01. Snitch
02. Meine Attitude
03. La La La feat. Punch Arogunz
04. Mrs. Snitch
05. All Cops are Buddies
06. Zur Seite mit Dir feat. Neo Unleashed
07. Snitchboxen (Skit)
08. Delfin
09. Siffmaul & Snitch feat. Jay Jiggy
10. Ganz schön hässlich
11. (K)ein Ehrenmann 2
12. Fehltritte feat. DJ IDC
13. Alltagssklave
14. Kleopatra
15. Manuskripte
Nun ist es da: "Snitch". Ein halbes Jahr nach der Ankündigung durch den inzwischen zum Labelboss aufgestiegenen Punch Arogunz hat MCTwist, Entschuldigung, Twizzy nun sein Album veröffentlicht. Wer sich auch nur gelegentlich in der Battlerapszene Deutschlands bewegt, dürfte davon gehört haben, denn viele bekannte Gesichter aus den Videobattleplattformen Deutschlands waren maßgeblich an der Promo beteiligt. Jay Jiggy, Cashisclay, Neo Unleashed, Timatic und Finch: Alles Rapper, die schon Millionen an Klicks vorzuweisen haben und auch schon selbst mehr oder weniger erfolgreiche Alben veröffentlichten.
Dennoch: Platz 66 in den Charts, Musikvideos, die unter 15.000 Views bleiben und keine einzige Kritik von meinen Kollegen in den anderen HipHop-Magazinen. So gut ist es nicht gelaufen mit dieser Platte, die aus einem neuen Movement der letzten klickstarken Battlerapper Deutschlands hervorgeht. Dieses Album zeigt die Schwierigkeiten von Rappern, die aus Videobattles kommen und nun "richtige Musik" machen wollen, klar auf. Und ist ein gutes Beispiel, wie man sich in der Szene nicht etabliert.
Ich will Twizzy seine Fähigkeiten gar nicht absprechen. Solide bis gute Reimketten gibt es hier jede Menge. Auch gibt es Punchlines bis zum Abwinken, die aber nicht alle unterhaltsam oder neu sind. Man kann das Twizzy und seinen Freunden auch kaum zum Vorwurf machen, Kollegah und seine zig Nachahmer haben das Wortspiel-Game schon vor Jahren ziemlich totgeritten; vielleicht geht es mit Battlerapformaten auch deshalb so schnell bergab. Das technische Level ist fast durchgängig hoch; dass "Snitch" nicht lyrisch stark ist, hat andere Gründe.
Jeder Battlerapper, der sich entschließt, ein 15 Song starkes Album statt einer simplen EP aus dem Boden zu stampfen, muss sich zwei Fragen stellen: Was will ich mit meinem Werk sagen, ausrichten, oder verändern? Und, noch wichtiger: Wer will ich als Künstler sein, wofür will ich stehen? Die erste Frage wurde auf "Snitch" komplett links liegen gelassen. Diese Platte hat keine zentrale Aussage, keinen roten Faden und keinen musikalischen Plan. Die zweite Frage wurde mit einem Image beantwortet, das sich Twizzys Crew überlegt hat. Er sollte das Image einer linken Ratte kriegen, daher der Name. Man kann das von vorne herein peinlich, langweilig und uninteressant finden, dann kann man (die) "Snitch" komplett umgehen, oder man gibt dem Interpreten eine Chance, durch seine Kunstfigur zu entertainen. Ich hab Letzteres getan.
Und so war ich überrascht, dass es mit dem ersten Song "Snitch" gleich selbstironisch losgeht.
"Klein wie Tinkerbell/
Nein, kein Disney-Held/
denn seine einzige Mission war/
Snitch die Welt"
(Twizzy auf "Snitch")
Mein Humor ist es nicht, der seiner Zielgruppe vielleicht schon, da muss man die 14-Jährigen fragen, die jetzt mit ihrer "Snitch"-Basecap durch die Straßen ziehen. Schade ist es, dass es mit "Meine Attitude" dann ungewollt lächerlich wird. Ein drittklassiger Party-Banger-Beat wird von einem sich viel zu ernst nehmenden Twizzy mit Macho-Sprüchen gefüllt, die das Image, das er sich selbst geben wollte, wieder ins Klo runter spülen. Und so wechseln die Themen ohne erkennbaren Plan: Klassische Battelraptracks wie "La La La", "Zur Seite mit dir" und "Ganz schön hässlich", ein paar Image-Pfleger wie "(K)ein Ehrenmann" und "All Cops Are Buddies", dazwischen ein paar obligatorische "Auch ein Banger hat ein weiches Herz"-Songs wie "Delfin" und "Manuskripte".
In welche Richtung es im Einzelnen auch geht, es ist vorhersehbar und es ist schlecht umgesetzt. Produziert wird entweder zu synthetisch ("La La La") oder simpel und unkreativ wie auf "Mrs. Snitch", wo ein unglaublich liebloser, stereotypischer Afro-Trap-Beat den noch immer aktuellen, kommerziell erfolgreichen HipHop-Sound imitieren will, aber kläglich daran scheitert. Kein einziges detailverliebtes Instrumental, keins, das Spielraum für wirkliche Flowvarianten oder Tiefe lässt. Ordentlich sind nur die battlelastigen Beats von Neo Unleashed, der darauf dann um Längen cooler klingt als Twizzy, welcher ideenlos auf allen möglichen Beats herumirrt, sämtliche Seriosität ablegt, dann aber wieder den harten, eiskalten Playboy spielen will. Es gibt keine einzige schöne Hook auf dem gesamten Album, damit hatte ich auch nicht wirklich gerechnet, ein Manko ist es trotzdem. Rappen kann Twizzy, ja, aber der Flow ist leider immer absolut glatt, clean und eintönig, da er vom vorgegeben Versmaß nie abweicht, um Akzente zu setzen oder musikalisch zu experimentieren.
Es ist nur Stückwerk, das man an diesem Album gut finden kann. Ein paar Parts sind aus Battlerap-Perspektive völlig astrein, aus musikalischer überzeugt kein einziger Song. Es war abzusehen, dass der Künstler mit diesem Album ins Fettnäpfchen tappt und dass Twizzy jede musikalische Richtung vertreten haben will. Es war genauso absehbar, dass nichts davon gelingen würde, da er bei allem, was nicht Battlerap ist, nur auf die szenetypischen Muster zurückgreift - wie man einen Lovesong schreibt, wie man einen tanzbaren Clubtrack produziert, wie man selbstironisches Lied gestaltet. Nichts will funktionieren, weil er keines dieser Muster inhaltlich oder musikalisch mit einer eigenen Note bereichert. Es bleibt ein Konstrukt. Zum Abschluss will ich Twizzy raten, das nächste Mal statt eines langen Albums lieber eine sechs bis sieben Tracks lange EP rauszuhauen, die kann dann gerne voll mit Battleraptracks sein und muss nicht krampfhaft von dem abweichen, was er gut kann. Denn er ist ein akribischer Schreiber mit einem soliden Flow und einer Leidenschaft für das, was er macht. Nur ein facettenreicher Musiker ist er nicht.
Vincent Busche
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