1. Onkel der Nation
2. Ich bleibe
3. Wie ein Onkel
4. Willkommen im Affenhaus
5. Sie schämen sich nicht feat. PA Sports
6. Wer ist es
7. Richtig korrekt feat. Snaga
8. Passé
9. Kein bisschen reifer feat. Sido
10. Stummer Schrei feat. R.E.
11. Ärger in der City feat. Manuellsen
12. Hilfe
13. Keine Gegner mehr
14. Ein Mann ein Wort
Vermutlich werden nicht alle diese Meinung teilen, jedoch war 2016 für mich in vielerlei Hinsicht eine große Enttäuschung, nicht zuletzt musikalisch. Mit der Rückkehr der Absoluten Beginner und nicht zuletzt Pillath gab es jedoch auch ein größeres, freudiges Wiedersehen. Nach einer längeren Abstinenz kann man es häufig keinem wirklich recht machen. Wo "Onkel Pillo" mit viel Charme und Punchlines glänzen konnte, trübten eine mittelprächtige Produktion und eine allgemein spürbare Flapsigkeit den Eindruck. Auch so richtig im Hier und Jetzt war der Onkel mit der markanten Frise scheinbar nicht angekommen. Ein Jahr später war Oliver zurück und sorgte mit der ersten Single-Auskopplung "Wie ein Onkel" bereits für einige Kontroversen. Nicht Wenige warfen dem Ruhrpottler Ausverkauf, das bemühte Aufspringen auf den noch munter rollenden Trap-Hype-Train vor. Verantwortlich für den neuen Sound zeichnet der Produzent Gorex, welcher praktischerweise in der Nachbarschaft des Protagonisten groß wurde. Schafft der Lokalpatriot den Sprung ins neue Jahr oder bleibt er auf der Strecke? Beginnend mit dem namengebenden Titel, welcher sich als "dezent" pathetischer Auftakt entpuppt,der inhaltlich die Karriere Pillaths und damit auch unweigerlich die Snagas behandelt und in bissiger Selbstreflexion mündet, wurde das alter Ego geweckt, bereit, sich mit Reibeisenstimme sein zustehendes "Hak" zu holen. Die Nummer läuft rund und erinnert sehr an einen typischen Blockbuster-Auftakt. An der Stelle, an welcher das Lied endet, erwartet man sinngemäß in schweren, dreidimensionalen Lettern "Pillath" auf dem Desktop erscheinen zu sehen.
Bei Kritikern machen sich Zweifel breit/
Kann er zweifelsfrei herausstechen aus dem Einheitsbrei?/
Kann er als Solo-Act heut' noch so ein Highlight sein/
Zwischen Yolo-Swag und Autotune, ist das noch seine Zeit?/
(Pillath auf "Onkel der Nation")
Auch wenn das mitunter eine der wenigen technisch schwachen Stellen der Scheibe ist, so trifft sie den inhaltlichen Kern der Kritiker gekonnt, erzeugt nebenher noch massig Atmosphäre. Und dann startet "Ich bleibe" mit deepem Klavier, auf welchem um einige triviale, mollige Akkorde herummäandert wird. Verbunden mit dem Titel weckt dieser Anfang Urängste vor einem Schmalzfass epischen Ausmaßes. "Oh bitte nicht", ist alles, was mir durch die inneren Hirnwindungen schießt. Bitte, jetzt nicht gleich alles wieder ruinieren. Du hast doch so stimmungsvoll begonnen!
Alles nur ein Spaß, denn nach dieser heimtückischen Finte setzt krachend der eigentliche Beat ein. In den heutigen Zeiten würde nun ein geistig eingeschränkter Junge, höchstwahrscheinlich ein Youtuber, ins Zimmer stürmen und laut "It's just a prank, bro!" rufen.
Denn anstatt der angetäuschten Schnulze bekommt man einen ruppigen Beat, der trotz aktueller Drums und Trap Hi-Hat arg in den 2000ern stecken geblieben ist. Fanfaren-Synthie möchte man das Konzept liebevoll taufen, man kennt es ja. Es ist wie der eine Schulfreund, den man immer etwas weniger mochte als alle anderen, dem man dann natürlich auf der Straße trifft, und der sich natürlich auch nicht mit einer Minute Smalltalk abschmatzen lässt. Ein etwas angestaubter Representer, der in das bereits bekannte "Wie ein Onkel" übergeht. Ruhrpott-Schnauze meets Trap meets Muttergeficke und Fritten Rot-Weiß. Hier macht sich die Zusammenarbeit mit Gorex bezahlt, das Konzept funktioniert erstaunlich gut, insbesondere, da man auf stumpfes Kopieren verzichtet, einige Teile des totgelaufenen Konzeptes übernimmt, um dem Ganzen letztlich einen persönlichen Stempel aufzudrücken. 808-Drums hämmern, auf ausgeleierte Effekte wurde zum Glück verzichtet. Ab dieser Anspielstation geht es zunächst relativ konstant nach oben-vorne: "Willkommen im Affenhaus" entpuppt sich als erstes richtiges Highlight, der Beat zerrt an der Nackenmuskulatur, ein gut gelaunter Pillath teilt aus, nur um eine Station weiter mit PA Sports den Nachfolger von "Kranke Welt" vorzustellen. Kann man wie selbigen inhaltlich durchaus gutheißen: Geschossen wird auf Doppelmoral, Heuchler und die AfD. Derartige Titel sind jedoch weit verbreitet und "Sie schämen sich nicht" fällt nicht zuletzt durch sein formelhaftes Arrangement in dieser breiten Masse nicht weiter auf. "Wer ist es" ist dagegen der nächste Verwandte von "Wie ein Onkel". Auch hier wird Trap impliziert und dennoch umgebaut. In hart. Wer hier androgyne Kinder mit Autotune vor Augen haben sollte, dürfte sich auf eine Überraschung bereit machen.
Das gesamte Album kommt wesentlich reifer und detailreicher als das Comeback ("Onkel Pillo") aus 2016 daher. Die Beats sind etwas abwechslungsreicher und teils eine ganze Generation jünger, die Texte wieder auf gewohnt gutem Niveau. Die generischen "Kopf-Hoch-Bruder"-Nummern sind indes genauso vorhanden wie die Punchline-Bomber. Ein Vertreter dieser Gattung stellt das Highlight und vermutlich auch den Track da, der die Menschen am meisten interessieren dürfte: "Richtig korrekt" in Zusammenarbeit mit Snaga belastet wiederholt die regio nuchae, währenddessen macht das Dreamteam da weiter, wo sie mit "PS: S.P" vor einem Jahr aufgehört hatten. Keine Um-Die-Ecke-Denk-Punchlines, nein, Ein- bis Zweizeiler, die kompromisslos und rheinisch platt direkt da einschlagen, wo's wehtut. Auch wenn es meistens unglaublich stumpf ist, muss ich doch instinktiv breit grinsen, wenn Snaga ohne Schulterblick über Bitches rollt. Die Synergie der beiden ist jederzeit vorhanden und lässt vage Hoffnungen auf ein gemeinsames Release keimen.
Ich mach oberkörperfrei/
Kniebeugen auf meinem dritten Bein/
Im Arsch deiner Mutter drin/
Du sagst 'Lass das bitte sein!'/
(Pillath auf "Richtig korrekt")
Ab dann flacht es leider wieder ab, "Passé" hält zumindest noch die treibende Atmosphäre aufrecht. Dann offenbaren sich auch Schwachstellen im ansonsten stabilen Pott: Sido ist erwachsen geworden. Und so sehr mich das auch für ihn freut, nach dem gefühlt 372ten Mal kann ich diese lustlosen und absolut austauschbaren "Früher-war-x-und-jetzt-guck-mal-heute"-Parts nicht mehr hören; eine zwar schelmische, dennoch radiotaugliche Single, die sich eher zum Skippen denn zum Hören eignet. "Stummer Schrei" kann zwar inhaltlich überzeugen, Momente, in denen einem Dinge auf der Zunge liegen bleiben, statt sie anzusprechen, werden kurz, dafür eindrücklich umschrieben. Die Hook von R.E. würde zwar so auch auf einem Andreas-Bourani-Album nicht weiter auffallen, hier wirkt sie hingegen schlicht deplatziert. Auch Manuellsen ist wieder mit von der Partie. Anstelle einer unpassenden Gesangshook zieht der Hüne aus dem Pott in Hook und Part die lyrische Quarzsandhandschuhe an. Das Album endet wortwörtlich durchmischt: Etwas Kritisch-Deepes ("Hilfe"), etwas Punchlinelastiges auf einem orientalischem Instrumental ("Keine Gegner mehr") und etwas Pathetisches ("Ein Mann ein Wort") zum Ende. Ein passender Ausklang einer Scheibe, deren grundlegend positiver Eindruck vor allem durch die schablonenhaften, deep-kritischen Anspielstationen getrübt wird. Durchweg sympathisch bleibend ist der "coolste Mann mit Glatze (…) noch vor Heiner Lauterbach" in weiten Teilen im Jahr 2017 angekommen, ohne sich verbiegen zu müssen. Weiter so.
Andreas 'Aepp' Haase
P.S.: Kleine Preisfrage an die jüngere Generation: Na meine Kleinen, wer ist Heiner Lauterbach? Der Gewinner erhält ein Tamagotchi.
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