01. Fast Life
02. Milieu 2
03. Gjynah
04. Villa in weiß / Diamant
05. 9 Milly
06. Qa bone feat. Raf Camora
07. Kriminell feat. Noizy & Zuna
08. Rein raus feat. Miami Yacine
09. So lang die Straße lebt feat. Zuna
10. Ketten Cartier
11. Wer will mitfahren
12. Mama
13. Überlebt
14. Wir hatten nix feat. Nash
Machen wir ein kleines Experiment. Ihr malt Euch jetzt den durchschnittlichen Straßenrapper anno 2017-2018 aus. Ihr überlegt Euch, was für Tracks auf seinem Album sein könnten. Visualisiert vor Eurem inneren Auge ganz genau, was passieren würde, wenn Ihr einfach jedes Klischee bedient. Jedem Trend folgt. Gäbe es belanglose Texte, die mit dem Typen zwar irgendwie authentisch kommen, aber so schwammig und langweilig formuliert werden, dass sie genauso gut auch ein Madlib-Formular der neuen Narcos-Staffel hätten sein können? Gäbe es viel Autotune, durch das uninteressante Vocals gerade schmissig genug für die Dorfdisco gemacht werden? Ein RAF Camora-Dancehall-Feature? Einen schmalzigen Mama-Song? Und ständige Referenzen an Reichtum und Klamotten, die nicht einmal gut getragen werden, sondern nur da sind, weil sie teuer waren?
Das wären dann natürlich alles ziemlich gute Tipps gewesen. Sagen wir zum Beispiel, austauschbarer Straßenrapper eins – nennen wir ihn A – fährt besonders auf das Gangsterleben ab. Er hat vielleicht einschlägigen Background im kriminellen Leben und hätte deshalb auch einiges zu erzählen. Vielleicht war er mal ein Fan von jemandem wie Haftbefehl oder vielleicht jemandem wie Future. Also Typen, die keine großen Geschichten erzählen, aber allein durch Slang und Delivery interessant und nachvollziehbar machen, was sie erlebt haben. Belangloser Straßenrapper A würde auf einem Song, vielleicht sogar dem Titelsong so etwas wie ...
Wie Montana, machen weiter Geld/
Albaner aus Tirana ficken Bikergangs/
Knospen aus Lazarat, ein Kilo vier-fünf/
Mein Leben á la Robert-De-Niro-Spielfilm/
(Rapper A auf "Titeltrack")
... rappen. Nur fehlt ihm selbst eben das Händchen für die Darstellung seines Lebens. Deswegen würde jemand wie Rapper A als Texter ziemlich uninteressant ausfallen, auch wenn er eigentlich real und vielleicht auch kein schlechter Rapper sein mag. Aber das ist ja nur ein Bereich des Gangsterspektrums. Viele von Euch werden sich ja vielleicht auch jemand ganz anderes vorgestellt haben. Immerhin ist 2017 das Jahr der Miami Yacines, Nimos und Ufos gewesen. Das wäre dann vielleicht belangloser Straßenrapper B: Dem sind die Texte vielleicht völlig egal, denn er will coolen, tanzbaren Sound machen.
Für B ist es besonders wichtig, Musik zu machen, die man im Club, am Bolzplatz oder in der Shishabar problemlos in den Hintergrund schalten kann. Dafür bedient er sich einer ganzen Riege an populären Einflüssen. Da fließt meistens ein bisschen Trap ein, aber immer nur so rund und kantenlos produziert, dass die 808s nicht wirklich wummern dürfen und die Perkussionen den Melodien keinen ernsthaften Kontrast bieten. Meistens kommt ein bisschen Dancehall und Aftrotrap dazu, entweder nach der inzwischen vermutlich patentierten RAF-Camora-Formel oder von Rihanna-Tracks 2016 zusammenkopiert. Dank einem guten Schopf Autotune kann B dann auch ziemlich servierfähige Melodien zusammenbauen. Kann man sich dann anhören, mitnicken, vielleicht ein paar Takte darauf tanzen. Nur leider ordnet sich Straßenrapper B so offensichtlich den gängigen Trends und seinen aktuellen Vorbildern unter, dass er nicht nur deren meistens weitaus kreativere Soundlandschaft verwässert, sondern schlichtweg auch keinen eigenen Grund liefert, warum man jetzt seine Musik statt der seiner Vorbilder hören sollte.
Junge, komm vor die Türe, dann reden wir/
Bla bla bla bla/
Wem muss ich beweisen, wer wir sind? Wir übernehmen hier/
Pow, pow, pow, pow/
Scharfe in der Armani-Jacke spielt die Melodie/
Immer wenn ich einen Geldbatzen mach'/
Dank' ich Gott, aber bleib' derselbe/
Millionär, Bruder, fast über Nacht/
(RAF Camora auf "RAF-Camora-Feature")
Und weil deutscher Straßenrap gerade so ein facettenreiches Unternehmen ist, könnte es noch so viel mehr geben, dass Ihr bei unserem kleinen Experiment hättet antworten können. Wie wäre es mit Rapper F, der sich wieder und wieder bei seiner Mutter dafür entschuldigt, furchtbare Lebensentscheidungen zu treffen, sich dann aber auf jedem anderen Track dafür abfeiert, genau diese furchtbaren Lebensentscheidungen beizubehalten? Was ist mit Rapper Q, der es auch mit einem 3.000-Euro-Outfit aussieht wie Justus von der Tanke, weil man sich auch mit einem Haufen Kohle keinen Geschmack kaufen kann? Also der, der 2014 noch über Versace gerappt hätte, hätte er 2014 schon gerappt? Und nicht zu vergessen Rapper Z, für den Rap sowieso nur ein belangloses Geschäftsmodell ist, weswegen der austauschbare Sound voller großspuriger Abfälligkeiten ist, dass das Ticken oder der Rap im Grunde die gleiche Funktion für ihn einnehmen?
Ja, Straßenrap ist in einer seltsamen Verfassung zur Zeit. Und auch trotz all dieser Klischees gibt es natürlich immer wieder Artists, die mit innovativem Sound und besonderer Persönlichkeit glänzen. Leider gibt es deswegen auch viele Rapper, die sich anfühlen wie eines der Klischees, die wir uns hier ausgedacht haben. Die einfach nur einen schnellen Euro auf den Hype machen wollen. Wisst Ihr aber, was abgefahren wäre? Wenn es einen Rapper gäbe, der wirklich all die Klischees in sich vereint. Von Rapper A, Rapper B, bis hin zu Rapper Z. Sagen wir mal, dieser Frankenstein aller belanglosen Klischees hieße Rapper AbisZ. AZ. Azet? Whatever. Wenn es diesen Rapper Azet gäbe, wäre ich echt froh, dass sein großes Debutalbum an mir vorbeigeht.
(Yannik Gölz)
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