Wenn man die gegenwärtige Releasedichte betrachtet, könnte man meinen, dass Deutschrap auf Wolke sieben schwebt. Angesichts der charakteristischen Soundästhetik von einem Gros der kommerziell erfolgreichen oder bloß trendverdächtigen Veröffentlichungen spricht dagegen einiges, einiges mehr und vieles für 'Wolke zehn'.
Rapper, wie Mero oder Capital Bra scheinen, jenseits von Formen der (Selbst-)Repräsentation, auch musikalisch Mittel und Wege gefunden zu haben, eine exorbitant große und breite Hörerschaft erreichen zu können (um nur die Spitze des Eisbergs zu nennen). Nahezu jedem dieser Ansätze ist inhärent, dass das eigentliche Hören der Tracks weniger an Voraussetzungen, wie etwa eine hohe Aufmerksamkeitsspanne gebunden ist, als dass es den Hörer vielmehr zum neuerlichen, mutmaßlich beiläufigen Konsum anregt. Die Popularität von Streamingdiensten und Playlists kann in diesem Zusammenhang, obschon nicht als Beleg, doch als Indiz dienen.
Zahlreiche Interpreten, die gerade mal ein Album oder gar erst eine Handvoll Singles veröffentlicht haben, also noch als Newcomer gelten, sind bisweilen dazu in der Lage, so manchen Rapper, der sich über den Zeitraum von Jahr(zehnt)en einen Namen gemacht hat, gemessen an Streamingzahlen, Views etc. in den Schatten zu stellen.
Künstler, die sich gewissermaßen als das Rückgrat eines nationalen Genres etablieren konnten, sehen sich nun scheinbar der Gefahr einer permanenten Entthronung ausgesetzt. Kein Wunder, das auch sie sich an aktuelle musikalische Trends und dem medialen Umgang annehmen und gewissermaßen den "Zeitgeist" zu adaptieren versuchen.
Oder ist das alles eine gewaltige Übertreibung?
Feststeht: Das Neue obliegt in den meisten Fällen dem, was nachwächst. Und der hiesige Rapnachwuchs scheint geradezu unersättlich in seinem Hunger nach kommerziellem Erfolg und Renommee und krempeln das Terrain der deutschsprachigen Hip-Hop-Szene gründlich und scheinbar nach Belieben um.
Unter der Vielzahl an Newcomern gilt es reezy hervorzuheben, dessen Debütalbum "TEENAGER FOREVER" kürzlich, am 22. März 2019, erschien. Mit den Tapes "feueremoji" und "tropfenemoji" deutete er bereits im vergangenen Jahr an, wohin es musikalisch geht – kann aber mit "TEENAGER FOREVER" seinen musikalischen 'Space', d. h. seinen Output in der öffentlichen Wahrnehmung, um neue und neuerlich einfallsreiche Facetten ergänzen.
Das aktuelle Album wartet gleich mit mehreren populären Featuregästen auf. Darunter unter anderem Rapper wie Eno oder Nash. Der Track "AMOR", zu dem nun auch ein Musikvideo herausgebracht wurde, verdeutlicht einmal mehr die stilistische Bandbreite des Youngsters.
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[/YOUTUBE]Denn auf "AMOR" erhält reezy musikalisch Unterstützung von Yung Hurn. Gemeinsam bilden sie eine zutiefst stimmige Formation. Im Kontext des von Ambezza und reezy selbst produzierten Beats harmonieren die beiden Rapper hervorragend und ergänzen einander. Darüber hinaus zeichnet sich das (Musik-)Video, dass von Vincenz Neuhaus erstellt wurde, durch eine gelungene Mischung aus Trash-Ästhetik sowie narrativen Elementen aus.
War es je einfacher, als Rapnewcomer auf dem deutschsprachigen Musikmarkt Fuß zu fassen? Und kann reezy als vorzeigbares Beispiel gelten, wie es auch mit einem eigenständigen Soundbild gelingen kann, im Trend zu liegen?
Trotzdem im Trend zu liegen, möchte man hinzufügen …
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