01. Wer weiß wieviel Zeit uns noch bleibt
02. Was du bist
03. Bei mir
04. Waffen
05. Achterbahn/Riesenrad
06. Aufgeben feat. fab
07. Stell dir vor
08. Manuskript feat. Samy Deluxe & Kool Savas
09. Paralleluniversum
10.Safe feat. Muso
11. Immer mehr feat. Kaind
12.Methadon feat. Muso
13.Geldregen feat. Mariama & Kool DJ GQ
14. Bis wir uns wiedersehen feat. fab
Curse ist in vielen Dingen ein Exot im Deutschrap. Ein 39-jähriger meditierender Buddhist, ein Vollblutmusiker und ein Mensch, der in seinen Texten Wert auf Inhalte legt, die Lebenshilfe sein sollen. Jetzt ist er wieder da und findet eine Rapszene in Deutschland vor, die sich seit seinem letzten Album 2014 so stark verändert hat wie wahrscheinlich nie zuvor. Ihm persönlich scheint das bewundernswert egal zu sein, er kennt den Zirkus schließlich lange genug und hat es als Musiker geschafft, sich eine Fanbase aufzubauen, dank der er sich von der Rapszene weitgehend emanzipieren kann. Von dem Geflexe auf rhythmisierten, trocknen Beats der alten Schule hat er sich mit fast 40 abgewandt, um sich nun auf Aussagen und Erzählungen aus seinem Leben zu konzentrieren. Wer Curse verfolgt, der weiß, dass er viele Botschaften an seine Zuhörer hat und diese eloquent verpackt. Die Frage ist, welche Themen wählt er aus und wie stark verändert sich der Sound des Albums?
Und wir scheitern wieder und weiter/
Bis diese riesige Leiter/
Keine Sprossen mehr für uns Sieger bereithält
(Curse auf "Wer weiß wieviel Zeit uns noch bleibt")
Erstmal zum Klang des Albums, Curse macht hier keine Kompromisse, rückt Instrumentals in den Hintergrund und schmeißt anspruchsvolle Flows komplett über Bord. Die Beats lassen sich Zeit, sind ungewohnt melodisch, aber eben auch eine Begleiterscheinung, die in erster und einziger Linie zur Atmosphäre beitragen soll. Curse selbst schafft mit "Wer weiß wieviel Zeit uns noch bleibt2 einen Song, der durch positive Vibes und einen Künstler, der hörbar Freude und die Fähigkeiten mitbringt, einen schönen Einstieg ins Album. Dann geht es mit "Was du bist" und "Bei mir" melancholisch und eintönig auf Pianobeats weiter; wer sich davon noch entertaint fühlt, wird mit den nächsten Tracks "Waffen" und "Achterbahn/Riesenrad" endgültig gelangweilt. "Aufgeben" ist für sich genommen kein schlechter Track und fab gibt dem Album zumindest stimmlich gesehen mehr Farbe und Abwechslung, aber nach den ermüdenden Tracks zuvor dürfte bei vielen das Lied auch nicht herausstechen, da man stimmliche Variation bei Curse vergeblich sucht und man 3 Minuten 17 die meiste Zeit auf die Hook von fab wartet. Auf der Reprise "Stell dir vor" kommt Curse dann endlich mal mit Euphorie in der Stimme und baut passend zum Beat endlich mal Abwechslung ein. Leider ist nach 1:30 Minuten Rap ohne Hook und erkennbaren roten Faden der Spaß wieder vorbei, so dass hier der gute Ansatz zu hören ist, aber leider auch nicht mehr daraus gemacht wird. Soweit, so bescheiden, doch dann kommen Savas und Samy Deluxe um die Ecke. Auf dem mit Abstand besten Beat des Albums, mit den mit Abstand besten Features des Albums kommt (Überraschung) auch der mit Abstand beste Song des Albums zustande. All das, was man vorher vermisst hat, kommt hier at its finest. Curse zeigt famose Rapskills und Samy und Savas liefern lyrisch und musikalisch auf einem maßgeschneiderten Beat perfekt ab. Doch es kommt, wie es kommen musste, nach dem Highlight der Platte kommt der Tiefpunkt. Es ist nicht so, dass "Paralleluniversen" ein furchtbarer Track wäre, aber er ist deep, bringt nichts Neues auf das Album – und ist, Atmosphäre hin oder her, mit 5:45 Minuten so lang, dass es selbst für Balladen-Liebhaber schrecklich langweilig wird. Der Song für sich ist Enttäuschung genug, aber ihn nach so einem Brett zu platzieren, zerhackt den roten Faden des Albums. Die restlichen Lieder knüpfen an jenes Muster an, werden aber von den unerwartet brillanten Features gerettet. KAIND und muso liefern zwei wunderschöne Hooks ab, die 3 von 4 Tracks nochmal für sich genommen passabel machen.
Ständig starten wir den Tag damit, uns zu vergleichen/
Statt uns zu begreifen, doch nur eins von beiden ist bereichernd
(Curse auf "Waffen")
Jetzt zum Text, vorneweg, viel besser wird es nicht. Wie schon erwähnt hätte Curse ja eigentlich sehr viel zu erzählen, aber die Qualität schwankt sehr stark zwischen schön formulierten Songs mit klarer Message und Phrasendrescherei ohne Ende. Es kristallisiert sich heraus, dass er bei aufbauenden Texten wie "Was du bist" oder "Bei mir" seine Stärken ausspielen kann, da seine Delivery und Messages dort am besten ankommen. Politische Aussagen wie auf "Waffen" sind viel Rauch um zweifelhafte Inhalte. Wenn er beispielsweise von einer "Scheinwelt der Medien" spricht, ist das nur eine harmlose Umschreibung des Wortes Lügenpresse, was man mehr als grenzwertig finden kann. Dann spricht Curse noch den Umgang der Polizisten mit dunkelhäutigen Menschen kritisch an, was erstens schon 1000mal gesagt wurde und zweitens die Frage aufwirft, welche Erfahrungen er mit diesem Thema gemacht hat und ob ihm diese Problematik in seinem Leben in Hannover so oft begegnet. Der Rest liest sich wie eine Aneinanderreihung von Kalendersprüchen oder Lebensweisheiten von Facebookpoeten.
Wir haben unser neues Leben zelebriert über alte Beats/
Und egal, wohin du ziehst, um zu studieren/
Ist es nie soweit entfernt/
(Curse auf "Paralleluniversen")
Fazit:
Ich bin enttäuscht. Curse ist lyrisch und musikalisch ziemlich eintönig und das Album klingt, als hätte man die Reihenfolge der Songs durch Würfeln ermittelt, was besonders schade ist, weil gute 50% der Lieder für sich genommen nicht schlecht sind. Die Features stellen überraschend starke und nötige Ergänzungen dar und die Instrumentals sind schön produziert mit ein paar Highlights. Leider ist das meiste, was von Curse kommt, nicht zufriedenstellend und so schadet diese Veränderung des Sounds auf Albumlänge immens der Vielfalt der Platte. Wenn er keine Lust mehr auf den Oldschool Sound hat, hätte er sich zumindest Gedanken machen können, wie er dieses musikalische Loch schließt und die fehlen ganz klar.
Vincent Busche
3 Mics
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