St. Petersburg und jetzt von Barcelona. Ich sag euch ganz ehrlich: Wenn wir gestern gegen Udine gespielt hätten, wir hätten niemals 3:1 gewonnen. Weil unserer Mannschaft die Spannung fehlt. Und das seit Jahren. Und warum? Weil eben das Gefälle im Kader zu groß ist. Wenn wir heute nach Barcelona fahren, dann wissen alle Spieler instinktiv: Wir haben keine Chance. Als wir 98/99 nach Barcelona gefahren sind, war nach der Auftaktniederlage gegen Bröndby der Tenor: "Gut, dann müssen wir halt in Barcelona gewinnen." Und wir haben gewonnen, auch das Aufeinandertreffen in München.
Wenn wir so weitermachen, wie in den letzten Jahren, dann werden wir international in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Wir hatten in dieser Saison einige vielversprechende Ansätze, die aber mit der Pleite von Barcelona - vor allem der Art und Weise - alle weggewischt sind. Wir treten seit Jahren auf der Stelle. Solche Waterloos haben also mittlerweile Tradition bei uns - die Niederlage kann nicht Klinsmann angeheftet werden. Die ganz große Blamage wäre möglicherweise abwendbar gewesen, aber wir können uns nicht mit den Größten Europas messen, weil wir dafür nicht hart genug arbeiten. Wer es akzeptiert, dass Spieler wie Lell, Podoslki, Schweinsteiger, Borowski, Oddo oder Rensing bei uns in der ersten Mannschat spielen bzw. echte Alternativen sind, der kann von keinem Trainer der Welt erwarten, dass wir im direkten Vergleich mit Messi, Henry, Eto'o und Co. gut aussehen.
Klinsmann hat viele Fehler gemacht, einer der größten hat er schon vor dem Amtsantritt verbrochen: Er hat mit Vasquez einen Co-Trainer geholt, der weder deutsch kann, noch die Liga kennt. Und wohl auch taktisch scheint er kein Spezialist zu sein. Die spannende Frage ist nun: Bekommt Klinsmann die Chance, sein Trainerteam besser aufzustellen, sein Konzept weiter zu verfolgen und werden die eklatantesten Schwachstellen im Kader beseitigt, damit Klinsmanns Visionen von schnellerem Fussball überhaupt umsetzbar sind? Mit dem jetzigen Kader ist es einfach unmöglich, so zu spielen. Da hat er sich von den Leistungen der Vorsaison genauso täuschen lassen wie Hoeness und Rummenigge. Ausserdem weiß keiner von uns, inwieweit Klinsmann intern auf Neuverpflichtungen gepocht hat. Wir kennen nur die öffentliche Version. Wir alle wissen, dass Uli durchaus dazu neigt, Schwachstellen schön zu reden - weil er zu nahe an der Mannschaft dran und unfähig ist, den Spielern weh zu tun - weil sie alle wie seine Kinder sind. "Hire and fire wirds bei uns nie geben" - tja, aber so läufts im Spitzenfussball. Wer keine Leistung bringt, muss gehen. Bei uns bekommen solche Spieler hochdotierte Verträge.
Oder wir werfen Klinsmann raus - was sicher nicht unberechtigt oder übereilt wäre. Was passiert dann? Wie gehts dann weiter? Ich kann es nicht sagen. Sicher ist nur so viel: Die Schwarz/Weiss-Malerei bringt uns nicht weiter. Wir haben finanzielle Zwänge, denen Uli und Co. nicht entfliehen können. Also müssen wir - ich sags nochmal - härter arbeiten und cleverer sein als alle anderen. Und davon sind wir im Moment meilenweit entfernt. Wir arbeiten nicht schlecht, es ist ganz okay. Eben mittelmass, so wie das, was unsere Mannschaft im internationelen Vergleich darstellt. Mittelmass wird eben immer nur Mittelmass erzeugen. Erst, wenn wir wieder hochprofessionel arbeiten, wird sich das auch auf unsere Leistungen auswirken.
Bin ich Pro oder Contra Klinsmann? Sowohl als auch. Vielleicht sollten wir ihm noch ein Jahr Zeit geben - auch Wenger und Ferguson hatten nicht von heute auf morgen Erfolg. Vielleicht wäre es besser, mit einem anderen Trainer in die neue Saison zu gehen. Eines ist aber sicher: Wir müssen uns entscheiden, wer wir sein wollen, was unsere Ziele sind - wir müssen mit einer anderen Einstellung, mit einem neuen Hunger in die neue Saison gehen, sonst kann Trainer sein, wer will: Dann ist einfach nicht mehr drin.
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