Wenn Reutlingen die Faust für Ferguson hebt: die Globalisierung der Lebensrealitäten


  • Vor einer guten Weile kam ich in den Genuss, Akua Naru in Reutlingen live zu sehen. Als Verfechterin der Black Culture, als Musterbeispiel für klassischen Conscious Rap gilt die in Conneticut geborene Rapperin und befindet sich derzeit mitsamt Jazzband auf Europatorunee - die sie auch in meine verschlafene Gegend verschlagen sollte. An meiner Seite hefteten sich also Kumpel und Kumpelin aus Karlsruhe und Tübingen – ich selbst aus Ulm – und gemeinsam begaben wir uns in einen der wenigen Läden im Umkreis, in dem tatsächlich hin und wieder interessante Liveacts aus aller Welt auftreten und treffen auf das übliche Publikum: Vorrangig Studenten, ältere Schüler, größtenteils linksgerichtet, nicht aus allzu armem Haushalt stammend und in der süddeutschen Provinz aufgewachsen. Als der Act des Abends dann endlich die Bühne betrat, hätte diese Akua Naru in pechschwarzer Kleidung und ihre Jazzband keinen stärkeren Kontrast bilden können. Und mit einem unglaublichen Charisma hat die Rapperin den Laden verdammt nochmal gerockt, gerockt mit jazzigem BoomBap, mit immenser Liveroutine und allem voran: mit politischen Statements.
    Gegen Trump, gegen Polizeigewalt, gegen Rassismus und Diskriminierung gegenüber Schwarzen in Amerika und der Welt. Als Geschichtsschreiberin, als Historikerin verstand sie sich, in der Pflicht, kontemporäre Ereignisse für die Welt und Nachwelt zu konservieren. Und all dies wirkte durch die Nähe, das Tempo und die Lautheit so intensiv, so mitreißend und so selbstverständlich, dass die klimatisch zum Ende hin gestellte Forderung, für die Bewegung ihrer Leute die Faust zu heben, so offensichtlich und einleuchtend erschien, dass jede Faust im gesamten Raum gen Himmel gerichtet war, inklusive meiner und inklusive der meiner Freunde. Auf einmal waren wir also alle Ferguson, wir waren alle Baltimore, alle Black Lives Matter, eine Halle voller weißer Fäuste in Reutlingen, irgendwo in Schwaben. Erst gut zwei Stunden später – um halb zwei am Tübinger Hauptbahnhof, mit einem Döner in der Hand – kam mir ein seltsamer Gedanke und ich fragte:


    "Was haben wir jetzt eigentlich gelernt?"


    Keine Sorge, dies wird keiner von diesen ermüdenden "Wer darf was"-Texten, genauso wenig will ich in irgendeiner Form Akua Naru kritisieren – im Gegenteil, ihre Show war ohne Übertreibung gesprochen großartig. Solltet Ihr je die Gelegenheit bekommen, sie live zu sehen, solltet Ihr sie auf jeden Fall wahrnehmen! Mein Problem nur, oder eher noch die Frage, die ich mir nun stelle, ist eine Generellere: Inwiefern lassen sich Probleme und politische Themen globalisieren und exportieren?
    Als intensive Hörer und Fans von US-Rap bekommen wir es immer wieder mit Geschichten von Diskriminierung und systematischem Rassismus zu tun. Staatsgewalt, Police Brutality, der Rassenkonflikt, den wir in Deutschland in dieser Form nur vom Hörensagen kennen wird immer wieder hautnah greifbar gemacht und intensiv erfahrbar. Meistens agieren wir dann als Publikum gewissermaßen als Echokammer, stimmen den Künstlern allein durch ihr Performance-Charisma uneingeschränkt und grundsätzlich zu. Wir bekommen das Gefühl, Teil einer Debatte und dementsprechend sogar Teil einer Lösung sein zu können. Und doch stoßen wir andernorts wieder auf militantere kulturelle Gegeneinstellungen wie von einem Lord Jhamal oder KRS-One, in denen HipHop als vorrangiges Sprachrohr der schwarzen Community verstanden und ein Zeitalter mit MCs aus Australien, Schweden, Südafrika und Korea tendenziell skeptisch begutachtet wird. Dabei ist das Genre schon seit Dekaden global, die Hörerschaft war selbst im Untergrund der Achtziger teilweise eine internationale. Als Public Enemy etwa ein Jahrzehnt später maßgeblich dazu beitrug, die afroamerikanische Identität für eine neue Generation zu formulieren, hörten auch zahllose Weiße begeistert zu. Welche Konsequenzen hat das?


    Das Thema lässt sich an dieser Stelle ausdehnen. Wir sind es gewohnt, reaktionär zu den Krisen und Ereignissen um den Erdball solidarisch Charlie zu sein, Black Lives Matter zu unterstützen und wahlweise für Syrien, Jemen, Somalia oder sonst wo zu "beten", wenn die Informationen über diese Themen wie Dramen-Fastfood mit viel zu viel Wahrheitsgehalt durch alle Formen und Instanzen von Presse, Kultur und Kunst gespült werden. Unser Mitgefühl mag aufrichtig sein, aber abgestumpft und matt. Die Massenmorde in Afrika, der Rassismus in den Staaten, die Ausbeutung von Menschenleben in Teilen Asiens, der Krieg im Nahen Osten, der Rechtsruck in Europa, die sozialen Probleme in der Heimatstadt, der Burn-Out des Nachbarn, die Depression des besten Freundes und die immerwährende lähmende Zukunftsangst in uns selbst ist allgegenwärtig und gleichzeitig, jeden Tag und in jedem Moment. Unsere ohnmächtige, symbolische Solidarität mit all den Menschen auf diesem Planeten, die sich mit aller Kraft gegen diese Probleme stemmen, ist womöglich nichts als ein unbeholfener Abwehrreflex gegen die unglaubliche Absurdität unserer Zeit und Welt.
    Wenn ich also die Faust für Akua Naru hebe, welches Statement setze ich damit? Habe ich in diesem Moment meinen Beitrag zur Rassismusproblematik in Amerika geleistet? Mitnichten. Falls ich nach dem Konzert mit geballter Handfläche nach Hause fahren und das Thema für mich persönlich abhaken sollte, dann verkommt die Einsicht in die Perspektive von Akua Naru zu einem wertlosen Feel-Good-Event für mein politisches Ego. Slacktivism in reinster Form, quasi. Dabei erlaubt sie mir nicht nur, von ihrer Perspektive zu lernen, sondern wird diese Perspektive durch die Kunst auch für mich erfahrbar gemacht. Die Werte und Gedanken eines Menschen, der sich den Problemen seiner Lebensrealität mit aller Kraft entgegenstemmt und dadurch aktiv wird.
    Und performen Artists, sei es nun Akua Naru oder auch A Tribe Called Quest oder Kendrick Lamar über amerikanische Sozialprobleme, mag das weiter von uns entfernt sein als eine Schilderung deutscher Sozialbrennpunkte oder Integrationskonflikte in der Musik eines Haftbefehls. Und auch ein Haftbefehlsches Offenbach mag weiter von uns entfernt sein, als wenn Künstler wie Prezident oder Tua identifizierbar Paradoxien und Grotesken des Menschen in der westlichen Welt offenlegen. Kommen all diese Themen und Blickwinkel zusammen, erleben wir eine Globalisierung der Kunst, eine Weltliteratur eines Genres, die sich ganz selbstverständlich durch unseren Konsum ergibt – und diese erlaubt es uns, einen Bewusstseinshorizont für nahezu alle Themen dieser Welt zu entwickeln, auch wenn dieser natürlich niemals vervollständigt werden kann.
    Dieser von Zeit und Raum unabhängige Pluralismus aus individuellen Perspektiven ermöglicht es uns, Eindrücke und Erfahrungen zu sammeln wie keine Generation vor uns. Ließe sich aus dem Kollektiv all dieser Problemchronologisierungen ein kleinster gemeinsamer Nenner konstruieren, könnte dieser durchaus inspirierend sein: Vielleicht sollten wir aktiv auf unsere Probleme zugehen, wie auch immer diese geartet sein mögen, vielleicht sollten wir aktiv darüber sprechen und kommunizieren und zueinander hinbewegen, um die Probleme Schritt für Schritt auszuräumen. Ein jeder von uns hat die Möglichkeit, jede Perspektive einzunehmen und jede Argumentation zu hören und auch seine eigene Perspektive hörbar zu machen – es gibt theoretisch keine Ausreden mehr für Missverständnisse zwischen uns. Und dieses Bewusstsein schafft einen faktischen Mehrwert in jener symbolischen Solidarität und macht aus einer gehobenen Faust für Ferguson in Reutlingen ein Symbol, von dem wir alle profitieren könnten. Womöglich sind wir nun die erste Generation dieser verrückten Menschheit, die ein kollektives, globales Bewusstsein der Progressivität entwickeln könnte – und die Kultur (jeder erdenklichen Form!) ist allein durch die Sichtbarmachung all dieser Blickwinkel ein unglaubliches Vehikel dafür.


    Dementsprechend will ich diesen Artikel nicht als Moralpredigt verstanden wissen, sondern als Anstoß für eine Diskussion: Wie lassen sich Informationen von einer Lebensrealität auf eine andere ableiten, auch wenn diese eventuell eine gänzlich andere ist? Was können wir aus all der Kunst dieser Welt lernen? Jeder Gedanke in diesem Feld könnte uns individuell darin voranbringen, wie wir mit Kunst und Kultur umgehen. Denn am Ende des Tages wollen wir in der Kunst – sei es Akua Narus HipHop oder jede erdenkliche andere Form – ja nicht nur schauen, sondern auch sehen.



    (Yannik Gölz)

  • Wollte nur mal sagen, dass Akua Naru eine race-baitende, weißenhassende BLM-Aktivistin ist, der auf dieser Seite definitiv keine Plattform für ihre toxische Ideologie gegeben werden sollte.

  • Zitat

    Wie lassen sich Informationen von einer Lebensrealität auf eine andere ableiten, auch wenn diese eventuell eine gänzlich andere ist?


    Dieser Satz ist Beweis genug dafür, dass du halt einfach nur einen Text schreiben wolltest und nicht so recht wusstest, worüber eigentlich.

  • Dieser Satz ist Beweis genug dafür, dass du halt einfach nur einen Text schreiben wolltest und nicht so recht wusstest, worüber eigentlich.


    Das Argument ist Blödsinn... man kann Dinge doch auf eine höhere Ebene abstrahieren und dann wieder rückbeziehen?

  • Das Argument ist Blödsinn... man kann Dinge doch auf eine höhere Ebene abstrahieren und dann wieder rückbeziehen?


    Im Sinne der Kunst, wie hier argumentiert wird, halte ich die Behauptung für sehr gewagt. Eine Vorgehensweise zur Interpretation von Kunstwerken zu abstrahieren und auf die Lebensrealität zu extrapolieren ist mir vielleicht einfach nur zu geisteswissenschaftlich.


    Black Culture, Trump und co finden hier nicht in dem Ausmaße statt, weswegen im übertragenen Sinne argumentiert werden muss. Allerdings lässt sich BLM und der US-amerikanische Pluralismus nur schwerst auf deutsche Politik und Probleme übertragen. Bei Allgemeingültigkeit des von mir zitierten Satzes dürfte man mit diesem Argument alles und nichts miteinander verknüpfen, der Satz ist in erster Linie nämlich aussagelos und inhaltsleer.

  • Verstehe ehrlich gesagt nicht so hundert Prozent, was dein Problem damit ist?


    Dann kuck halt meinen Beitrag ein paar Meter darunter an.


    In erster Linie hab ich kein Problem. Du warst auf einem Konzert, das hat dir gefallen und du wolltest einen Text darüber schreiben. Die Natur der Dinge bringt dann eben mit, dass du nach einem hintergründigen Thema suchst, um dein vordergründiges interessanter und für alle lesbar zu gestalten.


    Zitat

    Dabei erlaubt sie mir nicht nur, von ihrer Perspektive zu lernen, sondern wird diese Perspektive durch die Kunst auch für mich erfahrbar gemacht.


    Weil sie es mit Musik untermalt, verstehst du es besser?


    Zitat

    Falls ich nach dem Konzert mit geballter Handfläche nach Hause fahren und das Thema für mich persönlich abhaken sollte, dann verkommt die Einsicht in die Perspektive von Akua Naru zu einem wertlosen Feel-Good-Event für mein politisches Ego.


    Weil sie es mit Musik untermalt hat, musst du im Nachhinein im Sinne der Gesellschaft mehr darüber nachdenken?


    Zitat

    Ließe sich aus dem Kollektiv all dieser Problemchronologisierungen ein kleinster gemeinsamer Nenner konstruieren, könnte dieser durchaus inspirierend sein: Vielleicht sollten wir aktiv auf unsere Probleme zugehen, wie auch immer diese geartet sein mögen, vielleicht sollten wir aktiv darüber sprechen und kommunizieren und zueinander hinbewegen, um die Probleme Schritt für Schritt auszuräumen.


    Klassischer Fall von Germanistik-Erstsemester: "Kommunikation ist der Weg zum Erfolg" wäre kürzer gewesen.


    Ich will nicht stänkern. Du hast jedes Recht dazu, einen Text zu schreiben und den zu veröffentlichen, Hut ab. Aber den hier find ich halt müllig und das ist dann mein Recht.


  • Mh, ich sehe deinen Punkt, aber ich glaube, du siehst da viel mehr ein persönliches Feindbild der zu verkopft geschriebenen Pseudoakademikertexten drin und lässt dich deswegen nicht so recht darauf ein, was ich eigentlich sagen will (und ich versteh das jetzt wo du es sagst, hab mit der Sprache wirklich etwas dick aufgetragen, der Text ist zwischen zwei Hausarbeiten entstanden). Mein Punkt ist nicht, dass ich auf einem Konzert war und es cool fand, deswegen ist Kommunikation supi, sondern dass ich auf einem Konzert mit einem Thema konfrontiert worden bin, das eben nicht Teil meines Alltags ist und darauf hinterfragt habe, was für eine Rolle Kunst als Kommunikationsmittel in solchen Situationen einnehmen kann - und sobald ich eben diesen Sprung gemacht habe, war ich eben auf der allgemeinen Abstraktionsebene und habe nicht mehr ausschließlich über Reutlingen geschrieben. Die Frage ist also, inwiefern Kunst es ermöglichen kann, unbekannte Perspektiven auf verschiedenen Ebenen nachzuvollziehen und den Horizont in verschiedene Richtungen zu erweitern, was eben dadurch auch gewissermaßen ein Phänomen der Globalisierung ist.


    e: Will dir jetzt ja auch gar nicht ausreden, den Artikel nicht zu mögen, is dein gutes Recht. Hatte nur das Gefühl, dass du den Punkt irgendwo missverstehst

  • Wollte nur mal sagen, dass Akua Naru eine race-baitende, weißenhassende BLM-Aktivistin ist, der auf dieser Seite definitiv keine Plattform für ihre toxische Ideologie gegeben werden sollte.


    Aber frei.wild Werbung geht klar.

    "Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen....sie brauchen nur ein paar Waffen" [I]Longinus[/I]
  • Du kannst dir deine apologetischen Offtopic-Strohmänner in deinen Popo schieben.


    Ich habe weder Sie verteidigt noch bin ich Fan der BLM Bewegung, inwiefern ist mein Kommentar apologetisch?

    "Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen....sie brauchen nur ein paar Waffen" [I]Longinus[/I]
  • Magic kommt von spirit und spirit kommt von einem intensiven ohr. .... wenn die eine bühne so langsam abgebaut wird wird die andere so langsam aufgebaut udn irgendwo dazwischen sollte doch der quer pass in den raum kommen, doch sorgt für verwirrung?

  • Wär schon möglich? Stoff? das kommt drauf an was den für stoff??? also bestimmt doch nicht DAS!........................................................ ............... rauschmittel.

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