01. Sturmmaske auf (Intro)
02. Ave Maria
03. Gamechanger
04. Rap wieder Rap
05. Studiogangster
06. Wenn der Gegner am Boden liegt
07. Es wird Zeit
08. Düsseldorfer
09. Jagdsaison
10. Jung brutal gutaussehend 2017
11. Frontload
12. Warlordz
13. Die letzte Gangsterrapcrew
14. Massephase
15. Eines Tages
16. In jeder deutschen Großstadt
17. Älter brutaler skrupelloser (Outro)
Wenn Kollegah und Farid Bang releasen, dann spricht die Szene. Über so einiges: Wer wurde gedisst? In welchem Umfang? Wie viel wurde verkauft? Trägt der Mann denn immer noch Versace? Mit militanter Treffsicherheit ging Deutschlands präziseste Promomaschine in Runde drei und lässt verschwörerisches Schulhofgetuschel einmal mehr zu einem landesweiten Gossip-Flächenbrand anschwellen, über den du dich sogar mit dem Biochemie-Studenten in deiner nächsten Mitfahrgelgenhiet unterhalten können wirst. "Kollegah – das ist doch der Kluge! Eigentlich hör' ich so Rap ja nicht, aber den find' ich witzig, da merkt man wenigstens, dass der was im Kopf hat". JBG ist so weit im deutschen Popkultur-Bewusstsein angekommen, weil es mit HipHop oder Rap als Musikrichtung gar nicht mal mehr so viel zu tun hat. Das verwundert, denn immerhin zücken die beiden trendresistenen Fleischberge in feinster "Make America Great Again"-Manier hier zu einer absurden "Rap muss wieder Rap werden"-Rhetorik. Dröseln wir das auf: "Jung, Brutal, Gutaussehend" – ein Fuck-Up in drei Akten.
Wir ging'n den widrigen Weg/
Haben bei Beef die Kollegen in dieser Szene einfach übertrieben niedergemäht/
Sind jetzt die Leader im Game, hab'n keine Ferien gemacht/
Sondern Imperien geschaffen und mehr Bizeps denn je/
(Kollegah & Farid Bang auf "Sturmmaske Auf")
Fangen wir mal mit dem Offensichtlichen an: Dieses Album klingt wie Müll. Überproduzierter, ideenloser, klischeebeladener Müll. Dreißig Sekunden auf den Einstieg gibt es den ersten gregorianischen Chor, der auf Drums der Marke "Groß & Laut" gefriemelt wurde. Wenn auch ohne technische Schnitzer fühlen sich die siebzehn Anspielstationen so abgefertigt und verjährt an, dass es schon nach wenigen Titeln schlicht ermüdet. Die immergleichen Synth-Leads, dazwischen Dipset-Drumloops, Orgelgeklimper und Instrumental-Elemente, deren bloße Beschreibung schon ein Klischee wäre. Kollegah und Farid Bang interessieren sich nicht für Details, Nuancen oder Ästhetik. Jede Sekunde muss so groß, laut, pathetisch und bedeutungsschwanger sein, wie es nur irgendwie geht. Dass die beiden Protagonisten dann auch noch mehr schlecht als recht über die Beats stolpern, kaschieren auch die regelmäßig eingestreuten Doubletime-Passagen nicht. Für zwei Rapper, die beide ihr halbes Leben professionell rappen, sollten so viele Unsauberkeiten bis hin zu handfesten Flowfehlern einfach nicht passieren.
All das ist aber vor allem für eine Erkenntnis wichtig: Im Schaffensprozess hat es hier effektiv niemanden interessiert, wie das Ding am Ende klingt. Klingt halt wie alles andere, was die Beiden sonst so machen, nur eben noch eine Ecke abgestandener. Und das wird auch die große Verteidigung sein: Es geht ja um die Texte. Ja. Die Texte. Die Reime, die Namedrops, die Punchlines, die Wortspiele. Und klar: Den Unterhaltungsfaktor kann dem Duo einmal mehr niemand absprechen. Den Parts zu folgen, die Wie-Vergleiche zünden lassen und dabei den Gossip zu genießen, der sich in den konkreten Schüssen gegen Szenekollegen ergießt. Klingt in der Theorie super, aber auch hier scheinen die beiden schon inspiriertere Tage durchlebt zu haben. Die wahnsinnig tollen Reime sucht man vergebens, für Kost auf diesem Niveau könnte man gerne auch die RBA-Advanced konsultieren. Und auch wenn die Wortspiele ihre Momente haben mögen, sind die ominös angekündigten Disses bestenfalls Rauchbomben.
Gangsterpose mit der Knarre/
Blonde Bitches und dicke Karren/
Ficke alle, nie mehr Comedyrap/
Wenn ich dem Ali sein Doppelkinn brech'/
(Farid Bang auf "Düsseldorfer")
Ohh! Er hat Bushido gedisst! Wusstet Ihr, dass Shindy Drake bitet, Ali dick ist und Bushido gerne World Of Warcraft spielt? Auf gefühlt jedem zweiten Song baut man sich Textpassagen zusammen, die auf die oberflächlichste und belangloseste Art und Weise Sticheleien gegen Berlins EGJ-Camp ausfährt. Gab es irgendetwas auch nur annähernd Substantielles zu sagen? Nö. JBG vs EGJ ist ein Promobeef, wie er im Buche steht. Er hat keinen Anlass, keinen Inhalt, keine Richtung und bringt auch keine gute Musik mit sich. Bis auf die platonische Idee, dass Kollegah Bushido in einem Song beleidigt hat und dazu ein Instrumental gelaufen ist, das auf klotzige Art und Weise versucht hat, diesem Schmierentheater irgendeine Schwere oder dramatische Relevanz anzudichten, gibt es hier keinen Anlass für Begeisterung. Und alle anderen Beleidigungen an Trap-Rapper oder alte Hasen gehen selten über "der und der wird mit der und der Waffe erschossen" hinaus. Gähn.
Dabei ist es äußerst vielsagend, dass "JBG 3" sich insbesondere gegen Rapper der neuen Schule zu richten scheint. Das liegt übrigens nicht daran, dass die Beiden sich auf einer Inquisition gegen lästige Trends befänden, es ist lediglich ein verzweifeltes Treten gegen die eigene Bedeutungslosigkeit. All das Gefasel um "Wir haben G-Rap revolutioniert" zum Trotz klingt 2017 nämlich niemand mehr wie Kollegah und Farid Bang – und das ist auch verdammt gut so. Langsam aber sicher merken Hörer wie Musiker im Deutschrap, dass es schön sein kann, mal auf Melodie zu achten, sich in Sachen Produktion auf verschiedene Einflüsse einzulassen (ja, sogar aus Frankreich!) und Hooks zu schreiben, die man gerne hören könnte. Und auch wenn der künstlerische Impact eines solchen Albums nichtiger kaum sein könnte, verkauft es sich ja doch wie warme Semmeln.
Alles feige Bitches, labert nicht von Stolz und Ehre/
Mann, was für Männer? Ihr seid Schafe, die gemolken werden/
Während wir Kings sind und es schamlos raushäng'n lassen/
Wie Bumaye seine Bauchspeckmasse/
(Kollegah auf "Die Letzte Gangsterrapcrew")
Und das, weil es sich gar nicht wie Musik verkauft. Verkauft wird das Drama, das Entertainment, die Provokation, die Persönlichkeit, die Marke. Nur die Songs halt nicht. Niemand steht in zwei Jahren noch hier und summt die Hook von "Sturmmaske Auf" vor sich hin. Keiner wird zu einem der Songs zurückkommen und den Beat wiedererkennen. Was die Fans interessiert, ist mehr die Idee, dass ein Song existiert, der sagt, dass Kollegah und Farid Bang wieder da sind. Dass der und der gedisst wurden. Und da steht "JBG 3" irgendwo im Regal zwischen YouTube-Prank und Videostatement zu irgendeinem Promobeef. Ein Event, ein Gesprächsthema, keine Frage. Aber wenn der Dezember vorbei ist, werden wir alle darüber hinweg sein, einen neuen Affen durchs Dorf treiben und auf Mitfahrgelegenheiten über andere Belanglosigkeiten quatschen. Und "Jung, Brutal, Gutaussehend 3" landet auf dem Müllhaufen der Geschichte. Als Furz im Wind, der kurz ein paar Leute glauben ließ, selbst der Sturm zu sein.
(Yannik Gölz)
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